So wird man hundert
Übungen für Körper und Seele
© KREUZ VERLAG
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013
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Umschlaggestaltung: [rincón]² medien gmbh, Köln
Umschlagmotiv: © shutterstock – Marie C Fields
ISBN (E-Book) 978-3-451-34581-4
ISBN (Buch) 978-3-451-61204-6
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Allgemeine Regeln für das Älterwerden
I. Altwerden als eine lebenslange Aufgabe
II. Aktives und selbstverantwortliches Leben im Alter
III. Alter ist keine Krankheit – Selbstständigkeit erhalten und wiedererlangen
Die zehn speziellen Vitalitäts-Regeln
Jeden Tag ein klein wenig Training
Die Grundlagen des Vitalitätstrainings
Einige ausgewählte Übungen
Merkmale »erfolgreichen« Alterns
1. Training der biologischen Vitalität
2. Training der Sinnesorgane
3. Training der sozialen Vitalität
4. Training der psychischen Vitalität
5. Training der geistigen/mentalen Vitalität
6. Training der reflektiven Vitalität, des »Denkens über das Denken«
7. Training der regenerativen Vitalität
8. Training der diätetischen Vitalität
9. Training der Vitalität der lebensdienlichen gegenseitigen Teilhabe
10. Training der kulturellen und religiösen Vitalität
11. Training der kreativen Vitalität
Anhang
Checklisten
Fragebögen
Tests
Definitionen
Internetadressen
Literaturhinweise
Haftungsausschluss: Die Ausführungen in diesem Buch sind nur für gesunde Personen gedacht. Sie dienen nur Informationszwecken. Im Zweifel befragen Sie bitte Ihren Arzt oder Ihre Ärztin vor der Durchführung von Übungen, Diäten und Techniken. Jeder Mensch ist anders. Die einzelnen Übungen sind nur als Anregungen zu verstehen. Sie erfolgen in jedem Fall auf eigene Verantwortung und Gefahr. Sämtliche Angaben in diesem Buch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Insbesondere Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen müssen vom jeweiligen Anwender und der jeweiligen Anwenderin im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eine Haftung der AutorInnen, der MitarbeiterInnen oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen.
Bücher über erfolgreiches Altern gibt es wie Sand am Meer. Sie sind dick, teuer und sicher sehr informativ. Aber die Informationsüberflutung verwirrt uns häufig und macht uns handlungsunfähig, indem sie uns lähmt: So sind die Zehn Gebote der Bibel mit 279 Wörtern kurz, prägnant und gut lesbar. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hat 1320 Wörter. Einige dürften sie noch gelesen haben. Doch das deutsche Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004 hat über 100 000 Wörter, eine Informationsflut, die Menschen überfordert, weil sie die Information nicht mehr wahrnehmen können.
Dieses Buch bietet Ihnen dagegen einen Überblick, wie Sie als kluger, humorvoller und vorausschauender Mensch, als »geistiges Schlitzohr«, Ihre Vitalität erhalten oder zurückerlangen können. Es zeigt Ihnen in zehn einfachen »Rezeptblöcken«, wie Sie ein langes, selbstbestimmtes Leben führen können. Zu jeder Regel finden Sie viele praktische Übungen. Wählen Sie einfach aus jedem »Rezeptblock« eine Übung aus, die Sie jeden Tag einmal wie beschrieben ausführen.
Alle Übungen sind Möglichkeiten. Um sich ein effektives Training zusammenzustellen, müssen Sie also nicht alle Übungen absolvieren, sondern aus dem Angebot die Übungen auswählen, die Ihnen am besten liegen. Beginnen Sie am besten mit den Bereichen, in denen Sie den größten Übungsbedarf haben. Mithilfe einfacher Tests (die Sie am Ende des Buches finden) können Sie leicht selbst feststellen, welche Bereiche das sind. Überfordern Sie sich nicht! Probieren Sie jeden Tag eine neue Übung aus und machen danach die Übungen, die Sie in den Tagen zuvor gelernt haben. Beginnen Sie mit fünf Minuten am Tag und steigern Sie ganz allmählich die Übungszeit auf maximal zehn Minuten. Mit der Zeit sehen Sie selbst, welche Regeln für Sie am wichtigsten sind. Behalten Sie aus drei für Sie persönlich wichtigen Regeln je eine Übung bei und führen Sie diese drei Übungen täglich durch. Steigern Sie Ihr persönliches Vitalitätstraining nach Lust und Laune.
Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg und Spaß! Und wir geben Ihnen noch mehrere Motivationskicks mit auf den Weg: Mit zunehmendem Alter haben wir immer mehr das Gefühl, jünger zu sein, als es uns unser Geburtsdatum verkündet.
Diejenigen, die ihr Alter positiv wahrnehmen, haben im Durchschnitt eine um 7,5 Jahre höhere Lebenserwartung. Seien Sie also ein geistig fittes, vorausschauendes, humorvolles und gleichzeitig körperlich aktives »Schlitzohr« und freuen Sie sich auf Ihr Alter.
Das Vitalitätstraining, insbesondere das Gehirntraining, fördert als Nebeneffekt automatisch Ihre positive Selbstwahrnehmung. Dadurch entfaltet sich Ihre Persönlichkeit bis ins hohe Alter.
Wenn Sie als geistiges Schlitzohr, als schlauer Fuchs regelmäßig trainieren, sagt Ihr Spiegelbild zu Ihnen: »Hey, junger Spund, du hast dich klasse entwickelt.«
Die Fragen »Wie alt bin ich entsprechend meinem Geburtsdatum? Altere ich schnell im Vergleich zu Gleichaltrigen?« können Sie locker beiseitelegen.
Für Sie sind jetzt die Fragen wichtig: »Was kann ich? Wie fühle ich mich? Was mache ich in Zukunft? Wie kann ich anderen helfen?«
Alt zu werden ist heute die Regel
Seit etwa hundert Jahren werden wir immer älter, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in den Ländern des Südens wie Indien, das inzwischen immerhin auch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 65 Jahren hat.
Die Steinzeitmenschen wurden im Durchschnitt etwa 20 Jahre alt, die alten RömerInnen und GriechInnen erreichten ein durchschnittliches Lebensalter von etwa 25 Jahren. Im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit stieg das durchschnittliche Lebensalter auf etwa 37 Jahre an. Altwerden war in dieser Zeit eine Ausnahme. Die Ausdrücke, die mit dem Wort »alt« zusammenhingen, waren mit Bedeutungen wie »würdevoll«, »ehrwürdig« gekoppelt. So ist es nicht verwunderlich, dass der Rektor der Universität Königsberg in seiner Festrede anlässlich des 50. Geburtstags des Philosophen Immanuel Kant ihn mit den Worten »Hochverehrter Greis« titulierte. Heutzutage würde diese Bezeichnung anlässlich einer Geburtstagsrede zum 50. Geburtstag bei Frauen und Männern Überraschung, Heiterkeit und vielleicht auch Verärgerung hervorrufen.
Von 1870 bis 1900 stieg die Lebenserwartung von etwa 37 auf etwa 47 Jahre an. 1880 kamen auf einen über 75-Jährigen in Deutschland 79 jüngere Menschen. 2001 waren es 12,4 Personen, 2040 werden es schätzungsweise 6,2 Personen sein. Bis heute ist die durchschnittliche Lebensspanne auf 82 Jahre bei Frauen und auf etwa 77 Jahre bei Männern mit zunehmender Tendenz angestiegen.
Die Lebenserwartung im 20. Jahrhundert zeigte folgende Veränderungen: Alle zehn Jahre stieg die Lebenserwartung für Frauen um 3,25 Jahre und für Männer um 3,0 Jahre an.
Im Jahr 2050 wird die Lebenserwartung von Frauen in Deutschland voraussichtlich etwa 93 Jahre betragen, von Männern etwa 87 Jahre, im Jahr 2060 für Frauen sogar etwa 100 Jahre. »Jedes zweite Mädchen, das wir heute auf den Straßen sehen, hat eine Lebenserwartung von 100 Jahren, jeder zweite Junge wird aller Voraussicht nach 95.«
Ein Grund für diese dramatische Verbesserung in Europa und Nordamerika war auch, dass die Herren Salk und Sabin den Impfstoff gegen die Kinderlähmung erfanden und nicht patentierten, da sie sagten, der Impfstoff gehöre der Menschheit. Würden heute Aids-Medikamente nicht patentiert, wäre die Lebenserwartung auch in Ländern der Subsahara-Zone wie Simbabwe oder Swasiland nicht durch die Aids-Krise um 20 Jahre gesunken, sondern diese Menschen würden sich wie wir eines längeren Lebens erfreuen, das sie vital erleben könnten.
Eine Urgroßmutter oder ein Urgroßvater sind heute nichts Ungewöhnliches mehr. Heutzutage werden viele Mütter von Töchtern, die bereits in Rente sind, versorgt und gepflegt. Es wird angenommen, dass im Jahr 2050 in Deutschland etwa ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein wird, anstatt jetzt 16 Millionen werden dann 24 Millionen Menschen 65 Jahre und älter sein. Und es werden über 40 Prozent der 65-Jährigen und Älteren mindestens 80 Jahre alt sein. 60-Jährige gelten damit nicht mehr als Alte, allenfalls noch als »junge« Alte, Vitalität ist für sie entscheidend. Der zurzeit am schnellsten wachsende Anteil unserer Bevölkerung ist die Gruppe der Hochbetagten, d. h. Personen über 85 Jahre. Ein hohes Alter wird damit zum Regelfall – für Sie, für mich, für fast alle von uns.
Die deutsche Bevölkerung wird bis zum Jahre 2050 von heute 82,5 Millionen auf 69 bis 74 Millionen Menschen schrumpfen, das sind 200 000 Menschen weniger pro Jahr. Ohne Zuwanderung wären es 2050 sogar 23 Millionen Menschen weniger als heute, die in Deutschland leben. Es werden doppelt so viele 60-Jährige leben, wie Kinder geboren werden. Doch während die Zahl der Jugendlichen dramatisch nach unten geht, nimmt die Zahl der Älteren gleichzeitig sehr deutlich zu: Statt 17,7 wird es weniger als 10 Millionen Jugendliche im Jahre 2050 geben, dafür verdreifacht sich aber die Zahl der 80-Jährigen in Deutschland von vier auf zehn Millionen Menschen; und wir werden bis 2067 zehnmal so viele über 100-Jährige haben, nämlich ca. 115 000. Die geburtenstärkste Gruppe werden die 66-Jährigen sein. Auf 100 Personen zwischen 20 und 65 Jahren kommen statt jetzt 33 Menschen unter 20 Lebensjahren 2050 nur noch 29.
Durch unsere hohe Lebenserwartung gewinnt die Bewahrung der Selbstständigkeit, der Selbstversorgung und Erhöhung der Lebensqualität im Alter eine immer größere Rolle. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Es wird weniger Menschen in Deutschland geben, und die Relation verschiebt sich. Immer mehr ältere Menschen im Rentenalter werden im Verhältnis immer weniger jungen Menschen unter 20 Jahren gegenüberstehen. Dies führt zu einer Umkehrung der Bevölkerungspyramide. Es wird daher in naher Zukunft immer schwieriger werden, ausreichende PflegerInnen zu finden. Doch wäre eine Pflegegesellschaft überhaupt wünschenswert? Wohl eher nicht. Um diese alternde Gesellschaft produktiv und fröhlich zu erhalten, müssen sich alle aktiv beteiligen. Die Vorbereitung auf das Alter und damit die Erhaltung der Selbstständigkeit werden für uns alle zunehmend wichtiger. Denn wie die Weltgesundheitsorganisation bereits 1978 in Almaty feststellte: Gesundheit für alle ist möglich, wenn alle ihren Teil dazu einbringen.
Folgende Überlegungen spielen dabei eine große Rolle:
Durch die Fortschritte in der Medizin, durch die Gesundheitsbildung und Hygienemaßnahmen erlangen heute sehr viele Menschen ein hohes und sogar sehr hohes Alter. Das ist eine frohe Botschaft. Aber es gibt auch die Kehrseite der Medaille: Dieser Fortschritt ist für viele von uns mit »Nebenwirkungen« verbunden, wie die zunehmende Anzahl an Pflegebedürftigen im Alter zeigt. Sie sind mit hohen finanziellen Belastungen verknüpft. Alterungsprozesse gehören zu unserem normalen Leben; wir können ihnen nicht ausweichen, wir können sie aber verzögern und ihre Auswirkungen verändern. Gerade im höheren Lebensalter finden wir zum Teil erhebliche Unterschiede in Bezug auf Vitalität, körperliche Beweglichkeit, geistige Leistungsfähigkeit, allgemeine Interessen oder soziale Aktivitäten. Es gibt sowohl junggebliebene als auch alte 60-Jährige. Wir nennen dies den Unterschied zwischen dem kalendarischen und dem biologischen Alter.
Die allgemeinen Rezepte für kompetentes Altern vermitteln Ihnen die Grundvoraussetzungen, damit Sie Ihr Leben aktiv, kreativ und freudvoll gestalten können. Sie gründen sich auf die Regeln, die von Herrn Prof. Dr. Andreas Kruse, dem Leiter des Institutes für Gerontologie an der Universität Heidelberg, im Auftrag der Bundesvereinigung für Gesundheit e. V., die vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird, anlässlich des Weltgesundheitstages 1999 entwickelt worden sind.
Ergänzt werden sie durch die Leipziger Erklärung vom 10. Juni 2009 aus Anlass des 9. Seniorentages der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO). Sie werden durch die von uns entwickelten zehn Erfolgsregeln fortgeführt, die Ihnen direkt anwendbare Übungen vermitteln.
Das Wandern ist des Müllers, der Lehrerin, des Schusters oder der Sekretärin Lust.«