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In diesem Buch sind wir Ihre Sherpas im Himalaja des Hochprozentigen, Ihre Weggefährten in unendlichen Wodka-Weiten, Ihre Reiseführer entlang der Rum-Route. Wir erweitern Ihre Cocktail-Kenntnisse und weihen Sie ein in geheimste Whisky-Weisheiten. Dennoch ist dies keine unerschöpfliche Informationsquelle. Wir laden Sie einfach ein, einige der besten Spirits auf dem Markt kennenzulernen – Genüsse, von denen Sie vielleicht noch nie gehört, geschweige denn gekostet haben, die zu ergründen sich jedoch ohne jeden Zweifel lohnt.
Wir nehmen Sie an der Hand und zeigen Ihnen die Sehenswürdigkeiten der Spirituosenwelt, die Boutiquen, Brennereien und handwerklich arbeitenden Betriebe. Gleichzeitig befassen wir uns mit einigen faszinierenden Spezialitäten etablierter Hersteller. Seit die Brennerszene immer kreativer wird und rund um den Globus Kleinerzeuger auf den Plan treten, müssen die großen Player konkurrenzfähig bleiben und neue Produkte entwickeln. Wir werfen ein Schlaglicht auf diese Nebendarsteller, die abseits der Stars stehen. Vielleicht sehen wir die Newcomer eines Tages auf der Hauptbühne, aber noch stehen sie am Rand des Geschehens.
Für uns beide war die Reise in das Reich der Spirits eine Offenbarung. In den »10 heißen Tipps« am Ende jedes Kapitels bekommen Sie einmal keine Bestenliste geboten, sondern die unserer Ansicht nach interessantesten Vertreter ihrer Art. Zudem begegnen Sie in jedem Kapitel einem oder mehreren Querdenkern – unorthodox arbeitenden Rebellen, die Spirituosen bereiten oder nutzen. Was sie zu sagen haben, ist so fesselnd, dass man nur zu gern ein, zwei Gläser mit ihnen trinken würde. Und wenn es dann tatsächlich ans Trinken geht, bekommen Sie, damit Ihnen die Edelspirituosen ebensolchen Genuss bereiten wie uns, viele wertvolle Tipps: von den feinsten Cocktails, die man einfach probiert haben muss, bis hin zu den simplen Mixtechniken, Ritualen und Serviermethoden, die diese besonderen Juwelen mehr als verdienen.
WIE
SPIRITS
FUNKTIONIERT
Jede Spirituose der Welt mitsamt ihren Eigenheiten in einem handlichen Führer zu bringen ist unmöglich. Deshalb haben wir uns auf die wichtigsten Typen beschränkt – Erzeugnisse also, die Sie in den meisten gut sortierten Bars finden. In jedem Kapitel stellen wir ferner, sofern es sich anbietet, ein paar weitere Genüsse vor, die ähnlich produziert werden wie der Hauptdarsteller oder ein vergleichbares Geschmacksprofil haben.
Jedes Kapitel wird eingeleitet mit einem Steckbrief , in dem die wichtigsten Fakten über die Spirituose zusammengefasst sind.
»STECKBRIEF«
DER SPIRITS
NAME
Für manche Spirituosen gibt es mehrere Schreibweisen. Wir erklären Ihnen die historischen Ursprünge.
ETYMOLOGIE/ HERKUNFTSLAND
Alles hat einen Anfang, manches sogar zwei. Bei Weinbrand und Whisky beispielsweise gibt es gleich mehrere Orte, welche die Urheberschaft beanspruchen. Sollen sie es doch unter sich ausmachen!
FARBE
Hier können wir Ihnen nur Anhaltspunkte geben, worauf Sie achten sollten. Jede Spirituose hat ihre eigene Tönung, vor allem dann, wenn sie in Holz ausgebaut wurde.
HAUPTERZEUGERLÄNDER
Wo liegen die Hochburgen? Ganz gleich, ob es sich um Massenprodukte und Megamarken oder von Hand abgefüllte Kleinposten handelt, wir verraten Ihnen die Hotspots.
BESTSELLER
Es wäre töricht, Ihnen zu verschweigen, wer Erfolg hat, oder? Man sollte jedoch auch bedenken, dass Marken, nur weil sie in riesigen Mengen produziert werden und sehr beliebt sind, nicht automatisch schlecht sein müssen.
WICHTIGSTE ZUTATEN
Die Liste der Ingredienzen ergab sich einst aus dem, was vor Ort verfügbar war. Heute haben sich die Bedingungen verändert. Die Basiszutat, ob Traube oder Getreide, Kartoffel oder Pflaume, hat enormen Einfluss auf die Spirituose –geschmacklich wie auch wirtschaftlich.
Sie sind vielleicht nicht immer mit der von uns getroffenen Auswahl einverstanden. Möglicherweise kennen Sie auch andere Spirituosen, die viel zu gut sind, um sie außer Acht zu lassen. Aber gerade das ist das Schöne an der Meinungsvielfalt. Bei der Lektüre dieses Buchs lassen Sie sich hoffentlich zu einer »geist«reichen und be»geist«ernden Reise auf eigene Faust inspirieren, in deren Verlauf eine ebenso bereitwillige wie fähige Mannschaft aus Gleichgesinnten zusammenfindet.
Wie sagt unser guter Freund, Master Blender und Gefährte auf unserer Expedition in die Spirituosenwelt John Glaser vom hervorragenden Scotch-Unternehmen Compass Box? »Teilen und genießen – darum geht’s doch in erster Linie!«
Joel Harrison und Neil Ridley
Wie alle großen Erfolgsstorys ist auch die Geschichte der Destillation geheimnisumwoben und faszinierend. Findige Geister drückten den traditionellen Herstellungsmethoden, die heute in fast jedem Land der Welt noch angewandt werden, ihren Stempel auf.
DAS ELIXIER DES LEBENS
Wann genau destillierter Alkohol zum ersten Mal in ein Glas gegossen und als soziales, berauschendes und heilendes Getränk genossen wurde, weiß man nicht – es ist auch fraglich, ob diejenigen, die es taten, es am nächsten Tag selbst noch wussten. Wie Aufzeichnungen aus dem alten Ägypten und aus China vermuten lassen, nutzte man die Destillation schon damals – allerdings für die Herstellung von Heilmitteln, Elixieren und Parfums durch Extraktion von ätherischen Ölen aus Kräutern bzw. Gewürzen und nicht zur Erzeugung alkoholischer Getränke.
Trotz des technischen Fortschritts hat sich in der Herstellung von Spirituosen im Lauf der Jahrhunderte nur wenig geändert. Das zeigt sich am Beispiel der Brennblase (>), die bereits die alten Griechen verwendeten. Zu Beginn des Mittelalters kannte man die Gefrierdestillation als natürliche Methode, um Alkohol und Wasser voneinander zu trennen. Diese blieb freilich den kältesten Ländern vorbehalten und selbst dort war nur eine sporadische Produktion möglich.
Ein weiterer Vorteil der Destillation war die Transportfähigkeit der alkoholischen Getränke: Hochprozentiges verdarb selbst auf langen Reisen nicht. Sein Konsum kam in Europa wohl um das 12. Jahrhundert auf, als die ersten Weinbrände leichter verfügbar wurden. Oft destillierte man Wein, um unterwegs ein haltbares Getränk zu haben.
Als im 14. Jahrhundert der Schwarze Tod seinen samtenen Mantel des Schreckens über Europa breitete, setzten viele Heilkundige Destillate zur Abwehr der Krankheit ein. Irgendwann wurde der lateinische Begriff aqua vitae, schottisch-gälisch uisge beatha, geprägt.
Als Rohstoff für das »Wasser des Lebens« dienten Getreide, Obst und stärkehaltiges Gemüse. Den Anfang machten Whiskey in Irland (wohl zeitgleich mit Poitín oder Poteen), Gin in Holland, Wodka in Polen und Russland sowie Schnaps in Deutschland, doch folgten ihnen viele weitere Spirituosen mit einem unverwechselbaren Geschmack, der stets von der Persönlichkeit des Erzeugers und der Verfügbarkeit des Basismaterials abhing.
In schweren, kriegerischen Zeiten stärkten Brände Körper und Geist. Wenn hingegen gefeiert wurde, dienten sie als soziales Schmiermittel. Wie wir in den einzelnen Kapiteln zu den jeweiligen Erzeugnissen noch feststellen werden, konnten sie aber auch buchstäblich zu viel des Guten sein. Nicht zuletzt waren Destillate wie Gin und Absinth sogar die Ursache für Unruhen im Volk.
VON DER BLÜTEZEIT DER BRENNEREIEN …
Wie konnte man dem Brennereiwesen die relativ uneinheitlichen und ineffizienten Produktionsmethoden austreiben? Indem man den Destillationsprozess perfektionierte (>). Das gelang dank der Hartnäckigkeit eines Iren namens Aeneas Coffey, der 1830 in Großbritannien eine neuartige Brennblase als Patent Nr. 5974 anmeldete. Seine Column Still, auch Coffey Still oder Patent Still genannt, ermöglichte Getränkeherstellern eine schnellere und beständigere Erzeugung riesiger Mengen an Spirituosen denn je und führte letztlich zur Entstehung unterschiedlichster Großbrennereien in aller Welt.
Gegenüber der herkömmlichen Pot Still (>) war die Column Still das Auto unter den Pferdekutschen. Zwar dominierte die rustikale, handwerkliche Produktion kleiner Posten mit der klassischen, von unten beheizten Kupferbrennblase mit Schwanenhals nach wie vor die Herstellung von Spirituosen wie Malt Whisky, Tequila oder Weinbrand, die dadurch ihre typischen Geschmacksnuancen entwickelten. Dennoch ermöglichte die Column Still den kontinuierlichen Brennvorgang und den Ausstoß fast unbegrenzter Mengen. Die Zeiten waren also rosig – und sicher auch fröhlich.
In schweren Zeiten stärkten Brände Körper und Geist. Wurde hingegen gefeiert, dienten sie als soziales Schmiermittel.
Die Ursprünge der Destillation mögen Tausende Jahre zurückreichen und bescheiden gewesen sein. Wissenschaftlicher Fortschritt aber perfektionierte das Verfahren.
… ZU DEREN NIEDERGANG
Ein weiteres einschneidendes Ereignis in der Geschichte der Spirituosen war das Alkoholverbot in den USA, das am 16. Januar 1920 in Kraft trat. Buchstäblich über Nacht würgte man damit die florierende amerikanische Whiskey-Industrie ab. Hunderte Brennereien hörten auf zu existieren; ihre Stills wurden auseinandergenommen, ganze Fässer voll Whiskey sinnlos weggegossen. Doch nicht nur Amerikas Brenner litten: Auch den Herstellern von Rum, Gin sowie irischem und schottischem Whisky brach ein wichtiger Markt weg. Viele mussten dichtmachen.
Doch der Durst nach Gebranntem ließ sich nicht einfach durch eine Gesetzesänderung aus der Welt schaffen. Unbemerkt von den US-Behörden lief die Produktion von Whiskey, Gin, Wodka, Rum und anderen hochprozentigen Genüssen, die den Destillierern brennwert erschienen, weiter – nun eben heimlich und oft nachts. Gangster wie Al Capone machten Millionen mit Schwarzgebranntem. Da es keine Qualitätskontrolle mehr gab, waren die Ergebnisse zu einem großen Teil kaum genießbar. Mitunter entstand sogar ein tödliches Methanolgebräu.
Zum Glück wurde das Alkoholverbot Ende 1933 aufgehoben. Dennoch blieb die Brennereilandschaft in den USA ausgeblutet, verwüstet, am Boden. Zumindest bis vor Kurzem.
DAS JÜNGSTE KAPITEL: CRAFT SPIRITS
In den letzten zehn Jahren schossen in den Vereinigten Staaten kleinhandwerklich arbeitende Brennereien, sogenannte Craft Distilleries, wie Pilze aus dem Boden. Jeder dieser Minibetriebe, ganz gleich, welche Spirituose er produziert, wird von Einzelkämpfern geführt, die versuchen, den Produkten ihren Stempel aufzudrücken.
Gemäß dem 2003 von Bill Owens gegründeten American Distilling Institute (ADI), das die Interessen von Craft-Brennern vertritt, gab es 2004 gerade einmal 64 dieser Außenseiter – inzwischen sind es über 400, ein klarer Beweis für die blühende Brennereilandschaft in den Staaten. Nicht viel anders ist es in Mitteleuropa, wo sich Einmannunternehmen, Bauernhöfe, Kleinbrennereien und Kellereien winzige Pot Stills oder Column Stills zulegen, um Schnaps, Gin, Wodka, Whisky und Weinbrände zu destillieren.
All das führt zwangsläufig zur Eine-Million-Liter-Frage: Was macht eine Craft-Brennerei aus? Eine klare Antwort gibt es nicht. Organisationen wie das ADI drängen in den USA zwar auf rechtliche Anerkennung der Craft-Spirituose, international aber wird es wohl kaum je ein Gesetz dafür geben. Was gar nicht so schlecht ist, denn so erhält sich die Sparte der Craft-Destillerien/Mikrobrennereien/handwerklichen Erzeuger (Zutreffendes bitte unterstreichen) die Aura des Unkonventionellen und Unberechenbaren.
Menge, Typ oder Herkunft spielten bei der Auswahl der Spirits für dieses Buch keine Rolle. Die Schlüsselkriterien waren Ehrlichkeit, Erfindungsreichtum, Leidenschaft, Geschmack und Persönlichkeit – und nie gab es in der Geschichte des Destillierens eine Zeit, in der all das mit mehr Liebe in Flaschen gefüllt wurde.
Eine kupferne Pot Still mit ungewöhnlicher Form. Kupfer ist eines der wichtigsten Metalle beim Brennen. Es hat eine reinigende Wirkung auf die Spirituose.
WAS IST EINE
Spirituose?
Hier müssen wir uns etwas mit der Wissenschaft beschäftigen. Halt, nicht weglaufen – das wird keine Schulstunde. Sie müssen weder die Hefte aufschlagen noch eine Sicherheitsbrille aufsetzen. Wir sprechen schließlich über Hochprozentiges. Damit ist das Thema naturgemäß eher im universitären als im schulischen Bereich angesiedelt – allerdings ohne den Kater danach.
Spirits, also Spirituosen im Sinne dieses Buchs, sind destillierte Getränke mit einem Alkoholgehalt von mindestens 20 Volumenprozent. Sie werden im Gegensatz zu Likören nicht gesüßt (lediglich manchen Weinbrand- und Rumprodukten darf etwas Süße zugesetzt werden). Für einige Spirits wie zum Beispiel Whisky ist ein Mindestalkoholgehalt von 40 Prozent vorgeschrieben. Manche Spirituosen liegen aber weit darüber – zum Teil gehen sie bis 80 Prozent. Doch woher stammt dieser unverzichtbare Bestandteil, der Alkohol, eigentlich? Wie entsteht er?
Wir verdanken ihn unserem guten Freund: der Hefe. Unter geeigneten Umständen entsteht Alkohol, wenn Hefe mit einer beliebigen Substanz kombiniert wird, die Stärke bzw. Zucker enthält. Dabei kommt es zur anaeroben Atmung, genauer gesagt zur alkoholischen Gärung, bei der die Hefe Zucker in Kohlendioxid und Ethanol aufspaltet. Entscheidend ist für uns hier, dass Alkohol aus jedem Basismaterial entstehen kann, das Stärke bzw. Zucker enthält.
Bei einer Spirituose ist es aber mit der Erzeugung von Alkohol allein nicht getan, sonst würde es sich um Brauen handeln. Für die Promotion der Getränkewelt, die Graduierung zum geistigen Getränk, braucht es die Destillation.
Die Destillation ist eine Methode zur Trennung von Stoffen, speziell zur Gewinnung von Flüssigkeiten und Gasen. Sie wird genutzt, um wichtige Materialien des täglichen Lebens wie destilliertes Wasser, Parfums und Öle zu erhalten. Bei der Herstellung von Spirituosen allerdings geht es einzig und allein um das Herausholen von Alkohol aus Wasser. Dafür gibt es verschiedene Destillationsverfahren.
Das älteste und traditionellste Verfahren ist die Erhitzung der Maische (>->). Wasser und Alkohol verdampfen dabei, da aber der Alkohol flüchtiger ist, reichert er sich im Kondensat, dem Ergebnis der Verdampfung, stärker an. Nun muss der Dampf aufgefangen werden. Das geschieht, indem man ihm Energie entzieht, sodass er wieder flüssig wird. Dieser Teil wird Kondensation genannt.
Nach dem ersten Destillationsvorgang befindet sich noch etwas Wasser im Kondensat. Um seinen Anteil weiter zu senken, kann man den Brennvorgang beliebig oft wiederholen. Es gibt keine festen Regeln, wie oft eine Spirituose destilliert werden soll. Single Malt Scotch Whisky wird in der Regel zweimal, Wodka oft vier- oder fünfmal gebrannt. Für die Gewinnung von Alkohol durch Erhitzen gibt es zwei gängige Methoden: das nicht kontinuierliche Pot-Still-Verfahren und das kontinuierliche Column-Still-Verfahren.
POT-STILL-VERFAHREN
Der Einsatz von Pot Stills ist das traditionellere der beiden Verfahren. Diese kupfernen Brennblasen haben einen schmaler werdenden Hals. Dort kondensiert der Alkoholdampf und sammelt sich, nun wieder flüssig geworden, in einem Behälter, der Vorlage.
In den Anfangstagen der Destillation waren alle diese Bestandteile klein, ließen sich gut transportieren und standen auf Bauernhöfen, da die Bauern mit ihnen Ackerfrüchte verarbeiten konnten. Heute dagegen sind Pot Stills meist fest installiert und viel größer. Beispiel: Eine einzige Brennblase der Single-Malt-Scotch-Brennerei Glenlivet in Schottland hat 15 000 Liter Fassungsvermögen – nicht gerade etwas, was man auf der Ladefläche eines Traktoranhängers herumfahren möchte.
Trotz der Größe einiger Pot Stills und der Brennereien, in denen sie stehen, kann man die Erzeugung noch nicht als »industriell« bezeichnen, denn zum einen ist das Verfahren per se sehr traditionell und zum anderen erzeugen die Brennereien mit Pot Stills jeden Posten einzeln, also einen nach dem anderen. Eine handwerkliche Produktionsmethode aber ist die Pot-Still-Methode auch deshalb geblieben, weil sie in Kontrast zu einer jüngeren Erfindung steht: dem Column-Still-Verfahren in Column oder Coffey Stills.
Futuristisch: Manche Column Stills sehen aus, als entstammten sie einem Roman von Jules Verne.
COLUMN-STILL-VERFAHREN
Das nach der industriellen Revolution, genauer gesagt im Jahr 1830, patentierte Verfahren ist eine Verfeinerung älterer Methoden. Es wird nach seinem Erfinder Aeneas Coffey auch Coffey-Brennverfahren genannt und ermöglicht die Erzeugung riesiger Mengen Alkohol.
Die Brennblasen sind so ausgelegt, dass nicht mehr einzelne Posten nacheinander gebrannt werden müssen. Vielmehr ist das Erhitzen und Kondensieren großer Mengen ohne Unterbrechung möglich, weshalb das Column-Still-Verfahren auch kontinuierliches Brennverfahren genannt wird. Brennereien mit Column Stills sind riesig. Die schottische Cameronbridge Distillery beispielsweise erzeugt 100 Millionen Liter Grain Whisky für einige der bekanntesten Blends der Welt und obendrein 40 Millionen Liter Alkohol für führende Wodka- und Gin-Marken – eine gigantische Menge.
Zwischen einer Pot Still und einer Column Still ist ein Unterschied wie zwischen einem Bauernhäuschen und einem Wolkenkratzer – ein Vergleich, der angesichts der Column-Stills-Säulen gar nicht so weit hergeholt ist. Diese Türme sind mitunter so mächtig, dass sie außerhalb der eigentlichen Produktionsstätten stehen, weshalb manche Brennereien eher wie eine Raffinerie anmuten.
Nach all den Informationen über das Erhitzen und Trennen wird es nun Zeit, sich zurückzulehnen und eine seltenere Form der Destillation zu betrachten: die Vakuumdestillation.
VAKUUMDESTILLATION
Wir sind, wie bereits erwähnt, weder in der Schule noch ist dies ein wissenschaftliches Lehrbuch. Deshalb ersparen wir uns die Einzelheiten der Vakuumdestillation und verraten Ihnen nur ihren Vorteil. Für das Verfahren, das auch Kalt- oder Niedertemperaturdestillation genannt wird, braucht man keine extreme Hitze. Stattdessen erzeugt man ein Vakuum, in dem Alkohol leichter in den gasförmigen Zustand übergeht. Manche behaupten, dass bei der Erzeugung einer Spirituose, die ihre Geschmacksstoffe schon bei der Destillation erhält, der Verzicht auf starke Erwärmung von Vorteil ist, da die Geschmackskomponenten der pflanzlichen Rohstoffe weniger Schaden nehmen.
SELBSTGEBRANNTES: KEINE GUTE IDEE
Das alles hört sich relativ einfach an: Man nehme ein alkoholarmes Gebräu, erhitze es und lasse den Dampf kondensieren. Wer aber versucht, Hochprozentiges zu Hause zu brennen, sei gewarnt: Das ist nicht nur in vielen Ländern verboten, bei unsachgemäßer Ausführung kann auch Feuer ausbrechen oder ein Getränk entstehen, das einen erblinden lässt. Ob man sein Augenlicht behält oder verliert, hängt davon ab, welche der beiden wichtigsten Alkoholverbindungen – Methanol oder Alkohol – entsteht.
Methanol ist der »böse« Alkohol, der Apfel, von dem man nicht essen sollte. Er ist giftig! Ethanol dagegen ist das Gold im alchemistischen Verfahren, das Wertvolle, das es zu bewahren gilt. Erst das Geschick beim Trennen des guten Alkohols vom schlechten macht das Destillieren zur Kunstform. Also: Versuchen Sie’s erst gar nicht zu Hause. Als Alternative bietet sich unsere Anleitung auf >–> an.
Ganz gleich, welche Art der Destillation der professionelle Brenner wählt, seine Spirituose wird immer farblos sein. Wer jedoch Hochprozentiges an der Bar ordert, stellt fest, dass es mitunter eine Färbung hat. Der Grund? Es gibt zwei Kategorien von Brand: hellen und dunklen.
Zu den hellen, genauer gesagt, farblosen Bränden gehört alles, was frisch aus der Brennblase abgefüllt wird. Gin und Wodka sind die besten Beispiele.
Dunkle Brände hingegen sind in Holz gereift. Zur Anwendung kommen oft Eichenfässer, doch gelegentlich schickt man die Elixiere auch für eine gewisse Zeit in Kastanien- oder Kirschholzfässer. Dieser »Ausbau« verleiht ihnen Farbe und Geschmack. Die Länge des Reifevorgangs unterscheidet sich aber von Getränk zu Getränk sehr stark und hängt von allerlei Faktoren ab: dem Stil des Basisbrands, der Größe der Fässer und sogar dem Klima im Lager.
Manche Weinbrände und Whiskys etwa ruhen bis zu 30 oder sogar 40 Jahre und bekommen dabei mit jedem Tag mehr Geschmack, Komplexität und Farbe. Nimmt man jedoch dasselbe Destillat und Fass und bringt beide nach, sagen wir, Indien, wo sie in der tropischen Hitze dösen, wird ein Teil des Fassinhalts sehr rasch verdunsten. In heißen Klimazonen verlieren Fässer Schätzungen zufolge jedes Jahr etwa zehn Prozent ihres Inhalts (man nennt diesen Verlust auch liebevoll »Engelsanteil«). In kühleren Breiten wie etwa Schottland gehen im selben Zeitraum nur rund zwei Prozent verloren.
Man muss kein Mathematiker sein, um ausrechnen zu können, dass sich ein Whisky im indischen Fass bald einmal in Luft aufgelöst haben wird, während er in Schottland lange Zeit in Ruhe reifen kann. Das macht Scotch nicht besser als indischen Malt, aber es macht ihn anders. Und genau das wollen wir hier zelebrieren: die vielen Facetten der Spirituosenwelt, die verborgenen Juwelen. Das ist der wahre Geist dieses Buchs.
Die Spirituosen in diesem Buch wurden mit viel Liebe gemacht. Sie stammen oft von leidenschaftlichen, unabhängigen Erzeugern und Spitzenproduzenten – Menschen also, die eine ganze Menge von Geschmacksnuancen und Herstellungsverfahren verstehen.
Meist sind diese Profis auch offen dafür, wie man ihre Produkte konsumiert – beispielsweise, ob man sie pur als Schlummertrunk oder aber als Cocktail trinkt. Für sie heißt es »Auftrag erfüllt«, wenn ihre Schöpfungen in irgendeiner Form genossen werden. Bevor Sie jetzt allerdings blindlings Eis in Ihr Whiskyglas werfen oder Ihren Manhattan verdünnen, müssen Sie erst die spezifischen Geschmacksnuancen des Getränks kennen.
UNSER DREISTUFIGES PRÜFVERFAHREN
Wenn wir uns mit einer Spirituose befassen, um herauszufinden, wo sie im Verhältnis zu anderen Vertreterinnen ihrer Kategorie steht und wie sie sich in einem Cocktail oder Longdrink zusammen mit anderen Zutaten wohl schlägt, prüfen wir sie in drei Phasen.
Im ersten Durchgang ergründen wir das Aroma, indem wir an dem Erzeugnis riechen. In Fachkreisen nennt man diesen Schritt »Nosing« und das spezifische Bukett des Getränks »Nase«. Was aus dem Glas aufsteigt, spielt eine wichtige Rolle – der erste Eindruck zählt.
Und damit sind wir auch schon beim ersten Insidertipp: Kaufen Sie sich ein Verkostungs- bzw. Nosing-Glas. Es hat einen tulpenförmigen Kelch, der die Aromen gebündelt nach oben lenkt. Wenn Sie keines auftreiben können, nehmen Sie eine Champagner-Flûte – sie hat einen ähnlichen Effekt.
Sobald Sie ein Erzeugnis ausgewählt und eingegossen haben, führen Sie das Glas an die Nase – aber stoppen Sie zwei bis drei Zentimeter davor ab!
Hier darf nicht vergessen werden, dass es sich um alkoholstarke Getränke mit mehr als 20, meist über 40 und mitunter bis zu 60, 70 oder sogar 80 Prozent Alkohol handelt. Gerade bei Spirituosen am oberen Ende des Spektrums ist das erste Aroma, das Ihnen in die Nase steigt, der Alkohol. So wie ein großes Auto einen großen Motor braucht, so braucht ein geschmacksintensives Getränk einen ordentlichen Anteil Alkohol, der es voranbringt. Hinter dem Alkohol verbergen sich die feineren Nuancen. Sie zu ergründen ist der Schlüssel.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die geballte Alkoholladung zu durchdringen.
Die erste Methode ist relativ einfach. Wenn Sie von oben auf das Glas sehen, denken Sie sich den Rand als Zifferblatt. Die 12-Uhr-Markierung zeigt von Ihnen weg, der 6-Uhr-Strich direkt auf Sie. Indem Sie das Glas leicht zu sich neigen und daran riechen, erschnüffeln Sie im 12-Uhr-Bereich wesentlich weniger Alkohol und dafür mehr Aromen als im 6-Uhr-Bereich, wo sich die schweren Töne sammeln, die häufig die wahren, zarteren Duftnuancen kaschieren.
Die zweite Methode besteht darin, den Alkohol zu zähmen, indem Sie ihm etwas Wasser hinzufügen. Wir raten, stilles Quellwasser zu verwenden, das am reinsten ist, aber wenn das nicht verfügbar ist, tut es normales Leitungswasser auch.
Im Prinzip lässt sich das Verkosten einer Spirituose also mit einem Kinobesuch vergleichen …
1. |
Der Trailer Das Nosing ist der Trailer. Es vermittelt einen Eindruck von dem, was man zu erwarten hat, aber verrät nicht alles und schon gar nicht die ganze Handlung. Allerdings erfährt man, ob es sich lohnt, einen Schluck zu nehmen. Wir alle haben während der Vorschau schon Trailer gesehen und gedacht: »Nichts für mich. Der Nächste bitte!« |
2. |
Der Film Die zweite Stufe besteht im Verkosten des Glasinhalts – der eigentliche Kinobesuch. Während Sie mit Bedacht einen Schluck trinken, nehmen Sie sich Zeit, den Geschmack zu ergründen. Überlegen Sie wie beim Ansehen eines Films, ob die Handlung flüssig voranschreitet und die wichtigsten Charaktere gut rüberkommen. Haben Sie es mit einem alten Whisky oder Cognac zu tun, ist er vielleicht Jahrzehnte im Fass gereift und hat auf den optimalen Abfüllzeitpunkt gewartet. Kippen Sie ihn nicht in einem Zug hinunter, kosten Sie ihn aus, genießen Sie ihn. Sie sehen Filme ja auch nicht im Schnellvorlauf an. |
3. |
Die Diskussion danach Nachdem Sie Ihre Geschmacksknospen gebadet und das Ganze geschluckt haben (schön wäre es, wenn Sie sich auch Notizen gemacht hätten), kommen wir zur dritten Stufe, dem »Abgang«. Damit sind die Nuancen gemeint, die auch nach dem Schlucken im Mund verweilen. Sie sind die Diskussion über den Film mit den Kumpels in der Kneipe: Hat er euch gefallen? Welcher Stilrichtung ist er zuzuordnen? War er so gut wie andere Werke desselben Regisseurs? Hat jemand im Internet nach Antworten auf den Cliffhanger gesucht? Vor allem aber: Könntet ihr euch vorstellen, den Film ein zweites Mal zu sehen, sprich: einen weiteren Schluck zu nehmen? Nase, Geschmack und Abgang sind die heilige Dreifaltigkeit der Beurteilung von Spirituosen in diesem Buch. Unserer Ansicht nach liefert jedes hier besprochene Erzeugnis eine oscarreife Vorstellung und ist damit das Gegenteil eines Flops, der gar nicht erst ins Kino kommt, sondern gleich auf DVD vermarktet wird. |
10 Unverzichtbare (alkoholfreie) Utensilien für die private Cocktailbar
1. SHAKER
Wer James Bond spielen will, kann auf dieses wesentliche Utensil für die Bar nicht verzichten. Etliche klassische Cocktails müssen in einem Shaker ordentlich durchgerüttelt werden, damit sich die Zutaten gut mischen. Übertreiben Sie es aber nicht, denn wenn Sie den Shaker nicht korrekt halten und der Deckel davonfliegt, sieht Ihr Wohnzimmer im Nu aus wie ein Jackson-Pollock-Gemälde. Es gibt zwei Arten von Cocktail-Shakern. Der Boston-Shaker besteht aus zwei Hälften: einem Metallbecher und einem Glas. Außerdem braucht man ein separates Barsieb. Der Cobbler-Shaker dagegen sieht ein bisschen wie ein New Yorker Hydrant aus und ist oft aus Metall gefertigt. Er setzt sich aus drei Teilen zusammen: einem großen Becher für die Zutaten, einem Aufsatz mit integriertem Sieb und einem Verschluss, der oft auch als Maß dient.
Nun kann es vorkommen, dass man beispielsweise Freunde besucht und dort einen geschüttelten Cocktail mixen möchte, aber keinen Shaker zur Hand hat. In diesem Fall können Sie getrost improvisieren – wichtig ist nur, dass Ihr Behältnis einen verschließbaren Deckel hat. Wir haben bei Partys, bei denen keinerlei Cocktail-Equipment greifbar war, schon einen respektablen Whisky Sour im Einmachglas gezaubert. Nur weil es Spezialausrüstung gibt, heißt das nicht, dass man nicht ohne sie kann.
2. STRAINER
Der Strainer, auch Barsieb genannt, ist eine unabdingbare Gerätschaft für alle, die Cocktails mixen wollen. Mit ihm lassen sich beim Umgießen vom Shaker in ein Glas überschüssiges Eis und andere Festkörper wie Fruchtstücke bzw. Zitrusschalen aus einem Mix herausfiltern. In einem Cobbler-Shaker (>) ist der Strainer von Haus aus mit von der Partie.
3. MESSBECHER
4.
Ein großer Holzstößel, der an ein Rollholz aus der Küche erinnert. Mit ihm werden Zutaten wie Minze und andere Kräuter oder Zitrusfrüchte zerdrückt, damit sie vor dem Mixen bzw. Shaken ihre Aromen freigeben.