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Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
Métamorphose en bord de Ciel bei Flammarion, Paris.

1. Auflage

Copyright © 2011 bei Flammarion

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013

bei carl’s books, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: semper smile, München, unter Verwendung
einer Illustration von © Benjamin Lacombe

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-10497-9

www.carlsbooks.de

Für dich, Endorphina, die du mir hilfst,
mich in mich selbst zu verwandeln.

Vögel werden im Himmel beerdigt. Noch die eleganteste Wolke ist voll von ihren starren kleinen Leichen.

Es heißt, einer von 10180 Regentropfen sei die Träne eines toten Vogels und eine von 16474 Schneeflocken das Gespenst eines Vogels, der sich vom himmlischen Mutterkuchen gelöst hat.

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ch heiße Tom »Häma-Tom« Cloudman. Man sagt, ich sei der schlechteste Stuntman aller Zeiten. Ganz falsch ist das nicht. Ich bin außergewöhnlich ungeschickt und laufe ständig überall gegen. Ich beneide die Vögel um ihre Freiheit, vielleicht schaue ich zu oft zu ihnen hoch. Schon damals auf dem Schulhof zog ich Rollschuhe an, um fliegen zu üben und den unerreichbaren Miniaturfrauen einen Kuss zu entlocken. Aber ich flog nicht hoch, sondern immer nur auf die Nase. Allerdings überkam mich beim kleinsten Anzeichen, dass sich ein Publikum für meine Darbietung interessierte, ein ebenso albernes wie grandioses Gefühl der Unbesiegbarkeit. Ich wurde regelrecht süchtig danach: Ich raste auf einem alten Skateboard das Schuldach hinunter und wedelte dabei mit Pappflügeln. Ich versuchte, mit dem Fahrrad abzuheben, und garnierte eine Windschutzscheibe mit meinen ausgeschlagenen Zähnen. So ging es immer weiter. Je öfter ich fiel, desto beliebter wurde ich. Die anderen Kinder dachten sich immer neue Herausforderungen aus, um mich fallen zu sehen. Sie lachten über mich. Irgendwann dämmerte mir, dass ich die Mischung aus Lampenfieber und Adrenalin, die das Showbusiness ausmacht, liebte. Wenn ich nach einem Sturz die Augen aufschlug, war ich manchmal von bunten Lackschuhen umringt und Mäusestimmen hauchten: »Zugabe«. Das fand ich unwiderstehlich. Aber das Fallen war nie Selbstzweck. Meine Leidenschaft gilt seit jeher jenem kurzen, unfassbaren Moment davor: dem Moment, in dem ich abhebe.

Der Drang, dem Alltag zu entfliehen, wurde mit den Jahren immer stärker. Mein Verstand reagierte wie ein gefühlsempfindlicher Film, der in derselben Sekunde Liebe und Tod einfängt. Ich entwickelte eine regelrechte Normalitätsphobie. Längere Mahlzeiten, bei denen ich stillsitzen sollte, machten mich nervös. Ständig vergaß ich Telefone, verlor Portemonnaies und zerbrach Bankkarten. Verständlicherweise verzieh man mir dieses kindische Verhalten irgendwann nicht mehr. Ich wurde ein Adrenalinjunkie: Ich kletterte auf einen Baum und sprang nur mit einem Regenschirm bewaffnet in die Tiefe. Ich paddelte in einem löchrigen Schlauchboot einen eiskalten Bergbach hinunter. Ich erklomm den Schornstein des Hauses, in dem ein Mädchen wohnte, für das ich schwärmte. Ließ versehentlich das Silberarmband, das ich mir vom Mund abgespart hatte, in den Kamin fallen. Versuchte es zu fangen, beugte mich zu weit vor und landete rußverschmiert im Wohnzimmer, wo die Familie im trauten Kreis Weihnachten feierte. Ich strebte nach immer neuen Extremen. Höher, schneller, weiter, länger. Ich war ein Kreisel aus Fleisch und Blut, nur in Bewegung geriet ich nicht aus dem Gleichgewicht. Familie und Freunde begannen sich Sorgen um mich zu machen.

Ich gab mir große Mühe, mich anzupassen, flog aber überall im hohen Bogen raus. Selbst aus der Zirkusschule: zu ungeschickt. Zwar begeisterte es die Jury, wie ich beim Trampolinspringen jedesmal auf kunstvolle Weise neben dem Sprungtuch landete, aber man erklärte mir, ein Clown müsse tausendmal hinfallen können, ohne sich zu verletzen – und das gehörte leider nicht zu meinem Repertoire.

Ich musste einen Weg finden, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden und meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Warum nicht mit Straßentheater und Bruchlandungen? Geschichten erzählen, Akkordeon spielen, springen, singen, mit etwas Glück fliegen, mit Sicherheit fallen, Kunststücke vorführen. Losziehen. Jetzt gleich.

Kaum war mir der Gedanke gekommen, packte ich auch schon meine Sachen. Ein altes Zelt, einen Schlafsack und unendliche Möglichkeiten in einen zu kleinen Rucksack gestopft, und los ging es. Nie zuvor hatte ich mich so leicht gefühlt.

Ein eiskalter Wind polierte die Weihnachtslichter, die Sterne strahlten heller als sonst. Aus einem Haus wehte mir der Duft frischer Pfannkuchen entgegen. Ich sah mich schon fantastische Länder erkunden, alle Sprachen der Welt lernen und neue erfinden. Aber mein Abenteuer endete, als ich um die nächste Ecke bog und gegen ein besserwisserisches Verkehrsschild knallte. Einbahnstraße. Reise um die Welt in vierundzwanzig Sekunden. Ich vibrierte wie eine Stimmgabel. Ich brauchte dringend ein Bad und mehrere Kopfschmerztabletten. Gehen Sie zurück auf Los.

Dieser missglückte Aufbruch ließ mich meinen halbgaren Fluchtplan überdenken. Ich brauchte einen fahrbaren Untersatz, einen Schutzpanzer gegen die Widrigkeiten des Lebens. Ein Auto war zu gefährlich. Die Seifenkiste, in der ich immer den Hang meiner Neubausiedlung hinunterraste, zu klapprig. So kam ich auf die Idee mit dem rollenden Sarg.

Die nächsten Monate verbrachte ich mit der Konstruktion meines Gefährts. Hinten der Sarg aus lackiertem Sperrholz, vorne ein weicher Sattel und ein breiter Lenker. Felgen und Reifen von einem BMX-Rad, Ritzel, Kette und Pedale von einem Rennrad. Innen im Sarg gemütliche Kissen und ein kleines Regal, um ein Buch und eine Packung Kekse unterzubringen und um mir den Kopf zu stoßen. Im Deckel Luftlöcher wie in einer Transportbox für Kleintiere. Nach ein paar entmutigenden Probefahrten war mein Vehikel im Frühjahr fertig, auf Hochglanz poliert und mit Pixies-Aufklebern und handgemalten Wolken verziert.

Dann kam der große Tag. Ich trat in die Pedale. Als ich das Ortsausgangsschild passierte, lief mir ein Schauer die Wirbelsäule entlang. Zum Schlafen konnte ich überall haltmachen, selbst auf dem Friedhof.

Mein Sarg auf Rädern entpuppte sich als Attraktion. Selbst Alte, die auf ihren Bänken festgewachsen waren, warfen mir neugierige Blicke zu. Meist parkte ich unter einer Platane, legte mich in den Sarg und spielte eine Weile auf dem Akkordeon. Wenn die Luft vor Anspannung vibrierte und ich spürte, dass sich genügend Zuschauer angesammelt hatten, sprang ich Konfetti spuckend hervor. Ich gab den sterbenden Weihnachtsmann und steppte zu Johnny-Cash-Songs*. Dann kletterte ich auf die erstbeste Erhebung: einen Baum, eine Motorhaube, ein Haltestellenhäuschen. Ich entfaltete meine Pappflügel und tat so, als könnte ich fliegen. Ich fiel auf die Nase, tat mir mal mehr, mal weniger weh und legte mich am Ende der Show wieder in meinen Rollsarg. Bei meinen Auftritten trug ich stets eine Zorromaske, die ich aus einer Zeitschrift hatte. Sie half mir, meine Schüchternheit zu überwinden, und verlieh mir eine geheimnisvolle Aura. Selbst beim Küssen behielt ich sie auf.

Ich zog von Dorf zu Dorf, und irgendwann eilte mir mein Ruf voraus. Die Menschenmenge schwoll an, man brachte mir Essen, Verbandszeug, sogar Bücher. Eins hatte ich mir vorgenommen: Ich würde nie länger als vierundzwanzig Stunden an einem Ort bleiben. Ich gab meine Aufführung, übernachtete in der Nähe und fuhr gleich am nächsten Morgen weiter. Manchmal zwangen mich die Erschöpfung oder eine Verletzung, ein paar Stunden länger im Sarg liegen zu bleiben, aber meine Rastlosigkeit trieb mich weiter. Die Freiheit, die durch meine Adern pulsierte, berauschte mich und machte mich glücklich. Mit jedem Tag schien mein Geist jünger zu werden. Mein Körper hingegen alterte. Rasend schnell. Um mein Publikum zu fesseln, wagte ich immer riskantere Stunts. Auch wenn ein Teil von mir ahnte, wie absurd das war, machte ich mein Seelenheil von dem Applaus Fremder abhängig. Manchmal wiesen mich Zuschauer, die es gut mit mir meinten, vorsichtig darauf hin, dass ich diesen Lebenswandel nicht lange durchhalten würde. Die Liste meiner Knochenbrüche wurde von Tag zu Nacht länger, und mein Rücken ächzte und knarrte wie eine alte Diele.

Aber ich bekam einfach nicht genug von den Ab- und Umwegen, den magnetischen Feldern und Wiesen, den einsamen Landschaften, die mir netterweise immer einen Baum zum Dagegenfahren hinstellten. Mein Gehirn speicherte leuchtende Sonnenuntergänge und Füchse, die über die Straße huschten. Mein Leben war eine Überraschungsmaschine. Mal klebten Schnecken an meinen Schuhen, mal verkroch sich ein Igel in meinem Bett. Einmal wollte ein Gothic-Mädchen in meinem Sarg übernachten. Leider sei er nicht groß genug für zwei, sagte ich, woraufhin sie erwiderte, sie wolle ja auch alleine darin schlafen.

Eines Morgens fand ich zu meinen Füßen ein Nest mit roten Kanarienküken. Jemand musste es dort abgelegt haben, während ich schlief. Einige waren in der Nacht gestorben, die sieben Überlebenden nahm ich unter meine Fittiche. Ich war wohl das Erste, was sie im Leben sahen, ich wurde sozusagen ihr Vater. Ich taufte sie alle auf den Namen Michel Platini.** Es kann nie schaden, mehrere Platinis zu haben, am besten eine ganze Mannschaft. Bald traten die Vögel mit mir zusammen auf. Ich hatte immer ein paar von ihnen im Ärmel. Sie verliehen meinen Bewegungen Schwung und ließen sich nach spektakulären Stürzen auf meinen Schultern nieder. Ich beobachtete, wie sie am Himmel ihre Bahnen zogen. Von Tag zu Tag wurde meine Sehnsucht nach den Wolken größer.

Auf meiner Odyssee in dem Sarg entdeckte ich meine Liebe zu Büchern. Einem Pärchen, das mir ein Buch geschenkt hatte, erklärte ich, wie viel mir dieser Austausch von Wörtern und Gefühlen bedeutete. Im Laufe der Zeit wurden es immer mehr Bücher. Da im Sarg bald nicht mehr genug Platz war, ich es aber nicht übers Herz brachte, auch nur eines wegzuwerfen, beschloss ich, sie stattdessen unter die Leute zu bringen. Sobald ich ein Buch ausgelesen hatte, schrieb ich hinten rein, ob und warum es mir gefallen hatte. Auf eine leere Seite vorne schrieb ich: »Wenn Sie dieses Buch finden, nehmen Sie es mit und lesen Sie es. Am Schluss schreiben Sie Ihre Gedanken dazu auf. Notieren Sie auch das Datum und den Fundort. Legen Sie es anschließend wieder irgendwo ab, wo jemand anderes es finden kann.« Manche Bücher fuhren mit dem Zug, andere kamen in den Regen. Manche waren eine Weile verschollen, andere lebten mit einer Handtasche zusammen. Eins kehrte sogar mit sieben Einträgen zu mir zurück.

So zog ich mit meinem rollenden Sarg rastlos von Dorf zu Dorf und bekam gar nicht mit, wie ich alterte. Eines Tages ging mein Körper auf die Barrikaden. Die Gewerkschaft der gezerrten Muskeln meldete sich zu Wort. Erst war es nur ein leiser Protest, aber bald stimmten die Knochen mit lautem Knacken ein. Meine Nerven lagen blank, ich konnte nicht mehr schlafen. Zu spät wurde mir klar, dass ich lernen musste, meine Stürze abzufedern und weich zu fallen. Ich wusste, dass es so nicht weiterging, aber ich konnte nicht aus meiner Haut. Bei jedem Auftritt wollte ich sterben und wiedergeboren werden, das war eine Frage der Ehre! Alle Alarmglocken schrillten, aber ich schmetterte weiter meine Lieder, um sie zu übertönen und der Ewigkeit noch ein paar Sekunden abzutrotzen.

Im Winter verkomplizierte sich die Sache weiter. Bei Kälte waren meine Stürze noch schmerzhafter als sonst. Die Zuschauerreihen lichteten sich. Immer öfter legte ich auch außerhalb der Vorführungen Bruchlandungen hin. Eines Tages nahm ich eine Kurve zu eng und raste in das Schaufenster einer Bäckerei. Eine Horde Kinder machte sich über die Windbeutel her, und das ganze Dorf glaubte, ich hätte den Unfall mit Absicht verursacht. Nachdem ich versehentlich mehrere Briefkästen, Tore und Seitenspiegel um- und abgerissen hatte, wurde der Sarg kurzerhand zum Fluchtwagen.

Aber irgendwann erwischte man mich, oder besser gesagt, erwischte es mich. Am Tag nach einem besonders schweren Sturz ächzte ich bei Eiseskälte und in strömendem Regen einen steilen Hang hoch. Der Asphalt war spiegelglatt. Mir versagten die Beine, der Sarg begann rückwärtszurollen. Ich raste die Straße hinunter, schneller und schneller, und konnte weder steuern noch bremsen. Motorengeheul. Hupen. Zusammenprall von Blech und marineblauem Sperrholz. Hupen. Benzingestank. Hupen. Aufflatternde Michel Platinis. Hupen.

* Johnny Cash ist ein amerikanischer Folksänger. Wenn man seine Stimme hört, will man sofort in den nächsten Zug steigen und verreisen.

** Michel Platini ist einer der größten Fußballspieler aller Zeiten. Seine Tore und mehr noch seine Pässe machten ihn zu einem Superhelden.

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ch öffne die Augen. Die Welt hat sich verändert. Statt nach Herbst riecht es nach Betäubungsmitteln und Kantinensuppe. Der Asphalt hat sich in Linoleum verwandelt, mein prächtiger Sarg in ein einfaches Bett. Die Michel Platinis sind verschwunden und mit ihnen sämtliche Farben. Alles ist grau, die Fenster sind groß und abweisend. Die Schritte auf dem Linoleum hören sich an, als reiße man Pflaster ab. Die Patienten langweilen sich, einige weinen. Angehörige bringen Blumen und lächeln starr. Ihr Trick besteht darin, die Tränen in sich hineinfließen zu lassen. Weiße Kittel geistern durch die Flure.

Willkommen auf der Krebsstation. Die Ärztin, die mir diesen Hammer übergezogen hat, erinnert mich an meine Mathelehrerin, in die ich als Schüler verliebt war. Der gleiche mitleidige Blick. Ich merkte, dass sie mich mochte, aber sie konnte mir einfach nicht helfen.

Heute ist die Rechnung kinderleicht. Selbst jemand wie ich, der eins und eins nicht zusammenzählen kann, kapiert es auf Anhieb. Ich bin nicht wegen einer gebrochenen Rippe hier, sondern weil an meiner Wirbelsäule ein Tumor wuchert. Ohne dass ich es bemerkt hätte, ist in mir eine riesige Rote Bete herangewachsen. Die mir verbleibende Lebenszeit rinnt mir durch die Finger. Sie passt in einen Fingerhut. Einen verdammten Fingerhut.

Ein verirrtes Flugzeug rast mir stumm in den Kopf, dann ein zweites, und mein Gehirn explodiert lautlos.

Die Krankenschwester, die mich zum Röntgen begleitet, wagt nicht, die Flugzeuge herauszuziehen, da ich sonst zu viel Blut verlieren würde. Auf dem Flur starrt man mir nach, ich bin ein wandelnder Twin Tower. Auf einem Rollwagen steht eine Flasche mit neunzigprozentigem Alkohol, und ich würde sie am liebsten in einem Zug leeren. Schwindel brennt mir in den Augen.

Wie gern würde ich mich Hals über Kopf in den Himmel stürzen, wie damals als Kind! Sobald die Langeweile den Kopf zur Tür hereinsteckte wie eine runzlige Alte, die tagein tagaus Sudokus löst, wurden meine Arme zu Windmühlenflügeln.

Jetzt würde ich alles dafür geben, die Flucht ergreifen zu können, ganz gleich, wie viele Knochen ich mir dabei breche. E. T., ich kann gut verstehen, warum du auf deinem Fahrrad über den Himmel geradelt bist. An deiner Stelle wäre ich bis zum Pluto weitergefahren, ohne mich umzudrehen.

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echs Uhr morgens. Der Lichtschalterdirigent lässt die Neonröhren explodieren, das Krankenhaus flammt auf wie eine elektrische Sonne. Es folgt die Parade der Weißen Kittel und Plastiksandalen, wie Ginger Rogers steppen sie durch die Zimmer. Sie wecken uns früh am Morgen, um uns daran zu erinnern, warum wir im Bett bleiben müssen. Die Bewegungslosigkeit versetzt mich in Panik. Ich muss fliehen, solange ich noch kann. Rennen, fallen, wieder aufstehen. Wenn ich es langsamer angehen lasse, ersticke ich. Ich brauche eine Dosis Himmel, ich kann nicht richtig atmen, wenn ich nicht etwas frischen Wind in die Lungen bekomme. Aber hier lassen sich nicht mal die Fenster öffnen, das ist nicht vorgesehen. Selbst das Tageslicht ist es leid, durch die Scheiben zu dringen. Aus dem Fernseher im Flur dröhnt Lachen aus der Konserve. Mir ist zum Heulen zumute. Wir könnten einen Wettbewerb im Fernseherweitwurf veranstalten. Dann hätten wir wenigstens etwas zu tun. Ich kann nicht den ganzen Tag im Schlafanzug eines Todeskandidaten herumliegen. Das Heftpflaster, mit dem die Schläuche an meinem Arm fixiert sind, ziept bei jeder Bewegung, damit ich mich auch ja nicht rühre. Ich habe Angst, ein weiches Gefühl, das mir das Hirn verklebt. Dabei kannte ich bei meinen Stunts keine Angst. Am liebsten würde ich die Augen schließen und Winterschlaf halten, bis ich wieder gesund bin. Dieser Gedanke wärmt mich ein paar Sekunden lang. Dann kehrt die Wirklichkeit mit voller Wucht zurück.