Verena Swoboda
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Inhaltsverzeichnis
Titel
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Impressum neobooks
Personen und Handlung dieses Romans sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit Orten, Begebenheiten, sowie lebenden oder verstorbenen Personen, sind nicht beabsichtigt.
»Und, wie war dein Tag?«, fragte Charlie, als Hermine sich ihrem Tisch im neuen Kaffeehaus der Stadt näherte. Sie beide liebten dieses Lokal. Es war hell und freundlich eingerichtet und außerdem sehr modern. Es gab sowohl klassische amerikanische Süßspeisen als auch gesunde Mahlzeiten und Snacks.
Hermine musste die Frage ihrer Freundin überhört haben, da sie ihren Blick nicht vom Handy entfernte, als sie sich zu Charlie setzte. »Ich habe dich gefragt, wie dein Tag war«, sagte Charlie etwas lauter und mit genervtem Unterton.
»Oh, Entschuldigung! Das hab ich augenscheinlich gar nicht gehört.«
»Stalkst du wieder alle möglichen und unmöglichen Leute?«, fragte Charlie immer noch genervt.
»Äh, nein, ich hab nur nachgeschaut was es so Neues gibt.«
Doch dann brach es auch schon aus Hermine heraus. Sie verstand nicht, warum Lukas ihr nicht geantwortet hatte, obwohl sie doch sehen konnte, dass er ihre Nachricht schon gelesen hatte und auch immer wieder dazwischen online war.
»Vielleicht hat er einfach viel zu tun.«
»Er wird doch wohl genug Zeit haben, eine kurze Antwort zu schicken. Wir senden uns doch ohnehin nur Smileys und belanglose Nachrichten. Ich habe ja nicht von ihm verlangt, eine Abhandlung über den Sinn des Lebens zu schreiben.«
Charlie verstand nicht, wozu man sich überhaupt belanglose Nachrichten schickte. Abgesehen davon wusste sie gar nicht genau, wer jetzt Lukas wieder war. Sie glaubte sich zu erinnern, dass Hermine ihr schon einmal von ihm erzählt hatte. Bestimmt hatte sie ihr auch schon unzählige Fotos auf Facebook von ihm gezeigt. Dennoch wollte Charlie kein Bild zu dem Namen einfallen. Früher hätte sie ihre Freundin einfach gefragt, aber in letzter Zeit hatte Hermine sich sehr verändert. Jede Frage beantwortete sie mit irgendwelchen Fotos oder Posts von Facebook.
»Schau, so sieht er aus. Das sind die Leute, mit denen er scheinbar am häufigsten Kontakt hat. Wer glaubst du, ist diese blonde Frau?«
Nein, darauf hatte Charlie keine Lust. Da sollte ihr Lukas doch lieber unbekannt bleiben, zumindest vorerst. Wenn und falls das Ganze ernster wurde, konnte sie immer noch fragen, welcher von den Typen, die Hermine ihr gezeigt hatte, er nun war. Fürs Erste aber war es nicht so wichtig für sie, da sie der ganzen Sache ohnehin nicht viel Ernsthaftigkeit zutraute.
Der Männerverschleiß ihrer Freundin war seit der Trennung von Lukas enorm. Interessant war, dass Hermine alle Männer kennenlernte und noch vor dem ersten richtigen Date Facebook durchforstete, um alles über sie herauszufinden. Bei den meisten fand sie dann Bilder, die ihr nicht gefielen oder sie entdeckte, dass unter den über einhundert Freunden dieser Männer auch hübsche Frauen waren. Manchmal fand sie auch Bilder, die die Männer mit ihren Ex-Freundinnen zeigten. Beim nächsten Treffen konnte es sich Hermine meist nicht verkneifen, ihre neuen Bekanntschaften auf diese Themen anzusprechen. Selten fühlte sich ein Mann geschmeichelt davon, dass sein Date Begebenheiten über ihn wusste, die er selbst schon fast vergessen hatte.
»Hast du etwas von Lukas gehört?«, fragte Charlie, um das Thema zu wechseln. Lukas hatte keinen Facebook-Zugang. Außerdem hoffte sie immer noch, dass er früher oder später zu Hermine zurückkehren würde. Charlie hatte ihn gemocht, und sie hatte das Gefühl gehabt, dass er ihrer Freundin gut getan hatte. Manchmal wünschte sie sich, ihn fragen zu können, warum er sich von Hermine getrennt hatte.
»Nein, leider nicht. Ich würde mir wünschen, ihn einmal zufällig irgendwo zu treffen. Irgendwo, wo niemand weg kann. So wie zum Beispiel im Flugzeug. Am besten als Sitznachbar auf einem Langstreckenflug. Ich vermisse ihn.«
Charlie war froh, die Kurve gekratzt zu haben. Auf das Thema Lukas sprang ihre Freundin immer noch an. Die Trennung hatte sie sehr verletzt, und es war eines der wenigen Themen, das nicht sofort in einem neuen Post endete.
Die Freundinnen unterhielten sich angeregt über die vergangene Beziehung und philosophierten, was wohl die Gründe für die Trennung gewesen waren. Hermine war sich sicher, dass sie zu viel gearbeitet hatte und zu wenig Zeit für Lukas gehabt hatte. Hinzu kam, dass sie kurz vor der Trennung ihren Arbeitskollegen Alex geküsst hatte. Vielleicht hätte sie dieses kleine Detail einfach für sich behalten sollen. Der Kuss hatte Hermine nicht einmal etwas bedeutet. Viel eher war sie überrumpelt worden und hatte sich sehr unwohl in der Situation gefühlt. Egal, nun war es vorbei, und sie hatte keine Hoffnung, dass Lukas jemals wieder ein Wort mit ihr wechseln würde.
»Lass uns lieber über etwas anderes reden«, bat sie daher ihre Freundin. »Komm her, wir machen ein Foto, das kann ich dann posten!« Charlie schnaubte genervt, schlug ihrer Freundin aber diesen Gefallen nicht ab. Ob nun eintausend oder eintausendundein Foto von ihr auf irgendwelchen Plattformen kursierten war auch egal.
Als der Kaffee kam, erzählte Charlie ihrer Freundin gerade, dass sie über die Trennung von Stefan doch trauriger als erwartet sei. Hermine sah sie kurz mitleidig an. Dann wanderte ihr Blick wieder auf ihr Handy und Charlie konnte sehen, wie sie die Facebook Neuigkeiten rauf- und runterscrollte. Immer wieder klickte ihre Freundin auf irgendwelche Fotos, stieß mehr oder weniger laute Seufzer aus und scrollte dann weiter.
Hermine war gar nicht aufgefallen, dass ihre Freundin den letzten Satz einfach in der Mitte abgebrochen hatte. Es brachte sie auch nicht aus dem Konzept, dass Charlie seit circa zwei Minuten gar nichts mehr gesagt hatte. Wahrscheinlich fiel es ihr nicht einmal auf. Dann erwachte sie wieder zum Leben, beziehungsweise kehrte kurz ins reale Leben zurück. »Ich weiß einfach nicht, wer diese blonde Frau auf dem Foto ist.«
Charlie erkannte, dass sie ihr Bedürfnis nach Trost wohl zunächst würde hinten anstellen müssen und betrachtete die hübsche junge Frau, die ihr von Hermines Mobiltelefon fröhlich zulächelte. »Sie sieht doch ganz sympathisch aus. Oder?«
»Noch schlimmer!«, quoll es aus Hermine heraus. »Ich hoffe, dein erster Eindruck täuscht, denn sonst stellt sie eine noch größere Gefahr für mich dar.«
»Warum eine Gefahr?«
»Lukas ist seit heute Morgen mit ihr befreundet und ich weiß nicht, wo er sie kennengelernt hat.« Hermines Unterton bei dieser Erklärung klang fast ein bisschen genervt. Scheinbar war es für sie klar, dass eine neue Facebook-Freundschaft automatisch eine große Gefahr für ihre neue Beziehung, oder was auch immer das mit Lukas war, darstellte.
»Vielleicht ist sie eine neue Arbeitskollegin? Oder sie kennen sich schon ewig, nur waren sie bis jetzt nicht auf Facebook befreundet? Eine alte Schulfreundin? Oder vielleicht sogar eine Verwandte? Es gibt tausend Erklärungen, wer diese Frau sein könnte und ich denke es bringt nichts, wenn du dich deshalb verrückt machst. Frag ihn doch einfach, wer sie ist.«
Hermine sah sie entgeistert an. Ihn fragen? Charlie hatte heute scheinbar in der Witzkiste geschlafen. Dann wüsste Lukas ja, dass sie all seine Aktivitäten auf Facebook und auch auf den anderen Social-Media-Plattformen verfolgte. Damit würde sie sich als Stalkerin outen. Das fehlte ihr gerade noch. Kurz überlegte sie, ob sie vielleicht tatsächlich eine Stalkerin war und es sich nur nicht eingestehen wollte, ließ den Gedanken aber schnell wieder fallen und erklärte ihrer Freundin stattdessen, warum sie Lukas auf keinen Fall auf die blonde Frau ansprechen konnte. »Ich muss es selbst herausbekommen«, schloss sie ihre Erklärung.
Das war Charlie zu viel. Sie hatte keine Lust mehr auf dieses für sie sinnlose Cyber-Hin-und-Her. »Mir fällt gerade ein, dass ich in einer Stunde einen Arzttermin habe. Fast hätte ich es vergessen. Ich muss los!«
Mit diesen Worten sprang Charlie von ihrem Sessel auf, zahlte und verließ fluchtartig das Kaffeehaus. »Jetzt schon?«, fragte Hermine noch, aber das hörte ihre Freundin schon nicht mehr und Hermine starrte erneut auf ihr Mobiltelefon.
Als Charlie am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie wieder einmal von Stefan geträumt. Im Traum waren sie glücklich gewesen, so wie früher. Manchmal fragte sie sich, warum sie das alles aufgegeben hatte. Im Sommer war sie sich noch sicher gewesen. Sie hatte Gregor kennengelernt und er hatte ihr gezeigt, wie unglücklich sie eigentlich war. Dennoch hatte sie es nicht geschafft, sich richtig in Gregor zu verlieben. Obwohl, vielleicht war sie sogar etwas verliebt gewesen. Bestimmt, denn sie hatte es geliebt mit ihm zu kuscheln, seine Hände auf ihrem Körper zu spüren. Als Gregor einen Schritt weiter gegangen war und aus dem zärtlichen Streicheln eine erotische Situation wurde, hatte Charlie einen Rückzieher gemacht. Es kam ihr falsch vor, mit ihm zu schlafen. Warum, das konnte sie sich selbst nicht erklären. Wahrscheinlich hatte sie immer noch zu viele Gefühle für Stefan gehabt und außerdem hatte sie sich Gregor als so etwas wie ihren besten Freund gewünscht. Allerdings erklärte das nicht, warum sie sich dann von Stefan getrennt hatte, als sie gemerkt hatte, dass ihr Gregor viel bedeutete.
Das war doch alles verrückt. Und was hatte sie nun davon? Sie hatte keinen der beiden mehr. Gregor war zu seiner Ex-Freundin zurückgegangen, als er merkte, dass Charlie abblockte. Dann war die ganze Situation auch noch herausgekommen und nun konnten sie gar keinen Kontakt mehr haben. Charlie vermisste ihn sehr. Und das fast jeden Tag.
Stefan vermisste sie allerdings auch. Aber sie wollte ihm nicht wieder wehtun. Sie verstand selbst nicht, warum sie nicht einmal glücklich mit ihm sein konnte. Immer wenn alles perfekt lief, traf sie jemand anderen, der sie ebenfalls interessierte.
Wie gern hätte sie über all das mit Hermine gesprochen. Sie wusste immer einen Rat. Oder fand zumindest tröstende Worte. Aber Hermine war in letzter Zeit nicht wirklich ansprechbar gewesen. Sie war zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt.
Das Klingeln ihres Handys riss Charlie aus ihren Gedanken.
»Hey Charlie, hast du Lust auf einen Kaffee? Ich dreh noch durch hier in der Arbeit. Meine Gedanken kreisen nur um Lukas und er antwortet mir einfach nicht. Und das, obwohl er schon drei Mal online war, seit ich ihm die letzte Nachricht geschrieben hab«, brach es aus Hermine hervor.
»Ja, klar. Treffen wir uns in einer halben Stunde im neuen Kaffeehaus in der Gumpendorferstraße. Ich kann mich ohnehin nicht auf die Arbeit konzentrieren. Ich habe wieder von Stefan geträumt. Er fehlt mir so.« Charlie schöpfte Hoffnung, dass sie dieses Mal auch ihre eigenen Sorgen loswerden konnte.
»Du Arme, das musst du mir unbedingt genauer erzählen. Bis gleich.«
Hermine saß schon an einem Tisch, als Charlie ins Kaffeehaus kam. Sie starrte - wie so oft in letzter Zeit - auf ihr Handy und ihre Finger machten Scroll-Bewegungen.
»Hallo!«, begrüßte Charlie ihre Freundin und nahm gegenüber von ihr Platz. Nach etwa zehn Sekunden seufzte Hermine laut und hob den Kopf. »Hey! Gut, dass du da bist!« Sie schenkte Charlie ein schwaches Lächeln und richtete ihren Blick dann wieder auf ihr Handy.
»Was schaust du denn?«, fragte Charlie mit gespieltem Interesse. Der Sarkasmus in ihrer Stimme fiel Hermine nicht auf, oder zumindest schenkte sie ihm keine Beachtung. »Ich checke gerade die weiblichen Freunde von Lukas auf Facebook. Sieh dir einmal die an! Kein Wunder, dass er mir nicht mehr antwortet, wenn er solche Mädels kennt.«
Charlie sah sich das Bild der brünetten jungen Frau an und überlegte kurz, ob sie sie schon einmal gesehen hatte. Sie war sich nicht sicher. Wahrscheinlich hatte Hermine ihr schon einmal ein Foto dieser Frau gezeigt. »Du hast doch bestimmt auch hübsche Männer unter deinen Facebook Freunden. Oder?«, gab sie zu bedenken.
»Ja, schon. Aber ich like nicht dauernd deren Bilder und schreibe auch nicht mit ihnen. Aber egal jetzt, du hast gesagt, dass du von Stefan geträumt hast. Wie geht´s dir?«
Ein warmes Gefühl machte sich in Charlies Magengegend breit. Sie war glücklich, dass ihre Freundin das Thema ansprach, und dann auch noch ganz von selbst.
»Ich bin nicht sicher, ob es richtig war, mich von Stefan zu trennen. Er fehlt mir so. Gleichzeitig fehlt mir Gregor aber auch. Vielleicht sogar noch mehr, weil ich weiß, dass ich mit ihm nie wieder richtig sprechen kann.«
»Hm, ich glaube …« Und da war es wieder, das leise Geräusch, das Charlie so hasste, und das anzeigte, dass Hermine eine Nachricht bekommen hatte.
»Warte kurz!«, sie entsperrte ihr Handy und nach ein paar Sekunden trat ein breites Lächeln auf Hermines Gesicht. Obwohl man ihr ansehen konnte, dass sie versuchte es zu unterdrücken. »Lukas hat mit geschrieben! Er schreibt, dass es ihm Leid tut, dass er nicht sofort geantwortet hat, aber in der Arbeit ist ihm immer wieder etwas dazwischen gekommen, so dass er seine Nachricht nicht fertig tippen konnte.« Charlie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.
»Ich verstehe trotzdem nicht, warum er immer so viele Bilder von anderen Frauen liked. Ich poste jetzt schon jeden Tag irgendein Foto von mir, aber bis auf ein oder zwei Mal haben sie ihm noch nie gefallen.«
Charlie kannte sich viel zu wenig mit Facebook aus, sie versuchte es dennoch mit einem aufmunternden Satz, um die Laune ihrer Freundin zu verbessern. »Es wird doch sehr viel gepostet oder?«
»Ja, klar!«
»Kann es nicht sein, dass man da den ein oder anderen Post gar nicht mitbekommt?«
Hermine sah etwas verwirrt aus. »Ja, prinzipiell schon. Aber wenn mich jemand interessiert, dann schaue ich doch auf seine Wall, um eben genau keinen Post zu verpassen.«
ᯮ