Carson McCullers
Das Herz ist ein
einsamer Jäger
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Susanna Rademacher
Mit einem Nachwort von
Richard Wright
Titel der 1940 bei Houghton Mifflin, Boston,
erschienenen Originalausgabe:
›The Heart Is a Lonely Hunter‹
Die deutsche Erstausgabe erschien
1950 bei Kantorowicz, Berlin
Die vorliegende Übersetzung wurde
1952 im Goverts Verlag, Stuttgart, veröffentlicht;
sie wurde von der Übersetzerin
für die 1963 erstmals im Diogenes Verlag
erschienene Ausgabe überarbeitet
Die Übersetzung wurde für die vorliegende
Ausgabe abermals überarbeitet
Das Nachwort von Richard Wright erschien
1940 unter dem Titel ›Inner Landscape‹
in The New Republic, Washington D.C.
Die vorliegende Übersetzung von Elizabeth Gilbert
erschien 1974 erstmals auf Deutsch im Band
›Über Carson McCullers‹, detebe 20 147
Copyright © 1940 Richard Wright
Reprinted by Permission of John Hawkins & Associates,
Inc. and the Estate of Richard Wright
Covermotiv: Gemälde von Edward Hopper, ›Automat‹, 1927 (Ausschnitt)
Alle deutschen Rechte vorbehalten
Copyright © 2016
Diogenes Verlag AG Zürich
www.diogenes.ch
ISBN Buchausgabe 978 3 257 24224 9 (3. Auflage)
ISBN E-Book 978 3 257 60211 1
Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.
[5] Für Reeves McCullers und Marguerite und Lamar Smith
[7] Erster Teil
1
Es gab in der Stadt zwei Taubstumme, die man immer zusammen sah. Jeden Morgen traten sie zeitig aus dem Haus, in dem sie wohnten, um Arm in Arm die Straße hinunter zur Arbeit zu gehen. Die beiden Freunde waren sehr verschieden. Der eine, der stets die Führung übernahm, war ein beleibter, verträumter Grieche. Im Sommer trug er ein gelbes oder grünes Polohemd, das vorn irgendwie in die Hose gestopft war und hinten lose heraushing. Wenn es kälter war, trug er darüber einen weiten grauen Pullover. Er hatte ein rundes, fettig glänzendes Gesicht, halbgeschlossene Augen und ein freundlich-blödes Lächeln um den Mund. Der andere Taubstumme war ein großer schlanker Mann mit wachen, intelligenten Augen. Er war stets schlicht und tadellos gekleidet.
Jeden Morgen gingen die beiden Freunde ruhig und stumm bis zur Hauptstraße. Sobald sie einen gewissen Obst- und Süßwarenladen erreicht hatten, blieben sie ein Weilchen davor stehen. Spiros [8] Antonapoulos, der Grieche, arbeitete bei seinem Vetter, dem Besitzer des Ladens. Er hatte die Süßigkeiten herzustellen, das Obst auszupacken und den Laden sauber zu halten. Bevor sie sich trennten, legte John Singer, der dünne Taubstumme, meist die Hand auf den Arm des Freundes und sah ihm einen Moment ins Gesicht. Nach ihrem Abschied ging Singer allein über die Straße und weiter zum Juwelierladen, in dem er als Silbergraveur arbeitete.
Am späten Nachmittag trafen die Freunde sich wieder. Singer wartete vor dem Obstladen, bis Antonapoulos nach Hause gehen konnte. Der Grieche war meist gerade dabei, gemächlich eine Kiste Pfirsiche oder Melonen auszupacken, oder er saß in der Küche hinter dem Laden und las ein Witzblättchen. Bevor sie gingen, griff Antonapoulos jedes Mal nach einer Tüte, die er tagsüber auf einem Küchenregal versteckte und in der er allerlei Essbares sammelte – ein bisschen Obst, ein paar Süßigkeiten oder einen Leberwurstzipfel. Für gewöhnlich schlurfte Antonapoulos dann leise zum Glaskasten mit den Fleischwaren und dem Käse. Er schob die hintere Scheibe auf, und seine fette Hand tastete liebevoll nach einem Leckerbissen, auf den er gerade Lust hatte. Manchmal merkte sein Vetter, der Ladenbesitzer, nichts davon. Wenn [9] er ihn aber erwischte, nahm sein blasses, verkniffenes Gesicht einen vorwurfsvollen Ausdruck an. Dann schob Antonapoulos traurig den Leckerbissen von einer Ecke des Kastens in die andere. Währenddessen stand Singer sehr gerade da, die Hände in den Taschen, und schaute in eine andere Richtung. Er sah diese kleine Szene zwischen den beiden Griechen nicht gern. Denn außer dem Trinken und einem gewissen heimlichen Vergnügen gab es für Antonapoulos nichts Schöneres auf der Welt als Essen.
In der Dämmerung gingen die beiden Taubstummen langsam nach Hause. Zu Hause redete Singer eifrig auf Antonapoulos ein. Seine Hände formten die Worte in rascher Zeichenfolge, und seine graugrünen Augen blitzten lebhaft in dem wachen Gesicht. Mit seinen hageren, kräftigen Händen erzählte er Antonapoulos alles, was ihm am Tag widerfahren war.
Antonapoulos saß bequem zurückgelehnt da und sah Singer an. Er bewegte die Hände selten, um etwas zu sagen – und wenn, dann nur um mitzuteilen, dass er essen, schlafen oder trinken wolle. Diese drei Dinge drückte er mit den gleichen vagen und linkischen Gebärden aus. War er nicht zu betrunken, kniete er abends vor dem Bett nieder und betete eine Weile. Dann formten seine dicken [10] Finger die Worte ›Heiliger Jesus‹ oder ›Gott‹ oder ›Liebste Maria‹ – die einzigen Worte, die Antonapoulos überhaupt sagte. Singer wusste nie recht, wie viel sein Freund von all dem, was er ihm erzählte, verstand. Aber das war nicht so wichtig.
Sie teilten sich zwei Räume im oberen Stock eines kleinen Hauses, unweit des Geschäftsviertels. In der Küche, wo Antonapoulos auf dem Petroleumofen all ihre Mahlzeiten kochte, standen einfache harte Stühle für Singer und ein üppig gepolstertes Sofa für Antonapoulos. Die Einrichtung des Schlafzimmers bestand vor allem aus einem großen Doppelbett mit Daunendecke für den dicken Griechen und einer schmalen eisernen Liege für Singer.
Ihr Abendessen nahm viel Zeit in Anspruch, weil Antonapoulos viel und sehr langsam aß. Nach dem Essen legte der dicke Grieche sich auf sein Sofa und schleckte langsam mit der Zunge jeden einzelnen Zahn ab – entweder weil er glaubte, das sei vornehm, oder weil er den Geschmack auskosten wollte. Singer spülte inzwischen das Geschirr.
An manchen Abenden spielten die beiden Taubstummen Schach. Singer hatte immer viel Freude an diesem Spiel gehabt und es vor Jahren Antonapoulos beizubringen versucht. Anfangs hatte er seinen Freund nicht für die Regeln interessieren können, [11] nach denen die Figuren bewegt werden. Dann verfiel er darauf, unter dem Tisch eine gute Flasche bereitzuhalten und sie nach jeder Lektion hervorzuholen. Der Grieche brachte es zwar nie so weit, das launische Zickzack der Springer und die große Beweglichkeit der Dame zu begreifen, lernte aber wenigstens ein paar klassische Eröffnungszüge. Er bevorzugte die weißen Figuren und wollte nie mit den schwarzen spielen. Nach den ersten Zügen machte Singer allein weiter, und sein Freund sah ihm dabei schläfrig zu. Wenn Singer prächtige Angriffe gegen seine eigenen Figuren führte und der schwarze König schließlich matt gesetzt wurde, war Antonapoulos sehr stolz und zufrieden.
Die beiden Taubstummen hatten sonst keine Freunde; bis auf die Arbeitsstunden waren sie immer zu zweit. Ein Tag glich dem anderen, weil sie so zurückgezogen lebten, dass nichts ihre Zweisamkeit störte. Einmal wöchentlich gingen sie zur Bibliothek, um für Singer einen Kriminalroman zu holen, und jeden Freitagabend sahen sie sich einen Film an. Am Zahltag gingen sie zum Passfotografen im ersten Stock über dem Laden mit den Militärkleidern, und Antonapoulos ließ sich fotografieren. Sonst gingen sie nirgends hin. Viele Stadtteile hatten sie noch nie gesehen.
Die Stadt lag mitten im tiefsten Süden. Die [12] Sommer waren lang, und es gab nur wenige kalte Wintermonate. Fast immer leuchtete der Himmel in glasklarem Blau, fast immer brannte die Sonne glühend herab. Dann kam der feine, kühle Novemberregen; später gab es vielleicht Frost und ein paar kalte Monate. Die Winter waren unterschiedlich, die Sommer aber immer brütend heiß. Die Stadt war recht groß. An der Hauptstraße lagen mehrere Blocks zwei- und dreistöckiger Läden und Bürohäuser. Die größten Gebäude aber waren die Fabriken, in denen ein großer Teil der Bevölkerung beschäftigt war. Es waren gutgehende, reiche Baumwollspinnereien, aber die meisten Arbeiter der Stadt waren sehr arm. Auf der Straße sah man oft Gesichter, aus denen verzweifelter Hunger und Einsamkeit sprachen.
Doch die beiden Taubstummen waren überhaupt nicht einsam. Sie waren zufrieden, zu Hause zu sitzen, zu essen und zu trinken, und Singers eifrige Hände erzählten dem Freund alles, was ihm durch den Kopf ging. So gingen die Jahre still dahin, bis Singer zweiunddreißig Jahre alt war und schon zehn Jahre lang mit Antonapoulos in der Stadt lebte.
Da wurde der Grieche eines Tages krank. Er saß, die Hände auf dem dicken Bauch, im Bett, und große, ölige Tränen rollten ihm über die Wangen. [13] Singer sagte dem Vetter seines Freundes, dem Besitzer des Obstladens, Bescheid und nahm selber Urlaub. Der Arzt verordnete Antonapoulos eine Diät und sagte, er dürfe keinen Wein mehr trinken. Singer achtete darauf, dass die Anordnungen des Arztes genau befolgt wurden. Er saß den ganzen Tag am Bett des Freundes und tat alles Menschenmögliche, um ihm die Zeit zu vertreiben. Antonapoulos aber sah ihn nur böse von der Seite an und wollte sich nicht aufheitern lassen.
Der Grieche war sehr gereizt und hatte an den Fruchtsäften und Speisen, die Singer ihm zubereitete, immer etwas auszusetzen. Ständig ließ er sich von seinem Freund aus dem Bett helfen, um zu beten. Wenn er kniete, hing sein gewaltiges Hinterteil bis zu den dicken kleinen Füße herab. Fahrig formten seine Hände die Worte ›Liebste Maria‹; dann berührte er das kleine Messingkreuz, das er an einer schmutzigen Schnur um den Hals trug, und seine großen Augen wanderten verängstigt zur Zimmerdecke hinauf. Hinterher war er sehr mürrisch und wollte sich von seinem Freund nichts erzählen lassen.
Singer war geduldig und tat, was er konnte. Um ihn aufzumuntern malte er kleine Bildergeschichten, einmal sogar eine mit seinem Freund als Hauptfigur. Aber das kränkte den dicken Griechen [14] sehr, und er war erst wieder versöhnt, als Singer sein Gesicht ganz jung und hübsch gemacht und sein Haare hellblond und seine Augen porzellanblau gefärbt hatte. Und selbst dann noch versuchte er, seine Freude zu verbergen.
Singer pflegte seinen Freund so gewissenhaft, dass Antonapoulos nach einer Woche wieder zur Arbeit gehen konnte. Seit dieser Zeit aber war ihr Leben anders geworden. Unglück kam über die beiden Freunde.
Antonapoulos war zwar nicht mehr krank, aber er hatte sich verändert. Er war gereizt und nicht mehr zufrieden, seine Abende still zu Hause zu verbringen. Wenn er ausgehen wollte, folgte Singer ihm auf Schritt und Tritt. Antonapoulos ging gewöhnlich in ein Restaurant, und wenn sie dann am Tisch saßen, steckte er sich heimlich Zuckerstückchen, einen Pfefferstreuer oder Silberbesteck in die Taschen. Singer zahlte jedes Mal dafür, damit sie keinen Ärger bekamen. Zu Hause schimpfte er mit Antonapoulos, aber der dicke Grieche sah ihn nur milde lächelnd an.
Die Monate gingen dahin, und Antonapoulos’ Angewohnheiten wurden immer schlimmer. Eines Mittags ging er seelenruhig aus dem Laden seines Vetters über die Straße und pinkelte in aller Öffentlichkeit die Nationalbank an. Und wenn er [15] jemandem begegnete, dessen Gesicht ihm nicht gefiel, rempelte er ihn an und schubste ihn mit seinem Bauch und den Ellenbogen beiseite. Eines Tages ging er in einen Laden und schleppte, ohne zu bezahlen, eine Stehlampe heraus, und ein andermal versuchte er eine elektrische Eisenbahn mitzunehmen, die er im Schaufenster gesehen hatte.
Für Singer war es eine trübselige Zeit. Immer wieder musste er in der Mittagspause mit Antonapoulos aufs Gericht, um dessen Gesetzesübertretungen auszubügeln. Bald war er mit Prozessen und dergleichen sehr vertraut und kam aus den Aufregungen nicht mehr heraus. Seine Ersparnisse wurden von Bürgschaften und Geldstrafen aufgezehrt. All seine Kraft und all sein Geld verwandte er darauf, seinem Freund eine Gefängnisstrafe wegen Diebstahls, Erregung öffentlichen Ärgernisses, Tätlichkeiten oder Körperverletzungen zu ersparen.
Der griechische Vetter, bei dem Antonapoulos arbeitete, kümmerte sich keinen Deut um diese Scherereien. Charles Parker (diesen Namen hatte der Vetter angenommen) ließ Antonapoulos weiter bei sich arbeiten, beobachtete ihn aber ständig und dachte nicht daran, ihm zu helfen. Singer war dieser Charles Parker mit seinem blassen, verkniffenen Gesicht nicht ganz geheuer. Er wurde ihm langsam unsympathisch.
[16] Singer lebte in ständiger Unruhe und Sorge, während Antonapoulos unverändert sanft und milde blieb. Was auch geschah – sein Gesicht zeigte stets dasselbe freundlich-müde Lächeln. In all den Jahren hatte Singer im Lächeln seines Freundes etwas Feinsinniges und Weises gesehen. Er hatte nie recht gewusst, wie viel Antonapoulos verstand und was er dachte. Nun glaubte Singer in der Miene des dicken Griechen etwas wie hinterhältigen Spott zu entdecken. Er schüttelte den Freund an den Schultern, bis er nicht mehr konnte, und setzte ihm immer wieder mit den Händen alles auseinander. Aber es half nichts.
Singers Geld war verbraucht, und er musste sich bei dem Juwelier, für den er arbeitete, etwas borgen. Einmal konnte er die Kaution für seinen Freund nicht bezahlen, und Antonapoulos verbrachte die Nacht im Gefängnis. Als Singer ihn am nächsten Tag abholen wollte, war Antonapoulos missmutig. Er wollte nicht gehen. Die Gefängniskost – Schweinebauch und Maisbrot mit Sirup – hatte ihm ausgezeichnet geschmeckt, und das Schlafen zu mehreren in einer Zelle gefiel ihm außerordentlich.
Sie hatten so zurückgezogen gelebt, dass Singer keinen Menschen hatte, der ihm in seinem Unglück beistehen konnte. Antonapoulos ließ sich [17] durch nichts von seinen Gewohnheiten abbringen. Zu Hause kochte er manchmal das neue Gericht, das er im Gefängnis gegessen hatte, und wenn er ausging, war man nie sicher, was er nun wieder anstellen würde.
Und dann kam für Singer der endgültige Schlag.
Als er Antonapoulos eines Nachmittags im Laden abholen wollte, übergab Charles Parker ihm einen Brief. Darin stand, dass er die Aufnahme seines Vetters in das zweihundert Meilen entfernte staatliche Irrenhaus veranlasst habe. Er hatte seinen Einfluss geltend gemacht, und alle Einzelheiten waren bereits geregelt. Antonapoulos sollte in der nächsten Woche dort aufgenommen werden.
Singer las den Brief mehrmals und konnte lange keinen Gedanken fassen. Charles Parker redete über den Ladentisch hinweg auf ihn ein, aber er machte nicht einmal den Versuch, seine Worte von den Lippen abzulesen und zu verstehen. Schließlich schrieb er auf den kleinen Notizblock, den er immer bei sich trug:
Das können Sie nicht machen. Antonapoulos muss bei mir bleiben.
Charles Parker schüttelte aufgeregt den Kopf. Sein Englisch war nicht gut. »Geht Sie nix an«, sagte er immer wieder.
Singer wusste, nun war alles zu Ende. Charles [18] Parker fürchtete, eines Tages für seinen Vetter aufkommen zu müssen. Wenn er auch kaum etwas von der amerikanischen Sprache verstand – vom amerikanischen Dollar verstand er umso mehr: Er hatte sein Geld und seinen Einfluss genutzt, um seinen Vetter schleunigst in der Anstalt unterzubringen.
Und Singer konnte nichts dagegen unternehmen.
Die nächste Woche verging in fieberhafter Tätigkeit. Singer redete und redete. Aber obwohl er seine Hände nie ruhen ließ, konnte er nicht alles erzählen, was er sagen wollte – alle Gedanken, die ihm je durch Kopf und Herz gegangen waren –, die Zeit reichte nicht. Seine grauen Augen glitzerten, und sein lebhaftes, kluges Gesicht drückte höchste Anspannung aus. Antonapoulos schaute ihn schläfrig an, und Singer wusste nicht, ob er ihn wirklich verstand.
Dann kam der Tag, an dem Antonapoulos fortmusste. Singer holte seinen Koffer hervor und packte sorgsam die besten Stücke ihrer gemeinsamen Habe ein. Antonapoulos machte sich seinen Reiseproviant zurecht. Gegen Abend gingen sie zum letzten Mal Arm in Arm die Straße hinunter. Es war ein feuchtkalter Tag spät im November, und ihr Atem hing in kleinen Wölkchen vor ihnen in der Luft.
[19] Charles Parker sollte seinen Vetter begleiten, hielt aber an der Haltestelle Abstand zu ihnen. Antonapoulos drängelte sich in den Bus und nahm umständlich auf einem der vorderen Sitze Platz. Singer beobachtete ihn durchs Fenster, und seine Hände begannen zum letzten Mal verzweifelt mit dem Freund zu reden. Aber Antonapoulos war so sehr mit dem Inhalt seines Proviantpakets beschäftigt, dass er zunächst gar nicht aufsah. Erst kurz bevor der Bus anfuhr, wandte er sich Singer zu, und sein Lächeln war sehr höflich und sehr fern – als lägen schon viele Meilen zwischen ihnen.
Die folgenden Wochen erschienen Singer ganz unwirklich. Tagsüber arbeitete er an seiner Werkbank im hinteren Teil des Juwelierladens, und abends ging er allein in die Wohnung. Er wollte nur noch schlafen. Sobald er von der Arbeit zurück war, legte er sich aufs Bett und versuchte eine Weile zu dösen. Im Halbschlaf suchten ihn Träume heim, und in einem jeden war Antonapoulos wieder da. Singers Hände zuckten nervös, denn im Traum redete er mit seinem Freund, und Antonapoulos schaute ihn an.
Singer versuchte an die Zeit zu denken, als er seinen Freund noch nicht gekannt hatte, sich an Ereignisse aus seiner Jugend zu erinnern. Aber nichts, worauf er sich zu besinnen suchte, schien wirklich zu sein.
[20] Da gab es eine bestimmte Sache, die ihm jedoch völlig bedeutungslos erschien. Singer erinnerte sich, dass er zwar von Geburt an taub, aber nicht immer richtig taubstumm gewesen war. Früh verwaist, war er in einer Taubstummenanstalt untergebracht worden. Er hatte mit den Händen sprechen und lesen gelernt. Mit nicht einmal neun Jahren konnte er nach der amerikanischen Methode mit einer Hand, aber auch nach europäischer Methode mit beiden Händen reden. Er hatte gelernt, den Lippenbewegungen anderer zu folgen und ihre Worte zu verstehen. Und schließlich hatte man ihm das Sprechen beigebracht.
In der Schule galt er als sehr intelligent. Er lernte schneller als seine Mitschüler. Aber er konnte sich nicht daran gewöhnen, mit den Lippen zu sprechen. Es war für ihn etwas Unnatürliches, und die Zunge lag ihm schwer wie ein Wal im Mund. Aus den verwirrten Mienen der Leute, mit denen er redete, schloss er, dass seine Stimme irgendwie tierisch klingen, dass seine Sprache irgendwie abschreckend wirken müsse. Mit dem Mund zu sprechen war eine Qual für ihn, während seine Hände stets willig die Worte formten, die er sagen wollte. Mit zweiundzwanzig war er aus Chicago in den Süden gekommen und schon bald Antonapoulos begegnet. Seitdem hatte er nie wieder mit dem [21] Mund gesprochen, denn bei seinem Freund war das nicht notwendig.
Nichts schien wirklich zu sein – außer den zehn Jahren mit Antonapoulos. Im Halbschlaf sah er den Freund leibhaftig vor sich, und beim Erwachen fühlte er sich schrecklich einsam. Er packte hin und wieder ein Paket für Antonapoulos, erhielt aber nie eine Antwort. So gingen die Monate dahin, träumend und leer.
Im Frühling ging mit Singer eine Veränderung vor. Er konnte nicht schlafen, sein Körper fand keine Ruhe. Um müde zu werden, wanderte er abends in seinem Zimmer auf und ab, aber seine Energie wollte nicht nachlassen. Er kam – wenn überhaupt – nur gegen Morgen für wenige Stunden zur Ruhe; dann fiel er in einen dumpfen Schlaf, bis ihn das messerscharfe Morgenlicht jäh weckte.
Er gewöhnte es sich an, abends in der Stadt umherzustreifen. Die Wohnung, in der Antonapoulos gelebt hatte, wurde ihm unerträglich: Er mietete ein Zimmer in einer schäbigen Pension, unweit des Stadtzentrums.
Seine Mahlzeiten nahm er im Café New York ein, das nur zwei Straßenecken weiter am Ende der langen Hauptstraße lag. Am ersten Tag überflog er die Speisekarte, schrieb ein paar Zeilen und reichte sie dem Wirt:
[22] Jeden Morgen zum Frühstück bitte ein Ei, Toast und Kaffee | $ 0.15 |
Zum Lunch bitte Suppe (irgendeine), ein Sandwich mit Fleisch und Milch | $ 0.25 |
Abends bitte dreierlei Gemüse (egal welches, nur keinen Kohl), Fisch oder Fleisch und ein Glas Bier | $ 0.35 |
Vielen Dank.
Der Wirt las den Zettel und warf Singer einen aufmerksamen, höflichen Blick zu. Er war ein starker Mann von mittlerer Größe mit einem so dunklen, dichten Bart, dass sein Kinn wie aus Eisen gegossen wirkte. Meistens stand er, die Arme über der Brust verschränkt, in der Ecke bei der Registrierkasse und beobachtete ruhig alles, was um ihn vorging. Singer war das Gesicht dieses Mannes inzwischen sehr vertraut, denn er nahm dort täglich drei Mahlzeiten ein.
Jeden Abend wanderte der Taubstumme stundenlang allein durch die Straßen. Manchmal waren die Nächte kalt vom scharfen, feuchten Märzwind und vom strömenden Regen. Aber das war ihm gleich. Er schritt kraftvoll aus, die Hände tief in die [23] Hosentaschen vergraben. Die Wochen vergingen, und es kamen drückend warme Tage. Seine Anspannung wich allmählich der Erschöpfung, eine tiefe Ruhe schien über ihn zu kommen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war nachdenklich und gefasst, wie man ihn oft bei sehr unglücklichen oder sehr weisen Menschen sieht. Aber er wanderte weiter durch die Straßen der Stadt, stumm und allein.
2
In einer dunklen schwülen Frühsommernacht stand Biff Brannon hinter der Registrierkasse des Café New York. Es war Mitternacht. Die Straßenlaternen draußen waren schon abgedreht, und das Licht aus dem Café warf ein scharf gezeichnetes gelbes Rechteck auf den Gehsteig. Die Straße war menschenleer, aber im Café saßen noch ein paar Gäste, die Bier, Santa-Lucia-Wein oder Whisky tranken. Biff wartete gleichmütig, den Ellenbogen auf die Theke gestützt, und knetete mit dem Daumen die Spitze seiner langen Nase. Gespannt beobachte er einen betrunkenen kleinen Mann im Overall, der immer lauter wurde. Dann und wann [24] schweifte sein Blick zu dem Taubstummen, der allein an einem Tisch in der Mitte des Raums saß, oder zu den Gästen an der Theke, kehrte aber immer wieder zu dem Betrunkenen im Overall zurück. Es wurde später und später, und Biff wartete immer noch schweigend hinter der Theke. Schließlich warf er einen letzten prüfenden Blick auf die Runde und wandte sich dann zur Hintertür, die nach oben führte.
Er trat leise in das Zimmer neben dem oberen Treppenabsatz. Drinnen war es dunkel, und er ging behutsam weiter. Nach einigen Schritten stieß er mit dem Fuß gegen etwas Hartes; er langte hinunter und griff nach dem Griff des Koffers, der auf dem Fußboden stand. Er war nur wenige Sekunden im Zimmer und wollte schon wieder gehen, als das Licht angedreht wurde.
Alice setzte sich im zerwühlten Bett auf und sah ihn an. »Was machst du da mit dem Koffer?«, fragte sie. »Kannst du diesen Irren nicht einfach loswerden? Das Zeug hat er eh längst versoffen.«
»Steh auf und geh selber runter. Ruf die Polente und lass ihn in Ketten legen bei Erbsen und Maisbrot. Los, mach schon, Missis Brannon!«
»Das mach ich auch, wenn er morgen noch unten ist. Lass nur den Koffer stehn. Der gehört dem Schnorrer sowieso nicht mehr.«
[25] »Mit Schnorrerei kenn ich mich aus, der Blount ist kein Schnorrer«, sagte Biff. »Ich – ich weiß nicht. Ich bin doch kein Dieb.«
Biff stellte ruhig den Koffer draußen an die Treppe. Die Luft im Zimmer war weniger verbraucht und schwül als unten. Er wollte noch ein Weilchen oben bleiben. Dann würde er sich das Gesicht kalt abwaschen und wieder runtergehen.
»Ich habe dir doch gesagt, was ich tu, wenn du den Kerl heute Nacht nicht endgültig rausschmeißt. Tagsüber sitzt er hinten und pennt, und abends fütterst du ihn durch. Seit einer Woche hat er keinen Cent bezahlt. Und dann dieses Gequatsche und Getue – der macht uns noch das Geschäft kaputt.«
»Du verstehst nichts von Leuten, und du verstehst nichts vom Geschäft«, sagte Biff. »Der Mann ist vor zwölf Tagen zum ersten Mal ins Lokal gekommen und kannte hier in der Stadt niemanden. In der ersten Woche haben wir zwanzig Dollar an ihm verdient. Wenn nicht mehr.«
»Und danach alles auf Pump«, sagte Alice, »fünf Tage auf Pump, und so besoffen, dass es fürs Geschäft ’ne Schande ist. Außerdem ist er nichts wie ’n Pennbruder und ’ne Missgeburt.«
»Ich mag Missgeburten«, sagte Biff.
»Kann ich mir denken! Kann ich mir haargenau denken, Mister Brannon – bist ja selber eine.«
[26] Er rieb sich sein dunkles Kinn und achtete nicht weiter auf sie. In den ersten fünfzehn Jahren ihrer Ehe hatten sie einfach Biff und Alice zueinander gesagt. Dann hatten sie sich bei einer Zankerei plötzlich Mister und Missis genannt, und dabei war es geblieben, weil sie sich seitdem nie wieder recht vertrugen.
»Das lass dir gesagt sein: Wenn ich morgen runterkomme, ist der besser nicht mehr da.«
Biff ging ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht und beschloss, dass auch noch Zeit zum Rasieren war. Sein Bart war so schwarz und dicht, als hätte er sich drei Tage nicht rasiert. Er stand vor dem Spiegel und rieb sich nachdenklich die Wange. Er hätte nicht mit Alice reden sollen. Schweigen war das Beste bei ihr. Wenn er mit dieser Frau zusammen war, war er nicht er selbst, dann war er genau so hart, kleinlich und gewöhnlich wie sie. Biffs Blick unter den gesenkten Lidern war kalt und starr und zynisch. Am kleinen Finger seiner schwieligen Hand steckte der Trauring einer Frau. Die Tür hinter ihm stand offen, im Spiegel konnte er Alice im Bett liegen sehen.
»Weißt du«, sagte er, »das Schlimme an dir ist, dass du keine richtige Güte kennst. Eine einzige Frau habe ich gekannt, die hatte diese richtige Güte, die ich meine.«
[27] »Na, dich hab ich Sachen machen sehn, auf die kein Mensch auf der Welt stolz wär. Ich hab ja erlebt, wie du…«
»Vielleicht mein ich auch Interesse. Du siehst nichts, und dir fällt nie was auf. Du schaust nicht genau hin, denkst nie über was nach und versuchst auch nie was rauszukriegen. Vielleicht ist das der größte Unterschied zwischen dir und mir.«
Alice war fast wieder eingeschlafen; er betrachtete sie im Spiegel wie eine Fremde. An ihr war nichts, das seine Aufmerksamkeit fesseln konnte; sein Blick glitt von ihrem hellbraunen Haar hinab zur gewölbten Bettdecke über ihren Füßen. Die weichen Formen ihres Gesichts setzten sich in den Rundungen ihrer Hüften und Schenkel fort. Wenn er nicht bei ihr war, fiel ihm gar nichts ein, das an ihr hervorstach; dann war sie für ihn bloß ein großes Ganzes ohne Ecken und Kanten.
»Du hast auch nie Spaß im Theater gehabt«, sagte er.
Ihre Stimme klang müde: »Der Kerl unten ist genug Theater, und ein ganzer Zirkus noch dazu. Aber ich hab jetzt genug davon, jetzt ist Schluss.«
»Verdammt noch mal, der Mann ist mir doch ganz egal. Ich bin nicht mit ihm verwandt und auch nicht mit ihm befreundet. Aber du verstehst das halt nicht – man muss erst sehr viele [28] Einzelheiten zusammentragen, um die Wirklichkeit ganz zu verstehen.« Er drehte den Warmwasserhahn auf und begann sich zu rasieren.
Es war am Morgen des 15. Mai gewesen, jawohl, da war Jake Blount reingekommen. Er war ihm gleich aufgefallen, und er hatte ihn genau betrachtet. Der Mann war klein, aber seine Schultern waren breit und schwer. Er trug einen kleinen, struppigen Schnurrbart, und seine Unterlippe sah darunter aus, als hätte ihn eine Wespe gestochen. Der ganze Kerl schien aus Widersprüchen zu bestehen. Sein Kopf war sehr groß und wohlgeformt, aber sein Hals war zart und schlank wie der eines Knaben. Der Schnurrbart wirkte so künstlich, als wäre er für ein Kostümfest angeklebt und als würde er abfallen, wenn er zu schnell redete. Er machte aus ihm einen Mann mittleren Alters, obwohl sein Gesicht mit der hohen, glatten Stirn und den großen Augen noch jung wirkte. Er hatte schmutzige, schwielige Riesenpranken und trug einen billigen weißen Leinenanzug. Der Mann hatte zwar unbedingt etwas Komisches an sich, gleichzeitig aber hielt einen etwas davon ab, über ihn zu lachen.
Er bestellte eine Flasche Schnaps und trank sie in einer halben Stunde aus. Dann setzte er sich in eine Nische und aß eine große Portion Hühnchen. Später las er in einem Buch und trank Bier. So hatte [29] es angefangen. Obwohl Biff sich diesen Blount sehr genau angesehen hatte, hätte er sich die verrückten Dinge, die später passierten, nicht vorstellen können. Er hatte noch nie einen Menschen erlebt, der sich in zwölf Tagen so oft veränderte. Er hatte noch nie einen Kerl gesehen, der so viel trank und so lange betrunken blieb.
Biff drückte mit dem Daumen die Nasenspitze hoch und rasierte sich die Oberlippe. Fertig; sein Gesicht fühlte sich kühler an. Alice schlief, als er durchs Schlafzimmer wieder hinunterging.
Der Koffer war schwer. Er brachte ihn vorn ins Lokal und stellte ihn hinter die Registrierkasse, wo er selbst jeden Abend stand. Gründlich schaute er sich um: Einige Gäste waren gegangen. Das Lokal war nicht mehr ganz so voll, aber die Szene war unverändert. Der Taubstumme saß immer noch allein bei seinem Kaffee. Der Betrunkene hatte immer noch nicht aufgehört zu reden. Er wandte sich an keinen direkt, und es hörte ihm auch keiner zu. Als er heute Abend ins Lokal kam, trug er nicht mehr den dreckigen Leinenanzug der letzten zwölf Tage, sondern diesen blauen Overall. Er hatte auch keine Socken mehr an, und seine Knöchel waren zerkratzt und starrten vor Schmutz.
Biff pickte einige Brocken seines Selbstgesprächs auf. Der Kerl schien wieder mal verrücktes [30] politisches Zeug zu reden. Gestern Abend hatte er erzählt, wo er schon überall gewesen war – Texas, Oklahoma und Nord- und Süd-Carolina. Einmal war er auf Nutten zu sprechen gekommen, und seine Witze waren so derb gewesen, dass man ihn mit Bier zum Schweigen bringen musste. Aber meistens wusste keiner so recht, was er eigentlich sagte. Er redete und redete. Die Worte sprudelten aus ihm heraus wie ein Wasserfall. Und dann wechselte er in einem fort den Dialekt, und nicht nur das: Einmal redete er wie ein Fabrikarbeiter, ein andermal wie ein Professor. Manchmal gebrauchte er ellenlange Wörter, und dann wieder haperte es mit der Grammatik. Schwer zu sagen, was für eine Kinderstube er hatte oder aus welchem Teil des Landes er kam. Er war jedes Mal anders. Nachdenklich tätschelte Biff seine Nasenspitze. Nein, da passte nichts zusammen, und das musste mit dem Kopf zu tun haben. Sicher, der Mann da hatte Verstand, aber er sprang zusammenhanglos von einer Sache zur andern. Etwas schien ihn aus der Bahn geworfen zu haben.
Biff lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Theke und schlug die Abendzeitung auf. Eine Schlagzeile befasste sich mit dem Beschluss, den der Stadtrat nach viermonatiger Beratung gefasst hatte: Die Anbringung von Verkehrsampeln an gewissen Kreuzungen übersteige das Budget der [31] Stadtverwaltung. In der linken Spalte wurde über den Krieg im Orient berichtet. Biff las eins so aufmerksam wie das andere. Während seine Augen den Zeilen folgten, achteten seine übrigen Sinne auf das Treiben ringsum. Als er mit den Artikeln fertig war, starrte er immer noch mit gesenkten Lidern auf die Zeitung. Er war nervös. Der Kerl da war ein Problem, und bis morgen früh mussten sie sich irgendwie einigen. Er fühlte, ohne zu wissen, warum, dass heute Nacht etwas Bedeutsames geschehen würde. Der Kerl konnte schließlich nicht ewig so weitermachen.
Biff spürte, dass jemand im Eingang stand, und blickte rasch auf. Ein langes, blondes Mädchen von etwa zwölf Jahren sah zur Tür herein. Sie trug Khaki-Shorts, ein blaues Hemd und Tennisschuhe. Auf den ersten Blick wirkte sie wie ein Junge. Biff schob die Zeitung beiseite und lächelte, während sie auf ihn zukam.
»’n Abend, Mick. Warst du bei den Pfadfinderinnen?«
»Nein«, sagte sie. »Bin nicht bei denen.«
Aus dem Augenwinkel sah er, dass der Betrunkene mit der Faust auf den Tisch schlug und sich von dem Mann abwandte, auf den er eingeredet hatte.
Biffs Stimme war leiser, als er das Mädchen [32] fragte: »Wissen deine Eltern, dass du nach Mitternacht noch unterwegs bist?«
»Ist schon in Ordnung. ’n ganzer Haufen Kinder ist noch draußen beim Spielen.«
Er hatte sie nie mit einem Gleichaltrigen ins Lokal kommen sehen. Vor ein paar Jahren hatte sie immer an ihrem großen Bruder geklebt. Die Kellys waren zahlenmäßig eine ansehnliche Familie. Später dann zog sie zwei Rotznasen im Handwagen hinter sich her. Aber wenn sie grad nicht auf die Kleinen aufpasste oder hinter den Größeren herlief, war sie allein. Nun stand sie da und schien nicht zu wissen, was sie eigentlich wollte. Sie strich sich immer wieder mit der flachen Hand das feuchte, weißblonde Haar zurück.
»Ein Päckchen Zigaretten, bitte. Die billigsten.«
Biff wollte etwas sagen, zögerte aber und langte dann unter die Theke. Mick zog ein Taschentuch heraus und begann den Zipfel aufzuknüpfen, in dem sie ihr Geld aufbewahrte. Als sie dem Knoten einen Ruck gab, klimperte das Kleingeld auf den Boden und rollte zu Blount hin, der jetzt stehend vor sich hinbrummelte. Einen Augenblick starrte er geistesabwesend auf die Münzen, aber bevor die Kleine sie aufsammeln konnte, riss er sich zusammen, ging in die Knie und hob das Geld auf. Schwerfällig ging er zur Theke, blieb dort stehen und schob die zwei [33] Pennys, das Fünfcentstück und das Zehncentstück auf seiner Handfläche hin und her:
»Siebzehn Cent kosten die Zigaretten jetzt?«
Biff wartete, und Mick sah vom einen zum anderen. Der Betrunkene stapelte die Geldstücke auf der Theke und legte schützend seine schmutzige Pranke darum. Dann hob er bedächtig einen Penny auf und knallte ihn auf die Theke.
»’n halben Cent für die armen weißen Schlucker, die das Kraut anbauen«, sagte er, »und ’n halben Cent für die Trottel, die die Zigaretten drehn. Und einen ganzen Cent für dich, Biff.« Dann versuchte er, die beiden anderen Münzen zu fixieren, um die Aufschrift zu lesen, dabei spielte er weiter mit ihnen und drehte sie im Kreis. Schließlich stieß er die Münzen beiseite. »’ne mickrige Huldigung ist das für die Freiheit. Für die Demokratie und die Tyrannei. Für Bürgerrechte und Ausbeuterei!«
Biff nahm ruhig das Geld und ließ es in die Kasse klingeln. Mick schien noch etwas herumstehen zu wollen. Eine Weile musterte sie den Betrunkenen, dann wanderten ihre Augen zur Mitte des Raumes, wo der Taubstumme allein an seinem Tisch saß. Bald darauf blickte auch Bount ab und zu dorthin. Der Taubstumme saß still bei seinem Glas Bier und malte träge mit einem abgebrannten Streichholz auf der Tischplatte herum.
[34] Wieder brach Jake Blount das Schweigen: »Komisch, den Kerl da hab ich die letzten drei, vier Nächte im Traum gesehn. Der will und will mich nicht in Ruhe lassen. Ist dir auch aufgefallen, dass er nie was sagt.«
Biff sprach selten mit einem Gast über einen anderen. »Sieht ganz so aus«, antwortete er zurückhaltend.
»Komisch.«
Mick trat von einem Fuß auf den anderen und stopfte sich das Zigarettenpäckchen in die Hosentasche. »Gar nicht komisch, wenn man ihn besser kennt«, sagte sie. »Mister Singer hat ein Zimmer bei uns, er wohnt in unserem Haus.«
»Tatsächlich?«, fragte Biff. »Soso – das wusste ich nicht.«
Mick ging zur Tür und antwortete, ohne sich umzusehen: »Klar. Schon seit drei Monaten.«
Biff rollte seine Hemdsärmel herunter und krempelte sie dann sorgfältig wieder hoch. Er schaute Mick hinterher. Auch als sie längst verschwunden war, fummelte er immer noch an seinen Ärmeln herum und starrte auf den leeren Eingang. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und wandte sich wieder dem Betrunkenen zu.
Blount lehnte schwer am Tresen. Aus großen feuchten braunen Augen starrte er benommen vor [35] sich hin. Er hatte lange nicht gebadet und stank wie ein nasser Hund. Auf seinem verschwitzten Hals perlten schmutzige Tropfen, und auf seinem Gesicht war ein Ölfleck. Seine Lippen waren rot geschwollen, und das braune Haar klebte ihm an der Stirn. Da sein Overall im Schritt zu eng war, zupfte er dauernd daran herum.
»Mann, sei doch vernünftig«, sagte Biff endlich. »So kannst du nicht länger rumlaufen. Ist ja ’n Wunder, dass sie dich nicht längst wegen Landstreicherei geschnappt haben. Hör auf zu saufen. Wasch dich endlich und lass dir die Haare schneiden. Heilige Mutter Gottes! So kannst du nicht unter die Leute gehn.«
Blount warf ihm einen finsteren Blick zu und biss sich auf die Unterlippe.
»Nun nimm’s mir nicht übel und reg dich nicht auf. Tu einfach, was ich dir sage. Sag dem Negerjungen in der Küche, er soll dir ’ne große Schüssel heißes Wasser geben, ’n Handtuch und ’n großes Stück Seife, und wasch dich ordentlich. Dann kriegst du ’ne Schüssel heiße Milch mit Weißbrot, nimmst dir ’n frisches Hemd aus dem Koffer und ziehst Hosen an, die dir richtig passen. Und morgen kannst du überall hingehen, kannst arbeiten, wo’s dir gefällt, und kommst wieder auf den Damm.«
[36] »Weißt du was«, sagte der betrunkene Blount. »Du kannst mich mal…«
»Is ja gut«, sagte Biff seelenruhig. »Mach ich aber nicht. Reiß dich zusammen!«
Biff ging ans Ende des Tresens und kam mit zwei Gläsern Bier zurück. Er packte sein Glas so ungeschickt an, dass das Bier über seine Hände und auf die Theke schwappte. Biff schlürfte genießerisch sein Bier und hielt die halbgeschlossenen Augen unverwandt auf Blount gerichtet. Nein, dieser Blount war nicht missgebildet, obwohl er auf den ersten Blick so wirkte. Irgendetwas an ihm schien zwar verrutscht zu sein, aber wenn man näher hinsah, war jeder Körperteil normal und so, wie er sein sollte. Wenn er sich also nicht körperlich von den anderen unterschied, dann wahrscheinlich geistig. Es wirkte so, als hätte er mal im Gefängnis gesessen oder in Harvard studiert oder lange Zeit unter Fremden in Südamerika gelebt. Als wäre er irgendwo gewesen, wo andere nicht so leicht hinkommen, oder als hätte er was getan, wozu andere nicht imstande sind. Biff legte den Kopf schief und fragte: »Wo kommst du her?«
»Von nirgendwo.«
»Na, irgendwo musst du doch geboren sein. Nord-Carolina, Tennessee, Alabama – irgendwo.«
»Carolina«, sagte Blount mit trübem Blick.
[37] »Kann mir schon denken, dass du viel rumgekommen bist«, bemerkte Biff taktvoll.
Aber der Betrunkene hörte gar nicht zu. Er hatte sich von der Theke abgewandt und starrte hinaus auf die dunkle, leere Straße. Gleich darauf ging er mit unsicheren Schritten zur Tür.
»Adios«, rief er noch.
Biff war wieder allein und unterzog das Restaurant noch einmal einer gründlichen Prüfung: ein Uhr vorbei; nur vier oder fünf Gäste waren noch im Lokal. Der Taubstumme saß immer noch allein an seinem Tisch. Biff betrachtete ihn träge und schwenkte den kleinen Rest Bier in seinem Glas. Dann leerte er das Glas mit einem bedächtigen Schluck und kehrte wieder zu der Zeitung zurück, die aufgeschlagen auf der Theke lag.
Aber diesmal konnte er sich nicht auf die Worte konzentrieren. Er musste an Mick denken. Ob es wohl richtig gewesen war, ihr das Päckchen Zigaretten zu verkaufen? Ob Rauchen für Kinder wirklich schädlich war? Er dachte daran, wie Mick die Augen verengte und die Ponyfransen ihres Haars mit der Handfläche zurückstrich. Er dachte an ihre rauhe Jungsstimme und an ihre Angewohnheit, die Khaki-Shorts hochzuziehen und wie ein Cowboy im Film umherzustelzen. Ein Gefühl von Zärtlichkeit überkam ihn. Es war ihm unangenehm.
[38] In seiner Ruhelosigkeit wandte Biff seine Aufmerksamkeit Singer zu. Der Taubstumme saß mit den Händen in den Taschen da; sein Bier im halbleeren Glas war warm und schal. Bevor Singer ging, würde Biff ihn zu einem Gläschen Whisky einladen. Was er zu Alice gesagt hatte, stimmte: Er hatte was übrig für die Kranken und Verkrüppelten. Wann immer jemand mit einer Hasenscharte oder mit Tb ins Lokal kam, spendierte er ihm ein Bier. Hatte der Gast einen Buckel oder sonst ein schweres Gebrechen, dann bekam er sogar einen Whisky. Einem armen Kerl waren bei einer Kesselexplosion das Ding und sein linkes Bein abgerissen worden, und wenn er in der Stadt war, gab es für ihn immer einen Gratis-Drink. Wenn Singer sich etwas aus Whisky machte, dann sollte er ihn von nun an zum halben Preis bekommen. Biff nickte vor sich hin. Dann faltete er die Zeitung ordentlich zusammen und legte sie zu den anderen unter die Theke. Wenn die Woche um war, packte er sie in den Vorratsraum hinter der Küche, wo er schon einundzwanzig vollständige Jahrgänge der Abendzeitung verwahrte.
Um zwei Uhr kam Blount wieder ins Lokal. Er brachte einen langen Neger mit, der eine schwarze Handtasche trug. Der Betrunkene versuchte ihn an die Theke zu lotsen, aber sobald der Neger merkte, [39] wozu man ihn hierhergeschleppt hatte, drehte er sich um und ging. Biff erkannte in ihm den Arzt, der schon seit Ewigkeiten hier in der Stadt die Schwarzen behandelte. Irgendwie war er mit dem jungen Willie hinten in der Küche verwandt. Biff bemerkte, dass er im Hinausgehen Blount einen hasserfüllten Blick zuwarf.
Der Betrunkene stand regungslos da.
»Weißt du nicht, dass du in ein Lokal für Weiße keine Nigger bringen darfst?«, fragte jemand.
Biff verfolgte alles aus der Entfernung. Blount war wütend, und nun sah man deutlich, wie betrunken er war.
»Bin selbst ’n halber Nigger«, rief er herausfordernd.
Biff ließ ihn nicht aus den Augen. Im Lokal war es ganz still geworden. Blounts Nasenflügel waren gebläht, und er rollte mit den Augen. Es sah so aus, als hätte er die Wahrheit gesagt.
»Halber Nigger und Makkaronifresser und Russki und Schlitzauge. Von jedem was.«
Die Leute lachten.
»Und Holländer und Türke und Japaner und Amerikaner.« Er torkelte zu dem Tisch, an dem der Taubstumme seinen Kaffee trank. Seine Stimme war laut und heiser. »Ich bin ein Wissender. Ich bin ein Fremder in einem fremden Land.«
[40] »Sei endlich ruhig«, sagte Biff.
Blount achtete nur noch auf den Taubstummen. Sie sahen einander an. Die Augen des Taubstummen waren kühl und sanft wie Katzenaugen, sein ganzer Körper schien zu lauschen. Der Betrunkene wurde wütend.
»Du bist der Einzige in dieser Stadt, der kapiert, was ich meine«, sagte Blount. »Zwei Tage lang hab ich jetzt in Gedanken mit dir geredet, weil ich weiß, dass du mich verstehst.«
Einige Leute in einer Nische lachten, weil er sich mit einem Taubstummen unterhielt. Biff warf den beiden Männern kleine, scharfe Blicke zu und lauschte aufmerksam.
Blount setzte sich an den Tisch und beugte sich zu Singer hinüber. »Es gibt die Wissenden und die Unwissenden, und auf tausend Unwissende kommt bloß ein Wissender. Das eben ist das ewige Wunder: dass all diese Millionen so viel wissen, nur dieses eine nicht. Wie im fünfzehnten Jahrhundert, wo sie alle glaubten, die Welt wäre flach, und nur Columbus und ein paar andre Kerle kannten die Wahrheit. Der Unterschied ist, dass man begabt sein musste, um sich die Erde rund vorzustellen. Meine Wahrheit ist aber so naheliegend, dass es wirklich ein Weltwunder ist, dass die Leute sie nicht erkennen. Kapiert?«
[41] Biff stützte die Ellenbogen auf die Theke und sah Blount neugierig an. »Was für ’ne Wahrheit?«, fragte er.
»Hör nicht auf den«, sagte Blount. »Kümmer dich nicht um diesen plattfüßigen Blaubart, um diesen oberschlauen Hurensohn. Sieh mal, wenn zwei Wissende wie wir aufeinanderstoßen, das ist ein Ereignis. Das kommt so gut wie nie vor. Manchmal begegnen wir einander, aber keiner ahnt, dass der andre die Wahrheit kennt. Schlimme Sache das. Ist mir x-mal passiert. Aber weißt du, von unsrer Sorte gibt’s eben so wenig.«
»Wohl Freimaurer, was?«, sagte Biff.
»Halt’s Maul! Sonst reiß ich dir den Arm aus und schlag dich damit grün und blau«, brüllte Blount. Er beugte sich dicht zu dem Taubstummen hinüber, und seine Stimme sank zu einem trunkenen Flüstern herab. »Und wie kommt das? Warum hat sich dieses Wunder an Unwissenheit so lange gehalten? Ein einziger Grund: eine Verschwörung. Eine große und gemeine Verschwörung. Ob-sku-ran-tis-mus.«
Die Männer in der Nische lachten immer noch über den Betrunkenen, der sich ausgerechnet mit einem Taubstummen unterhielt. Nur Biff blieb ernst. Ihn interessierte es, ob der Taubstumme wirklich verstand, was man zu ihm sagte. Der Kerl nickte häufig und machte ein nachdenkliches [42] Gesicht. Es ging bloß langsamer bei ihm – das war’s. Jetzt riss Blount mitten in seiner Rede über das Wissen ein paar Witze. Der Taubstumme lächelte immer erst einige Sekunden nach der Pointe. Und wenn der Betrunkene schon wieder bei seinen düsteren Geschichten war, lag immer noch ein Lächeln auf Singers Gesicht. Der Kerl war wirklich unheimlich. Man musste ihn einfach beobachten, auch wenn man gar nicht wusste, dass er anders war als alle anderen. Wenn man seine Augen sah, meinte man, er hörte Dinge, die kein anderer je gehört hatte, dass er Dinge wusste, die niemand anders vor ihm geahnt hatte. Etwas an ihm war nicht ganz menschlich.
Jake Blount lehnte sich über den Tisch, und die Worte sprudelten hervor, als wäre ein Damm in ihm gebrochen. Biff konnte ihn nicht mehr verstehen. Blounts Zunge war schwer vom Trinken, und er sprach dennoch so schnell, dass alles durcheinandergeriet. Biff fragte sich, wo er wohl hingehen würde, wenn Alice ihn hinauswarf. Und genau das würde sie morgen früh tun – genau wie sie’s gesagt hatte.
Biff gähnte verhalten und hielt die Finger vor den Mund, bis sein Kiefer sich wieder entspannte. Es war beinah drei Uhr, die fadeste Zeit am ganzen Tag.
Der Taubstumme war geduldig. Er hatte Blount [43] fast eine Stunde lang zugehört. Nun sah er ab und zu auf die Uhr. Blount merkte es nicht und redete immer weiter. Als er schließlich innehielt, um sich eine Zigarette zu drehen, deutete der Taubstumme mit dem Kopf auf die Uhr, lächelte verstohlen und stand auf. Seine Hände steckten wie immer tief in den Taschen. Er ging rasch hinaus.
Blount war so betrunken, dass er nichts davon bemerkte. Es war ihm auch gar nicht aufgefallen, dass der Taubstumme ihm kein Mal geantwortet hatte. Nun sah er sich mit offenem Mund und trüben rollenden Augen im Lokal um. Auf seiner Stirn schwoll eine rote Ader, und er begann wütend mit den Fäusten auf den Tisch zu schlagen. Lange durfte er nun nicht mehr toben.
»Komm mal her«, sagte Biff freundlich. »Dein Freund ist weg.«
Der Kerl sah sich immer noch nach Singer um. So betrunken wie jetzt schien er noch nie gewesen zu sein. Er sah fürchterlich aus.
»Ich hab da was für dich«, lockte Biff. »Kann ich dich mal ’ne Minute sprechen?«
Blount rappelte sich hoch und torkelte mit großen Schritten aus dem Lokal.
Biff lehnte sich an die Wand. Rein, raus – rein, raus. Na, ihm konnte es ja egal sein. Der Raum war leer und still. Die Minuten wurden immer länger. [44] Müde ließ er den Kopf vornübersinken. Allmählich schien jede Bewegung aus dem Raum zu weichen. Die Theke, die Gesichter, die Nischen und die Tische, das Radio in der Ecke, die surrenden Ventilatoren an der Decke – alles schien ganz leise und ruhig zu werden.
Er musste eingenickt sein. Eine Hand zog an seinem Ellenbogen. Langsam kam er wieder zu sich und hob den Kopf, um zu sehen, was los war. Vor ihm stand Willie, der farbige Küchenjunge, mit seiner Kochmütze und in seiner langen weißen Schürze. Vor lauter Aufregung über das, was er sagen wollte, stotterte er.
»Und dann hat er immer mit den F-F-Fäusten so gegen die Mauer da g-g-gedroschen.«
»Was ist los?«
»Gleich da auf der Straße, z-z-zwei Häuser weiter.«
Biff zog die Schultern hoch und rückte sich den Schlips zurecht. »Was?«
»Und sie wollen ihn hier reinbringen, und sie können jede Minute hier sein…«
»Willie«, sagte Biff geduldig, »nun erzähl mal von Anfang an und richtig der Reihe nach.«
»Hier, der kleine weiße Herr mit dem Sch- Schnurrbart.«
»Mr. Blount. Ja.«
[45] »Also – ich hab nicht gesehen, wie’s losging. Ich steh an der Hintertür, und auf einmal hör ich Krach da. Klang wie ’ne Riesenprügelei auf der Straße. Ich also hingerannt und g-g-geguckt. Und da hat doch der weiße Herr ’ne Sauwut. Immer mit dem Kopf gegen die Mauer gebumst und mit den Fäusten. Und geflucht und geschlagen – noch nie hab ich das bei ’nem Weißen gesehn. Immer gegen die Mauer da. Hätt sich auch den Kopf einschlagen können, so wie das geklungen hat. Dann sind zwei weiße Männer gekommen, wegen dem Krach, und haben zugeguckt…«
»Ja – und?«
»Also – Sie wissen, hier der stumme Herr – Hände in Taschen – der hier…«
»Mr. Singer.«
»Ja, also der kommt vorbei und steht so rum und will wissen, was da los ist. Und Mr. B-B-Blount sieht ihn und fängt an zu reden und zu schreien. Und auf einmal fällt er hin auf die Erde. Kann sein, er hat sich wirklich den Kopf eingeschlagen. Ein P-P-Polizist kommt vorbei, und jemand sagt zu dem, Mr. Blount wohnt hier.«
Biff senkte den Kopf und versuchte sich einen Reim aus der Geschichte zu machen. Er rieb sich die Nase und dachte eine Weile nach.
»Jede Minute können sie hier sein.« Willie lief [46] zur Tür und spähte die Straße hinunter. »Da kommen sie. Sie müssen ihn schleppen.«
Ein ganzes Dutzend Schaulustige und ein Polizist versuchten sich gleichzeitig in das Lokal zu drängen. Zwei Huren sahen zum Fenster herein. Komisch, wie viele Leute immer von wer weiß woher zusammenkamen, wenn etwas Ungewöhnliches geschah.
»Was für ein Aufstand!«, sagte Biff zu dem Polizisten, der den Betrunkenen stützte. »Die andern können ruhig wieder gehen.«