Wu wei
Die Lebenskunst des Tao
Zitat
Vorwort
Die Kunst des Nichthandelns
Befreien Sie sich von Ihren Bindungen
Das Phänomen Aufmerksamkeit
Die Gedanken und der Denker
Die Lebensweise des Tao
Tao statt Positives Denken
Der innere Dialog und das I Ging
Unsere Gesellschaft und das verleugnete Selbst
Liebe und Partnerschaft
Die Kunst des Loslassens
Was ist das Tao?
Die Spiritualität im Tao
Übungen für den Alltag
Zusammenfassung
Nachwort
Literatur
Es gibt ein Lernen, das uns verstehen lässt, was wir sind.
Aus diesem Verständnis entsteht eine völlig neue Art des Handelns:
wu wei.
Das heißt handeln durch Nichteingreifen, durch
Geschehenlassen. Es ist die Fähigkeit, das Steuer
des Lebens jener Macht zu überlassen, die eine
Dimension von uns selbst ist und die Laotse
einst das Tao genannt hat.
Liebe Leserin, lieber Leser,
erwarten Sie von diesem Buch bitte keinen geschichtlichen Rückblick auf die Ursprünge des Taoismus. So viel sei gesagt, er stammt aus China und findet sich heute noch mit großen Teilen seiner Substanz im japanischen Zen-Buddhismus wieder, allerdings nicht mehr in seiner ursprünglichen, unkomplizierten Form. Wenn Sie sich für die Historie des Tao interessieren, können Sie dies in den Werken etlicher Autoren nachlesen (ich habe sie im Anhang aufgeführt). Auch die Übersetzungen der Texte von Laotse und Dschuang Dsi liefern eine Fülle von Wissen über Bedeutung und geistigen Gehalt des Tao. Ich will Ihnen in den folgenden Kapiteln die Essenz des Tao vermitteln, nämlich die Lebenspraxis. Wohl oder übel muss ich dabei ein Tabu verletzen, an das sich bis heute alle Meister des Tao gehalten haben: über den Nutzen berichten, der mit einem Leben im Geiste des Tao verbunden ist. Diese Zurückhaltung dürfte wohl die Hauptursache sein, dass diese jahrtausendealte östliche Weisheit noch keinen Einzug in unseren Alltag gehalten hat. Auf der anderen Seite hatte das Verschweigen der hochgradigen Nützlichkeit dieser Lebensform seinen Grund in der Problematik, dass sein Befolgen motivlos, ohne Erwartung einer Belohnung und ohne einen bestimmten Zweck erfolgen muss, soll sie funktionieren. Das ist überhaupt die einzige beziehungsweise eine der ganz wenigen Bedingungen, die an das Gelingen geknüpft sind. Es ist kein Glaube an irgendetwas dazu notwendig, es wird Ihnen keine Religion aufgezwungen, Tao ist schiere Lebensweisheit. Wenn ich an dieser Stelle Tao kurz zu definieren versuche, möchte ich es so formulieren: Tao ist eine Dimension von Ihnen und mir. Sie ist dem Denken nicht zugänglich, sie kann aber sehr wohl gelebt und an jedem von uns verwirklicht werden.
Unser heutiges Dasein ist an eine Unzahl Bedingungen geknüpft. Scheinbar sind wir frei, aber tief im Innern spüren wir, dass diese Freiheit ein Trugschluss ist, dass wir an allen Ecken und Enden gebunden sind: an die Spielregeln der Gesellschaft, an die Voreingenommenheit unserer Rasse oder Nation oder der Bildungsschicht, der wir angehören. Vielleicht haben wir uns an einen Partner gebunden, oder wir sind beruflich oder religiös in irgendeiner Form hoffnungslos eingeschlossen. Der menschliche Alltag ist seit Jahrtausenden durchsetzt mit Bedrängnis, Sorgen, Nöten, Krankheit und Elend. Selbst dort, wo anscheinend die Welt in Ordnung ist, gibt es Probleme, ja, die Probleme sind trotz des zeitweilig im Leben herrschenden Sonnenscheins in der Regel überwältigend. Sie und ich bilden darin kaum eine Ausnahme. Wenn nun jemand an Sie heranträte mit der kühnen Behauptung, Sie könnten alle Schwierigkeiten und Engpässe des Lebens beseitigen, allein dadurch, dass Sie lernten, ausschließlich in der Gegenwart zu leben und Ihren Problemen wach und aufmerksam ins Auge zu sehen? Spontan würden Sie das als Unsinn abtun, es in einen Bereich außerhalb der Realität verweisen. Mit dem Verweisen aus der Realität hätten Sie zum Teil sogar Recht, und zwar Verweisen aus Ihrer Realität, denn das, was Sie für Realität halten, hat keinerlei Bezug zur objektiven Wirklichkeit. Unser Leben verläuft nach einem selbst geschaffenen Denkmodell, in dem sich die Summe unserer gemachten oder angelernten Erfahrung manifestiert. Jeder Vorgang um uns her wird nach den Gesichtspunkten dieses Denkmodells verglichen und analysiert. Erst wenn Sie begreifen, dass die Art, wie Sie die Welt und Ihre Existenz beurteilen, voreingenommen und vollkommen falsch ist, werden Sie aufnahmefähig für die große Weisheit des Lebens im Fluss des Tao. Was dies in der Praxis bedeutet, soll Ihnen in der Folge ganz deutlich erklärt werden. Geniale Lösungen bestechen in der Regel durch ihre Einfachheit. Die vorgeschlagene Lösung all unserer Lebensprobleme hört sich sehr schlicht an, sodass es scheinen mag, dahinter stünden weder Energie noch Wirksamkeit, aber dieser Eindruck täuscht. Das Schöne am Tao ist, dass man nichts glauben muss, keine obskuren Übungen vorgeschrieben sind, keine strengen Moralvorschriften vor dem Erfolg stehen, sondern dass Tao gelebt wird und Sie die gewaltige Wirkung auf einfachste Weise erfahren können – indem Sie es ausprobieren.
Gestatten Sie, dass ich Ihnen kurz chinesisch komme: WU WEI. In diesen beiden Silben ist das ganze Geheimnis der Lebenskunst des Tao enthalten. Wörtlich übersetzt bedeutet es in etwa «Nichtstun», «Nichthandeln». Damit wird keinesfalls gesagt, man solle träge, entschlusslos oder lässig sein. Die Feinheit des wu wei lässt sich schwer in ein paar Worten ausdrücken. In seinem tiefsten Sinn meint wu wei, wir sollen in unseren Entscheidungen nicht gegen unsere innere Autorität, eben das Tao, handeln. Herausforderungen des Lebens pflegen wir mit den unzulänglichen Mitteln unseres Intellektes, unserer Erfahrung zu begegnen. Damit pfuschen wir jedes Mal den unserem Denken nicht zugänglichen Kräften ins Handwerk, die unsere Probleme nicht nur besser lösen können, sondern sie auf eine ganz andere Art und Weise auszuloten imstande sind. Könnten wir lernen, dieses wu wei zu praktizieren, dann würden wir sofort aufhören, über unsere Probleme nachzugrübeln, sie zu analysieren und nach Lösungen zu forschen. Es genügt vollständig, uns das Problem ganz genau anzusehen, ohne darüber nachzudenken, ohne Analyse. Den Rest können wir getrost dem Tao überlassen. Soweit unser direktes Eingreifen notwendig wird, empfangen wir den Handlungsanstoß spontan durch eine kräftige Intuition. Wobei Intuition, wie wir sie landläufig verstehen, den Vorgang nur unzulänglich beschreibt, denn es handelt sich vielmehr um einen inneren Dialog, der jedem zur Gewohnheit wird, der gelernt hat, im Geiste des Tao zu leben. Was ich hier als Beispiel anführe, ergibt seinen Sinn auch erst dann, wenn das Leben als Ganzheit richtig gelebt wird. Zur Meisterung dieses Lebens wird keine einzige Fähigkeit gefordert, die nicht bereits bei uns vorhanden ist. Allerdings haben die meisten Menschen verlernt, mit der einen oder anderen dieser Fähigkeiten umzugehen. Keine der Maßnahmen, die ich Ihnen im Verlauf dieses Buches zeige, erfordert Kraftaufwand; richtig angewendet, entfalten sich diese Fähigkeiten sogar unbeschreiblich mühelos. Diese Mühelosigkeit ist Ausdruck einer außerordentlichen Energie, die gleichfalls jedem von uns latent innewohnt. (Wenn Sie die erteilten Ratschläge befolgen und Sie feststellen, dass es Sie anstrengt, dann ist das ein sicheres Zeichen, dass Sie etwas falsch machen.) Wir werden uns in der Folge mit unseren Gedanken zu befassen haben, mit Bewusstsein, mit Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, wobei ich gleich vermerken möchte, dass Tao nur in der Gegenwart, also jeweils im gleichen Augenblick, gelebt und verwirklicht werden kann. Das dürfte die einzige schwierige Aufgabe für Sie werden, nämlich sich anzugewöhnen, mit Ihren Sinnen weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft herumzustreunen, sondern stets und ständig im Hier und Jetzt zu bleiben.
Schwierig nicht nur wegen unser aller unseligen Gewohnheit, mit den Gedanken überall zu sein, nur nicht in der Unmittelbarkeit des Augenblicks, schwierig insbesondere, weil unser Alltag keineswegs erfreulich genug erscheint, als dass man ihn sich gerne ganz genau ansehen und ihn intensiv leben möchte. Die Stunden allerdings, die wir gerne festhalten und viel intensiver leben möchten, weil sie uns Freude oder Vergnügen bereiten, bekommen wir genauso wenig in den Griff. Ich will Ihnen am Beispiel eines Witzes klar machen, wie wir Menschen es mit dem Erleben der Gegenwart halten: Da fährt ein Bus mit Touristen durch die prächtige Landschaft südlicher Gefilde. Alle haben die Kamera am Auge und fotografieren, was das Zeug hält. Ein einziger Fahrgast nur sitzt still da und blickt zum Fenster hinaus. «Warum fotografieren Sie nicht?», wird er gefragt. «Ich sehe mir’s gleich hier an», antwortet der. Sehen Sie, die Masse der Menschen lebt wie diese Touristen. Zwischen dem wirklichen Erleben der Realität und uns stehen unsere Gedanken wie das Fotografieren der Touristen in diesem Witz. Wir sind pausenlos im Geiste unterwegs, unsere Gedanken beschäftigen sich mit vergangenen oder künftigen Ereignissen, Vorfreude diktiert unseren Blick oder Furcht vor möglichen Ereignissen, oder wir halten mit Hoffnung Ausschau. Aber den Augenblick, in dem wir gerade leben, den nehmen wir nicht wahr. Dazu sind wir geistig viel zu sehr mit allem möglichen Unsinn beschäftigt, als dass wir uns auch noch um die Wirklichkeit kümmern könnten. Schließlich geht sie uns ja nicht verloren, unser Gehirn hat jenen Kameras gleich die Szene für alle Zeiten in unserer Erinnerung festgehalten. Und wenn wir tatsächlich einmal zufälligerweise unseren Blick auf den Augenblick, auf die Gegenwart richten, dann erleben wir diese auch nicht unmittelbar.
Bevor ein äußerer Vorgang uns bewusst wird, passiert er aus alter, übler Gewohnheit einen Denkprozess. In Gedanken prüft unser Geist erst, ob an der wahrgenommenen Szene etwas mit früheren Erfahrungen zu erkennen ist, dann holt er sich aus dem Speicher des Gedächtnisses den für das Phänomen aufgefundenen Namen, klebt der Szene dieses Etikett auf – und erst dann, wenn all dieses geschehen ist, gestattet unser Verstand dem Bewusstsein, Kenntnis von diesem Vorgang zu nehmen. Sie sehen, auch dieses scheinbar spontane Erfahren eines Vorgangs erfolgt aus zweiter Hand. Der menschliche Geist gestattet es den Sinneseindrücken niemals, unmittelbar zum Bewusstsein zu dringen. (Wobei ich mit Geist keine spezielle Definition treffen möchte, mit Geist ist einfach unsere Person oder unser Ich gemeint.)
Und das muss keineswegs so sein. Es ist nicht unser unwiderrufliches Schicksal, unser ganzes Leben lang dem gegenwärtigen Moment der Wirklichkeit ausweichen zu müssen. Genau genommen ist es eine Untugend, die wir uns angewöhnt haben, weil kein Mensch uns beigebracht hat, wie man es richtig macht. Wu wei erfordert unsere geistige Präsenz in der Gegenwart, sonst können die Kräfte nicht wirksam werden, welche die Dinge dann ohne unser Zutun verändern und zum Guten wenden. Solange wir der Tristesse unseres Alltags nicht direkt ins Auge blicken, kann sich auf dem Weg des Tao auch nichts daran ändern. Wenn wir es allerdings schaffen, unser Dasein so nüchtern und realistisch zu betrachten, wie es tatsächlich ist, ohne irgendeiner Erkenntnis auszuweichen – und sei sie noch so unangenehm –, dann werden wir nicht lange in diesem permanenten Grau-in-grau-Zustand verweilen müssen. Wie ferngesteuert walten alsbald Energien in unser Leben hinein, von denen wir höchstenfalls zu träumen gewagt hätten.
Über das Wie – damit meine ich die Technik – erfahren Sie in den folgenden Kapiteln noch genügend Einzelheiten, wenn wir uns mit der Struktur des Denkens und der Persönlichkeit des Denkers befassen. Hier will ich zunächst einen mehr allgemeinen Überblick geben. Einen Grundsatz können wir aber jetzt an dieser Stelle schon festhalten: Gedanken entstehen immer aus dem Vergleichen mit Elementen des Gedächtnisses, der Erinnerung, sie gehören folglich grundsätzlich der Zeitform der Vergangenheit an, gleich, womit sie sich befassen mögen. Auch Ideen und Ausblicke auf die Zukunft wurzeln in Erfahrungen, die Sie in der Vergangenheit gemacht haben. Das Tao, diese zeitlose Dimension in uns, aber existiert einzig in der Gegenwart, in diesem hauchdünnen Raum zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das Zusammenwirken dieser Kräfte geschieht hier und jetzt, niemals vorher oder nachher. Das bedeutet, dass das Denken uns immer von der Gegenwart weg in die Vergangenheit führt, und sei es nur um die Differenz von Sekundenbruchteilen, wenn wir ein unmittelbares Erlebnis interpretieren, statt es direkt zu erfahren. Damit soll Denken nicht verteufelt werden, es hat seinen Platz dort, wo es nützlich ist und gebraucht wird. Aber die ununterbrochene Geschwätzigkeit unseres Geistes ist ein ernsthaftes Hindernis für das Leben in der absoluten Gegenwart. Dabei ist es völlig sinnlos, wenn wir versuchen, dieses Stromes Herr zu werden, indem wir alle Gedanken unterdrücken wollen. Ein solches Vorgehen ist extrem anstrengend und obendrein völlig nutzlos. Wir würden hier lediglich die Vorzeichen verändern. Der Prozess, Denken auszuschalten, ist nämlich gleichfalls ein Denkvorgang. Wer auf diese Weise versucht, im Hier und Jetzt zu leben, beschummelt sich selbst und vergeudet unnötig Energie. Lassen Sie sich bitte trotzdem nicht entmutigen. Die ganze Sache ist im Grunde recht einfach – die Bereitschaft des Menschen vorausgesetzt. Es müssen hier auch keinerlei Spitzenleistungen erbracht werden, denn in der Gegenwart zu leben, ohne in Gedanken abzuschweifen, ist keine olympische Disziplin. Überhaupt hält man in Kreisen des Tao nichts von Bestrebungen nach irgendetwas. Es ist gut, kein Ziel zu haben, keinen Ehrgeiz, kein Motiv. Das menschliche Bemühen, immer auf eine Art besser zu sein als andere oder als man selbst im gegenwärtigen Zustand, ist geradezu lächerlich, bedenkt man, dass jeder Mensch in Wahrheit erheblich mehr ist, als er sonst jemals werden kann. Der vollkommene Zustand des Im-wu-wei-Lebens wird im Zen-Buddhismus als Erleuchtung, als Verwirklichung des Buddha angesehen. Man nennt die direkte, aufmerksame Wahrnehmung der unmittelbar ablaufenden Geschehnisse: das Bewusstsein ohne Wohnsitz oder der Geist ohne Wohnsitz. Mit diesem Bewusstsein oder Geist ist bereits die absolute schöpferische Kraft ins Leben des Praktizierenden eingezogen. Bereits wenn wir ein paar Sekunden aufmerksam unsere Umgebung, die Geschehnisse direkt um uns herum beobachten, haben wir Berührung mit dieser kosmischen Energie. Und sie ist es, die unseren Alltag, unser ganzes Leben verändert, wenn wir uns ihr nur völlig rückhaltlos anvertrauen. Wie in dem Spiel, das wir in der Jugend und Kindheit ab und zu ausprobiert haben: Man breitet die Arme aus, schließt die Augen und lässt sich hintenüberfallen in die Arme eines dort stehenden Freundes. Diese spielerische Übung ist gar nicht so einfach, es ist ein recht unbehagliches Gefühl, so ins Ungewisse zu fallen, selbst wenn ich weiß, dass hinter mir einer steht, der mich auffängt. Die Erfahrung des Geistes ohne Wohnsitz ist gleichbedeutend mit der Fähigkeit, ungezwungen zu beobachten, von keinem inneren Zentrum aus, nur einfach hinzusehen, wie ich zum Beispiel einen Vogel vor dem Fenster beobachte oder die Katze des Nachbarn. Sobald eine solche Beobachtung frei von begleitenden Gedanken ist, wird sie identisch mit der Wirksamkeit des Tao. Dies klingt alles ungewohnt und keinesfalls logisch. Gut, logisch ist es auch nicht. Aber stimmt etwas nur, wenn es logisch ist? Die objektive Wirklichkeit unseres Daseins ist eher paradox denn logisch. Logik ist eine Krücke, die sich der menschliche Verstand geschaffen hat, um nicht an den tatsächlichen Dingen zu verzweifeln. Logik ist nachvollziehbar, und alles, was man mit ihr in den Griff kriegt, gibt uns Sicherheit, nicht wahr?
Echt und dauernd im Geiste in der Gegenwart verweilen, die Geschehnisse aufmerksam beobachten, wahrnehmen, ohne zu analysieren, wäre der erste Schritt zur Verwirklichung des Tao in unserem Leben. Den Geschehnissen ihren Lauf lassen, ohne Widerstand zu leisten, sie nur betrachten, das ist Handeln im Nichthandeln, das ist wu wei. Wenn Sie gelernt haben, so Ihre Tage zu verbringen, wird Ihr Leben sein wie in der schönsten Zeit Ihrer Kindheit: ohne Sorgen, frei von Konflikten, das Gestern vergessend, vom Morgen nichts wissend, einzig im Heute verweilend, voller Glück und Gelassenheit. Das ist Lebenskunst, das ist Leben aus dem Geist des Tao. Und wie fern liegt diese Vorstellung dem Bild Ihrer jetzigen gequälten Existenz. Entgegen allen anders lautenden Predigten und Binsenweisheiten ist das Ändern Ihres Lebens, das Erreichen dieses ungemein positiven Zustands keineswegs eine Frage der Zeit. Es ist einzig eine Frage der Konsequenz, mit der Sie sich frei machen von lieb gewordenen Vorstellungen.
Der zweite (und der einzige zusätzliche) Schritt ist die Notwendigkeit, sich innerlich von allen Bindungen zu befreien, von jeder Art Autorität, ganz gleich, ob diese von außen kommt oder in Ihnen selbst ist in Gestalt von festgefahrenen Denkschablonen, religiösen Bindungen oder Ähnlichem. Dieser zweite Schritt kann Ihnen das Leben in der Gegenwart ungemein erleichtern. Mit der Forderung nach Freiheit von Bindungen ist nicht gemeint, dass Sie etwa auf die Freuden des Lebens oder auf Besitz oder Partnerschaft verzichten müssen. Problematisch ist im Grunde kein einziger Vorgang in unserem Leben, weder Spiritualität noch Sinnenfreude, weder Wohlstand noch der Wunsch nach den Annehmlichkeiten des Daseins. Das Problem steckt im «Anhaften», wie die Chinesen es genannt haben. Nicht das Genießen des Lebens hält uns vom Leben im Tao ab, sondern nur die innere Bindung daran. Wiederum wäre es völlig nutzlos und selbstquälerisch, wenn Sie jetzt sagen würden: «Gut, ab sofort will ich innerlich frei sein von jedem Anhaften», und wenn Sie versuchen würden, sich dieses Freisein so lange zu suggerieren, bis Sie tatsächlich eine Art von Freiheitsgefühl hätten. Leider geht es nicht so einfach. Menschen mag man mit solchen Maßnahmen täuschen können, das Tao aber können wir nicht betrügen. Ein solches Vorgehen ist erstens ausgesprochen strapaziös, und zweitens klappt es nicht, denn wieder ist nur ein Gedankenbild durch ein anderes, aber in gleichem Maße bindendes Modell ersetzt worden. Sie hätten lediglich den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Doch es gibt leichtere Wege, die Wahrheit über Ihre Bindungen und Engagements zu erfahren. Wenn Sie beharrlich und ohne innere Stellungnahme Ihre Reaktionen auf die Geschehnisse des Lebens beobachten, und zwar jeweils in dem Augenblick, in dem sie eintreten, werden Sie bald Art und Umfang Ihres Gebundenseins wahrnehmen. Diese Beobachtung ist bereits Meditation, die an keine äußere Form und an keinen zeitlichen Rhythmus gebunden ist. Sie findet stets dann statt, wenn die Ereignisse sie notwendig machen. Dadurch bleibt solche Art zu meditieren lebendig, erstarrt nie zur Routine oder schläfert den Geist ein.
wirkliche
Wu-wei