„Und wenn mir ganz Nürnberg gehörte, ich würde es in Bamberg verzehren“ - dieses alte Sprüchlein kommt nicht von ungefähr! Denn Bamberg war zu allen Zeiten für seine gute Küche und das schmackhafte Bier bekannt. So manchen zog es daher in die alte Bischofsstadt um den Genüssen zu frönen. Ganz besonders beliebt war die Reise in das fränkische Städtchen zu einer Zeit im Jahr, wo man in ganz Bamberg kräftig zu feiern pflegte: Damals wie heute findet, wenn sich der Sommer dem Ende entgegen neigt, in Bamberg eine große Kirchweih statt, ein Fest, das über die Stadtgrenze hinaus einen klangvollen Namen trägt und bei dem aller Orten getafelt und getanzt wird.
Davon hatte eines schönen Tages auch ein Mann gehört, der als Erzschalk und König der Narren durch die Lande zog und auf den klangvollen Namen Till Eulenspiegel hörte. Ein Bursche, berühmt und berüchtigt, Landauf Landab bekannt. Vor seinen derben Streichen konnte sich niemand sicher fühlen. Und eine ganz besonders tolle Schurkerei hatte er sich offenbar für die alte Bischofsstadt Bamberg aufgehoben.
Nachdem er der alten Reichsstadt Nürnberg einen Besuch abgestattet hatte, begab sich Till Eulenspiegel schnurstracks nach Bamberg, um sich dort wieder einmal so richtig satt zu essen. Da die Kirchweih schon im vollen Gange war fand er aber nur noch in einer Herberge Platz, in der vor allem die vornehmen Herren einzukehren pflegten. Die Wirtin, ein lustiges Weib, sah sogleich, dass Till ein ganz besonderer Gast war, denn seine bunte Zaddeltracht kennzeichnete ihn als Gaukler.
„Vielleicht kann ich Ihn ein wenig herausfordern, ihn mit meinen losen Mundwerk necken und somit meinen hohen Gästen ein wenig die Zeit vertreiben?“, überlegte sie rasch.
Aber die deutsche Sprache kann zuweilen ein recht schwieriges Feld sein. So mancher schon hat sich mit einem all zu losen Mundwerk unbedacht um Kopf und Kragen oder gar um Hab und Gut geredet. Und gleich am nächsten Morgen sollte die Wirtin schon ihren Meister finden. Als sich nach dem Morgengebet alle zu Tische setzten, fragte die Wirtin Till Eulenspiegel, ob nicht auch er in ihrer Herberge noch ein Frühstück einnehmen wolle. „Gern liebe Frau!“ „Aber wie ihr schon bemerkt habt bin ich kein reicher Mann. Gebt mir also etwas um Gottes Lohn.“ antwortete Till.
„Lieber Freund, um Gottes Lohn? Auch ich bekomme nichts um Gottes Lohn beim Bäcker oder Metzger!“ „Ich muss mit harten Talern zahlen! Und deshalb muss auch ich gutes Geld für mein Essen bekommen!“ entgegnete die Wirtsfrau.
Sofort huschte ein verschmitztes Lächeln über Tills Gesicht und schnell erwiderte er:
„Wie wahr! Auch mir dient es wohl für Geld zu essen! Also sagt um was oder besser für wie viel Geld ich essen und trinken soll?“
Die Wirtin, nun schon etwas versöhnlicher, zählte in Gedanken bereits ihren Verdienst und sprach:
„Schaut her lieber Freund. An dem Herrentisch speist man für 24 Kreutzer. Gleich am Tisch daneben für 18 Kreutzer und dort hinten am Tisch, gleich neben der Tür, da speist das Gesinde für 12 Kreutzer.“
Als Till so all die Köstlichkeit auf der Herrentafel erblickte sagte er schnell:
„Liebe Frau Wirtin, das meiste Geld dient auch mir am allerbesten!“
In Windeseile setzte er sich an den Tisch der edlen Herren und begann, was er nur zu greifen bekam in sich hineinzustopfen und zu schütten. Er trieb sein Spiel so arg, dass ihm gar die Augen aus dem Kopf und der Schweiß auf die Stirn traten.
Als endlich kein Krümel mehr zu finden und auch der letzte Krug bis zur Neige geleert war, lehnte sich Till zufrieden zurück schnauft kräftig und rief:
„Liebe Frau Wirtin habt vielen Dank für dieses köstliche Mal, ich hoffe ihr seid mit meinem Werk zufrieden. Doch nun wohlan ich muss gleich los, noch viele Städte erwarten meine Besuch!“
Die Wirtsfrau eilte herbei und streckte die rechte Hand aus.
„Guter Freund, dann gebt mir schnell die 24 Kreutzer und eurer Reise steht nichts mehr im Wege!“
„Wie bitte? sprach Till Eulenspiegel und reckte ihr stattdessen seine Hand entgegen. „Liebe Frau, ihr sollt ihr mir das versprochene Geld geben! Denn wie spracht ihr vorhin? An der Tafel für die feinen Herren esse man für 24 Kreutzer, und ihr könnt mir glauben, das war wahrlich keine leichte Aufgabe. Wie ihr sehen konntet gab ich mir alle Mühe, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Ich habe gegessen und getrunken als wenn um mein Leben ginge. Darum gebt mir jetzt auch meinen versprochenen Lohn.“ Die Gäste im Wirtshaus lachten schallend über dieses toll dreiste Narrenstück und die Wirtin musste erkennen, dass Till wirklich ein ganz besonderer Bursche war.
„In der Tat mein Herr, ihr habt recht ich hab mich selbst betrogen!", sprach sie. Doch nun verlangt nicht auch noch Geld von mir. Lasst es stattdessen gut sein und zieht von dannen. Meine Gäste in der Wirtsstube haben wir ja immerhin gut mit diesem kleinen Lehrstück unterhalten.“
Till hatte ein Einsehen mit der Wirtin, auch er lachte kräftig, strich sich noch einmal über seinen prallen Bauch und begab sich, so schnell es mit dieser Leibesfülle eben ging, wieder hinaus auf die Landstraße und hinein ins nächste Abenteuer.
Das mittelalterliche Bamberg war vor Zeiten immer wieder einmal der Schauplatz großer Geschichten. Könige und Kaiser besuchten das nördliche Rom. Ja, so sagte man in früherer Zeit, da die altehrwürdige Bischofsstadt gleichfalls wie die ewige Stadt am Tiber auf sieben Hügeln errichtet wurde. Prachtvoll waren stets die Einzüge und noch prächtiger die darauf folgenden Feste, bei denen die edelsten Herren des Landes zugegen waren, um seiner Majestät die Ehre zu erweisen.
Damals gebrauchte man in Bamberg eine seltsame Redensart: Wenn jemand etwas versprach oder gelobte, sagte er stets, um seinen Sätzen ein besonderes Gewicht zu geben:
„Das schwöre ich beim Barte von Kaiser Otto!“
Diese geflügelten Worte hatten die Bamberger damals von seiner Majestät Kaiser Otto übernommen. Denn immer wenn er betonen wollte, wie wichtig seine Aussagen seien, sprach er:
„Das schwöre ich bei meinem langen roten Barte!“
Einmal hielt Kaiser Otto, der vom Volk nur Otto der Große genannt wurde, in Bamberg einen prächtigen Hoftag. Alle Fürsten und Bischöfe des Landes waren seiner Einladung gefolgt um gemeinsam ein frohes Osterfest zu feiern. Während in der Kirche die Messe gelesen wurde bereitete man in der alten Burg der Babenberger bereits das große Festessen vor.