Inhaltsverzeichnis
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Kommentar
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Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2698
Die Nekrophore
Die LEUCHTKRAFT kehrt zurück – Alaska Saedelaere trifft eine Entscheidung
Uwe Anton
Wir schreiben das Jahr 1470 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5057 christlicher Zeitrechnung. Auf bislang ungeklärte Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.
Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen, die sich alles andere als freundlich verhalten. Nach zahlreichen Verwicklungen kann jedoch Reginald Bull einen Waffenstillstand erreichen.
Nun müssen die Menschen ein Eindringen QIN SHIS befürchten, jener negativen Superintelligenz, die sich dieses Taschenuniversum geschaffen hat. Allerdings konnte der Feind nicht damit rechnen, dass sich seine ehemaligen Verbündeten neu orientiert haben und an der Seite Terras stehen.
In der Galaxis Escalian und in dem kleinen Universum treiben nun alle Pläne ihrer Erfüllung entgegen: QIN SHI möchte das Taschenuniversum beherrschen, aber Delorian Rhodan und Samburi Yura ebenfalls – während Perry Rhodan ein solches Experiment für ebenso gefährlich und töricht hält wie die Kosmokraten. Doch während Rhodan nichts zu bieten hat als Worte, greifen die Kosmokraten zu einem anderen Mittel. Es ist DIE NEKROPHORE ...
Perry Rhodan – Der ehemalige Ritter der Tiefe hat Probleme innerhalb der Familie.
Der Kommandant – Der ehemalige Wächter der Nekrophore versucht, den Willen seiner Herrn durchzusetzen.
Delorian Rhodan – Der ehemalige Chronist von ES verfolgt seinen Plan eines Neuroversums.
Samburi Yura – Die ehemalige Beauftragte der Kosmokraten geht ihren eigenen Weg.
Aus dem Nichts
Die LEUCHTKRAFT materialisierte unter schweren Erschütterungen des Raum-Zeit-Gefüges.
Ein Beobachter hätte ein kobaltblaues, walzenförmiges Schiff von 2000 Metern Länge und einem Durchmesser von rund 500 Metern ausgemacht, aber nur diffus, verschwommen, als existiere es in einer anderen Dimension. Es war im Normalraum vorhanden und gleichzeitig nicht.
Das Schiff entstammte einer ähnlichen Baureihe wie die blauen Walzen, die von anderen Beauftragten der Kosmokraten benutzt wurden, unterschied sich von jenen aber durch die geringere Größe, die geringere Wahrnehmbarkeit und eben jenes in Farben und Struktur unberechenbare, changierende Äußere.
Aber diesen Beobachter gab es nicht. Die kobaltblaue Walze blieb ungestört. Bereits vor mehr als 24 Stunden war sie am Rand des Systems von Steuerwelt I erschienen, allerdings perfekt getarnt. Nun hatte sie die Tarnung aufgegeben und zugleich eine ungedämpfte Standtransition vollzogen, die die Erschütterungen hervorgerufen hatte.
Steuerwelt I war der zweite von vier Planeten eines orangefarbenen K-Sterns am Rand der Zwerggalaxis Dranat, eine rund 6700 Kilometer durchmessende Welt nahezu ohne Atmosphäre. Rötlich beiges Licht tauchte die zahlreichen Krater, Gebirge und Ebenen des Planeten in trügerisches Halbdunkel. Leben gab es dort keines, zumindest kein angestammtes und zumindest nicht auf der ungeschützten Oberfläche.
Der Kommandant der LEUCHTKRAFT hatte so lange ausgeharrt, wie er es für vertretbar hielt, und nun verspürte er einen gewissen Zeitdruck. Er hatte befohlen, ihre Anwesenheit zu enthüllen, und zwar mit einigem Theaterdonner. Jeder sollte wissen, dass das Schiff der Kosmokraten eingetroffen war.
Es gab mehrere Gründe für die Unruhe, die ihn überkam. Oder vielleicht nur einen, dessen Folgen noch unabsehbar waren.
Der Weltraum rings um das Steuerwelt-System war aufgewühlt. Die Ortungsgeräte der LEUCHTKRAFT maßen permanent heftige Strukturerschütterungen und beträchtliche Aufrisserscheinungen an. Raum und Zeit befanden sich zweifellos weiträumig im hyperenergetischen Aufruhr. Der Bereich des Sonnensystems selbst sowie der umgebende Weltraum von inzwischen rund einem Lichtjahr Durchmesser war allerdings fast frei von irgendwelchen Turbulenzen, während der aufgewühlte Sektor ringsum mittlerweile einen Durchmesser von zehn bis fünfzehn Lichtjahren aufwies. Fast wirkte das System wie ein Auge im Sturm, ganz so, als würde das komplette System langsam aus dem Standarduniversum gerissen.
In ursächlichem Zusammenhang mit diesen Störungen standen womöglich die 48 Blütenblätter der Zeitrose, die mit ebenso vielen Raumschiffen verbunden waren und einen Kreis von rund vier Millionen Kilometern Durchmesser um die Steuerwelt bildeten. Von diesen 48 Punkten erstrecken sich ebenso viele violett glühende Bahnen über rund 50 Millionen Kilometer nach oben und formten dort hoch über der Ekliptik einen Ring von annähernd zwanzig Millionen Kilometern Durchmesser.
Das war der vom BOTNETZ geschaffene Dimensionstunnel. Das Ringinnere war von einem sonderbaren violetten Wogen durchdrungen, das den Kommandanten an rasch ziehende Wolken erinnerte. Vereinzelt konnte die Ortung zwischen ihnen abgrundtiefe Schwärze ausmachen. An anderen Stellen im Ringinneren tobten heftige Blitzentladungen. Die Strukturtaster maßen dort heftige Erschütterungen an, fast so, als transitierten beachtliche Massen.
Kurz zuvor waren zwei in bläulich transparente Schutzschirme gehüllte Riesenkugeln durch die Dimensionstunnel-Öffnung in das Miniaturuniversum vorgedrungen, das sich auf der anderen Seite befand, und aus der Ortung verschwunden. Der Bordrechner hatte während des Durchflugs aus den Messdaten im Dimensionstunnel eine hohe strukturelle Instabilität der unbekannten Anomalie berechnet.
Fast zeitgleich war die negative Superintelligenz QIN SHI in ihrer Avatar-Gestalt erschienen: einer Miniatursonne von etwa fünf Kilometern Durchmesser, die in grellem Rot flackerte. Minutenlang verharrte QIN SHI an Ort und Stelle, dann maß die LEUCHTKRAFT eine komplexe sechsdimensionale Präsenz an, allerdings nur in der Hyperortung. Normaloptisch war sie nicht auszumachen.
Die Ortung der LEUCHTKRAFT identifizierte sie als ARDEN, eine Teilentität von TANEDRAR. Aber ARDEN schien nicht den direkten Kampf mit QIN SHI zu suchen, sondern wich aus, schien QIN SHI von dem Dimensionstunnel-Durchgang fortlocken zu wollen. Parallel stellten die Instrumente des Schiffes fest, dass Bewusstseinsfragmente aus ganz Escalian in einem steten Strom zu ARDEN flossen.
Für den Kommandanten der LEUCHTKRAFT war die Situation damit zu unübersichtlich geworden, und er hatte den Befehl zum Eingreifen erteilt. Ein durch die Zentrale seines Schiffes schweifender Blick war ihm Mahnung genug gewesen. Sie war bei Weitem noch nicht wieder völlig wiederhergestellt. Die Schäden waren bei dem Kontakt mit einer anderen, aber durchaus ähnlichen Anomalie entstanden.
Offenbar vertrugen sich blaue Kosmokratenwalzen und solche künstlichen Mini-Universen nicht besonders, was daran liegen konnte, dass Schiffe wie die LEUCHTKRAFT sich zwischen den Universen bewegten und besonders anfällig bei solchen Berührungen reagierten.
Der Kommandant räusperte sich. Wollte er damit seine Unsicherheit überspielen?
Unsicherheit? Er war der amtierende Befehlshaber des mächtigsten Schiffes in diesem Teil des Universums. Nichts und niemand konnte der LEUCHTKRAFT gefährlich werden.
»Sendet die vorbereitete Nachricht«, sagte er.
»Und sorgt dafür, dass sie auf allen Schiffen empfangen wird, auch auf den noch getarnten in der näheren Umgebung.«
Vor ihm bildete sich ein Holo. Es zeigte das Symbol, das in diesem Augenblick gesendet wurde.
Eine golden leuchtende Doppelhelix, die sich majestätisch langsam drehte.
Die Doppelhelix von psionischen Feldern aus ultrahochfrequenter Hyperenergie war das Symbol für den Moralischen Kode, der alle Universen im Multiversum durchzog. Jeder, der etwas von kosmologischen Zusammenhängen verstand, würde sie sofort als eindeutiges Symbol für die Kosmokraten erkennen.
Eine Stimme ertönte, tief, Ehrfurcht gebietend. Es war nicht die des Kommandanten, sondern eine künstlich generierte, die ihren Zweck besser erfüllte, als ihm dies möglich war.
»Hier spricht der Kommandant der LEUCHTKRAFT im Auftrag der Kosmokraten.
Wir fordern QIN SHI auf, die Versuche, ein eigenes Universum zu schaffen, das sich der Kontrolle der Kosmokraten entzieht, sofort zu beenden und das Miniaturuniversum zu zerstören.
Wir verlangen von der ehemaligen Kommandantin der LEUCHTKRAFT, Samburi Yura, ihr Wirken gegen die Kosmokraten umgehend zu beenden und an Bord der LEUCHTKRAFT zurückzukehren, um sich wieder in den Dienst der Kosmokraten zu stellen und ihrer Bestrafung entgegenzusehen. Sollten diese beiden Forderungen nicht erfüllt werden, werden wir den gesamten Raumsektor von Escalian mit einer Nekrophore angreifen, die sich an Bord der LEUCHTKRAFT befindet.«
Perry Rhodan stockte der Atem, als er die Nachricht der LEUCHTKRAFT hörte. Er bezweifelte nicht, dass sie überall in weitem Umkreis zu empfangen war, also nicht nur im Weltenschiff, sondern auch in der TOLBA und in Ennerhahls modifizierter Lichtzelle.
Die LEUCHTKRAFT!
Wie war das möglich? Alaska hatte doch behauptet ...
Saedelaere räusperte sich. Der Mann mit der Maske sah Rhodan an. Ihm schien nicht wohl in seiner Haut zu sein. »Vielleicht liegt es an mir, dass die LEUCHTKRAFT das Reich der Harmonie erreichen konnte. Vielleicht habe ich sie hierher geführt ...«
Rhodan kniff die Augen zusammen. Alaskas Maske verhinderte, dass er sein Gesicht unmittelbar sehen konnte. Sie bestand aus weicher, gesichtsstrukturbetonender technoider Nanoseide und umschloss, porzellanfarben und sanft geschwungen, fast den gesamten Kopf. Doch unter dem dünnen Material schien es hell zu flackern, ein Zeichen dafür, dass Saedelaere sehr aufgewühlt und das Fragment aktiv war.
Alaska zuckte die Achseln. »Vielleicht konnte die LEUCHTKRAFT meinen Zellaktivator orten ... oder mein Cappinfragment ...? Das Reich der Harmonie konnten die Hohen Mächte ja nicht einsehen.«
Was ausschließlich TAFALLA verschuldet hatte. Dieser Bestandteil TANEDRARS war während einer Patrouille den Psiqs und Nega-Psiqs im Inneren des Kosmonukleotids TRYCLAU-3 zu nahe gekommen. Ungeklärt war, ob es sich dabei tatsächlich um einen reinen Zufall infolge der aufgewühlten Bedingungen beim Kosmonukleotid gehandelt hatte oder ob es möglicherweise eine Macht im Hintergrund gab, die genau dieses Ergebnis hatte erzielen wollen.
Die Mächte der Ordnung und des Chaos lieferten sich einen heftigen Kampf um das Kosmonukleotid. Die Psionischen Informationsquanten – kurz: Psiqs – und ihr entartetes Pendant, die Nega-Psiqs, trugen zusätzlich zur Verwirrung bei.
Nega-Psiqs beinhalteten Fehlinformationen über negative potenzielle Zukünfte. In der Regel wurden sie abgesondert und hatten keine Gelegenheit, ein Kosmonukleotid als Messenger zu verlassen. Sie sammelten sich in Informationspools mit negativer Tendenz und lösten sich dann irgendwann auf, weil die Aktivität der Psiqs überwog.
Doch genau mit diesen Fehlinformationen war TAFALLA in TRYCLAU-3 heftig konfrontiert und von ihnen im wahrsten Sinne des Wortes heimgesucht worden, als er beim ersten Einsatz der 48 Blütenblätter der Zeitrose durch TRYCLAU-Tor ins Innere des Kosmonukleotids geraten war.
Rhodan schaute in die Runde. Gucky wirkte apathisch und sehr betroffen. Mondra schien auch nicht zu wissen, was sie sagen sollte, und Nemo Partijan hatte ein Pokerface aufgesetzt, als sei er damit beschäftigt, die neuen Informationen erst einmal gründlich zu analysieren. Lediglich Eroin Blitzer hantierte an den Kontrollen des Weltenschiffs, als ginge ihn das alles nichts an.
Dabei musste die Lage für ihn besonders unangenehm sein. Der Zwergandroide stammte schließlich von der LEUCHTKRAFT. Rhodan fragte sich unwillkürlich, welchen Einfluss seine ehemaligen Herren noch auf ihn hatten.
Rhodan gab sich einen Ruck. »Wir können im Augenblick nicht klären, ob Alaska von irgendjemandem manipuliert wurde und die LEUCHTKRAFT unwissentlich nach Escalian geführt hat. Das ist auch nicht unser größtes Problem. Wir müssen die Drohung der LEUCHTKRAFT sehr ernst nehmen. Eine Nekrophore ... in der Hand der Kosmokraten ...«
»Sie werden sie nicht zünden«, sagte Gucky. »Nicht die Kosmokraten. Das würde allem widersprechen, was ...«
»Sie waren noch nie sehr rücksichtsvoll bei der Wahl ihrer Mittel«, hielt Mondra Diamond nachdrücklich dagegen. »Selbst wenn diese Mittel aus dem Arsenal ihrer Gegner stammen.«
»Eine Nekrophore«, wiederholte Rhodan. Er hatte gewusst, dass sich eine an Bord der LEUCHTKRAFT befand. Alaska hatte es ihm mitgeteilt, und er hatte es auch dem Bericht der Proto-Enthonin Anaree entnommen. Angeblich hatte Samburi Yura sie gestohlen und an Bord der LEUCHTKRAFT gebracht.
Bei Nekrophoren handelte es sich um silbern polierte Container-Fässer, Behälter mit einer Höhe von ziemlich genau fünfzehn und einem Durchmesser von acht Metern. Ihre Deckflächen wiesen auf den gegenüberliegenden Seiten insgesamt zwei Symbole auf, je einen Quadratmeter groß, zwei Kreise aus Hunderten kleiner roter Punkte, unregelmäßig verteilt wie die Atome in einem verwirbelten Gas. Nekrophoren konnten direkt eingesetzt werden, indem sie in einer Galaxis ausgeschleust, oder indirekt, indem sie in die parallele Wirklichkeit eines Kosmonukleotids eingeschleust wurden.
Sie waren die wirkungsvollsten Massenvernichtungsmittel, die den Hohen Mächten bekannt waren. Die nach Aberbilliarden zählenden Koagulate, die in der Nekrophore gefangen waren, entwichen im Augenblick der Öffnung des Behälters und lösten die Nukleotide Pest aus. Sie entmaterialisierten wie unter einem Funkenregen, verteilten sich entlang der Gravitationslinien einer Galaxis und traten dort wieder ins vierdimensionale Kontinuum ein, wo sich große Mengen von Vitalenergie ballten – in der Regel also bei besiedelten Planeten.
Die Koagulate bestanden aus Ballungen von dreißig bis vierzig Milliarden einzelner Biozide und stellten gewissermaßen antipsionische Wirkungsquanten dar. Die dreißig bis vierzig Milliarden am höchsten entwickelten Lebewesen des Planeten, also auf jeden Fall alle intelligenten Bewohner der betroffenen Welt, wurden von den Bioziden als Ziele identifiziert. Jedes Biozid koppelte sich an ein Lebewesen und bewirkte eine spontane Verbrennung jeglicher Vitalenergie.
Die gesamte befallene Planetenbevölkerung unterlag daraufhin einer unkontrollierten, spontanen Mutation, die mit dem Tod endete. Die Freisetzung des Inhalts einer vollständigen Nekrophore war gleichbedeutend mit einer galaktischen Katastrophe, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit verbreitete und von einer Vielzahl hyperphysikalischer Phänomene begleitet wurde.
»Die Kosmokraten werden die Nekrophore nicht freisetzen«, sagte Nemo Partijan nachdenklich, als habe er seine Analyse endlich abgeschlossen. Das Gesicht des Hyperphysikers war starr. Er schien über eine hypothetische und nicht über eine reale Bedrohung zu sprechen. »Sie würden mit Kanonen auf Spatzen schießen. Diese Drohung lässt sich nicht mehr steigern!«
»Die Kosmokraten wurden getäuscht«, widersprach Rhodan. »Hereingelegt. Samburi Yura hat sie hinters Licht geführt. Und auf lange Sicht stellt das BOTNETZ eine Bedrohung für ihre Herrschaft dar, wie es sie noch nie gegeben hat. Ein Universum ohne einen Moralischen Kode, außerhalb des Einflusses durch die Hohen Mächte ...«
Wehret den Anfängen, dachte er. Ist ihnen zuzutrauen, dass sie eine gesamte Galaxis auslöschen, ja vielleicht sogar einen gesamten Galaxiencluster, bevor sich die Entwicklungen zu einem Flächenbrand ausweiten, der für sie den Anfang vom Ende bedeuten kann?
Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass die Hohen Mächte langfristig dachten und Wesen aus den Niederungen deren Motive und Beweggründe nicht immer nachvollziehen konnten.
»Wir müssen Kontakt mit der LEUCHTKRAFT aufnehmen«, sagte er. »Mit ihrem Kommandanten verhandeln.« Er redete sich ein, dass der derzeitige Befehlshaber der LEUCHTKRAFT kein Kosmokrat war und auch nicht wie einer dachte. Vielleicht ließ er sich überzeugen, von dieser wahnsinnigen Drohung Abstand zu nehmen.
Rhodan warf einen Blick auf die Ortungsholos. Sie zeigten die direkte Umgebung des Schiffes nur als diffuses rötliches Wallen und Leuchten; es waren weder Sterne noch Galaxien zu sehen. Das modifizierte ATG-Feld des Weltenschiffs war aktiviert und schützte und tarnte es gleichermaßen. Es rief eine Zeitverschiebung hervor, indem es Sholoubwas Schiff in die Labilzone einbettete.
Die Labilzone ließ sich weder genau dem Hyper- noch dem Linearraum zuordnen. Einst hatten Wissenschaftler sie als »noch nicht konkret ausgebildete Existenz mit variablen Konstanten« bezeichnet, als eine Art »noch nicht fertige Vor-Gegenwart«. Der Pararealist Sato Ambush hatte die These aufgestellt, dass es sich bei ihr um einen Bereich potenzieller und eher unwahrscheinlicher Paralleluniversen des Multiversums handelte, da das ATG-Feld letztlich ein eigenständiges Miniaturuniversum im übergeordneten Kontinuum generierte.
Schon wieder dieser Begriff, dachte Rhodan. Eigenständiges Miniaturuniversum ... Nun wollte Delorian auch eins schaffen, aber eins von gänzlich anderer Natur, ein richtiges Universum, das sich ungestört von den Hohen Mächten entwickeln konnte.
Rhodan bezweifelte allerdings, dass sich die LEUCHTKRAFT von dem ATG-Feld beeindrucken ließ. Wahrscheinlich war ihre Tarnung schon längst aufgeflogen, hatte das Schiff der Kosmokraten sie schon vor geraumer Zeit entdeckt. Und ob das Feld gegen die technischen Möglichkeiten der LEUCHTKRAFT Schutz bot ...
Eroin Blitzer sah von seinem Schaltpult auf. »Alraska«, sagte er, »bei der Ringöffnung zur Solsystem-Anomalie habe ich eine markante Veränderung registriert!«
Der Zwergandroide war mittlerweile mit dem Weltenschiff vertraut wie kein anderer. Er hatte nicht nur ihre Haut gerettet, als QIN SHI überraschend erschienen war, er bediente auch virtuos die Ortungsinstrumente.
Rhodan vermutete, dass Blitzer sich auf eigene Faust darangemacht hatte, weitere Geheimnisse des Weltenschiffs zu enträtseln, sie aber nicht über seine Erkenntnisse informiert hatte. Zwei Seelen schlugen in seiner Brust: Zum einen nannte er Saedelaere seinen Freund, zum anderen galt seine Loyalität wohl noch immer der LEUCHTKRAFT und ihrer Besatzung.
Rhodan hoffte, dass Blitzer sich nie würde entscheiden müssen zwischen dem Mann mit der Maske und dem Schiff der Kosmokraten. Der Terraner konnte nicht einmal ahnen, wie diese Wahl ausfallen würde.
Sowohl Saedelaere als auch Rhodan sahen zu den Holos, die der Androide nun aufrief. Die Technik des Weltenschiffs ermöglichte es, auch bei aktiviertem ATG-Feld gezielt zu orten.
Ein Holo zeigte, dass sich die Öffnung des Dimensionstunnels von einem Augenblick zum anderen von bislang 20 Millionen Kilometern auf den fünffachen Durchmesser ausweitete. Und sie wuchs weiter und weiter. Nun betrug sie bereits 150 Millionen Kilometer, dann 200 Millionen ...
Gleichzeitig setzte sich der Sonnen-Avatar von QIN SHI an die Spitze des Heerzugs der Zapfenraumer. Es mutete irgendwie seltsam und unnatürlich an, wie die fünf Kilometer durchmessende sonnenähnliche Erscheinung plötzlich aus eigenem Antrieb beschleunigte.