Aus dem kanadischen Englisch
von Anna Melach
DIE AUTORIN
Deborah Ellis ist Schriftstellerin und Psychotherapeutin in Toronto, wo sie die Organisation »Frauen für Frauen in Afghanistan« gründete. 1999 verbrachte sie viele Monate in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan und führte Interviews. Die Erzählungen afghanischer Frauen und Mädchen bilden die Grundlage für diesen Roman. Sämtliche Tantiemen aus »Die Sonne im Gesicht« gehen an afghanische Flüchtlingscamps in Pakistan, wo sie für den Unterricht und die Ausbildung von Mädchen verwendet werden.
Bei cbj ist außerdem erschienen:
Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken
Afghanistan ist ein kleines Land in Mittelasien. Hier gibt es den Hindukusch-Gebirgszug, schnell fließende Flüsse und goldene Wüsten. In seinen fruchtbaren Tälern wuchsen früher Früchte, Weizen und Gemüse im Überfluss. Jahrtausendelang haben Eroberer und Entdecker Afghanistan als Tor zum Fernen Osten gesehen. In Afghanistan herrscht seit 1978 Krieg, seit die von den USA unterstützten Kämpfer sich gegen die von der damaligen Sowjetunion unterstützte Regierung aufgelehnt hatten. 1980 marschierten die Sowjets in Afghanistan ein, der Krieg eskalierte, beide Seiten kämpften mit Bomben und modernen Waffen.
Nach dem Abzug der Sowjets, 1989, brach ein Bürgerkrieg aus, als verschiedene Gruppierungen um die Macht im Lande kämpften.
Millionen von Afghanen flüchteten, viele von ihnen leben immer noch in riesigen Flüchtlingslagern in Pakistan und im Iran. Viele junge Menschen haben ihr ganzes bisheriges Leben in diesen Lagern verbracht. Millionen wurden getötet, verkrüppelt oder erblindeten.
In zwanzig Jahren Krieg wurden auch Straßen, Brücken und Wasserleitungen zerstört. Nur wenige Menschen in Afghanistan haben sauberes Trinkwasser. Alle Armeen legten Landminen in den Feldern aus, und es ist unmöglich, diese Felder zu bebauen und hier Nahrungsmittel anzupflanzen. Viele Menschen starben an Hunger und an durch Mangelernährung verursachten Krankheiten. Die Taliban-Milizen, eine afghanische Armee, eroberten im September 1996 die Hauptstadt Kabul. Sie erließen extrem restriktive Gesetze gegen Mädchen und Frauen. Mädchenschulen wurden geschlossen, Frauen durften nicht mehr arbeiten gehen und strenge Kleidervorschriften wurden erzwungen. Bücher wurden verbrannt, Fernsehgeräte zerschmettert, Musik in jeder Form wurde verboten. Seit damals haben die Taliban jedes Jahr weitere Gebiete des Landes unter ihre Kontrolle gebracht.
Anmerkung zur vorliegenden Taschenbuch-Ausgabe
Nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. 9. 2001 stürzten amerikanische Truppen und afghanische Rebellen die Taliban-Regierung.
Eine neue, demokratische Regierung wurde gewählt. Sie etabliert eine humane Gesetzesordnung, nach der Menschen nicht mehr grundlos verhaftet und hingerichtet werden dürfen, und sie versucht, das vom Krieg verwüstete Land wieder aufzubauen.
Frauen und Mädchen dürfen nun am öffentlichen Leben teilnehmen. Endlich können sie zur Schule gehen, medizinische Versorgung in Anspruch nehmen und sich außer Hauses eine Arbeit suchen. Allerdings hat die neue Regierung große Probleme, die tyrannischen Strukturen und die Bräuche der Terrorherrschaft, die sich unter den Taliban gefestigt haben, zu bekämpfen. Deswegen sind Frauen und Mädchen immer noch männlicher Gewaltanwendung schutzlos ausgesetzt.
München, im Februar 2003