Andrew Newberg und Mark Robert Waldman
Die Kraft der Mitfühlenden Kommunikation
Wie Worte unser Leben ändern können
Aus dem Amerikanischen von
Dagmar Mallett
Andrew Newberg und Mark Robert Waldman
Die Kraft der Mitfühlenden Kommunikation
Wie Worte unser Leben ändern können
Aus dem Amerikanischen von
Dagmar Mallett
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel»Words Can Change Your Brain« bei Hudson Street Press,einem Imprint der Penguin Group USA, Inc., New York.
Verlagsgruppe Random House
1. Auflage
Deutsche Erstausgabe
© 2013 der deutschsprachigen Ausgabe
Kailash Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
© 2012 Andrew B. Newberg und Mark Robert Waldman
Lektorat: Ralf Lay
Umschlaggestaltung: ki 36 Editorial Design München, Sabine Krohbergerunter Verwendung eines Motivs von © cienpies/veer/corbis
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
ISBN 978-3-641-09295-5
V002
www.kailash-verlag.de
Inhalt
Vorbemerkung der Autoren
Teil 1
Die Belege: Kommunikation, Bewusstsein, Zusammenarbeit und Vertrauen aus neurologischer Sicht
1 Eine neue Art des Gesprächs
2 Die Macht der Worte
3 Die vielen Sprachen des Gehirns
4 Die Sprache des Bewusstseins
5 Die Sprache der Zusammenarbeit
6 Die Sprache des Vertrauens
Teil 2
Die Strategien: Wie man neue Kommunikationsfähigkeiten entwickelt
7 Innere Werte – Die Grundlage eines bewussten Lebens
8 Zwölf Schritte zu persönlicher Nähe, Kooperation undVertrauen
9 Mitfühlende Kommunikation – Die Umerziehungdes sozialen Gehirns
Teil 3
Die Anwendung: Effektive Kommunikation in der Praxis
10 Mitfühlende Kommunikation mit geliebten Menschen
11 Mitfühlende Kommunikation am Arbeitsplatz
12 Mitfühlende Kommunikation mit Kindern
Dank
Anhang
Forschungsstudie zur mitfühlenden Kommunikation
Anmerkungen
Register
Vorbemerkung der Autoren
Die Kommunikationsstrategien, die wir entwickelt haben und in diesem Buch vorstellen, beruhen auf der jahrelangen, wissenschaftlich abgesicherten Forschungsarbeit Hunderter Neurologen und Psychologen weltweit. Dieses Buch stellt ein neues Modell der Erschaffung einzigartiger Sprachsysteme zur Vermittlung komplexer Informationen durch das Gehirn dar. Die Neurologie ist allerdings ein Fachgebiet, das sich oft nur schwer in allgemeinverständlicher Sprache vermitteln lässt. Manchmal müssen wichtige Tatsachen ausgelassen werden, manchmal liest eine These sich wie eine Tatsache. Vielleicht ist derselbe Millimeter Gewebe im Gehirn für die Kontrolle zahlreicher weiterer Prozesse außer denen zuständig, die wir hier beschreiben. Um solchen Problemen entgegenzuwirken und gleichzeitig die nötige Grundlage für unseren neuen effektiven Ansatz in der Kommunikation mit anderen Menschen zu bieten, finden sich im Anhang des Buches ausführliche Anmerkungen, die Ihnen eine Hilfe sein sollen, falls Sie sich tiefer in die Neurologie von Mitgefühl, Kooperation und Vertrauen einarbeiten möchten.
Teil 1
Die Belege
Kommunikation, Bewusstsein,Zusammenarbeit und Vertrauenaus neurologischer Sicht
Kapitel 1
Eine neue Art des Gesprächs
Ohne Sprache fänden wir uns in einem Zustand des emotionalen Chaos wieder. Unser Gehirn bietet uns außergewöhnliche Möglichkeiten der Kommunikation, und die Art, wie wir unsere Worte einsetzen, kann die neuronale Funktion des Gehirns verbessern. Schon ein einzelnes Wort kann die Expression der Gene beeinflussen, die physischen und emotionalen Stress regulieren.
Wenn wir die Sprachzentren des Gehirns nicht kontinuierlich trainieren, dann verkümmert unsere neurologische Fähigkeit, die Probleme zu lösen, die wir miteinander haben. Die Sprache prägt unser Verhalten, und jedes unserer Worte trägt vielfältige persönliche Bedeutungen in sich. Das richtige Wort, auf die richtige Art gesagt, kann uns Liebe, Geld und Respekt einbringen, das falsche aber – oder auch das richtige, auf die falsche Art gesagt – kann ein ganzes Land in den Krieg stürzen. Wir müssen unsere Sprache sorgfältig einsetzen, wenn wir unsere Ziele erreichen und unsere Träume erfüllen wollen.
Wir werden zwar mit der Gabe der Sprache geboren, aber Forschungen zeigen, dass wir überraschend ungeschickt in der Verständigung untereinander sind. Oft wählen wir unsere Worte gedankenlos und bedenken die Folgen der emotionalen Wirkungen auf andere Menschen nicht. Wir reden mehr, als wir müssen, hören nicht zu und merken es nicht einmal, und häufig entgehen uns die subtilen Signale von Gesichtsausdruck, Körpersprache und Tonfall – Kommunikationssignale, die oft wichtiger sind als die eigentliche Äußerung.
Schuld an dieser mangelnden Kommunikationsfähigkeit ist nicht etwa fehlende Bildung, sondern eher ein unterentwickeltes Gehirn, denn die Hirnareale für soziales Bewusstsein, Empathie und die damit zusammenhängenden sprachlichen Fähigkeiten sind erst im Alter von etwa dreißig Jahren voll ausgebildet. Forschungen haben allerdings ergeben, dass junge wie ältere Menschen die Sprach- und Sozialzentren des Gehirns so einüben können, dass die Kommunikationsfähigkeit effektiv gestärkt wird.
Wir haben bis jetzt insgesamt zwölf Strategien identifiziert und dokumentiert, mit denen sich die Dynamik jedes Gesprächs steigern lässt, auch mit Fremden. Diese Strategien können tiefe Empathie und Vertrauen im Hirn des Zuhörers stimulieren und negative Denkmuster unterbrechen, die ansonsten sogar die Emotionsregulierung des Gehirns schädigen können.
Die zwölf Strategien der Mitfühlenden Kommunikation 1.Entspannen Sie sich. 2.Seien Sie im gegenwärtigen Moment präsent. 3.Erzeugen Sie innere Stille. 4.Steigern Sie Ihre Positivität. 5.Denken Sie an Ihre tiefsten Werte. 6.Denken Sie an etwas Schönes. 7.Achten Sie auf nonverbale Signale. 8.Drücken Sie Ihre Anerkennung aus. 9.Sprechen Sie in herzlichem Ton. 10.Sprechen Sie langsam. 11.Fassen Sie sich kurz. 12.Hören Sie konzentriert zu. |
In diesem Buch werden wir Ihnen zeigen, wie Sie diese Strategien richtig einsetzen, um zu Hause wie am Arbeitsplatz rasch zu tiefen, stabilen Beziehungen zu gelangen. Sie werden lernen, wie Sie unbewusste innere Dialoge unterbrechen, die zu Angst, Furcht und Zweifel führen. Sie werden engere persönliche Beziehungen im Privatleben und erfolgreichere Beziehungen im Beruf mit Kunden, Angestellten und Kollegen aufbauen. Sie werden fröhlich und produktiv mit anderen zusammenarbeiten; Sie werden ein besserer Manager sein; und das alles wird sich für Sie in gesteigerten Verkaufszahlen und Einnahmen niederschlagen.
Sie werden zu erkennen lernen, wenn Ihr Gegenüber lügt, und Sie werden intuitiv einzuschätzen beginnen, was der andere denkt, noch bevor er zu sprechen beginnt. Sie werden feststellen, dass sogar Stille Ihre Kommunikationsfähigkeit stärken kann.
Wir werden Sie außerdem in ein kleines Geheimnis einweihen, nämlich wie Sie Ihren Gesichtsausdruck so verändern können, dass er bei Ihrem Gegenüber Vertrauen erweckt. Auch mit Ihrem Sprechtempo sind Sie in der Lage, die Gefühle Ihres Gesprächspartners zu beeinflussen. Und mit der Körpersprache können Sie mehr an Bedeutung vermitteln, als Worte je auszudrücken vermögen.
Wenn Sie diese Strategien nur wenige Minuten täglich einüben, werden Sie klarer denken, kreativer werden und sich authentischer unterhalten. Sie werden Konflikte lösen können, bevor sie überhaupt entstehen.
Unsere Gehirnscan-Studien zeigen in Kombination mit den jüngsten Forschungsergebnissen aus den Gebieten Sprache, Kommunikation und Achtsamkeit, dass diese Strategien Gedächtnis und kognitive Fähigkeiten verbessern und gleichzeitig Stress, Angstgefühle und Reizbarkeit abbauen – Faktoren, die bekanntermaßen die Effektivität jedes Gesprächs und auch jeder anderen sozialen Interaktion unterhöhlen. Wenn Sie diese Strategien täglich üben, werden Sie mehr Selbstvertrauen und Zufriedenheit gewinnen – dieser Effekt ist im Labor messbar und im Alltag fühlbar.
Wir nennen diese Strategien »Mitfühlende Kommunikation« (Compassionate Communication), und wenn Sie in Ihren Gesprächen davon Gebrauch machen, passiert etwas Überraschendes: Ihre beiden Gehirne – Ihres und das Ihres Gesprächspartners – fangen an, sich aufeinander abzustimmen. Diese besondere Wechselwirkung heißt »neuronale Resonanz«, und in diesem Zustand verstärkter Übereinstimmung können zwei Menschen zusammen bemerkenswerte Dinge vollbringen. Warum? Weil er die natürliche Abwehrhaltung ausschaltet, die normalerweise in Gesprächen zwischen Fremden herrscht.
Die Elemente der Mitfühlenden Kommunikation können verschieden kombiniert werden, um unterschiedlichen Situationen gerecht zu werden, und Sie können sie auch mit anderen Kommunikationsstrategien zusammen einsetzen, um sie ergebnisorientierter zu gestalten. Mit der Mitfühlenden Kommunikation können Sie Kindern helfen, Konflikte mit anderen effektiver zu bewältigen, schwierige Themen zu besprechen und sogar bessere Noten in der Schule zu erzielen. Außerdem können Angehörige und Pflegepersonal damit oft besser mit Menschen kommunizieren, die an seelischen Störungen oder neurodegenerativen Erkrankungen leiden. Auch Psychotherapeuten und Selbsthilfegruppen setzen die Mitfühlende Kommunikation ein, desgleichen zahlreiche spirituelle und religiöse Organisationen, die sich für die Verständigung über Glaubensgrenzen hinweg und für gewaltfreie Kommunikation allgemein einsetzen.
Mitfühlende Kommunikation am Arbeitsplatz
Die Methode der Mitfühlenden Kommunikation wurde ursprünglich entwickelt, um Paaren bei der Konfliktlösung und Vertrauensbildung zu helfen. Von der Paartherapie aus hat sie ihren Weg bis in die Korridore von Krankenhäusern und Pflegeheimen gefunden, wo Ärzte und Pflegepersonal sie einsetzen, um damit die Verständigung mit Patienten und Kollegen zu verbessern.
Auch in den Vorstandsetagen von Unternehmen ist die Mitfühlende Kommunikation auf starkes Interesse gestoßen. Sie reduziert den Arbeitsstress, der die Produktivität senkt und letztlich zum Burnout führt, und hat sich als besonders wirksam erwiesen, um enge und kooperative Teams aufzubauen, die Kommunikation zwischen den oberen und unteren Managementebenen zu stärken und den Kundendienst zu verbessern, wodurch die Umsätze steigen und die Mitarbeiter sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren.
Finanz- und Immobilienhäuser bedienen sich ebenfalls der Mitfühlenden Kommunikation. Donna Phelan, Vizepräsidentin und Investment Officer einer Großbank, erläutert:
In der schnelllebigen Geschäfts- und Finanzwelt von heute ist meine wichtigste Verantwortung die Kommunikation mit dem Kunden. Professionelle Dienstleister haben einen großen Bedarf an wirklich effizienten Kommunikationsstrategien. Das gilt besonders für die Finanzmärkte, an denen sich die Situation ständig ändert und man sich angesichts der Informationsflut von Börsentickern, Analystenberichten, dringenden E-Mails und ständig klingelnden Telefonen leicht überlastet fühlt. Die Grundlagen und Methoden der Mitfühlenden Kommunikation ermöglichen die Schaffung eines Geisteszustands, der den Dialog zwischen Kunde, Berater und Marktstratege optimiert. In diesem Geisteszustand wird gefragt: Was will der Kunde wirklich? Die Antwort lautet: Er will, dass man ihm zuhört, so schnell wie möglich und so genau wie möglich, und zwar so, dass gegenseitiger Respekt und gegenseitiges Vertrauen entstehen. In meinem Geschäft hängt der Erfolg von diesen entscheidenden Fähigkeiten ab, und es hat sich herausgestellt, dass ein Training in Mitfühlender Kommunikation diesem Bedürfnis effektiv und schnell Rechnung trägt.
In persönlichen Beziehungen entstehen Streitigkeiten mit Konsequenzen bis zur Scheidung oft daraus, dass die Partner sich nicht angemessen ausdrücken und einander nicht zuhören können. In der Geschäftswelt können solche Schwächen eine Firma in den Ruin treiben. Jede Strategie, die es vermittelt, sich klar, kurz, ruhig, freundlich und ernsthaft auszudrücken, erhöht folglich die Stabilität von Beziehungen zu Kollegen und im Privatleben. Aus diesem Grund ist die Mitfühlende Kommunikation heute ein grundlegendes Übungsmodul im Executive-MBA-Programm der Loyola Marymount University in Los Angeles. Sie verbessert das Teamwork und die Entwicklung sozialverträglicher Firmenethik und hilft dabei, den Stress zu bewältigen, dem die Studierenden ausgesetzt sind, wenn sie neben dem Studium auch noch eine florierende Firma managen müssen. Chris Manning, Professor für Finanz- und Immobilienwirtschaft, sagt: »Die Mitfühlende Kommunikation bietet einen kostengünstigen Weg zur Ausbildung in effizienterer und professionellerer Kommunikation, während sie gleichzeitig zu verstärkter Offenheit, mehr Vertrauen und größerem gegenseitigen Verständnis führt.«1 Dr. Manning führt weiter aus:
Als Gesellschaft sind wir völlig von Worten abhängig und bemerken dabei nicht, dass Worte eben nur ein Teil der Kommunikation im Geschäftsleben sind. Wichtiger ist die Fähigkeit des Senders, seine beabsichtigte Botschaft zu vermitteln, und die des Empfängers, diese Botschaft zu verstehen.2 Diese nonverbalen Botschaften sind voller Gefühle, Einstellungen und implizierter Werte.3 Die Strategien, die zur Mitfühlenden Kommunikation gehören, helfen Studierenden, Managern und Geschäftsleuten, solche wesentlichen nonverbalen Signale zu erkennen und selbst auszusenden.
Auch Joan Summers setzt auf eine Variante der Mitfühlenden Kommunikation, und zwar bei Bewerbungsgesprächen in ihrer Versicherungsfirma. Die erste Frage an den Bewerber ist immer die nach seinen innersten Werten (eine Schlüsselkomponente der Mitfühlenden Kommunikation, mit der wir uns in Kapitel 7 befassen). Wenn die persönlichen Werte des Bewerbers nicht mit denen der Firma übereinstimmen, wird der Betreffende nicht eingestellt, weil Joan daran bereits sieht, dass das Arbeitsverhältnis zu einem unzufriedenen Mitarbeiter führen muss.
Außerdem achtet Joan auf das Gesprächsverhalten der Bewerber: Suchen sie auf die richtige Art und Weise Augenkontakt? Antworten sie auf Fragen kurz und direkt? Sprechen sie mit warmer, freundlicher Stimme? Strömen sie eine positive Einstellung zu sich selbst und ihren Fähigkeiten sowie den Wunsch aus, Teil ihres Teams zu werden? Im Wesentlichen setzt sie damit die Komponenten der Mitfühlenden Kommunikation ein, um Bewerber auszumachen, die effektiv mit anderen kommunizieren können.
Am Holmes Institute, einer religiösen Schulungseinrichtung der Centers for Spiritual Living, werden die Kandidaten für das Predigeramt in Mitfühlender Kommunikation ausgebildet, weil sie damit einfühlsamer auf die Bedürfnisse ihrer Gemeindemitglieder reagieren können. Grundschullehrer setzen spezielle Versionen der Mitfühlenden Kommunikation ein, weil sie den Kindern damit helfen, Konflikte auf dem Spielplatz besser zu verarbeiten.
Intensives Zuhören
Die Mitfühlende Kommunikation legt genauso viel Gewicht auf das Zuhören wie auf das Sprechen. Bewusstes Zuhören setzt voraus, dass wir unser stets beschäftigtes Bewusstsein darin üben, sich zu konzentrieren, und zwar nicht nur auf die Worte des Gesprächspartners, sondern auch auf die nonverbalen Signale in Stimme, Gesicht und Körpersprache. Intensives Zuhören unterbricht außerdem den inneren Dialog, den die Sprachzentren des Gehirns ständig produzieren, ein Phänomen, mit dem wir uns in Kapitel 3 befassen. Wenn wir lernen, innerlich zurückzutreten und dieses schwatzende Bewusstsein distanziert zu sehen, entsteht eine neue Art von Stille. Dadurch können wir uns besser auf die Aussagen unseres Gesprächspartners konzentrieren und uns leichter in ihn einfühlen, wodurch wir intuitiv auch subtile Signale der Ehrlichkeit oder Verstellung im Mikro-Mienenspiel wahrnehmen.
Wie jüngste Gehirnscan-Forschungen zeigen, spiegelt unser Gehirn umso stärker die Aktivität des Gehirns vom Gesprächspartner wider, je intensiver wir zuhören. Dadurch können wir ihn wirklich verstehen und seine Sorgen und Freuden mitfühlen.
Der Stress der Umstellung: Warum alte Gehirnekeine neuen Tricks lernen wollen
In diesem Buch führen wir Sie durch verschiedene Strategien, durch die sich die Art verändern wird, wie Sie zuhören, sprechen und mit anderen Menschen interagieren. Weil diese Strategien für Sie neu sind, werden Sie vielleicht feststellen, dass Sie ihnen Widerstand entgegensetzen. Dieser Widerstand ist eine natürliche Funktion des Gehirns. Wenn eine Verhaltensweise erst einmal angelernt ist, wird sie im unbewussten Langzeitgedächtnis gespeichert und kann von dort aus fast ohne bewusste Anstrengung aktiviert werden. Selbst wenn wir ein neues, effektiveres Verhalten gelernt haben, wird zuerst das früher Gelernte ausgelöst.
Das menschliche Gehirn hat einen sehr hohen Energiebedarf, der sich noch steigert, wenn neue neuronale Schaltkreise eingebaut werden sollen, die unser Gesprächsverhalten verändern. Jede Veränderung in unserer Lebensweise wird vom Gehirn als Belastung eingestuft, weshalb die Mitfühlende Kommunikation besonderen Wert auf Strategien zum Stressabbau legt.
Stress stört die neurologischen Mechanismen der Spracherzeugung und Sprachwahrnehmung. Wenn wir gestresst sind, werden die Emotionsschaltkreise des limbischen Systems aktiv, während die Aktivität derjenigen der Sprachzentren im Stirnhirnlappen nachlässt. Kommunikationsstudien haben gezeigt, dass Stress und Anspannung die Gesichtsmuskeln auf eine Weise kontrahieren, deren Anblick uns misstrauisch wirken lässt. Entspanntes Verhalten dagegen vermittelt den Eindruck von Offenheit, Zutrauen und Vertrauenswürdigkeit.
Wenn wir unter Stress stehen, verändert sich auch der Ton unserer Stimme, die dann gereizt und frustriert klingt. Das erzeugt im Gehirn des Zuhörers sofort eine Abwehrreaktion, die ein fruchtbringendes Gespräch unmöglich macht, noch bevor es begonnen hat.
Wie integriert man Stressabbau und Entspannung in einen Dialog, besonders wenn man mitten in der Arbeit ist? John Watkins, Inhaber einer Software-Entwicklungsfirma, macht es so: Er beginnt den Tag, indem er sich mit seinen sechs Abteilungsleitern im Kreis aufstellt. Die erste Minute wird mit Gähnen und Strecken verbracht. Das vertreibt Ablenkungen und Verärgerung aus dem Denken. Dann hat jeder dreißig Sekunden, um zu beschreiben, woran er gerade arbeitet. Wenn er von Problemen berichtet oder Hilfe braucht, können andere Anwesende mit positiven Vorschlägen reagieren. Auch sie müssen sich aber an die Dreißig-Sekunden-Regel halten, einen entscheidenden Bestandteil der Mitfühlenden Kommunikation. Kritik darf nicht formuliert werden, denn schon ein einziger negativer Gedanke kann den Prozess der Zusammenarbeit für den Rest des Tages stören.
Dieses Ritual wirkt vielleicht ziemlich seltsam für ein großes Unternehmen mit Millionen Dollar Jahresumsatz, aber die Ergebnisse sprechen für sich selbst: In weniger als zwanzig Minuten legt das Team die wichtigsten Ziele des Tages fest und bringt kreative Vorschläge ein, die zügig bewertet, verändert und umgesetzt werden können.
Als Johns Firma von einem unabhängigen Forschungsteam getestet wurde, ergab sich – nach einem Jahr der Anwendung dieser Strategie – ein signifikanter Anstieg der Kollegialität und der persönlichen Zufriedenheit, außerdem ein messbarer Rückgang der individuellen Angst- und Stressgefühle. Der Krankenstand verringerte sich, und die Loyalität gegenüber dem Unternehmen nahm zu, was sich in einer geringeren Personalrotation bemerkbar machte. Im Wesentlichen bedeutet weniger Stress größeres Glück, und wie eine wichtige Forschungsstudie an über zweitausend Abteilungen zehn großer Unternehmen kürzlich zeigte, sind glückliche Menschen fleißiger. Sie sind außerdem einfallsreicher, kreativer und produktiver.4
Die Windungen des Gesprächsflusses
Die Mitfühlende Kommunikation hat eine lange Geschichte. Sie begann 1992 als informelles Experiment, das Mark mit einer Gruppe transpersoneller Psychologen und Therapeuten in Los Angeles entwickelte. Damals gab es erst drei »Regeln«: Entspannen Sie sich, sprechen Sie langsam und sagen Sie abwechselnd alles, was Ihnen in den Sinn kommt, ohne Zensur.
Der Grundgedanke war einfach: Wenn man aus der Tiefe seines Wesens sprechen konnte statt mit eingebauter Abwehr, wie es gewöhnlich geschieht, dann könnten wir unsere Gefühle und Wünsche ehrlicher, weniger gereizt und sensibler vorbringen. Wenn wir uns gestatten, spontan aus diesem tieferen, inneren Ich heraus zu sprechen, ohne der Unterhaltung ein bestimmtes Thema vorzugeben, dann kann das Gespräch für die Beteiligten relevanter und bedeutsamer werden. Wir bekämen so vielleicht einen angstfreien Zugang zu tieferen emotionalen Wahrheiten und könnten zu gesteigerter Vertrautheit und Vertrauen gelangen.
Wenn wir die Mitfühlende Kommunikation lehren, dann teilen wir die Schüler in Paare ein und lassen sie zunächst einige wohlerprobte Entspannungsübungen ausführen. Darauf folgen dann mehrere die Vorstellungskraft fördernde und wertebezogene Übungen. Dann sagen wir ihnen, sie sollen ihrem Gespräch freien Lauf lassen und darauf achten, dass sie nur auf das antworten, was der Gesprächspartner gerade gesagt hat. Mit dieser Strategie können sie die inneren Agenden unterbrechen, die wir dem anderen beim Sprechen meistens aufzwingen.
Indem sie nur darauf antworten, was der Gesprächspartner sagt, lernen sowohl Sprecher wie auch Zuhörer, sich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren, wodurch sich eine stärkere persönliche Verbindung zwischen ihnen ergibt. Ohne eine Agenda miteinander zu sprechen, klingt zunächst vielleicht kontraintuitiv – und im Geschäftsleben sogar undurchführbar –, besonders wenn wichtige Themen zu besprechen sind. Aber das ist es nicht. Man kann das Gespräch mit einem spezifischen Thema eröffnen, um Ton und Richtung vorzugeben, aber wenn der Dialog einmal in Gang kommt, muss man sich selbst und dem Gesprächspartner die Möglichkeit geben, andere Themen und Probleme einzubringen, die das gewünschte Ziel verhindern würden, wenn sie unausgesprochen blieben.
Wenn wir keinen »Raum« für versteckte Sorgen und Probleme schaffen, dann ist es uns nicht gelungen, effektiv miteinander zu kommunizieren. Die Mitfühlende Kommunikation schafft einen solchen Raum, indem sie die Zeit für die einzelnen Gesprächsbeiträge begrenzt und zu mehr aktivem Zuhören führt. Die Spontaneität im Dialog bewusst zu fördern ist eine der besten Problemlösungsstrategien, denn so entstehen rasch neue Ideen und Lösungen, die sich in eingeschränkteren Gesprächsformen nicht herausbilden könnten. In der Geschäftswelt bezeichnet man es als »Brainstorming«. Neurologisch gesehen zapft es die Kreativität an, für die unsere Stirnhirnlappen berühmt sind5 und die manche Forscher als »Kognition ohne Kontrolle« bezeichnen.6
In Situationen, in denen Vertrauen aufgebaut werden soll, empfindet der Gesprächspartner eine Agenda, der man folgt, möglicherweise als Manipulationsversuch. Das gilt auch für Gespräche mit Kunden und Kollegen. Sie wollen ebenfalls Anteil an der Gesprächsführung, und daher muss man ein Gleichgewicht zwischen der Agenda und dem spontanen Gesprächsfluss finden. Dieses »Flow«-Erlebnis ist ein Kernbestandteil der Mitfühlenden Kommunikation, und Forschungen haben ergeben, dass es zu optimaler Arbeitsfähigkeit führt und das größte Kreativitätspotenzial fördert, und zwar mit dem geringsten Aufwand und der wenigsten bewussten Kontrolle.7
Um den Teilnehmern einen Erfahrungswert für die Kraft der Spontaneität zu geben, haben wir ein spezifisches Trainingsprotokoll entwickelt: ein Übungsskript, bei dem man sich für zwanzig Minuten zu zweit zusammensetzt und die zwölf Strategien der Mitfühlenden Kommunikation übt. Wir werden Sie in Kapitel 9 durch diese Übung führen, und wenn Sie sie mehrmals mit verschiedenen Partnern wiederholen, werden Sie selbst sehen, wie eine gewöhnliche Unterhaltung dadurch zu einem bemerkenswerten Ereignis werden kann. Je öfter Sie diese Übung ausführen, desto leichter wird es Ihnen fallen, Mitfühlende Kommunikation in der realen Welt zu praktizieren.
Ein entspanntes, von selbst fließendes Gespräch hat auch noch andere Vorteile. So kann es etwa die Schüchternheit von Menschen reduzieren, die sich in ungewohnten Situationen unwohl fühlen. Außerdem kann man auf diese Weise Zugang zu tieferen Schichten unbewussten Materials gewinnen, ohne davon überwältigt zu werden. Diese Komponente der Mitfühlenden Kommunikation ist mit dem Freien Assoziieren der Freud’schen Psychotherapie und der als Achtsamkeit bekannten Meditationspraxis verwandt. Mit beiden Strategien kann man lernen, geistig entspannt im gegenwärtigen Moment zu verharren und den unaufhörlichen inneren Dialog distanziert zu betrachten, ohne sich in einer Vielzahl ablenkender Gedanken zu verlieren.
Der neurologische Hintergrundvon Aufmerksamkeit und Mitgefühl
Aufmerksamkeitspraktiken wurden bereits in den siebziger Jahren in die Medizin eingeführt und gelten heute als eine der effektivsten Arten, um Stress abzubauen und gesünder zu werden. In den neunziger Jahren veränderte die Achtsamkeit die Welt der Psychotherapie. Indem die Patienten in tiefer Entspannung ihre eigenen Gefühle und Gedanken betrachteten, konnten sie ihre Angstgefühle, Depressionen und Gereiztheit abbauen. Sie mussten nichts anderes tun, als sich selbst distanziert zu betrachten.
Als das Interesse an der Achtsamkeit immer weiter zunahm, begannen Forscherteams sich mit den neurologischen Zusammenhängen dieser ungewöhnlichen Denkmethode zu befassen. Sie beobachteten die Hirntätigkeit Hunderter Versuchspersonen, während diese verschiedene Entspannungs-, Stressabbau- und Meditationstechniken praktizierten, und erkannten eine Gemeinsamkeit. Achtsamkeit verstärkte nicht nur die Fähigkeit zur Kontrolle zerstörerischer Emotionen, sondern verbesserte auch die kognitiven Hirnfunktionen, besonders in den Hirnarealen für Sprache und soziales Bewusstsein.
Unsere eigenen Hirnscan-Forschungen ergaben, dass die Strategien der Aufmerksamkeitstechnik möglicherweise die neuronalen Schaltkreise für Empathie, Mitgefühl und moralische Entscheidungen stärken, vielleicht sogar auch unsere Fähigkeit zur Beobachtung unseres eigenen Bewusstseins. Als wir die jüngsten Ergebnisse zur gemeinsamen Evolution von Sprache und Gehirn betrachteten, fiel uns auf, dass die Prinzipien der Aufmerksamkeitstechnik direkt auf das Gesprächsverhalten anwendbar waren.
Kurze Redebeiträge und die»Dreißig-Sekunden-Regel«
Die neurologischen Hintergründe von Sprache, Bewusstsein und Kommunikation führen zu vielen grundlegenden Fragen, deren Antworten sich hartnäckig der Definition entziehen. Zum Beispiel: Woher kommen beim Sprechen die Worte – aus dem Gehirn oder dem Geist? Und was ist mit Geist gemeint? Ist er nur eine Hervorbringung des Gehirns oder etwas anderes? Die Belege weisen darauf hin, dass Geist und Gehirn miteinander verbunden sind, aber es bleibt ein Rätsel, worin diese Verbindung besteht und wo sie ihren Sitz hat. Es scheint sogar, dass der Geist einen eigenen »Geist« hat und das Gehirn ebenso! Ähnliche Dilemmata entstehen, wenn wir das Wesen des Bewusstseins untersuchen wollen. Hypothesen gibt es genug, aber niemand weiß etwas Genaues.
Dennoch haben wir einige Hinweise, die Licht auf das Verhältnis zwischen dem Gehirn, unserem Denken und der Fähigkeit zu effektiver Kommunikation werfen. So scheint zum Beispiel das Alltagsbewusstsein in einem Areal der Frontallappen lokalisiert zu sein, wo das Kurzzeit-»Arbeits«-Gedächtnis sitzt. Unser Gehirn speichert eine immense Informationsmenge im Langzeitgedächtnis, aber um eine bestimmte Aufgabe auszuführen, muss es die jeweils relevanten Informationen heraussuchen und ins Kurzzeitgedächtnis holen.
Wie viel Information kann unser Bewusstsein im Arbeitsgedächtnis aufbewahren? Nur etwa vier »Blöcke«, und auch die nur für höchstens dreißig Sekunden (wir erklären das später noch ausführlicher). Dieses winzige Informationsstückchen, auf ein winziges Zeitfenster beschränkt, ist das, was wir für unsere Kommunikation benutzen. Diese Tatsache brachte uns dazu, die Prinzipien der Mitfühlenden Kommunikation grundlegend zu verändern: Wenn man anderen etwas mitteilt, sollte man sich, so wurde uns klar, immer auf eine Äußerung von zwanzig bis dreißig Sekunden beschränken. Selbst ein einfacher Satz kann schon mehr als vier Informationsblöcke enthalten.
Die meisten Menschen wenden hier ein: »Aber ich brauche mehr Zeit, um zu erklären, was ich will!« Das kann zwar sein, doch wenn man mehrere Minuten lang redet, wird der Gesprächspartner sich nur an einen Bruchteil dessen erinnern, was man gesagt hat, und das ist vielleicht nicht der Teil, den Sie vor allem vermitteln wollten. Die Lösung? Eine kurze Äußerung, gefolgt von intensivem Zuhören, um sicherzugehen, dass der Gesprächspartner die wichtigen Punkte des Gesagten verstanden hat. Wenn ja, sehr schön: Sie können den nächsten Satz sprechen. Wenn nicht, ist es sinnlos – Sie können nicht auf etwas aufbauen, was der Gesprächspartner noch nicht mitbekommen hat.
Im Geschäftsleben ist Zeit bekanntlich Geld und Kürze daher geschätzt. Einige Manager bestehen darauf, dass man wichtige Fragen und Aussagen auf einer Karteikarte notiert. Wenn man sie ausreichend komprimiert, dass sie auf eine solche Karte passen, kann man sie auch sehr kurz gefasst vortragen. Das ist auch eine gute Übung für das Gehirn. Wenn man einen Gedanken niederschreibt, zwingt es einen, sich folgerichtig, systematisch und genau auszudrücken.
Wenn wir uns auf Äußerungen von höchstens dreißig Sekunden beschränken, passt das Gehirn sich dem schnell an, indem es irrelevante Informationen herausfiltert. Sich kurz zu fassen hat noch einen weiteren Vorteil: Es begrenzt die Möglichkeit, negative Emotionen auszudrücken.
Das Problem der Negativität
Extreme Kürze hält die Emotionszentren des Gehirns davon ab, Gespräche zu sabotieren. Wut und Ärger werden vermieden, bevor sie ausbrechen können. Wie wir im gesamten Buch immer wieder betonen, werden Wut und Ärger kaum jemals funktionieren. Die Neurologie unterstützt diese These, aber sie widerspricht dem verbreiteten Glauben, dass man seine Frustration ausdrücken muss, um Wut und Ärger effektiv zu verarbeiten. Wenn man es nicht tue, so behaupten einige Therapeuten, sei man nicht ehrlich zu sich selbst.
Aber in dem Moment, in dem man auch nur die geringste Negativität ausdrückt, verstärkt diese die Negativität sowohl im Gehirn des Sprechers wie dem des Hörers. Anstatt den Ärger loszuwerden, verstärkt man ihn, und das kann mit der Zeit irreparable Schäden verursachen, nicht nur in Beziehungen, sondern auch im Gehirn selbst. Gedächtnis und kognitive Fähigkeiten können geschädigt werden, außerdem die Fähigkeit, soziale Situationen richtig einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren.8 Die Fähigkeit zu rationalen Entscheidungen wird eingeschränkt,9 und man hegt eher Vorurteile gegenüber anderen Menschen.10 Besonders gefährlich wird Ärger dadurch, dass er einen auch für die eigene Wut blind macht. Er vermittelt so ein falsches Gefühl der Sicherheit, des Selbstvertrauens und Optimismus.11
Seinen Ärger auszudrücken ist destruktiv, aber das heißt nicht, dass man negative Gefühle vollständig unterdrücken sollte. Auch das kann schädlich sein, weil unbewusster Ärger – und der ständige Strom von Stresshormonen und Neurochemikalien, die er auslöst – einen buchstäblich lebendig auffressen kann und die Emotionsregulierungszentren des Gehirns schädigt.
Forschungen zeigen, dass man mit solcher Negativität am besten umgeht, indem man sie innerlich beobachtet, ohne darauf zu reagieren und ohne sie zu beurteilen. Der nächste Schritt ist, jedes negative Gefühl und jeden negativen Gedanken bewusst so umzuformen, dass er in eine positive, mitfühlende und lösungsorientierte Richtung führt. Wie die renommierte Psychologin Barbara Fredrickson demonstriert hat, ist es wichtig, mindestens drei bis fünf positive Gedanken als Reaktion auf jede negative Reaktion zu erzeugen. Wenn man das tut, wird die Arbeit florieren, und die persönlichen Beziehungen werden gedeihen.12 Wenn man es nicht tut, gelingen weder Arbeit noch Beziehungen.
Es gibt noch einen anderen Weg, um zu verhindern, dass sich Negativität in das Gespräch einschleicht: Drücken Sie häufig Ihre Zustimmung aus. Je öfter, desto besser, aber es muss von Herzen kommen und ehrlich sein. Sprechen Sie über positive Ereignisse in Ihrem Leben, anstatt sich über die Welt zu beklagen. Wenn es um positive und negative Gefühle geht, funktioniert das Gehirn wie ein An-aus-Schalter: Es kann sich nicht gleichzeitig auf beide konzentrieren, und wie wir im nächsten Kapitel erklären werden, ist die Negativität stärker. Deshalb müssen wir so viel Positivität wie möglich aufrechterhalten, wenn wir möchten, dass unsere Arbeit, unsere Beziehungen und unser Leben florieren.13
Denken Sie nach, bevor Sie sprechen
In unseren Forschungen hat sich herausgestellt, dass es zu Problemen für den Zuhörer führen kann, wenn man spontan und ohne Kontrolle redet. Wir fügten also noch eine weitere Regel hinzu: Bevor Sie sprechen, fragen Sie sich, ob der Gesprächspartner möglicherweise verärgert auf Ihre Äußerung reagiert. Falls die Antwort »Ja« oder auch nur »Vielleicht« ist, äußern Sie den Gedanken fürs Erste nicht, oder notieren Sie ihn erst einmal. Später ist Ihr Gesprächspartner vielleicht eher bereit, sich anzuhören, was Sie sagen möchten, und bis dahin können Sie über andere Wege nachdenken, das zu vermitteln, was Sie mitteilen wollen.
Im Berufsleben kann eine ungeschickt formulierte Aussage einen wichtigen Geschäftsabschluss gefährden oder einen sogar den Job kosten. Viele Menschen machen sich allerdings nicht klar, dass dasselbe Prinzip auch für persönliche und Familienbeziehungen gilt. Warum neigt man zu Hause so sehr dazu, nicht nachzudenken, bevor man etwas sagt? Es gibt viele Gründe dafür, aber einer der häufigsten ist Erschöpfung. Nach einem langen ermüdenden Arbeitstag sind die »Mitgefühlsschaltkreise« im Gehirn träge. Wir werden ungeduldig und können nicht mehr so klar denken. In diesem Zustand können negative Äußerungen herausrutschen, weil man nicht mehr die Kraft hat, sie abzustellen.
Ein weiterer Grund kann darin bestehen, dass man in einer Familie mit schlechter Kommunikation aufgewachsen ist. Auch Krankheit und Alter können die neuronalen Sprach- und Emotionsschaltkreise beeinträchtigen und dazu führen, dass andere Menschen nur schwer mit unseren Äußerungen umgehen können.
Natürlich sind Verärgerung und Gereiztheit in Gesprächen unvermeidlich, aber wenn es dazu kommt, muss man sich um die Folgen kümmern. Manchmal genügt eine einfache Entschuldigung, aber am besten geht man mit seinem emotionalen Fauxpas um, wenn man den Gesprächspartner fragt, wie er sich danach gefühlt hat. Schon dieses Interesse und das Signal, dass man sich seines Fehlers gewahr ist, können ausreichen, um Vertrauen und Respekt wiederherzustellen. Wenn Sie während dieses schwierigen Wortwechsels tief entspannt bleiben, können Sie Ihre Frustration und die Verärgerung Ihres Gesprächspartners diplomatischer und taktvoller behandeln.
Das Sprechen verlernen
Fast alle Forschungen auf dem Gebiet der Kommunikation scheinen zu bestätigen, dass wir die Kunst des Dialogs nur schlecht beherrschen. Und dennoch halten die meisten Leute sich für effektive Kommunikatoren. Wie kann das sein? Wieso sind sie sich ihrer eigenen Mängel so wenig bewusst? Die Neuropsychologie hat eine Erklärung dafür: die sogenannte Positivitätsverzerrung.14 Wenn man sich für besser hält, als man ist, wirkt das neurologisch gesehen tatsächlich positiv! Wir gewinnen Selbstvertrauen und bleiben in schwierigen Situationen zuversichtlich. Ohne Positivitätsverzerrung geben wir schneller auf und versagen eher. Mit ihr können wir auch die emotionale Stabilität besser bewahren. Und der aktivste Teil des Gehirns ist dabei das anteriore Cingulatum, ein wichtiges Zentrum für die Erzeugung von Mitgefühl.15
Wie wir in den folgenden Kapiteln erklären werden, erreicht die Entwicklung unserer grundlegenden Sprachfähigkeiten im Alter von etwa zwölf Jahren ihren Höhepunkt. Das reicht, um uns durch die Grundschule zu bringen, aber die komplexeren Aspekte von Kommunikation und sozialem Bewusstsein werden von Hirnarealen gesteuert, die erst im Alter von Ende zwanzig oder Anfang dreißig voll in Betrieb gehen.
Man kann das mit dem Fahrradfahren vergleichen. Wir lernen es als Kinder, aber wenn man ein wirklich guter Radfahrer werden möchte, muss man die schlechten Angewohnheiten, die man sich damals zugelegt hat, wieder verlernen und durch effizientere Techniken ersetzen. Als engagierter Fahrradfahrer muss man sich mit der Wirkungsweise von Gleichgewicht und Bewegung befassen und sich völlig in das Erlebnis des Radfahrens vertiefen. Und man muss üben, üben, üben.
Das gilt auch für die Kommunikation. In der Grundschule und später in der weiterführenden Schule lernen wir die Grundlagen, aber für wirklich gute Kommunikationsfähigkeiten müssen viele schlechte Angewohnheiten wieder verlernt und durch fortgeschrittene Techniken wie empathisches Zuhören ersetzt werden. Man muss die Mechanik des Tonfalls studieren und lernen, Gesichtsausdrücke zu lesen, die den meisten Menschen entgehen. Man muss sich völlig in das Erlebnis des Sprechens und Zuhörens vertiefen, und man muss üben, üben, üben.
Um die Kommunikationstechnik zu verbessern, sollte man also Folgendes tun:
1.die Grenzen des eigenen Kommunikationsstils erkennen,
2.alte, gewohnheitsmäßige Gesprächsmuster aufgeben,
3.lange genug mit neuen Kommunikationsstrategien experimentieren, um neue neuronale Schaltkreise und Verhaltensweisen aufzubauen, und
4.diese Strategien im Gespräch bewusst anwenden.
Wie lange dauert es, bis sich die Nutzeffekte dieser neuen Kommunikationsstrategien zeigen? Nach unseren Daten weniger als eine Stunde. Wir konnten bei Versuchspersonen, die mit zwei oder drei Gesprächspartnern für jeweils zehn Minuten Mitfühlende Kommunikation geübt hatten, einen elfprozentigen Anstieg in sozialer Vertrautheit und Empathie feststellen. Das ist ein erstaunliches Ergebnis, und bis jetzt gibt es keine anderen Kommunikationsstrategien mit einem vergleichbaren Grad an Effektivität.
Eine neue Kommunikationswissenschaft
Im ersten Teil dieses Buches stellen wir die jüngsten Forschungsergebnisse zur Verarbeitung von Sprache, Sprechen und Zuhören durch das Gehirn vor. Wir erklären, wie die Sprache ein einzigartiges Gehirn aufbaut, wie Vertrauen und Zusammenarbeit entstehen und anderen Menschen vermittelt werden. Wir führen Sie durch sämtliche zwölf Strategien der Mitfühlenden Kommunikation und erläutern die neuropsychologischen Studien, die ihnen zugrunde liegen.
Dann führen wir Sie durch eine zwanzigminütige Partnerübung, in der diese Strategien so angewandt werden, dass sie die Kommunikationsschaltkreise in Ihrem Gehirn aufbauen. Dabei werden Sie womöglich feststellen, dass Sie viele Ihrer alten Vorstellungen, wie man mit anderen Menschen spricht, über Bord werfen und durch neue Formen des Sprechens und Zuhörens ersetzen müssen.
Wenn sich Zweifel einschleichen – was immer der Fall ist, wenn wir versuchen, alte Verhaltensweisen zu ändern –, dann bitten wir Sie, Ihre gegenwärtigen Ansichten einfach probeweise zu suspendieren, solange Sie die Übungen in diesem Buch durchführen. Sehen Sie es als Experiment. Wenn wir einen »Anfängergeist« annehmen, werden wir unserem alten Gehirn noch einige neue Tricks beibringen, mit denen wir unseren Kontakt zu unseren Mitmenschen verbessern können.
Wir stellen Ihnen mehrere Methoden vor, die Zweifel, Sorgen und Zögern effektiv eliminieren, und in den Schlusskapiteln erklären wir dann, wie verschiedene Gruppen – Partner, Eltern, Kinder, Therapeuten, Lehrer, Banker, Unternehmer und Manager – die Mitfühlende Kommunikation in ihrem Leben anwenden.
Wir schlagen vor, dass Sie täglich fünf bis zehn Minuten die einzelnen Komponenten der Mitfühlenden Kommunikation einüben, zuerst mit den Menschen, denen Sie am meisten vertrauen, und dann mit Bekannten und Geschäftspartnern. Nach einigen Wochen Praxis sollte Ihnen ein deutlicher Unterschied in Ihren Beziehungen und in den Reaktionen Ihrer Gesprächspartner auffallen, obwohl diese vielleicht gar nicht wissen, welche Prinzipien Sie anwenden. Fragen Sie nach, ob ihnen auffällt, dass Ihr Kommunikationsstil sich geändert hat. Sie werden wahrscheinlich einige Sekunden zögern und dann zustimmen, und in diesem Augenblick werden Sie ihnen die Mitfühlende Kommunikation bereits erfolgreich nahegebracht haben. Sie können größere Empathie und gegenseitiges Vertrauen schaffen, einfach indem Sie Ihre Worte richtig wählen.
Kapitel 2
Die Macht der Worte
Worte können heilen oder verletzen, und diese neurologische Tatsache kann man in Sekundenschnelle beweisen. Stellen Sie sich zunächst folgende Frage: Wie entspannt oder angespannt fühlen Sie sich momentan? Dann entspannen Sie sich so weit, wie Sie können. Atmen Sie dreimal tief durch und gähnen Sie einige Male. Das ist eine der effektivsten Arten, physischen, emotionalen und neurologischen Stress abzubauen.
Jetzt heben Sie die Arme ausgestreckt über den Kopf, lassen Sie sie zur Seite fallen und schütteln Sie die Hände aus. Rollen Sie vorsichtig mit dem Kopf, um die Muskeln in Hals und Schultern zu lockern, dann atmen Sie nochmals dreimal tief durch. Überprüfen Sie Ihren Körper: Fühlen Sie sich jetzt angespannter oder entspannter? Überprüfen Sie Ihren Geist: Fühlen Sie sich jetzt wacher, müder oder ruhiger?
Sie haben gerade die erste Strategie der Mitfühlenden Kommunikation angewandt. Später erklären wir Ihnen noch, wie diese leichten Übungen Ihr Gehirn verändern und ein effektiveres Gesprächsverhalten fördern, aber für dieses Experiment sollen Sie sich einfach nur so weit wie möglich entspannen, damit Ihnen die subtilen emotionalen Veränderungen auffallen, die sich abspielen, wenn Sie die erste Wortsequenz auf der nächsten Seite sehen. Atmen Sie nochmals tief ein und aus und konzentrieren Sie sich auf den gegenwärtigen Moment. Wenn Sie bereit sind, blättern Sie bitte um.