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Deutsche Friedensliebe

Siehe an die rechten Krieger, die zücken nicht bald, trotzen nicht, haben nicht Lust zu schlagen; aber wenn man sie zwingt, daß sie müssen, so hüte dich vor ihnen, so scherzen sie nicht. (Luther)

Für stilistisch kunstvolle Übungen hat in diesen heilig ernsten Tagen kein Mensch Sinn; neben der Hingabe des Lebens fürs Vaterland klingt selbst demosthenische Beredsamkeit hohl. Nur Tatsachen besitzen heute für uns Interesse. »Tatsachen«, schreibt Carlyle, »übertreffen alles Denken; neben ihnen sind Worte ein bloßes Stammeln und Stottern.« Doch, wie kommen wir zu den Tatsachen? Die materiellen, ja, die drängen sich uns auf; wie aber fangen wir es an, die intellektuellen und moralischen Tatsachen zu erfassen? Die ungeheure Tatsache des europäischen Krieges drängt sich uns Tag und Nacht auf; welche Tatsache aber liegt diesem Kriege zugrunde? Wer hat ihn gewollt? Die Feinde Deutschlands behaupten, Deutschland sei der Störenfried, es werde in Europa keine dauernde Ruhe geben, solange Deutschland nicht vernichtet sei: woher stammt dieser Wahngedanke? Wie ist es möglich, die offenkundige Wahrheit – die »Tatsache« – den Blicken von Millionen zu verbergen? Wer Tatsache sagt, setzt Wahrheit voraus. Eine erlogene »Tatsache« ist ein Nichts, das »ens imaginarium« Kant's, »leere Anschauung ohne Gegenstand«; gerade dieses Nichts aber vermag bisweilen dämonische Gewalt über die Vorstellungen der Menschen zu gewinnen. Durch die Presse, die so viel zur Verbreitung der Wahrheit beizutragen vermag, ist in den Händen einzelner die Lüge zu einer Weltgewalt ohnegleichen herangewachsen; wir erleben es drastisch in den Kriegsnachrichten ausländischer Zeitungen, und doch, wie harmlos sind erlogene Siegesnachrichten im Vergleich mit der Vergiftung der öffentlichen Meinung ganzer Nationen durch planmäßig angelegtes, jahrelang systematisch durchgeführtes Lügen! Oskar Wilde schrieb einmal einen Aufsatz über »Die Kunst des Lügens«; seine Landsleute haben es seither in dieser Kunst weit gebracht. Nicht etwa als wären die Staatsmänner früherer Zeiten den geraden Weg offener Ehrlichkeit gewandelt; es stand aber der Schlaue wider den Schlauen, der Listige wurde überlistet, und so kann man das Falschspiel eines Richelieu z. B. in einem gewissen Sinne ein »redliches Falschspielen« nennen. Jetzt dagegen werden völlig Arglose irregeleitet. Die öffentliche Meinung kann heute kein Staatsmann entbehren; einen Krieg zu führen ist unmöglich – unmöglich wenigstens westlich der Düna –, wenn nicht weite Schichten des Volkes von dessen Notwendigkeit überzeugt sind; und da nun kein zivilisiertes Volk der Erde aus freien Stücken sich Krieg wünscht, so muß ihm – was Richelieu noch nicht zu tun brauchte – die Notwendigkeit des Krieges plausibel gemacht werden. Hier tut sich das Entsetzliche auf: die Lüge wirkt genau so stark wie die Wahrheit, denn sie wird geglaubt. Es genügt, eine gewisse Anzahl weitverbreiteter und daher einflußreicher Zeitungen zu gewinnen, sie einer einheitlichen Leitung zu unterstellen, und in wenigen Jahren ist das Ziel erreicht. Wohl niemals in der Weltgeschichte wurde die Irreführung eines ganzen Volkes so schamlos, so ruchlos und so geschickt-schlau angelegt und durchgeführt wie die Irreführung Englands in Bezug auf Deutschland. Diese Irreführung trägt die Schuld an dem jetzigen Krieg. Von Anfang an ist England die treibende Macht gewesen; England hat den Krieg gewollt und herbeigeführt; England hat die Entfremdung Rußlands von Deutschland bewirkt, England hat Frankreich unablässig aufgehetzt. Möglich wurde diese frevelhafte Politik einzig durch berechnete, systematische Irreführung des englischen Volkes. Eine Handvoll Männer waren es, die, bei kaltem Blute, zur Förderung materieller Interessen, vor etlichen Jahren dies beschlossen. Die treibende Kraft war ein König, die geistige Kapazität ein seelenloser, verschlagener Diplomat, der dem alten englischen Grundsatz huldigt, in Staatsgeschäften seien Heuchelei und Lüge die besten Waffen; zum »Manager« der Irreführung innerhalb Englands erwählte man einen geschickten Journalisten, dem jede Meinung gleichgültig war, solange er dabei Geschäfte machte. Schon damals besaß er Blätter der verschiedensten Richtungen: er erwarb ihrer immer mehr; zuletzt ging sogar die Times, deren Richtung er schon lange bestimmte, in seine Hände über; heute – unter einem Lordstitel paradierend, der seinen wirklichen Namen verbirgt sowie seine unenglische Abstammung – macht er mit den Engländern, was er will. Um nur eines zu nennen: Schon seit Jahren sind die Berichte des Timeskorrespondenten in Berlin eine wahre Schmach; an positiven und an negativen Lügen hat dieser gewissenlose Mensch – auf dessen feiges Haupt ein gut Teil von allem Jammer dieses Krieges fällt – das Unglaublichste geleistet; mehrmals fragte ich, warum man den Elenden nicht mit Peitschenhieben von Berlin bis zur Grenze jage; immer hieß es: »Es gibt kein Gesetz gegen das Lügen.« Dieses Gesetz muß jetzt gemacht werden: Lügner, die den Frieden Europas gefährden, müssen gehängt werden!

Und nun, nach der erlogenen Tatsache des kriegwollenden Deutschland die wahre Tatsache: Deutschland als einziger Friedenshort. Hierüber mag das Zeugnis eines Ausländers einigen Wert besitzen.

Seit 45 Jahren verkehre ich vorwiegend mit Deutschen, seit 30 Jahren lebe ich ständig in deutschen Landen; die Liebe zu deutscher Art, deutschem Denken, deutscher Wissenschaft, deutscher Kunst schärfte mir das Auge, ohne mich blind zu machen; mein Urteil blieb völlig objektiv und an gar Manches, was mir beim ersten Betreten deutschen Bodens nicht behagte, habe ich mich noch immer nicht gewöhnen können. Mit Frankreich seit frühester Kindheit verwachsen, England durch Blutsbande angehörig, blieb ich vor parteiischer Verblendung bewahrt. Freilich habe ich stets zurückgezogen gelebt und suchte nicht durch Gaffen und Vordrängen Volk und Land kennen zu lernen; von einiger Entfernung erblickt man aber die Dinge klarer als aus der Nähe; aus der Stille vernimmt das Ohr deutlicher als mitten im Wirrwarr. Und mein Zeugnis lautet dahin: in ganz Deutschland hat in den letzten 43 Jahren nicht ein einziger Mann gelebt, der Krieg gewollt hätte, nicht einer. Wer das Gegenteil behauptet, lügt – sei es wissentlich, sei es unwissentlich.

Mir wurde das Glück zuteil, Deutsche aus allen Gauen und aus allen Ständen gründlich genau kennen zu lernen, von des Kaisers Majestät an bis zu braven Handwerkern, mit denen ich tagtäglich zu tun hatte. Ich habe Schulleute, Gelehrte, Kaufmänner, Bankiers, Offiziere, Diplomaten, Ingenieure, Dichter, Journalisten, Beamte, Künstler, Ärzte, Juristen intim gekannt: niemals habe ich einen Kriegslustigen oder genauer gesprochen einen Kriegslüsternen angetroffen. In England dagegen fand ich bei meinen letzten Besuchen, 1907 und 1908, allerorts einen geradezu erschreckenden blinden Haß gegen Deutschland und die ungeduldige Erwartung eines Vernichtungskrieges. Die Abwesenheit jeglicher Animosität gegen andere Völker ist ein auffallendes Kennzeichen der Deutschen – und zwar der Deutschen allein. Sie pflegen eher nach der Seite der übertriebenen Anerkennung fremder Verdienste zu irren. Außerdem weiß jeder Deutsche, daß er bei der geographischen Lage seines Landes von einem Kriege alles zu fürchten und wenig zu hoffen hat. Wie sollte ein Volk, bei welchem Industrie, Handel und Wissenschaft von Jahr zu Jahr immer höher blühen, wie dies im Deutschland der letzten 43 Jahre der Fall war, Krieg herbeizetteln wollen, der alle drei vernichtet?

Ich überschreite den mir zugemessenen Raum, übergehe darum gar vieles und beschränke mich heute auf das eine: ich will nur noch von Kaiser Wilhelm reden. Nur er könnte als Einzelner eine ausschlaggebende Wirkung ausgeübt haben. Ich bin dem Kaiser nicht oft, doch unter besonders günstigen Umständen begegnet: außerhalb der Hofetikette, zu zwanglosem Meinungsaustausch, unbelauscht. Nie habe ich ein Wort des Monarchen wiederholt; nicht, daß er mir Geheimnisse anvertraut hätte, sondern weil unsereiner die mögliche Wirkung eines Wortes für einen Mann in so exponierter Stellung nicht vorauszusehen vermag: auch heute will ich von dieser Maxime nicht abweichen. Doch begehe ich gewiß keine Indiskretion, wenn ich sage, daß in dieser bedeutenden Persönlichkeit zwei Züge mir über alles bemerkenswert erschienen, als die zwei »Dominanten« ihres ganzen Fühlens, Denkens, Handelns: das tiefe, nie weichende Gefühl der Verantwortung vor Gott und – hierdurch eng und streng bedingt – der energische, herrische, ja – wenn es nicht zu paradox klingt – der ungestüme Wille, Deutschland den Frieden zu bewahren. Deutschlands Macht – die seiner Fürsorge so viel verdankt – sollte nicht Krieg heraufbeschwören, vielmehr den Mißwollenden Frieden aufzwingen. Seine Taten beweisen es ja; denn wo auch in den letzten zehn Jahren die Situation für Deutschlands Ehre fast unerträglich ward – und dafür sorgte England nach Möglichkeit –, er war's, der Kaiser, der immer wieder den Frieden durchsetzte. Nicht etwa, daß es in Deutschland eine Kriegspartei gegeben habe; das ist eine Times-Lüge; wohl aber gab es verantwortungsvolle Staatsmänner und Soldaten, die mit Recht sagten: wenn England und seine Kumpane Krieg um jeden Preis wollen, dann lieber sofort. Der Kaiser aber konnte bei seinem Gotte dieses Argument nicht durchsetzen; er stieß das Schwert in die Scheide zurück. Kein Wunsch – dessen bin ich innerlichst überzeugt – überwog bei Wilhelm II. den einen, auf seinem Sterbebett sich sagen zu können: ich habe meinem Lande unverbrüchlich den Frieden bewahrt, die Geschichte wird mich den »Friedenskaiser« nennen. Schenkt aber Gott den deutsch-österreichischen Waffen den Sieg, den vollkommenen, niederschmetternden Sieg – was wir alle von ihm erflehen, auch wir Nichtdeutschen, insofern uns das Wohl und die Kultur der gesitteten Menschheit höher steht als nationale Eitelkeit – dann, aber auch nur dann, genießt Europa eines hundertjährigen Friedens, und der Wunsch des großen und guten, von seinen Standesgenossen auf fremden Thronen so schmählich betrogenen Fürsten wird doch noch in Erfüllung gehen, glorreicher als er es sich gedacht hatte, zugleich ganz Deutschland zur Rechtfertigung vor Verleumdung und Lüge: erst recht wird er dann »Friedenskaiser« heißen, da er und sein Heer als ihr ureigenes Werk den Frieden geschaffen haben werden.

Bayreuth, 2. September 1914.

Deutsche Freiheit

Freiheit ist Menschenwerk. (I.Kant)

Auffallend häufig begegnet uns in ausländischen offiziellen Kundgebungen und Zeitungsaufsätzen die Behauptung: Deutschlands Feinde kämpften für die Freiheit und wider die Tyrannei. Schon lange wird die Meinung durch die Welt getragen: wohin es kommt, vernichtet Deutschland Freiheit. Auch ernste Männer habe ich angetroffen – z.B. Gelehrte in England und in Frankreich – welche warme Sympathie für deutsche Wissenschaft und Litteratur hegten und dennoch meinten: politisch wäre es ein Unglück, wenn Deutschlands Einfluß in Europa zunehmen sollte; denn dann wär's aus mit der Freiheit. Daß König Georg V. in seinem Manifest an die englischen Kolonien diese Phrase wiederholt hat, würde an sich nicht viel besagen; denn dieser Monarch fand bisher so wenig Muße für seine humanistische Ausbildung, daß er vor wenigen Jahren den Namen Goethe noch niemals gehört hatte; wir erfahren aber daraus, wie sehr diese Behauptung zu einem Gemeinplatz geworden ist. Versuchte ich nun öfters im mündlichen Disput die entgegengesetzte Ansicht überzeugend vor Augen zu führen – Deutschland seit Jahrhunderten die eigentliche und einzige Heimat menschenwürdiger, menschenerhebender Freiheit – so gelang es mir nicht, Verständnis zu finden oder zu wecken; Engländer und Franzosen – auch gebildete – denken nicht nach über das Wesen der Freiheit, über ihre unvergleichliche Bedeutung innerhalb der verwickelten Organisation der Menschenseele; vielmehr handelt es sich für sie lediglich um überkommene politische Begriffe; immer glaubten sie mich widerlegt, wenn sie als Trumpf ausspielten: der deutsche Reichskanzler werde vom Kaiser ernannt und gehalten und könne auch gegen Reichstagsmajoritäten fest im Sattel bleiben. Also, Kanzler nach Belieben stürzen zu dürfen: das soll das Wesen der Freiheit ausmachen! Wollte man hier gründlich aufklären – die falschen Vorstellungen zerstören, die richtigen auferbauen – man müßte ein ganzes Buch schreiben. Ich beschränke mich darauf, von hüben und drüben Einiges anzudeuten; nur Stoff zum Nachdenken will ich geben.

Fragen wir uns zunächst: wie steht es in Wirklichkeit mit der so viel gerühmten politischen Freiheit Englands? Wollte man die bis 1688 heroische und blutige, später machiavellistische, ränkereiche innere Geschichte Englands in eine Formel zusammenfassen, man könnte sie nennen: die Geschichte des Kampfes zwischen den Vertretern des Adelsstandes und dem Träger der Königswürde; Keiner dieser beiden Machtfaktoren dachte an Freiheit, Jeder wollte nur die Macht an sich reißen. Als Cromwell auftrat, vereinten sich die beiden gegen den einzigen Mann und die einzige Richtung, welche fähig gewesen wären, wahre Freiheit in England zu begründen. Weiterhin war dann der Verlauf – dank der insularen Lage des Landes – sehr einfach, und daraus entstand nun das bis zum Überdruß als unerreichtes Muster gepriesene englische Parlament, in welchem das Unterhaus bis vor wenigen Jahren genau ebenso aristokratisch war wie das Oberhaus. Seit lange wird England von einer Oligarchie regiert; der König ist eine Puppe – wenn er nicht, wie Eduard VII., ein Intrigant ist. Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts konnte der Monarch, wenn er die nötige Energie besaß, bei der Wahl des Premierministers noch mitreden; dann verlor er auch dieses Recht, und das geheime Komitee der parlamentarischen Oligarchie herrscht seitdem allein. Zwar wird die Fiktion der beiden Hauptparteien aufrecht erhalten, und die stimmberechtigte Minderheit der männlichen Bevölkerung entscheidet über die Zeit der Ablösung der einen durch die andere; doch stecken die Führer beider Parteien unter einer Decke und halten gemeinsam alles fern, was sich in ihre Macht- und Beuteverteilung einzumengen Lust verspürt. Einzig die berufsmäßig regierende Kaste vergibt die Ämter; der Führer der vorübergehend obsiegenden Partei muß Premierminister sein; auch alle anderen Minister werden nicht etwa von der Partei, sondern von dem geheim waltenden Komitee auserkoren; König und Volk haben nichts dabei oder dazu zu sagen. Die Disziplin innerhalb der Parteien wird von den sogenannten »Whips«, d. h. Peitschenschwingern, drakonisch geführt; wehe dem Mitglied, das eine eigene Meinung auszusprechen sich erkühnen sollte! Wohl hat, in Folge der Wahlrechtserweiterungen, die erst Disraeli, später Gladstone einführte, das Haus der Gemeinen einen demokratischeren Anstrich bekommen; doch ist das System unverändert geblieben: die Aristokratie weicht der Plutokratie. Verlor das Haus an Vornehmheit, so gewann es in den letzten Jahren an tyrannischer Gewalt: durch die Beschrankung der Redefreiheit, namentlich durch Einführung des sogenannten »Guillotineverfahrens«, welches erlaubt, jede Debatte zu einer bestimmten Stunde abzubrechen und kurzweg zur Abstimmung zu schreiten, wurde aus diesem angeblich freiesten Parlament eine Art Maschine, mit Hilfe derer eine kleine Gruppe von Politikern sieben Jahre lang nach Belieben schaltet und waltet. Vollendet wurde die Tyrannei dieser Clique – welche, wie der Marconiskandal kürzlich zeigte, nicht einmal mehr vor schmutzigen Börsenmanövern zurückschrickt – als vor zwei Jahren auch dem Oberhaus das Recht der entscheidenden Einwirkung auf die Gesetzgebung genommen wurde. Des Königs Vetorecht ist schon längst entschlummert. Und so wird denn England von einem Konvent, besser gesagt, von einem Konventikel regiert. Das soll Freiheit heißen?

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