Abel J. Tasman (1603 – 1659) Über Kindheit und Jugend des ambitionierten Niederländers liegen kaum gesicherte Informationen vor. Im Jahr 1633 heuerte der junge Mann bei der niederländischen Ostindien-Kompanie an. Dort machte er sich zunächst durch die Erfüllung mehrerer gefährlicher Missionen verdient und erhielt 1642 schließlich den Auftrag zur Erforschung der legendären „Terra Australis“, der seinen Namen in die Entdeckungsgeschichte eingehen ließ.
Egon Larsen (1904 – 1990) arbeitete als Journalist bei der Süddeutschen Zeitung und beim Bayerischen Rundfunk. Er war Verfasser zahlreicher Sachbücher u.a. zur Technikgeschichte, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. In der Edition Erdmann hat er die Entdeckung von Nordamerika durch John und Sebastian Cabot herausgegeben.
Abel Janszoon Tasman gehört bis heute zu den „unentdeckten Entdeckern“: Um ein Haar hätte der Niederländer das australische Festland entdeckt, doch eine ungewöhnliche Kurswahl ließ ihn knapp daran vorbeisegeln. Vielleicht ist dies der Grund, warum sein Name nur selten zusammen mit der ersten Garde der großen Entdecker, wie Kolumbus, Magellan oder Cook, genannt wird. Zu Unrecht, denn sein Beitrag zur neueren Entdeckungsgeschichte war enorm: Er gab dem heutigen Tasmanien seinen Namen, entdeckte die Tonga- und Fidschi-Inseln, nahm mit den Maori Kontakt auf und erreichte am 13. Dezember 1642 als erster Europäer die Küste Neuseelands.
Die niederländischen Entdeckungsreisen waren meist durch die materiellen Interessen der Auftraggeber motiviert. Und so verwundert es wenig, dass die bedeutenden Leistungen von Abel Janszoon Tasman erst sehr spät angemessen gewürdigt wurden: 1642 wird der Seefahrer von der niederländischen Ostindien-Kompanie beauftragt, sich auf die Suche nach dem seit der Antike sagenhaften südlichen Kontinent „Terra Australis“ zu begeben. Von Batavia, dem heutigen Jakarta, bricht er mit seinen zwei Schiffen, der Heemskerck und der Zeehaen, auf, und steuert zunächst Mauritius an, um Proviant zu laden. Von dort aus dreht er weiter südlich als bei bisherigen Expeditionen üblich nach Osten ab und verfehlt nur knapp das heutige Australien. Das nächste Land, das er erblickt, trägt heute seinen Namen: Tasmanien.
DIE 100 BEDEUTENDSTEN
ENTDECKER
Tasmaniens und der Tonga-
und Fidschi-Inseln
1642 – 1644
Herausgegeben, ins Deutsche
übertragen und mit einem Vor- und
Nachwort versehen von Egon Larsen
Mit 44 zeitgenössischen
Illustrationen und 10 Karten
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nach der Edition Erdmann Ausgabe Stuttgart 1985
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
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Einführung – Die Erforschung der Welt
Ist die Erde flach?
Auf der Suche nach Gewürzen
Holland wird zur Seemacht
Die legendäre »Terra Australis«
Tasman wird Seefahrer
Goldland oder Südland?
Tasmans Logbuch – 1642 – 1643
Nachwort – Tasman, der unentdeckte Entdecker
Reise nach Australien
Tasman auf der Anklagebank
Das Land der Kettensträflinge
Die Südseewelt seit Tasman
Anhang
Literatur
Bildnachweis
Register
Maßeinheiten
Die Vorstellung, dass unsere Erde eine flache Scheibe ist, drängt sich dem Unvoreingenommenen von selbst auf und hat noch heutzutage ihre Anhänger; da gibt es in Dover, an der englischen Kanalküste, ein Zentralbüro der »International Fiat Earth Research Society«, die ihre Mitglieder in einer ganzen Reihe von Ländern hat. Sie lehnt jeden Beweis, dass ihre Auffassung nicht stimmt – neuerdings zum Beispiel die Astronautik – als Schwindel und böswillige Irreführung ab.
Die frühe Antike war ganz zufrieden mit der flachen Erde: Der Mensch sah den Himmelsdom, der sich über uns wölbt, mit seiner strahlenden Sonne bei Tag und dem silbernen Mond samt den glitzernden Sternen bei Nacht. All das schien sich um unsere feste Erde zu drehen, und auf allen Seiten sieht man die »Naht« zwischen ihr und dem Himmel, den Horizont. Keine Krümmung ist zu erkennen, und in der antiken Welt gab es noch keine Seeleute, die weit hinaus aufs Meer fuhren und beobachteten, wie Land und Schiffe in der Entfernung untertauchten. Die altägyptischen Philosophen lehrten, die Erde sei eine rechteckige Platte, mit Ägypten in der Mitte und rundherum Meer und Wüste, während Xenophanes, der um 570 v. Chr. geborene Grieche, die Erde für eine Kreisscheibe hielt, deren Oberseite die Atmosphäre berührt und deren Unterseite sich unbegrenzt in die Tiefe erstreckt. Auch die Babylonier glaubten an die Erde als Kreisscheibe, die aber im Wasser schwimmt.
Wer kam zuerst auf den revolutionären Gedanken, dass die Erde eine Kugel ist? Vielleicht war es Thales von Milet, vielleicht Pythagoras von Samos, die beide vor etwa zweieinhalb Jahrtausenden lebten; aber in seinen Schriften formuliert und bewiesen hat es zum ersten Mal Aristoteles im vierten Jahrhundert v. Chr. Er zog aus dem stets kreisförmigen Schatten, den die Erde bei Mondfinsternissen auf ihren Trabanten wirft, den Schluss, dass sie eine Kugel sein müsse. Sein interessantestes Argument war jedoch, dass die Kugel »eine Form ist, die ein Körper naturgemäß annimmt, wenn alle seine Teile dem Mittelpunkt zustreben«. Das war zweitausend Jahre vor Isaac Newton, der die Gesetze der Schwerkraft fand.
Der einflussreichste Geograph des späten Altertums war Claudius Ptolemäus aus Alexandria, der im zweiten Jahrhundert nach Christus die Erdkunde auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen versuchte. Seine Weltkarte wurde von den Römern als maßgebend für ihre Expeditionen vom tiefsten Afrika bis zur Ostsee adoptiert; gedruckt wurde sie erst 1477 in Bologna. Ptolemäus’ Erde war zwar flach, aber er teilte sie in Längen- und Breitengrade ein; und seine Karte deutete die Existenz eines riesigen »Südlands« an, das sich zwischen Ostafrika und Südasien, ja bis zum Längengrad des (natürlich noch unentdeckten) Kontinents von Südamerika erstreckte. Offensichtlich war sein Südland mehr ein Gebilde von Gerüchten und Einbildungskraft als die Wiedergabe zuverlässiger Reiseberichte.
Der dem Menschen angeborene Wissenstrieb war im Abendland während des ganzen Mittelalters unterdrückt, denn man hätte zu Erkenntnissen gelangen können, die den Lehren und Grundprinzipien der Kirche widersprochen hätten. Aristoteles’ Erdkugel war noch eine erträgliche Theorie, aber die weitere Schlussfolgerung, dass auch alle anderen Himmelskörper Kugeln sind, die bestimmte Laufbahnen beschreiben, war für die religiöse Doktrin zu gefährlich: Denn am Ende konnte es sich noch ergeben, dass die Erde gar nicht der Mittelpunkt unseres astronomischen Systems ist. Die Kirche hatte das Weltsystem des Ptolemäus akzeptiert, das von der zentralen, fest stehenden Erde mit den um sie kreisenden Himmelskörpern ausging.
Es wurde erst mehr als 1400 Jahre später vom »heliozentrischen« System abgelöst, mit der Sonne als Mittelpunkt und den Planeten, einschließlich der Erde, als rotierende Trabanten. Der Gelehrte, der diese Weltanschauung ausgearbeitet hatte, war der polnische Astronom und Mathematiker Nikolaus Koppernigk, der seinen Namen nach der Mode der Zeit zu Copernicus latinisierte. Er widmete sein 1543 in Nürnberg gedrucktes, umwälzendes Werk »De Revolutionibus Orbium Coelestium« (»Von den Umdrehungen der Himmelskörper«) vorsichtshalber dem Papst Paul III., und die katholische Hierarchie war tatsächlich keineswegs so empört, wie Copernicus befürchtet hatte; überraschenderweise aber strafte ihn Luthers junge protestantische Bewegung mit Hohn und Verachtung. Doch bald setzte auch die Reaktion des Vatikans ein. Die italienischen Forscher, die sich auf Copernicus’ Seite gestellt hatten, mussten ihren »Irrglauben« schwer büßen; Giordano Bruno wurde 1600 von der Inquisition als Ketzer verbrannt, Galileo Galilei musste 1634 seinen »glaubensfeindlichen« Behauptungen von der rotierenden Erde feierlich abschwören. Es heißt, er habe dabei einem Freund zugemurmelt: »Eppur si muove!« – »Und sie bewegt sich doch!«
Wir sind nun im 17. Jahrhundert angelangt, fast 150 Jahre nach der Reise, die das Ende des Mittelalters markierte: der historischen Entdeckungsfahrt des Genuesers Cristobal Colón, genannt Kolumbus, über den Atlantik im Jahre 1492. Es ist ein populäres Missverständnis, dass er »Amerika entdeckte«; die Gründe und Errungenschaften seines vom spanischen Hof finanzierten Unternehmens waren andere. Zunächst darf man allerdings nicht vergessen, dass es die erste Seefahrt war, auf der das Konzept der Erde als Kugel praktisch auf die Probe gestellt und unwiderleglich bewiesen wurde. Aber Kolumbus’ Auftrag und Absicht waren, nach Westen zu segeln, um Indien zu erreichen – bis heute heißen ja die Inseln, die er entdeckte, Westindien. Es war im wahrsten Sinn des Wortes eine Fahrt ins Blaue, ins Unbekannte. Nicht alle seine Seeleute blieben während der ganzen zweimonatigen Reise so fest wie Kolumbus davon überzeugt, dass die Erde wirklich rund sei und man schließlich Land finden würde; die Angst, plötzlich über den Rand des Ozeans ins Nichts abzustürzen, führte fast zu einer Meuterei, kurz vor Sichtung der Insel Guanahani (er nannte sie San Salvador). Wie hätte sich wohl die Weltgeschichte abgespielt, wäre Kolumbus umgekehrt und heimgereist mit der Meldung: »Kein Land gefunden«?
Wie fast alle Entdeckungsreisen des 15. und 16. Jahrhunderts wurde auch die des Kolumbus finanziert in der Hoffnung, irgendwelche Goldschätze zu finden. Aber das wesentliche Motiv war ein ganz anderes: nämlich die Suche nach einem praktischen Seeweg für den Transport von Gewürzen aus Asien nach Europa.
Seit den Fahrten der Kreuzritter zum nahen Orient waren, außer exotischen Delikatessen wie Datteln, Feigen, Melonen und Granatäpfeln, in den Küchen der wohlhabenden Bürger und an den Höfen Europas allerhand orientalische Gewürze zur Selbstverständlichkeit, ja zur Notwendigkeit geworden – wie sie es schon im Altertum bei den Römern gewesen waren. Es waren dann auch die Nachkommen der Römer, die Venezianer, die mit ihren Handelsschiffen das Gewürzgeschäft neu aufbauten und es schließlich völlig beherrschten. Pfeffer und Zimt, Ingwer und Kardamom, Paprika und Kreuzkümmel, Muskat und Gewürznelken spielten bei der Kochkunst des späten Mittelalters eine große Rolle; sie halfen nicht nur, die Mahlzeiten wieder zum Vergnügen zu machen – sie vertuschten auch manche Geschmacksdefekte, die sich nach längerer Speicherung der Nahrungsmittel einstellten. Es gab ja noch keine Eisschränke oder mechanischen Kühlanlagen! Überdies herrschte viel Aberglauben, der sich um dieses oder jenes Gewürz entwickelt hatte; da erzählte man sich von magischen, medizinischen und erotischen Kräften, die den morgenländischen Gewürzstoffen innewohnen sollten. Von einem europäischen Kaiser des 15. Jahrhunderts hieß es, er habe seine Konkubinen mit verschiedenen Gewürzen wie Estragon und Koriander einreiben lassen, um sich dann für die Nacht jeweils die Dame auszuwählen, deren Aroma ihn gerade besonders anzog. Andererseits war die mörderische Familie der Borgias recht misstrauisch gegen Gewürze, weil sie manchmal verwendet wurden, um Geschmack und Geruch eines Giftes zu verdecken.
1.–2. Pflanzen aus Neu-Guinea 3.–10. Pflanzen aus Neu-Holland
Der venezianische Gewürzhandel spielte sich hauptsächlich zwischen italienischen und arabischen Mittelmeerhäfen ab, den Endhaltestellen der Karawanen aus dem Inneren Asiens. Aber dieses Geschäft wurde schwerstens von einem Ereignis betroffen, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts stattfand – der Eroberung Konstantinopels und schließlich des ganzen Balkans durch die Türken.
Nun waren alle Umschlaghäfen des östlichen Mittelmeers blockiert, denn auch Kleinasien und Ägypten befanden sich schon längst in den Händen der Türken beziehungsweise Mameluken, und das dringende Problem war, wie man die fernöstlichen Gewürzinseln von Europa aus auf dem Seeweg erreichen konnte. Der ideale »Abstecher« wäre natürlich die westliche Route gewesen, und Kolumbus hoffte, entweder die Molukken oder andere ostasiatische Gewürzinseln zu erreichen. Aber der Erdball war ja unendlich viel größer, als man damals glaubte; Kolumbus war überzeugt davon, die westindischen Inseln, die er entdeckt hatte, gehörten zu Catayo (China) oder Cipangu (Japan), nur einen Katzensprung von den Molukken entfernt.
Seine Entdeckungsreise war vom Standpunkt der Gewürzhändler aus ein völliger Misserfolg. Er fand auch keine Goldschätze, keine reichen Städte und Völker, sondern nur ein paar Siedlungen mit »freundlichen, friedlichen und einfachen Menschen«, die den Seefahrern Lebensmittel für Glasperlenketten gaben, die sie sich um den Hals hängten. Nur auf Haiti entdeckte er wild wachsende Gewürzpflanzen, die er mitnahm in der Hoffnung, man könne sie in Spanien züchten. Auch seine weiteren Reisen zum Festland von Amerika – so genannt nach seinem Rivalen Amerigo Vespucci – waren enttäuschend. Vespucci war übrigens der Pionier eines menschenunwürdigen Geschäfts: des Sklavenhandels. Er betrieb es allerdings in west-östlicher Richtung, als er 1498 von einer Fahrt zum Golf von Mexiko mit 222 Eingeborenen des neu entdeckten Kontinents nach Spanien zurückkehrte.
Es war der Portugiese Vasco da Gama, der nur ein paar Jahre nach Kolumbus den Seeweg nach Indien und dem ferneren Osten erforschte. Er umsegelte Afrika, dessen südlichen Teil er als erster europäischer Seefahrer genauer in Augenschein nahm. Im heutigen Moçambique landete er ohne viel religiöse Vorurteile – diese ganze Küste war ja längst in arabischen, das heißt islamischen Händen. Dort fand er arabische Schiffe »beladen mit Gold, Silber, Gewürznelken, Pfeffer, Ingwer, Perlen, Juwelen und Rubinen«, wie er berichtete. Die Araber waren keineswegs begeistert über diese Begegnung mit den Fremden aus Europa, und Da Gama erkannte bald den Grund: Es war nicht so sehr die Abneigung gegen die Ungläubigen, sondern die drohende Konkurrenz – denn die Araber beherrschten die Seefahrt und damit den Handel von Ostafrika bis Ostindien. Als nun die Portugiesen mit ihren besseren, größeren und gut bewaffneten Schiffen auftauchten, erschraken sie und befürchteten – mit Recht, wie sich bald herausstellte –, dass das Ende ihres Transportmonopols gekommen war.
Vasco da Gama war mutig genug, die dreiwöchige Fahrt von der Ostküste Afrikas zur Westküste Indiens zu wagen, wo er in Calicut im heutigen Staat Kerala landete. Es kam zu allerhand Zwischenfällen und Unannehmlichkeiten sowohl mit den Indern wie auch mit den Arabern, und er hielt es für ratsam umzukehren; nach zweijähriger Abwesenheit kam er nach Lissabon zurück, wo er als Nationalheld gefeiert wurde.
Bald war die Erforschung der Länder und Inseln am Indischen und schließlich am Pazifischen Ozean durch die Portugiesen und Spanier in vollem Schwung; schon 1512 erreichten portugiesische Seefahrer die Molukken, die begehrten Gewürzinseln in Südostasien, und kehrten mit gewürzbeladenen Schiffen heim. Ferdinand Magellan, der erste Weltumsegler, entdeckte 1521 die Philippinen und durchfuhr die später nach ihm benannte Meeresstraße zwischen dem südamerikanischen Festland und der »Tierra del Fuego«, dem Feuerland. Er starb in einem Gefecht mit Eingeborenen auf einer pazifischen Insel.
Während sich die Spanier mehr und mehr auf Mittel- und Südamerika mit ihren sagenhaften Goldschätzen konzentrierten, schalteten sich die Engländer, Franzosen und Holländer zunehmend in die Suche nach noch nicht entdeckten Ländern, in das große Wettrennen nach Eroberung und Gründung von überseeischen Siedlungen ein. Das Zeitalter des Kolonialismus hatte begonnen; und mit der Siedlungspolitik, insbesondere in Amerika und Westindien, entwickelte sich der Menschenhandel – der barbarische Raub von Afrikanern als Sklaven für die Plantagen der Neuen Welt. Der Sklavenhandel wurde zum großen Geschäft der christlichen Nationen.
Die Jagd der Europäer nach Entdeckungen und Eroberungen in anderen Weltteilen wäre unmöglich gewesen ohne die technische Entwicklung der Hochseefahrt. Wie leider so viele Errungenschaften des Menschen war auch diese vor allem den unaufhörlichen Kriegen zu verdanken, dem Wettrüsten der seefahrenden Nationen; jede versuchte, bessere, größere und schnellere Schiffe zu bauen als ihre Rivalen. Aus den schwerfälligen Galeeren mit ihren Rudersklaven waren Fahrzeuge geworden, die durch ihre wirksame, wenn auch komplizierte Takelung jeden Wind ausnutzen und Stürmen auf hoher See standhalten konnten; und aus dem alten Ruderbaum am Heck oder dem Steuerpaddel an der Schiffsseite wurde das Ruderblatt unter Wasser entwickelt, bedient vom Navigator oder Maat am Steuerrad.
Die Entwicklung der neuen heliozentrischen Astronomie ermöglichte es den Seefahrern, sich zuverlässiger nach dem Stand der Himmelskörper zu orientieren. Die traditionellen Instrumente der nautisch-astronomischen Ortung wurden verbessert, aber die wichtigste Errungenschaft für den Hochseefahrer war der Kompass. Gleich manchen anderen Erfindungen war auch diese höchstwahrscheinlich den Chinesen zu verdanken, aber ihre praktische Verwendung war bis dahin auf die fernöstlichen Gewässer beschränkt geblieben. Marco Polo, so heißt es, soll zumindest das Prinzip des chinesischen Kompasses nach Europa gebracht haben; anderen Quellen zufolge waren primitive Kompasse schon vor seiner Zeit im Abendland in Gebrauch. Neuerdings neigt man jedoch dazu, den Anspruch des süditalienischen Waffenschmieds Flavio Gioja aus Positano gelten zu lassen, im 14. Jahrhundert den ersten praktischen Schiffskompass geschaffen zu haben.
Der Erdmagnetismus war schon in der Antike bekannt, und schon lange bevor man eine Ahnung von Nord- und Südpol oder von der Erdachse hatte, wusste man, dass eine bewegliche Eisennadel stets nach Norden zeigt. Giojas hauptsächlichste Errungenschaft war die schwebende waagrechte Aufhängung der Nadel über der »Rose«, einer runden Karte der Himmelsrichtungen; außerdem schloss er das Ganze in eine Holzbüchse mit einem Glasdach ein. In dieser Form war der Schiffskompass ein halbes Jahrtausend lang in Gebrauch, bis um 1875 der britische Physiker Lord Kelvin das Gerät von den Schiffsbewegungen völlig unabhängig machte. Dass der Kompass »Deklinationen«, das heißt Abweichungen von der Erdachse, ausgesetzt ist und dass auch die Metallteile des Schiffs die Nadel ablenken, gehörte schon zu Beginn der Entdeckerära zum technischen Wissen der Seefahrer.
Als der Nürnberger Geograph und Seefahrer Martin Behaim 1492 den ersten Globus entwarf, waren Kolumbus’ Entdeckungen noch nicht bekannt, und weder Vasco da Gama noch Magellan hatten ihre Reisen auch nur geplant. In Behaims Weltbild erstreckte sich zwischen dem westlichen Afrika und dem östlichen Asien eine einzige leere Fläche, der Ozean; Behaim nahm natürlich keine Notiz von den alten Gerüchten von einem großen »Südland« unterhalb des Äquators. Aber diese Gerüchte verstärkten sich, als Magellan von seinen Feuerlandinseln berichtete, von denen er annahm, sie gehörten zu jenem noch unentdeckten Südland.