Durstiger Pilger auf dem Weg nach Hornillos del Camino
Inhalt, Über den Autor, Symbole, Vorwort, Einleitung
Fragen zu Beginn
Pilgern als ... mit ...
Vorbereitung
Auf dem Weg
Probleme auf dem Weg
In der Unterkunft
Am Ziel und Nachbemerkung, Anhang, Index
Weg hinab nach Cee - Camino Finisterre (ss)
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Titelfoto: Pilger nach Villar de Farfón - Vía de la Plata
OutdoorHandbuch aus der Reihe „Basiswissen für draußen“, Band 197
eISBN 978-3-86920-002-6
ISBN 978-3-86686-423-8 7., überarbeitete Auflage
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Text: Raimund Joos
Fotos: Raimund Joos, Willy van Eepoel (we), Felix Bernhard (fb), Monika Tochalski (mt), Christian Stadler (cs), Silvia Schubert (ss), Fred Brodina (fb), Achim Wilmar (aw), Eike Becker (eb), Rainer Köfferlein (rk)
Lektorat: Kerstin Becker
Layout: Manuela Dastig
Über den Autor, Symbole
Vorwort, Einleitung
Fragen zu Beginn
Warum macht das Leben auf dem Jakobsweg so glücklich?
Was ist Pilgern?
Ein klein wenig zur Geschichte des Pilgerns
Wer kann pilgern?
Wann pilgern?
Wie pilgern?
Welcher Weg?
Mit wem pilgern?
Wie weit?
Wie kostspielig?
Pilgern als ... mit ...
Als Frau pilgern
Als Senior auf dem Weg
Pilgern mit körperlicher Behinderung
Pilgern mit Hund
Pilgern mit Kindern und Jugendlichen
Schweigend und/oder fastend pilgern
Als Bettelpilger auf dem Weg
Pilgern als Sportevent
Pilgern in die „verkehrte“ Richtung
Vorbereitung
Sportliche Vorbereitung
Mentale Vorbereitung
Praktische Reisevorbereitung
Rucksackpacken
Transport und Schlafen
Bekleidung
Körperpflege
Medikamente / Sonstiges
Papiere und Literatur
Ernährung
Auf dem Weg
Der Tages-Ablauf
Vier Phasen des Pilgerns
Laufen innerhalb und abseits der Menschenmassen
Über 35 km laufen
Die richtige Ernährung
Probleme auf dem Weg
Gesundheitliche Probleme
Hygienische Probleme
Widrige Umstände und Gefahren
Psychosoziale Probleme
In der Unterkunft
Die Pilgerherberge
Klöster
Pensionen und Hotels
Zelten
Biwakieren - Schlafen unter freiem Himmel
Am Ziel und Nachbemerkung
Am Ziel
Resümee und Abschlussriten
Nachwort - Ihr Pilgerweg beginnt am Ziel
Anhang
Weiterführende Literatur
Hilfreiche Adressen und Links
Index
Dr. Raimund Joos lebt seit 1988 am Ostbayrischen Jakobsweg in Eichstätt. Er studierte dort Pädagogik, Spanisch und Theologie und war später u.a. in den Bereichen Praktikumsbetreuung, Erwachsenenbildung und Hochschulorganisation tätig. Seit 1992 pilgert auf verschiedenen Jakobswegen in Spanien, Frankreich, Portugal und Deutschland. Seit 2004 ist er als Herbergsvater, Reisebuchautor, Reiseleiter und Coach auf den Jakobswegen tätig und leitet Wochenendseminare zur persönlichen Vorbereitung auf den Jakobsweg. Neben anderen Veröffentlichungen in den verschiedensten Medien sind im Conrad Stein Verlag von ihm (z.T. als Co-Autor) folgende Bücher erschienen: „Pilgergeschichten von den Jakobswegen“, „Kleiner Pilgersprachführer“, „Spanien: Jakobsweg - Vía de la Plata”, „Portugal: Jakobsweg Caminho Português”, „Spanien: Jakobsweg Camino Francés”, „Spanien: Jakobsweg Küstenweg - Camino de la Costa Camino del Norte” und „Nordspanien: Jakobsweg Camino Primitivo”. Weitere Infos unter www.camino-de-santiago.de
Ich danke den zahlreichen Pilgerfreunden, die mir, wie auch immer, durch das Teilen ihrer Erfahrung mitgeholfen haben, dieses Buch zu verfassen. Neben vielen anderen sind dies: Monika und Ferdinand Seehars, Manfred Zentgraf, Heinrich Hofmann, Werner Kehl, Anne und Herbert Joos, Karl-Otto Schöttler, Rudolf Fischer, Norbert Rother, Christoph Kühn u. die Fotografen ( S. 5).
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Es war mir eine Freude, dieses kleine Buch für Sie zu verfassen, da mir dies den Anlass gab, mich an viele wertvolle und schöne Erfahrungen und Erlebnisse auf dem Jakobsweg zu erinnern.
Als ich in meiner Jugend, eher zufällig als geplant, die ersten Schritte auf dem Jakobsweg machte, öffnete sich eine neue wunderbare Welt für mich. Es würde mich sehr freuen, wenn ich mit diesem praktischen Ratgeber dazu beitragen könnte, auch Sie für diese wunderbare, einzigartige Art des Reisens zu begeistern.
Ich freue mich auf eine diesbezügliche Rückmeldung und bitte um Ihre Mithilfe durch eigene Verbesserungsvorschläge und Ergänzungen.
Ihr Raimund Joos
Um ein guter Pilger zu sein oder ein besserer Pilger zu werden, brauchen Sie dieses Buch nicht. Es reicht, sich selbst auf den Weg zu begeben - dieser wird Sie alles Nötige lehren. Wo sich aber Pilger auf dem Weg nach Santiago begegnen, da werden Erfahrungen ausgetauscht und vertieft. In den Zeilen dieses Buches findet der Leser Tausende Kilometer Wegerfahrungen wieder. Einige davon habe ich selbst gesammelt, andere wurden mir von Pilgerfreunden mitgeteilt. Keinesfalls ersetzen diese Ihre eigene Wegerfahrung, sie können aber ein Begleiter sein, der Ihnen so manche Unannehmlichkeit erspart und für manches die Augen öffnen kann.
Sicher brauchen Sie nicht gleich das ganze Buch zu lesen bevor Sie auf den Weg gehen. Die Ausführungen zu den folgenden Stichworten sollten Sie aber vor Aufbruch nach Santiago studiert haben, um sich später böse Überraschungen zu ersparen.
Diese sind:
1. Packliste, Pilgerausweis
2. Wanderschuhe, Einlaufen der Schuhe, Blasen-Prophylaxe
3. Gesamtstrecke, Kosten
4. Lesen Sie auch das Kapitel zu „Ihrem“ Jakobsweg.
5. Sollten Sie planen mit Partner, im Winter, oder mit dem Zelt unterwegs zu sein, so empfiehlt es sich die jeweiligen Ausführungen dazu zu studieren.
6. Wenn eine der unter dem Kapitel „Pilgern als ... mit ...“ beschriebenen Überschriften für Sie zutreffen, so lesen Sie diese ebenfalls. Spezielle Fragen können Sie dann gezielt lesen.
Die Überschriften im Inhaltsverzeichnis geben bereits einen guten Überblick über die Themen. Für den noch besseren Gebrauch wurde am Ende des Buches noch ein ausführliches Stichwortverzeichnis angelegt.
Wörter, die mit einem „“ gekennzeichnet sind, weisen auf Begriffe oder Themen hin, die auf einer anderen Seite näher beschrieben werden. Ein Blick ins Stichwortverzeichnis verrät Ihnen, wo genau sie zu finden sind. Gelegentlich weichen die so gekennzeichneten Begriffe dabei etwas von denen im Stichwortverzeichnis ab. Suchen Sie z.B. im Stichwortverzeichnis unter dem Überbegriff „Sport“, wenn im Text auf den Begriff „sportliche“ verwiesen wird.
Verweise auf Bücher sind wie folgt gekennzeichnet: ( 12) Es handelt sich in diesem Fall um das Buch mit der Nummer 12 im Anhang. Für einige Schlüsselbegriffe sind hier die spanischen Übersetzungen angeführt. Im Text erscheinen sie in Klammern (sp: albergue).
Evtl. wollen Sie auch einige Seiten dieses Buches, das übrigens (bald) auch als E-Book angeboten wird, kopieren und mit auf den Weg nehmen. So z.B. Tipp zu Problemen auf dem Weg ab Seite 110.
Die Vía de la Plata im Frühjahr
Die Pilgerreise auf den Jakobswegen erfreut sich seit einigen Jahren einer, über alle Alters- und Landesgrenzen hinweg, erstaunlichen Beliebtheit. Auch heute noch gibt es Pilger, die den schweren Weg nach Santiago als Buße für begangene Sünden ansehen. Die meisten jedoch erleben den Weg ganz anders: als eine glückliche und bereichernde Erfahrung, von der man lange zehrt - so lange, bis man sich wieder auf den Weg macht. Es stellt sich die Frage, was das Leben auf dem Weg für Pilger so besonders macht, dass diese gerne bereit sind, oftmals Hunderte Kilometer zu Fuß zurückzulegen.
Für die meisten Pilger ist wohl die richtige Mischung entscheidend: Bei meist schönem Wetter geht es durch malerische südliche Landschaften, Dörfer und Städte. Das Fehlen eines Terminplaners, eines Fernsehers, des Internets und vieler anderer Dinge lädt dazu ein, das einfache Leben zu genießen und die Schönheit scheinbar unbedeutender Details zu entdecken.
Einmal richtig innerlich auf dem Weg angekommen, befindet man sich, so erleben es Viele, in einem idealen Gleichgewicht von Leistungsdruck und Langeweile. Das gemächliche Gehen erlaubt es dem Geher, sich im Hier und Jetzt ganz und gar und mit allen Sinnen zu Hause zu fühlen. Die Sorgen für den kommenden Tag verlieren an Bedeutung, das Gestern zählt nur als ein Schritt auf dem Weg in das Heute. Auf dem Weg stößt man auf beeindruckende Kulturgüter, begegnet aber vor allem auch interessanten Menschen, mit denen es sehr oft zu bereichernden menschlichen Begegnungen kommen kann. Die sportliche Betätigung des Gehens vermittelt ein gutes gesundes Körperbewusstsein und man fühlt sich so rundherum wohl in seiner Haut.
Die Übernachtung in den Unterkünften ist meist sehr günstig und das gute Essen, das wegen der vielen vorher abgelaufenen Kilometer endlich auch mit gutem Gewissen in reichlichem Maße genossen werden kann, scheint meist für jeden erschwinglich. Das Leben ist reich an Eindrücken und Erfahrungen, aber dafür umso günstiger an Ausgaben und ebenso arm an echten, überfordernden Problemen. Man geht gelassen in den Tag hinein und hat dort nur wenige Probleme zu bewältigen. Am Abend kommt man mit einer wohligen körperlichen Müdigkeit und reich an Eindrücken an. Jeden Tag macht man kleine „Fort-Schritte“, die sich aber mit jedem Tag in der Summe zu einer Leistung addieren, die dem Einzelnen das Gefühl gibt, etwas Unglaubliches zu vollbringen und in wunderbarer Weise über sich selbst hinauszuwachsen.
All das eben Beschriebene ist für viele Menschen schon genug Motivation, sich auf den Jakobsweg zu begeben und dort eine sehr glückliche und erfüllte Zeit zu verbringen. Für Viele stellt sich aber auch die Frage, was das Gehen auf dem Jakobsweg oder auf einem anderen Pilgerweg von dem Wandern auf einem normalen Fernwanderweg unterscheidet - was also Pilgern im engeren oder weiteren Sinne bedeutet. Eben dieser Unterschied ist aber für die meisten Pilger ein wesentlicher Grund für ihre Begeisterung für den Weg.
Es gibt so viele Ansichten darüber, was Pilgern ist, wie es Pilger gibt. Traditionell versteht man unter Pilgern und Wallfahren das Unterwegssein als spirituelle Übung oder aber den Besuch eines bestimmten heiligen Ortes wie z.B. Santiago de Compostela oder Rom. Heute ist Pilgern oftmals nicht mehr, oder zumindest nicht mehr allein, von religiösen Motiven geprägt. Dennoch spielt bei den meisten Pilgern eine spirituelle Dimension oder der Wunsch nach Selbsterfahrung eine maßgebliche Rolle. Auch ich messe der spirituellen Dimension des Pilgerns eine zentrale Bedeutung zu. Weil es sich hier aber um ein rein praktisches Werk in einer praktischen Reihe handelt, wird auf diesen Aspekt der Pilgerreise nicht näher eingegangen. Interessierte verweise ich hier auf meinen spirituellen Ratgeber 9.
Pilgern ist ... letztendlich etwas unerklärlich Wunderbares, das Sie hoffentlich erleben werden, wenn Sie schließlich selbst auf einem Pilgerweg, wie z.B. dem Jakobsweg oder dem Weg nach Rom, unterwegs sind.
Auch die Geschichte des Pilgerns auf dem Jakobsweg, kann in diesem praktischen Ratgeber nicht ausführlich dargestellt werden. Einiges sollten Sie aber auf jeden Fall von Anfang an wissen, um sich im Gespräch mit anderen Pilgern nicht durch Unwissen zu blamieren.
Bei den Jakobswegen handelt es sich nicht, wie vielleicht fälschlicherweise angenommen um die zurückgelegten Wegstrecken eines wander- und missionsfreudigen Jüngers Jesu namens Jakobus mit Wohnsitz in Santiago de Compostella, der der dort schließlich, zurück von einer langen Missionsreise, entkräftet zusammenbrach und seine letzte Ruhe fand. Selbiger Apostel mit dem Namen Jakobus der Ältere zeichnete sich zwar zu Lebzeiten durchaus durch eine rege Reisetätigkeit aus und liegt auch der frommen Überlieferung folgend in Santiago begraben, er hatte aber vermutlich nur wenig oder überhaupt nicht in Spanien missioniert bzw. seine dahingehenden Bemühungen waren nur von wenig Erfolg gekrönt. So entstand die Legende, dass nur ein Hund hätte ihm zu Lebzeiten in dem heute so katholischen Spanien Gefolgschaft geleistet.
Die Geschichte des Pilgerns und des Jakobsweges beginnt viel früher. Pilgern ist ein religions- und kulturübergreifendes Phänomen und christliche Pilgerwege wie z.B. der Jakobsweg sind im Vergleich zu Pilgerwegen anderer Weltreligionen eher ein neuere Erscheinung. Schon in vorchristlicher Zeit gab es vermutlich Kultwege auf denen Schamanen dem Verlauf der Sonne folgend nach Westen bis zum Kap Finisterre, dem damaligen vermeintlichen Ende der Welt zogen. Ab der Zeit der Römer, wurden hierzu teilweise auch Römerstraßen betreten.
Die christliche Tradition bzw. Geschichte des heutigen Jakobsweges beginnt im Jahre 44 n.Chr. mit dem Märtyrertod des oben genannten Apostels Jakobus dessen Leichnam dann der Legende folgend, nach einer langen Odyssee auf der Flucht seiner Verfolger letztendlich im heutigen Santiago de Compostela seine letzte Ruhe fand. Nachdem am Anfang des 8. Jh. weite Teile Spaniens von den Mauren erobert waren, wurde im 9. Jh. vom damals amtierenden Papst die Wiederentdeckung des Jakobusgrabes in Auftrag gegeben. Die vermeintliche Existenz des Jakobusgrabes in Santiago diente dann als Rechtfertigung für den Rückeroberungskrieg Spaniens gegen die Mauren. Der Apostel Jakobus wurde im Sinne der christlichen Kriegspropaganda als wiederauferstandener Gotteskrieger hochstilisiert, welcher als Schutzpatron Spaniens mit seinem blutigen Schwert den Maurenkriegern die Köpfe abschlug. Die mit wachem Auge betrachtet schändlich-diskriminierenden Darstellungen des „Maurenschlächters“ Santiago in Aktion werden noch bis heute unter Begründung einer zweifelhaften Traditionspflege in verschiedenen Kirchen der in weiten Teilen rückständigen Katholischen Kirche Spaniens ausgestellt und verehrt.
Seit Entstehung der Tradition der Pilgerreise nach Santiago wurden zunächst die nördlichen Wege also der Camino Primitivo und der Küstenweg begangen. Später, mit Rückeroberung der südlicheren Regionen Spaniens wurden auch der Camino Francés und die südlichen Wege wie die Vía de la Plata und der Caminho Português genutzt.
Im 15 Jh. erreichte die Pilgerreise nach Santiago ihre Blütezeit. Auf diese Zeit gehen viele Pilgertraditionen, Legenden und z.B. auch die Entstehung des Pilgerausweises zurück. Bis zum 19. Jh. wurde die Pilgerreise zeitweise durch verschiedene politische Ereignisse wie Kriege und Seuchen gelegentlich behindert und kam zeitweise fast ganz zum Erliegen.
Erst um 1937 erfuhr der Weg, leider erneut im weiteren Sinne einer Kriegspropaganda, durch ein Dekret des spanischen Diktators Franco wieder eine größere politische Förderung. Nach dem Zusammenbruch der Diktatur lebte ab 1971 die europäische Dimension des Weges wieder auf. In den letzten 10 Jahren haben sich die Pilgerzahlen nahezu verdreifacht. Im Jahre 2002 meldeten sich 69.039 Pilger in dem katholischen Pilgerbüro in Santiago, im Jahre 2012 waren es bereits 192.488 Pilger.
Soweit zu den allerwichtigsten Hintergründen. Weitere knappe Ausführungen zur Geschichte des Jakobsweges finden Sie gewöhnlich auch im einleitenden Teil von Pilgerführern zu den einzelnen Wegen. Als ausführlichere aber zugleich kurzweilige Lektüre zur Geschichte der Pilgereise auf dem Jakobsweg empfehle ich z.B. das im Anhang näher beschriebene Buch von Patrick Windisch ( 21).
Auf dem Jakobsweg trifft man nicht nur Menschen aller Erdteile, Weltanschauungen und Altersklassen, selbst Menschen mit schweren körperlichen Einschränkungen und Behinderungen sind pilgernd unterwegs. Im Prinzip kann also jeder pilgern - natürlich mit individuell unterschiedlichen Maßstäben, was die Tagesetappen angeht. Wer körperlich nicht so fit ist, dem ist anzuraten, nicht mit schwierigen Nebenstrecken wie der Vía de la Plata oder dem Küstenweg seine ersten Erfahrungen zu sammeln.
Generell gilt bei gesundheitlichen Problemen oder Befürchtungen natürlich immer, vor einer Reise seinen Arzt zu konsultieren. Mit diesem sollte dann auch der individuell passende Reisezeitpunkt besprochen werden sowie die Art und Dauer der körperlichen Belastung, die man sich zutrauen kann. Die Frage, wie der Weg entsprechend den eigenen Bedürfnissen gestaltet werden kann, wird im Einzelnen noch näher angesprochen.
Auch dies kann ähnlich wie oben beantwortet werden. Pilgern ist praktisch fast immer möglich. Die Frage, wann eine Pilgerreise stattfinden soll, gliedert sich dabei in zwei Teilfragen: Erstens nach der günstigsten Jahreszeit und zweitens nach der richtigen persönlichen Lebenszeit.
Eine ideale Jahreszeit für eine Pilgerreise gibt es ebenso wenig wie eine unmögliche Jahreszeit. Wann Sie Ihre Pilgerreise beginnen wollen hängt auch davon ab, welchen Pilgerweg Sie wählen, welches Interesse Sie dabei verfolgen und wie Ihre persönlichen Vorbedingungen sind. Prinzipiell finden Sie fast während des ganzen Jahres pilgertaugliche klimatische Bedingungen. Die südlichen Teile der Vía de la Plata und der Küstenweg sind auch von Herbst bis Frühjahr begehbar ( Seiten 12, 110 und 127). Ab April wird der Hauptweg angenehm, besonders im Juli und August werden Sie aber dort größere Pilgerströme antreffen. Zu dieser Zeit bieten sich dann evtl. vermehrt die Nebenstecken, wie z.B. der Küstenweg, der Camino Primitivo und die Wege in dem etwas kühleren Frankreich an. Näheres zu der Wahl der richtigen Jahreszeit finden Sie auch unter den Ausführungen zu den einzelnen Wegen.
Immer dann, wenn der Jakobustag, also der 25. Juli auf einen Sonntag fällt, feiert die Katholische Kirche ein so genanntes „Heiliges Jahr“, welches für fromme Jakobspilger mit einem besonderen Sündenerlass verbunden ist. 2010 war das letzte Heilige Jahr. Das nächste folgt erst wieder 2021.
Auch hier gilt prinzipiell, dass Sie fast immer Ihre Wanderstiefel schnüren können, wenn der Weg Sie ruft und Ihr Geldbeutel und Ihr Terminkalender es zulassen. In bestimmten Lebenslagen erscheint eine Pilgerreise aber besonders „gewinnversprechend“. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Entscheidungen anstehen, Lebensabschnitte enden bzw. neu beginnen oder schwierige persönliche Probleme einer Lösung bedürfen. Auf dem Jakobsweg findet man insbesondere im September viele Jugendliche und Studenten. Für sie kann eine Pilgerreise eine sehr gute Möglichkeit zur persönlichen Reifung bieten. Insbesondere in dieser Altersgruppe stellt eine Pilgerreise oft ein sehr intensives, persönlich einschneidendes Erlebnis dar, welches um Jahre reifen lässt und das Selbstvertrauen enorm zu stärken vermag.
Eine weitere Gruppe sind Menschen, die sich in einem beruflichen oder sozialen Wechsel befinden, so z.B. Menschen, die ihre Arbeitsstelle wechseln oder verloren haben oder um einen lieben Menschen trauern. Hier wird der Weg für eine Neuorientierung oder für eine notwendige Trauerarbeit genutzt.
Nicht wenige beginnen den Weg, weil sie gerade einen spirituellen Wandel vollziehen oder vollzogen haben und so weitere Inspiration suchen. Andere sehen sich vor einer religiös wichtigen Entscheidung, wie z.B. einem Wechsel der Religionszugehörigkeit oder vor dem Eintritt in eine Ordensgemeinschaft oder Ähnlichem.
Auf dem Camino finden sich auch viele liebenswerte, innerlich jung gebliebene Senioren, welche über genügend Freizeit verfügen und den Weg nutzen, ihren hart verdienten Lebensabend in vollen Zügen zu genießen und so vorwärtsschreitend Rückschau auf ihr langes Leben zu nehmen.
Sicher bietet der Jakobsweg auch die Möglichkeit, akute persönliche Probleme wie z.B. depressive Phasen oder Traumata zu bewältigen. Zeigt sich die Krise aber derart dominant, dass sie zu einer echten Beeinträchtigung der psychischen Stabilität führt, ist hier Vorsicht geboten. Das Leben auf dem Jakobsweg ist nicht nur persönlich bereichernd, sondern stellt auch gelegentlich eine enorme psychische Herausforderung dar. Dies gilt in gleicher Weise für die manchmal einsamen Nebenwege, wie für den Hauptweg, auf dem gerade in den großen Pilgerherbergen kaum persönliche Rückzugsmöglichkeiten bestehen. Es gilt hier, sich nicht mehr Belastungen zuzumuten, als dies die aktuelle psychische Lage erlaubt.
Auf jeden Fall erscheint es bei wirklichen psychologischen Störungen angebracht, den Rat des behandelnden Arztes oder Psychologen einzuholen und den Kontakt oder die Wegbegleitung eines erfahrenen Pilgers zu suchen, um dann zu entscheiden, wann die richtige Zeit für eine Pilgerreise ist.
Zweifellos ist Fußpilgern die ursprünglichste und auch erlebnisintensivste Form des Pilgerns. Sie ermöglicht eine tiefe Begegnung mit der Natur und Kultur des Weges und erlaubt auch beim Laufen eine entspannte Unterhaltung mit den Pilgerbrüdern. Die meisten Pilger, die den Weg zuvor mit dem Rad oder dem Auto bewältigt haben, bestätigen dies. Da dieses Buch in erster Linie im Sinne einer Fußpilgerreise verfasst ist, sind weitere Ausführungen an dieser Stelle überflüssig. Im Regelfall ist sicher die Methode des Fußpilgerns den nun folgenden vorzuziehen. Es gibt aber auch berechtigte Ausnahmen, die hier nun kurz angesprochen werden sollen.
Die meisten Jakobswege sind, zumeist mit einigen Umwegen, gut mit einem Mountainbike zu bewältigen. Ausweichstrecken finden sich in einigen Pilgerführern.
Den Weg mit dem Rad hinter sich zu bringen hat den Vorteil, dass man in der gleichen Zeit eine größere Strecke absolvieren kann. Dies entspricht aber kaum der Grundidee einer Pilgerreise. Auch ist es fraglich, ob man auf dem Rad in der Lage ist, die zurückgelegten Kilometer wirklich voll zu genießen. Wer bei der erhöhten Geschwindigkeit ständig auf der Hut sein muss, nicht zu stürzen oder an Schwung zu verlieren, steht permanent unter leichtem Stress und ist wohl nur selten zu einer Meditation oder entspannten Unterhaltung in der Lage.
Das Resultat sind nicht selten aufgedrehte, in einer Herberge ankommende Radpilger, die wegen der Unruhe, die sie verbreiten, oft nicht gern bei Fußpilgern und Herbergsleuten gesehen sind.
Aus sportlichen Gründen erscheint Radpilgern durchaus attraktiv, insgesamt ist diese Art der Fortbewegung aber eher in besonderen Fällen zu empfehlen: So ist das Rad z.B. für manche Menschen mit Fußproblemen neben dem Rollstuhl oft die einzige Möglichkeit, sich auf dem Jakobsweg fortzubewegen. Wer den Weg schon einige Male gelaufen ist, könnte es zur Abwechslung einmal auf dem Rad versuchen, wird aber wahrscheinlich bald wieder zu den Fußpilgern zurückkehren.
(Ich muss hier eingestehen, dass ich verschiedene Jakobswege ebenfalls auf dem Rad zurückgelegt habe. Ich tat dies im Rahmen meiner Tätigkeit als Autor verschiedener Pilgerführer. Vor die freie Wahl gestellt, ziehe ich Fußpilgern natürlich vor.)
Zu bemerken ist noch, dass Radfahrer in einigen Herbergen erst dann einen Schlafplatz bekommen, wenn abzusehen ist, dass genug Platz für Fußpilger bleibt Herbergsregeln). Dies kann insbesondere in öffentlichen Herbergen dazu führen, dass Radfahrer manchmal erst um 20:00 frei gebliebene Betten erhalten. Auf den Nebenwegen wird diese Regel nur selten angewandt und auf dem Hauptweg finden sich in der Zwischenzeit zahlreiche private Herbergen, so dass für Radpilger normalerweise kaum Unterbringungsprobleme bestehen.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Transport des Rades von der Heimat zum Weg kompliziert gestaltet. Ein Mitnehmen im Zug oder Bus ist meist sehr schwierig oder gar nicht möglich. Wer das Rad mit dem Flugzeug transportieren will, muss es je nachdem, welche Fluglinie er wählt, teilweise auseinander montieren und beim Umstieg aus- und wieder einchecken. Es ist mit zusätzlichen Kosten zu rechnen. Generell besteht die Möglichkeit, sich vor Ort ein Rad zu mieten. Dies ist aber oft mit sehr hohen Kosten verbunden. Auch ist man später für den Rücktransport des Rades zum Ausgangsort verantwortlich. Das Verschicken des Rades mit einer Agentur oder das Mitnehmen im Flugzeug stellen also die Transportmethoden der Wahl dar. Beides keine sehr befriedigenden Möglichkeiten, weshalb die meisten Radfahrer, die auf dem Jakobsweg unterwegs sind, aus Spanien stammen. Insgesamt machten die Radfahrer bisher ca. 14% der Pilger in Spanien aus, wobei aber, wohl Aufgrund der Transportprobleme der Fahrräder vom Ausland nach Spanien, nur sehr wenige nicht spanische Radpilger auf den spanischen Jakobswegen zu finden sind. Was das Packproblem angeht, empfehlen sich für Radfahrer natürlich Satteltaschen. Darüber hinaus ist es aber auch ratsam, einen kleinen gut anliegenden Rucksack mitzunehmen. Zum einen, weil Sie so das Gewicht besser verteilen können, zum anderen haben Sie dann die Möglichkeit, Ihre wichtigsten und teuersten Sachen nach dem Absteigen vom Fahrrad immer bei sich zu tragen. Auch für Radpilger besteht das Gebot, das Gewicht der Satteltaschen, so stark wie möglich zu vermindern. Ein Fahrrad, das zu schwer beladen oder bei dem das Gewicht nicht gut verteilt ist, kann besonders dann, wenn es bergab geht, unkontrollierbar werden. Ziehen Sie zum Reduzieren des Gewichts, abgesehen von der Bekleidung, die später aufgeführte Packliste zu Rate. Neben einer speziellen Radfahrbekleidung ist es in jedem Fall notwendig, einen oder zwei Ersatzschläuche sowie ein Reparaturset für Ihre Fahrradkette mitzunehmen. Besonders auf den „Nebenstrecken“ sind pannensichere Reifen sehr zu empfehlen.
Was das Werkzeug angeht, sollten Sie sich Zeit nehmen darüber nachzudenken, was an Ihrem Fahrrad wirklich innerhalb der von Ihnen gewählten Strecke kaputt gehen kann und welches Werkzeug Sie dann unabdingbar und sofort benötigen. Sie werden feststellen, dass die Auswahl doch recht übersichtlich ist. Auch gibt es unterwegs meist einige Werkstätten oder hilfsbereite Bastler.
Weitere Informationen zu der Planung und Durchführung von Pilgerreisen auf einem Rad finden Sie in der im Anhang angegebenen weiterführenden Literatur 3.
Manche Pilger, die Distanzen weit über 1.000 km zurücklegen oder viel Gepäck mitführen machen gerne von einem so genannten Pilgerwagen Gebrauch. Auch Pilger die besondere Rückenprobleme haben, bedienen sich gerne eines solchen Gefährts, auf dem sie dann (zeitweise) ihr Gepäck transportieren. Pilgerwagen können gekauft oder selber gebastelt werden. Nähere Informationen finden Sie unter www.r-camino.blogspot.com/ wo Sie erstaunliche Entwürfe derartiger Konstruktionen ansehen können.
Was für den normalen Pilger kaum denkbar ist, ist für einen sportlichen Rollstuhlfahrer dennoch möglich. Es ist dokumentiert, dass viele Pilgerwege auch ohne größere fremde Hilfe und umfangreiches Ausweichen auf Nebenstrecken von Rollstuhlfahrern bewältigt wurden ( Literatur 18). Zum Glück finden sich auf dem Jakobsweg auch immer mehr behindertengerecht eingerichtete Pilgerherbergen. Wer den Weg im Rollstuhl zurücklegen will, wählt vorzugsweise den Hauptweg und setzt sich vorher mit Rollstuhlfahrern in Verbindung, die hier auf Erfahrungen zurückgreifen können.
Diese besondere Art des Pilgerns erfreut sich unter Pferdenarren zunehmender Beliebtheit. Sie bedarf allerdings einer besonders guten Planung im Vorfeld. So sind einige Teilstücke der Pilgerwege, z.B. in den Städten, für Pferde nicht geeignet. Außerdem erfordern Probleme bei Unterbringung, Nahrung und Transport der Vierbeiner in der Fremde verlässliche Lösungen. Erfahrene Pilger bieten auch zu diesen Fragen persönliche Beratung und Hilfestellung an. (z.B. auch: kontakt@historischer-pfarrhof.de)