GENIOS BranchenWissen Nr. 05/2011 vom 03.05.2011
Branchenreport TEXTIL Ausgabe 1/2011
Markus Hofstetter
Kernthesen
- Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie hat sich 2010 vom Umsatzeinbruch 2009 fast wieder erholt.
- Der deutsche Modefachhandel erzielte 2010 den stärksten Umsatzzuwachs seit 18 Jahren.
- Beliebtester Einkaufort der Deutschen für Bekleidung ist das Kaufhaus beziehungsweise Warenhaus.
- Die Zahl der Aufgriffe bei Produktpiraterie hat sich 2010 zwar mehr als verdoppelt, aber der Wert der beschlagnahmten Waren hat sich verringert.
Beitrag
Textil- und Bekleidungsindustrie macht Verluste wett
Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie hat 2010 einen Gutteil des Umsatzrückgangs 2009 in Höhe von fast 15 Prozent wieder wettgemacht. Der Umsatz stieg in diesem Zeitraum um 9,6 Prozent von 14,6 auf 16 Milliarden Euro. Dabei war Textil mit einem Plus von 16,8 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro Umsatz deutlich besser als Bekleidung mit einem Plus von 0,8 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro Umsatz. Doch das Niveau des Jahres 2008 ist damit noch nicht wieder erreicht. Die Zahl der Beschäftigten ging um sechs Prozent auf 81 000 zurück. Sämtliche Kennzahlen beziehen sich dabei auf Unternehmen mit 50 und mehr Beschäftigten. (1), (2)
Die verschiedenen Segmente der Textilindustrie schnitten sehr unterschiedlich ab. Die Vliesstoffindustrie hat die Krise am besten überwunden und legte um 38,8 Prozent zu. Spinnereien meldeten einen Zuwachs von 31,9 Prozent, konfektionierte Textilware von 23,7 Prozent. Am unteren Ende der Wachstumsskala waren Veredlung mit plus 2,9 Prozent und Weberei mit plus 3,3 Prozent. (1), (2)
Die Heimtextilienindustrie legte beim Umsatz 2010 um drei Prozent zu. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen war dies allerdings auf die gestiegene Nachfrage von plus sieben Prozent im Inland zurückzuführen, die den Exportrückgang mehr als ausgleichen konnte. Ein Grund mag sein, dass immer mehr bekannte Modelabels ihre Namen auch auf Heimtextilien platzieren und die Mode damit auch in diesen Bereich immer stärker Einzug hält. Überproportionales Wachstum wird im Bereich der nachhaltigen Heimtextilien erwartet, Experten rechnen mit zehn Prozent in diesem Jahr. (18)
Auch die Lederwarenbranche hat sich laut Bundesverband Lederwaren und Kunststofferzeugnisse (BLVK) erholt. Der Umsatz erhöhte sich von 2009 auf 2010 um 2,9 Prozent auf 239 Millionen Euro. Damit ist das Umsatzniveau aus der Zeit vor der Finanzkrise noch nicht erreicht worden. Das Plus ist rein vom Auslandsgeschäft getragen. Denn während der Inlandsumsatz um 3,8 Prozent auf 166 Millionen Euro zurückging, erhöhte sich der Auslandsumsatz um 21 Prozent auf 73 Millionen Euro. (1), (3)
Importe aus Asien legen zu
Laut dem Statistischen Bundesamt haben die Textil- und Bekleidungsimporte aus Asien nach Deutschland von 2009 auf 2010 um 15 Prozent auf rund 17 Milliarden Euro zugelegt. Insgesamt wurden Textilien und Bekleidung im Wert von 32,8 Milliarden Euro in die Bundesrepublik eingeführt. Die Textil- und Bekleidungsexporte stiegen in gleichen Zeitraum um 7,5 Prozent auf 22,2 Milliarden Euro.
Doch bedingt durch die Krise wurden 2009 weltweit Kapazitäten bei den Rohstoffen und in der Fertigung abgebaut. Sehr stark waren dabei Länder betroffen, in denen deutsche Unternehmen beschaffen und fertigen lassen. So sind in Indien 16,5 Prozent der Textilanbieter weggefallen, in der Türkei 15,5 Prozent und in China 11,9 Prozent. Seit Überwindung der Krise sind zudem die Rohstoffe, vor allem Baumwolle, knapp geworden, da unter anderem die Anbauflächen verkleinert wurden und es wegen schlechter Witterung zu größeren Ernteausfällen kam. Dementsprechend haben sich die Rohstoffpreise mehr als verdoppelt. Hinzu kamen gestiegene Transportkosten. Für die Textilanbieter hat sich der Preisdruck daher nochmals erhöht, so dass in diesem Jahr von Preissteigerungen von rund 15 Prozent für Endverbraucher ausgegangen wird. (2), (4)
Die größten Bekleidungshersteller aus Deutschland
Wer sind die größten deutschen Bekleidungshersteller in 2010?
Mit Abstand die Nummer eins bleibt Adidas mit einem Konzernumsatz von von rund 12 Milliarden Euro (plus 15,5 Prozent) und 42 500 Mitarbeitern weltweit. Auf Rang zwei liegt Esprit mit 2,58 Milliarden Euro Umsatz (2009/2010), gefolgt von Hugo Boss mit rund 1,73 Milliarden Umsatz und 9 944 Mitarbeitern. (19), (20)
Auch auf Europa bezogen nehmen die beiden deutschen Hersteller Adidas und Esprit Platz eins und zwei ein. Auf Rang drei folgte bis 2009 noch die Valentino Fashion Group (VFG). Inklusive Hugo Boss erwirtschafteten die Italiener 2009 einen Umsatz von 1,98 Milliarden Euro. Doch inzwischen ist Hugo Boss aus der VFG herausgelöst worden. (7), [Abb. 1]
Modefachhandel mit dem größten Umsatzanstieg seit 18 Jahren
2010 ist für den Modefachhandel gut gelaufen. Der Testclub der TextilWirtschaft, das teilnehmerstärkste Panel im deutschen Textileinzelhandel, meldet für dieses Jahr ein durchschnittliches Plus von drei Prozent. So stark hat der deutsche Modehandel seit 18 Jahren nicht mehr zugelegt, 1991 betrug der Zuwachs sechs Prozent. Zwei Drittel der TW-Testclubteilnehmer haben ihre Umsätze im vergangenen Jahr gesteigert, knapp jeder fünfte um zehn Prozent und mehr.
Die benachbarten Branchen waren im Jahr 2010 sogar noch etwas erfolgreicher als der Bekleidungsfachhandel. So weist die amtliche Statistik für den Schuhfachhandel ein vorläufiges Umsatzplus in Höhe von acht Prozent aus, für den Sportfachhandel von 8,1 Prozent und für den Lederwarenfachhandel sogar von 8,7 Prozent.
Was kommt 2011?
Für das laufende Jahr rechnen 39 Prozent der Unternehmen laut einer BTE-Umfrage mit einem leichten Umsatzplus, 24 Prozent mit einem deutlichem Plus. Für den gesamten Bekleidungshandel erwartet der BTE 2011 ein Umsatzplus von zwei Prozent. (5), (6), (8), (9)
[Abb. 2]
Die Einkaufsorte der Deutschen
Wo kaufen die Deutschen ihre Bekleidung?
Beliebtester Einkaufort ist laut einer Umfrage von Communication Networks das Kaufhaus beziehungsweise Warenhaus. 46 Prozent der Bundesbürger erwerben dort ihre Kleidung. Auf Platz zwei folgt C&A, hier gehen 39 Prozent einkaufen. Auf Platz drei liegen größere Bekleidungshäuser wie Wormland mit 31 Prozent. Mit 29 Prozent liegen die Einkaufszentren mit mehreren Fachgeschäften auf Rang vier, gefolgt von H&M mit 26 Prozent. Ein ständig wachsender Bereich ist der Einkauf über Online-Shops und Internet. 2010 wurden hierüber schon 13 Prozent der Umsätze erwirtschaftet und auch 2011 ist die Tendenz weiter steigend. [Abb. 3]
Rekordjahr bei Produktpiraterie
Der deutsche Zoll beschlagnahmte 2010 so häufig wie noch nie gefälschte Waren. Die Zahl der Aufgriffe schnellte von 9 622 im Jahr 2009 auf nun 23 713. Der Wert der beschlagnahmten Waren verringerte sich allerdings von 364 Millionen Euro auf rund 96 Millionen Euro. Diese Entwicklung war nach Zoll-Angaben maßgeblich beeinflusst von der Fußball-WM in Südafrika. So wurden vermehrt über das Internet gefälschte Fanartikel bestellt, was auch die Aufgriffe im Postverkehr um 170 Prozent ansteigen ließ. Mit einem Anteil von rund 78 Prozent werden die meisten gefälschten Produkte nach wie vor hauptsächlich an Flughäfen aufgegriffen, ein Prozent entfallen auf den Postweg. Über achtzig Prozent der identifizierten Produktplagiate kamen aus China, Hongkong und Thailand.
Der Wert der aufgegriffenen Bekleidung lag dabei bei 18,3 Millionen Euro, der von Schuhe bei 16,1 Millionen Euro. Auf Taschen, Schmuck, Uhren und Brillen entfielen 28,4 Millionen Euro. (11)
Gemischte Entwicklung im Ausland
Laut dem Verband der italienischen Textil- und Modebranche Sistema Moda Italia (SMI) erhöhte sich 2010 der Umsatz der italienischen Textil- und Modebranche um 4,6 Prozent auf 48,4 Milliarden Euro. Der Export legte um 5,9 Prozent auf 23,2 Milliarden Euro zu. Die Zahl der im Textil- und Modesektor Beschäftigten schrumpfte aber um fünf Prozent auf 458 000.
Die Umsätze im Einzelhandel mit Textilien und Bekleidung in Frankreich sind 2010 sind dagegen leicht gesunken. Die Erlöse gingen um 0,6 Prozent zurück, gegenüber einem Minus von je drei Prozent in den Jahren 2009 und 2008. Das hat das Institut Français de la Mode (IFM) errechnet.
Der Umsatz des Textileinzelhandels in Tschechien hat sich 2010 erholt und ein Plus von 2,5 Prozent erreicht. Das ist das Ergebnis eines Händler-Panels des Textil Journal. Den höchsten Zuwachs wiesen die ausländischen Großfilialisten, allen voran Tesco, aus. Der einheimische mittelständische Handel musste sich dagegen mit einem Pari begnügen. (12),(13), (14)
Trends
Mehr Bekleidung wird teurer eingekauft
HML Modemarketing analysiert viermal jährlich die Konsumausgaben für Mode. Die befragten Konsumenten ordnen sich dabei selbst den definierten Segmenten gehobener Markt, Markt der Mitte oder Preismarkt zu. Die aktuelle Untersuchung des Frankfurter Beratungsunternehmens zeigt, dass die deutschen Verbraucher in den Monaten August 2010 bis einschließlich Januar 2011 insgesamt mehr Bekleidung zu einem höheren Preis gekauft haben als im Vorjahreszeitraum. Dabei hat sich die HAKA deutlich besser entwickelt als die DOB. Auffällig ist die immer größer werdende Kluft in den drei von HML definierten Segmenten. Während die Tendenz zum wertigeren Einkauf in erster Linie vom gehobenen Markt getragen wurde, blieb der Markt der Mitte weitgehend stabil. Im Preismarkt kam es dagegen sowohl in der DOB als auch in der HAKA zu einem Wertverlust. (15), [Abb. 4]
Ausbildungsbereitschaft der Textileinzelhändler steigt
Die positive Umsatzentwicklung im Textileinzelhandel wirkt sich auch auf die Ausbildungsplatzsituation in der Branche aus. Wie aus einer Umfrage im TW-Testclub hervorgeht, wollen 43 Prozent aller Textileinzelhändler in 2011 Auszubildende einstellen. Damit ist die Ausbildungsbereitschaft in der Branche im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. 2010 wollten nur 36 Prozent der Betriebe Ausbildungsplätze neu besetzen. Dabei planen 16 Prozent der Ausbildungsbetriebe im Textileinzelhandel 2011 mehr Azubis als im Vorjahr einzustellen. Überdurchschnittlich oft vertreten sind dabei kleinere Unternehmen. Achtzig Prozent der Händler halten die Zahl der Ausbildungsplätze konstant. Vier Prozent bieten weniger Lehrstellen an. (16)
Interesse der Verbraucher an Umwelt- und Sozialstandards steigt
Immer mehr Menschen interessieren sich für die Produktions- und Arbeitsbedingungen, unter denen Produkte hergestellt werden, und fragen nach der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in der gesamten Produktionskette. Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e.V. hat daher in Abstimmung mit den anderen Landes- und Fachverbänden der Branche einen Code of Conduct (Verhaltenskodex) für die Unternehmen der Branche entworfen. Wesentliche Inhalte des Code of Conducts sind Einhaltung der Gesetze, Verbraucherinteressen, Kommunikation, Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und bürgerschaftliches Engagement. Der Code steht jedem Unternehmen zur freiwilligen Nutzung zur Verfügung, eine Mitgliedschaft im Verband ist keine Voraussetzung. (17)
Weiterführende Literatur
(1)
Textilumsätze steigen um fast 17%
aus TextilWirtschaft 09 vom 03.03.2011 Seite 010
(2)
Umsatz in Textil- und Bekleidungsindustrie +9,6 %
aus melliand Textilberichte Nr. 01 vom 31.03.2011 Seite 011
(3)
Lederwarenbranche ist optimistisch
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.03.2011, Nr. 72, S. 57
(4)
Klar-Text Textilindustrie-Umsatzrangliste
aus melliand Textilberichte Nr. 01 vom 31.03.2011 Seite 011
(5)
2010: Textilfachhandel mit gutem Umsatzplus
aus TextilWirtschaft 09 vom 03.03.2011 Seite 020
(6)
Rekordabschluss 3%
aus TextilWirtschaft 01 vom 06.01.2011 Seite 032
(7)
Die größten Bekleidungslieferanten
aus melliand Textilberichte Nr. 06 vom 08.12.2010 Seite 253
(8)
Fokus Schuhe
aus TextilWirtschaft 12 vom 24.03.2011 Seite 046 bis 049
(9)
BTE-Umfrage Der Modefachhandel ist guten Mutes
aus HANDELSJOURNAL NR. 002 VOM 07.02.2011 SEITE 017
(10)
D: Einstellung zu Mode und Outfit und Einkaufsorte für Bekleidung 2010
aus Studie Communication Networks 14.0, 2010
(11)
Produktpiraterie: 2010 war Rekordjahr
aus TextilWirtschaft 13 vom 31.03.2011 Seite 050
(12)
IN KÜRZE
aus TextilWirtschaft 49 vom 09.12.2010 Seite 034
(13)
Tschechien: Modehandel schaffte 2010 ein Plus
aus TextilWirtschaft 10 vom 10.03.2011 Seite 057
(14)
Frankreich: Modehandel nur noch leicht im Minus
aus TextilWirtschaft 06 vom 10.02.2011 Seite 047
(15)
Die Kluft beim Modekauf wird größer
aus TextilWirtschaft 12 vom 24.03.2011 Seite 015
(16)
Höhere Umsätze, mehr Lehrstellen
aus TextilWirtschaft 11 vom 17.03.2011 Seite 006
(17)
textil+mode Code of Conduct
aus melliand Textilberichte Nr. 01 vom 31.03.2011 Seite 008
(18)
Verbraucher achten mehr auf Nachhaltigkeit bei Textilien
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.01.2011, Nr. 9, S. 14
(19)
Boss plant weiteres Rekordjahr
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.03.2011, Nr. 75, S. 15
(20)
Adidas steuert 2011 auf Ergebnisrekord zu
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.03.2011, Nr. 52, S. 15
GENIOS BranchenWissen Nr. 05 vom 08.05.2012
Branchenreport TEXTIL Ausgabe 1/2012
Markus Hofstetter
Kernthesen
- Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie hat ihren Umsatz 2011 kräftig gesteigert.
- Zwei deutsche Bekleidungshersteller liegen bezogen auf den Umsatz europaweit an der Spitze.
- Nach einem starken ersten Halbjahr 2011 flaute der Umsatz des deutschen Modefachhandels im zweiten Halbjahr stark ab.
Beitrag
Textil- und Bekleidungsindustrie: wächst kräftig in allen Bereichen
Die deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie steigerte von 2010 auf 2011 ihren Umsatz um 7,1 Prozent auf 17,24 Milliarden Euro. Im Jahresvergleich besser abgeschnitten haben die Textilhersteller, sie erwirtschafteten ein Plus von 7,8 Prozent auf 10,18 Milliarden Euro. Die Bekleidungsanbieter legten um sechs Prozent auf 7,06 Milliarden Euro zu. Deutlich gestiegen sind im Vergleich zu 2010 auch die Auftragseingänge. Die Orders für Textilien erhöhten sich um 3,5 Prozent zu, bei Bekleidung betrug das Plus 6,7 Prozent. Ebenfalls zugelegt haben 2011 die Exporte. Sie erhöhten sich um 7,9 Prozent auf insgesamt 25,64 Milliarden Euro. Noch kräftiger angezogen haben die Importe. Nach Deutschland wurden Textilien und Bekleidung im Wert von insgesamt 37,47 Milliarden Euro eingeführt. Dies entspricht einem ein Plus von 10,8 Prozent.
Die deutsche Lederwaren- und Kofferindustrie erhöhte von 2010 auf 2011 den Umsatz um 26,9 Prozent auf 263,8 Millionen Euro. Dazu trugen das Inland mit einem Plus von 19,2 Prozent auf 175 Millionen Euro und das Ausland mit einem Plus von 45,6 Prozent auf 88,3 Millionen Euro bei.
Die Umsätze der deutschen Schuhindustrie sind 2011 zum zweiten Mal in Folge zweistellig gestiegen. Der Erlös erhöhte sich um 12,1 Prozent. Im Inland stieg der Umsatz um 13,5 Prozent auf 1,81 Milliarden Euro. Die Exporterlöse legten um 8,6 Prozent auf 651 Millionen Euro zu.
Erträge, Umsätze und Investitionen werden 2012 nach Meinung einer Mehrheit der deutschen Bekleidungshersteller steigen. Gleichzeitig prognostizieren aber 79 Prozent der Anbieter eine schlechtere gesamtwirtschaftliche Entwicklung, 68 Prozent gehen davon aus, dass das Konsumklima für Bekleidung schlechter wird. Geschuldet ist dies nach Angaben der Bekleidungshersteller der Euro-Krise, den verunsicherten Verbrauchern und dem mangelnden Vertrauen in die Politik. (1), (2), (3), (4), (5)
Bekleidungshersteller: deutsche Modeanbieter sind europaweit vorn
Wer sind die größten deutschen Bekleidungsanbieter? Auf Platz eins liegt 2011 wie auch schon 2010 Adidas mit einem Bekleidungsumsatz von 5,73 Milliarden Euro. Es folgen Esprit mit rund 3,2 Milliarden Euro Umsatz und Hugo Boss mit knapp 2,06 Milliarden Euro Umsatz. Rang vier belegt Multiline Textil mit etwa 1,4 Milliarden Euro Umsatz. S.Oliver lag 2010 auf Platz fünf mit 1,29 Milliarden Euro Umsatz, Zahlen zu 2011 liegen noch nicht vor. (18), (19), (20), (21)
In der TW-Rangliste der größten europäischen Bekleidungsanbieter 2010 sind 129 Unternehmen gelistet. Sie erwirtschafteten zusammen rund 59 Milliarden Euro Umsatz. Verzeichneten 2009 noch 79 Firmen Umsatzrückgänge, waren es 2010 nur noch 23. Acht schlossen mit einem Pari ab, die anderen legten zu. Platz eins und zwei gehen wie auch in Deutschland an die Adidas-Gruppe und Esprit. Auf Rang drei liegt die dänische Bestseller-Gruppe mit mehr als 1,96 Milliarden Euro Umsatz, auf Platz vier die italienische Benetton-Gruppe mit 1,96 Milliarden Euro Umsatz. Es folgt Tommy Hilfiger aus den Niederlanden mit 1,95 Milliarden Euro Umsatz. (6), (7), [Abb. 1]
Modefachhandel: starkes erstes Halbjahr
2011 ist für den Modefachhandel von Höhen und Tiefen gekennzeichnet gewesen. Nach ersten Berechnungen des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels BTE hat die Branche 2011 mit einem Umsatzplus von 1,9 Prozent auf 29,5 Milliarden Euro abgeschlossen. Dabei glänzte vor allem das erste Halbjahr mit einem Umsatzanstieg von fünf Prozent, während das zweite Halbjahr etwa ein Prozent hinter dem Vorjahr zurückblieb. Zum Umsatzplus beigetragen hat der Versand- und Internethandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren, der überdurchschnittlich um 3,2 Prozent zulegte. Für 2012 erwartet der BTE ein Umsatzwachstum von durchschnittlich zwei bis drei Prozent.
Schlechter stellt sich die Entwicklung beim deutschen Schuhhandel dar. Am Jahresende stand ein Umsatzminus von zwei Prozent in der Bilanz. Damit fiel das Umsatzvolumen von acht Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 7,8 Milliarden Euro in 2012.
Für den Lederwarenfachhandel lief 2011 dagegen hervorragend. Für 2011 wird ein Umsatzplus von rund fünf Prozent erwartet. Vor allem Damenhandtaschen, Kleinlederwaren und Reisegepäck waren gefragt. (3), (4), (8), (9), (10), (12), [Abb. 2]
Problem der Modefachhändler: geringere Frequenz
Welche Sorgen plagen den deutschen Modefachhandel? Laut einer Umfrage des BTE bereiten aktuell die Kundenfrequenz mit einem Nennungsanteil von 54 Prozent und der Wettbewerb im Internet mit 53 Prozent die größten Probleme. Dahinter folgen die Entwicklung der Kosten mit 41 Prozent, der Spanne mit 39 Prozent, der Umsätze mit 38 Prozent und der Preise mit 32 Prozent. Die Entwicklung der Frequenz verringerte sich bei 45 Prozent der Befragten und verbesserte sich lediglich bei 28 Prozent. Umgekehrt war die Entwicklung beim Durchschnittsbon, für den 48 Prozent der Teilnehmer eine Erhöhung verzeichneten, aber lediglich 21 Prozent einen Rückgang. 62 Prozent der vom BTE befragten Händler wünschten sich, dass die Lieferanten auf eigene Internetaktivitäten verzichten. (9), (10), [Abb. 3]
Internationale Modeindustrie: Bilanz durchwachsen positiv
Wie lief 2011 für andere europäische Länder? Die französische Textil- und Bekleidungsindustrie steigerte im vergangenen Jahr die Erlöse um 4,5 Prozent auf rund 24 Milliarden Euro. Die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Industriezweig ging allerdings erneut um zwei Prozent auf nun 110 000 zurück.
Die italienische Textilindustrie erhöhte 2011 den Umsatz um 10,2 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro. Die Erlössteigerungen der Unternehmen sind allerdings fast ausschließlich auf Preiserhöhungen zurückzuführen. Der Export legte zwar wertmäßig um 7,3 Prozent auf 4,5 Milliarden Euro zu, mengenmäßig gingen die Ausfuhren aber um zwei Prozent zurück. Wichtigster Abnehmer italienischer Stoffe war erneut Deutschland, wohin 11,6 Prozent der italienischen Textilien exportiert wurde.
Mode ist inzwischen eine der erfolgreichsten Exportbranchen der Briten geworden. Der Gesamtumsatz der britischen Textil- und Bekleidungsindustrie lag 2011 bei 8,6 Milliarden Pfund, davon wurden 6,5 Milliarden Pfund in Auslandsmärkten erzielt. (13), (14), (15)
China: boomt als Absatzmarkt der europäischen Textil- und Bekleidungsindustrie
Der Absatzmarkt China boomt, das gilt auch für Bekleidung. Im ersten Halbjahr 2011 sind die Exporte der 15 EU-Staaten von gestrickter und gewebter Bekleidung nach China, ohne Hongkong, um 56 Prozent auf 233,5 Millionen Euro gestiegen. Nach Angaben des Europäischen Textil- und Bekleidungsverbands Euratex war Italien der größte Exporteur in diesem Zeitraum. Von dort erhöhte sich der Bekleidungsexport um 37 Prozent auf 103,2 Millionen Euro. Auf Platz zwei der Statistik liegt Spanien mit einem Plus von 156 Prozent auf 45,9 Millionen Euro. Rang drei belegt Frankreich, das den Export um 73 Prozent auf 36,6 Millionen Euro erhöhte. Auf Rang vier befindet sich Deutschland mit Ausfuhren im Wert von 31,7 Millionen Euro, dies entspricht einem Plus von 56 Prozent. (17)
Trends
Deutschland: beliebtes Expansionsziel für neue Player
Der deutsche Markt steht auf den Expansionslisten des internationalen Modehandels ganz oben. Nachdem bereits 2011 zahlreiche Filialisten wie Abercrombie&Fitch, Bershka und Calzedonia den Markt neu betreten haben, rollt die Welle weiter. Neu gestartet sind seit Anfang 2012 der Wäsche-Filialist Tezenis sowie Adidas Neo. Beide planen eine aggressive Expansion. Bereits fest stehen für den Rest des Jahres außerdem die ersten Eröffnungen von Maje (DOB aus Frankreich), Coolway (Schuhe aus den Niederlanden), Peuterey (Jacken aus Italien) sowie der erste KOB-Laden der holländischen Marke Scotch&Soda. Erste Standorte in Deutschland suchen derzeit unter anderem Topshop, Victoria's Secret, Club Monaco und J. Lindebergh. (16)
Weiterführende Literatur
(1)
Deutsche Textilanbieter legen zu
aus TextilWirtschaft 11 vom 15.03.2012 Seite 040
(2)
Die Bekleidungsindustrie
aus TextilWirtschaft 51 vom 22.12.2011 Seite 043
(3)
Lederwarenbranche wächst kräftig
aus www.textilwirtschaft.de vom 09.03.2012
(4)
Schuhanbieter wachsen kräftig
aus TextilWirtschaft 09 vom 01.03.2012 Seite 040
(5)
Bekleidungsindustrie: Vorsichtige Planung
aus TextilWirtschaft 51 vom 22.12.2011 Seite 113
(6)
Die Branche im Aufwind
aus TextilWirtschaft 42 Beilage Die Grössten 2010 vom 20.10.2011 Seite 016 bis 027
(7)
Die größten Bekleidungslieferanten in Deutschland 2010
aus melliand Textilberichte Nr. 04 vom 02.12.2011 Seite 267
(8)
2011: Textilfachhandel mit Höhen und Tiefen
aus TextilWirtschaft 09 vom 01.03.2012 Seite 016
(9)
Textilfachhandel: Sorge um Kundenfrequenz und Internet-Wettbewerb
aus TextilWirtschaft 10 vom 08.03.2012 Seite 020
(10)
BTE rechnet mit Umsatzplus für 2012
aus TextilWirtschaft 09 vom 01.03.2012 Seite 006
(11)
Rekordabschluss 3%
aus TextilWirtschaft 01 vom 06.01.2011 Seite 032
(12)
Deutsche geben mehr für Schuhe aus
aus www.textilwirtschaft.de vom 13.03.2012
(13)
Frankreichs Modeindustrie: 4,5% plus
aus www.textilwirtschaft.de vom 23.03.2012
(14)
Italiens Textilindustrie: 10% mehr Umsatz
aus www.textilwirtschaft.de vom 06.02.2012
(15)
Made in Britain wieder in Mode
aus TextilWirtschaft 11 vom 15.03.2012 Seite 032
(16)
Deutschland ist für Handel Top-Expansionsziel
aus TextilWirtschaft 10 vom 08.03.2012 Seite 008
(17)
Es zählt vor allem Qualität
aus TextilWirtschaft 06 vom 09.02.2012 Seite 030 bis 032
(18)
Ten-Year Overview
aus TextilWirtschaft 06 vom 09.02.2012 Seite 030 bis 032
(19)
Esprit in Zahlen
aus TextilWirtschaft 38 vom 22.09.2011 Seite 023
(20)
Hugo Boss sieht anhaltende Dynamik Aber 2012 etwas geringere Zuwächse - 50 neue Läden geplant - Akquisitionen sind kein Thema
aus Börsen-Zeitung, 15.03.2012, Nummer 53, Seite 10
(21)
Multiline German standard - made in Bangladesh
aus Börsen-Zeitung, 15.03.2012, Nummer 53, Seite 10
GENIOS BranchenWissen Nr. 11 vom 06.11.2012
Branchenreport TEXTIL Ausgabe 2/2012
Markus Hofstetter
Kernthesen
- Während die deutsche Bekleidungsindustrie in den ersten sieben Monaten 2012 ein Umsatzwachstum verzeichnete, meldete die Textilindustrie ein Minus.
- Auf EU-Ebene verzeichneten die Unternehmen der Bekleidungs- und Textilindustrie 2011 ein Umsatzplus.
- Der deutsche Modefachhandel legte 2012 einen schwachen Start hin, doch es gibt Anzeichen für eine Erholung.
- Die Konzentration im deutschen Bekleidungsfachhandel nimmt zu, die Bedeutung von Großunternehmen wächst.