HÖHER ALS
DIE BERGE
TIEFER ALS
DAS MEER
Phantasiereisen für Neugierige
Klaus W. Vopel
iskopress
ISBN 978-3-89403-691-1
Copyright © iskopress, Salzhausen
Internet: www.iskopress.de
Umschlaggestaltung:
Mathias Hütter, Schwäbisch Gmünd
Bibliografische Information
der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Vorwort
Dies ist eine ungewöhnliche Sammlung schöner geleiteter Phantasien, mit denen Sie Ihren Teilnehmern helfen können, eine optimistische Perspektive im Leben zu entwickeln.
Kapitel 1 («Vorbereitung») gibt besonders Neulingen Gelegenheit, ihr Imaginationsvermögen auf ganz einfache Weise Schritt für Schritt zu beleben. Die beiden ersten Experimente sind besonders wichtig. Die Teilnehmer können hier üben, tiefer und vollständiger zu atmen und Körper und Geist zu entspannen. Später beginnt jede Phantasiereise mit entspannender Atmung, um den Übergang in ein vertieftes Bewusstsein bzw. in eine leichte Trance zu ermöglichen.
Kapitel 2 bietet den erwachsenen Teilnehmern viele reizvolle Möglichkeiten, die eigene Neugier wiederzuentdecken und zugleich Vergnügen an Phantasiereisen zu entwickeln.
Die folgenden Kapitel greifen dann klassische Lebensthemen des Erwachsenen auf. Sie sind den Teilnehmern behilflich, ihre Ziele ins Auge zu fassen, ihr Selbstbild differenzierter zu sehen, Kontakt mit dem tieferen Selbst und dem inneren Kind herzustellen und die Kraft ihrer Liebesfähigkeit statt krank machende Ressentiments, Feindseligkeit oder Angst zu entwickeln.
Das letzte Kapitel ermutigt die Teilnehmer, auf eine ganz neue Art und Weise Verantwortung für den eigenen Körper und für sein Wohlbefinden zu übernehmen.
In der letzten Zeit hat in Erwachsenenbildung und Psychotherapie das Interesse an Phantasiereisen stark zugenommen. Man kann die Prognose wagen, dass diese Art des Lernens auch in Zukunft immer wichtiger sein wird. Phantasiereisen sind ein hervorragendes Instrument für Lerngruppen aller Art, weil sie uns helfen, auf interessante Weise zu lernen, uns selbst besser kennenzulernen und unsere persönliche Entwicklung weiter voranzutreiben. Wer immer diesen Weg des Lernens beschreitet, hat gute Chancen, besseren Zugang zu finden zu den ungenutzten geistigen Potenzialen, die uns helfen, unser Leben reicher, selbstbestimmter und verantwortlicher zu führen. Wer zunächst in der Gruppe und später auch in eigener Regie seinen Geist auf Reisen schickt, der kann das Bild, das er von sich selbst hat, auf eine sehr positive Weise erweitern. Er kann staunen über die unglaublichen Fähigkeiten, die in seinem Geist verborgen sind und er kann beruhigt zur Kenntnis nehmen, dass es für ihn möglich ist, Seele, Geist und Körper harmonisch zusammenwirken zu lassen. Verbunden damit kann die Hoffnung sein, dass unser menschliches Potenzial uns in die Lage versetzt, auch mit schwierigen eigenen Problemen und mit all den Herausforderungen unserer Umwelt zurechtzukommen, vor denen wir heute stehen. Die Phantasiereisen können uns helfen, eine fundierte Hoffnung zu entwickeln, dass wir über sehr viel mehr Ressourcen verfügen, als wir glauben und dass es nicht so sehr darauf ankommt, unsere Schattenseiten zu unterdrücken, als vielmehr darum, unsere verborgenen Stärken zu realisieren.
Ein vertieftes Bewusstsein
Phantasiereisen versetzen die Teilnehmer in die Lage, ihr Bewusstsein zu erweitern und zu vertiefen. Sie können über ihr normales Alltagsbewusstsein hinausgehen und die Türen zum eigenen Unbewussten weiter öffnen als gewöhnlich. Es ist dabei ganz natürlich, dass der einzelne Teilnehmer in eine leichte oder tiefere Trance eintritt, die ihm den Zugang zu intensiven inneren Erfahrungen, Bildern oder Gedanken ermöglicht. Wie im Traum oder Tagtraum können dabei ganz neue Perspektiven benutzt werden, ein Teil der gewohnheitsmäßigen geistigen Klischees kann außer Kraft gesetzt, und einschränkende und schädliche Überzeugungen können ignoriert werden. Auf diese Weise werden wichtige Themen auf eine frische und neue Weise beleuchtet, es werden neue Antworten auf alte Fragen gefunden, es können aber auch neue und hilfreiche Fragestellungen in den Blick kommen, die zuvor aus der persönlichen Gedankenwelt ausgeschlossen waren. Die Vertiefung des eigenen Bewusstseins kann dazu führen, dass die Teilnehmer weniger Angst haben vor all den bislang unbekannten Bezirken des eigenen Denkens und Erlebens. Sie können Vergnügen daran finden, die Komfortzone bekannter Denkfiguren und eines eng definierten Selbstbildes zu verlassen, um so die eigene Existenz facettenreicher, breiter und reichhaltiger zu erleben. Charakteristisch ist, dass die Teilnehmer am Ende einer Phantasiereise überrascht und etwas verwirrt feststellen: «Das hätte ich nie für möglich gehalten.»
Voraussetzungen aufseiten der Teilnehmer
Es ist wichtig, dass die Teilnehmer aus freien Stücken und mit einer gewissen Neugier an einer Phantasiereise teilnehmen.
Die in diesem Band zusammengestellten Phantasiereisen sind für Erwachsene entwickelt worden, für deren Lebenserfahrungen und deren Problemlösungskapazität. Es ist notwendig, dass die Teilnehmer ihre Selbsterkenntnis vertiefen wollen, dass sie ihr geistiges Potenzial erweitern und überraschende neue Einsichten gewinnen möchten. Sie sollten sich darauf einstellen, dass der einzelne Teilnehmer Erfahrungen und «Erfolge» haben wird, die zugeschnitten sind auf das individuelle Potenzial und auf die eigene Lebensgeschichte. Das heißt, dass die Reaktionen auf ein und dieselbe Phantasiereise bei den Teilnehmern ganz verschieden ausfallen können. Die Tiefe des Erlebens wird unterschiedlich sein, die Stimmung, die sich am Ende einstellt, wird bei jedem anders sein und die Anstöße, die gewonnen werden, können in ganz verschiedene Richtungen gehen. Das wird besonders deutlich, wenn sich die Teilnehmer am Ende einer Phantasiereise über ihre Erlebnisse austauschen.
Es sollten in der Regel nicht weniger als sechs und nicht mehr als sechzehn Teilnehmer in der Gruppe sein. Wichtig ist ferner, dass die Teilnehmer sich schon so weit kennengelernt haben, dass sie einander vertrauen, sodass die Gruppe harmonisch zusammenarbeitet. Außerdem ist es erforderlich, dass die Teilnehmer sich bei Ihnen als Leiter gut aufgehoben fühlen.
Wenn ein Teilnehmer Zweifel daran hat, ob er an einer Phantasiereise teilnehmen möchte, dann können Sie helfen, das Für und Wider zu klären. Niemand darf sich zur Teilnahme gedrängt fühlen.
Voraussetzungen aufseiten des Leiters
Bei einer Phantasiereise hat der Gruppenleiter eine besonders wichtige Rolle. Wenn er seine Teilnehmer zu einer Phantasiereise einlädt, dann sollte er begründen, was seine eigenen Überlegungen dabei sind und wie diese spezielle Aktivität zum Lernprozess der Gruppe passt. Er sollte sich kompetent fühlen und von den Gruppenmitgliedern als zuverlässig und sachverständig erlebt werden. Seine Aufgabe ist es, die Neugier der Teilnehmer zu wecken, ihnen den Einstieg in die innere Welt zu ermöglichen und mitfühlend präsent zu sein. Der beste Leiter ist derjenige, der unaufdringlich und mit leichter Hand die Teilnehmer begleitet und ihnen am Ende hilft, wieder zurückzukehren zum Alltagsbewusstsein.
Es ist hilfreich, wenn der Gruppenleiter ein persönliches Interesse an Phantasiereisen und genügend eigene Erfahrungen auf diesem Gebiet hat. Zu seiner Vorbereitung gehört es, dass er die Phantasiereise, die er seiner Gruppe vorschlägt, vorher selbst erprobt hat, und sie auch für die eigene Person anregend erlebt. Darüber hinaus sollte er in der Lage sein, zu jedem Gruppenmitglied inneren Kontakt herzustellen. Es ist günstig, wenn der Gruppenleiter von den Teilnehmern als sicher und selbstbewusst erlebt werden kann, nicht jedoch als autoritär oder technokratisch. Um in einer Gruppe den richtigen Ton zu treffen und die Instruktionen in einem passenden Tempo geben zu können, ist es wichtig, dass der Gruppenleiter die nonverbalen Signale der Teilnehmer aufmerksam beachtet. Nur dann kann er jene «magische» Atmosphäre erzeugen, die es den Teilnehmern gestattet, tief nach innen zu gehen. Darüber hinaus ist es förderlich, wenn der Gruppenleiter die eigene Stimme so einsetzen kann, dass er wichtige Emotionen und subtile Suggestionen auf eine Weise vermittelt, dass sie auch das Unbewusste der Teilnehmer erreichen können. Um dazu in der Lage zu sein, sollte der Gruppenleiter sich vor der Sitzung auf diese spezielle Aufgabe vorbereiten, indem er sich entspannt oder ein wenig meditiert. Eine eigene ausgeglichene und optimistische seelische Verfassung macht es leichter, eine altruistische und mitfühlende Haltung einzunehmen. Andererseits benötigt der Leiter für seine Aufgabe das Vertrauen und die Kooperation der Gruppe. Nur dann kann er sich selbst so sicher fühlen, dass er mit seiner Stimme und mit seiner ganzen Aufmerksamkeit für die Teilnehmer präsent ist.
In diesem Zusammenhang kann es zweckmäßig sein, wenn der Gruppenleiter einen Assistenten oder Koleiter hat, der die Gruppe ebenfalls sorgsam im Auge hat und bei Bedarf für einzelne Teilnehmer zur Verfügung steht. Denn die Teilnehmer können umso leichter und tiefer in sich hineingehen, je besser sie sich aufgehoben fühlen.
Technische Voraussetzungen
Es hat sich bewährt, wenn die Teilnehmer eine Phantasiereise in einem ihnen vertrauten Raum erproben. Dies hilft ihnen, sich sicher und geborgen fühlen. Ein besonders guter Zeitpunkt für eine Phantasiereise ist die Abendsitzung, denn der Abend ist für uns alle eine Übergangsphase, in der unser Geist sich ohnehin darauf einstellt, nach innen zu gehen.
Jeder sollte selbst entscheiden, ob es für ihn besser ist, eine Phantasiereise sitzend oder liegend zu erleben. Wenn die Teilnehmer sitzen, so hat dies den Vorteil, dass sie dabei leichter und vollständiger atmen können – eine gute Voraussetzung für eine tiefe Entspannung. Für andere ist es manchmal günstiger, wenn sie auf dem Boden liegen. Für Teilnehmer, die sehr erschöpft sind, kann das allerdings den Nachteil haben, dass sie bei einer Phantasiereise streckenweise einschlafen, vielleicht aber auch nur in eine besonders tiefe Trance gehen. Lassen Sie am besten jeden selbst entscheiden, welche Körperposition er einnehmen möchte. Aber achten Sie darauf, dass niemand Beine oder Arme kreuzt, um die Atmung nicht zu beeinträchtigen und um die differenzierte Wahrnehmung der eigenen Körpersphäre nicht zu stören. Die Teilnehmer, die sitzen bleiben, sollten den Rücken möglichst gerade halten und die Füße flach auf den Boden setzen.
Stellen Sie sicher, dass während der Phantasiereise niemand überraschend den Gruppenraum betritt und dämpfen Sie die Beleuchtung so, dass Sie die einzelnen Teilnehmer gerade noch sehen können.
Sprache
Es ist zweckmäßig, wenn Sie die Phantasiereise, mit der Sie arbeiten möchten, zuvor ein paar Mal laut gesprochen haben. Auf diese Weise können Sie üben, den Text suggestiv, ohne Zögern und mit der gebotenen Flexibilität zu sprechen. Dabei werden Sie bemerken, dass der Wortlaut der Phantasiereisen sorgfältig komponiert ist und Bilder und Suggestionen enthält, die sich auch an das Unbewusste wenden. Die Sprache hat einen gewissen Rhythmus, damit sich Bilder und Gedanken in weichen Wellen entwickeln und weniger unserer üblichen, pragmatischen Logik folgen. Die Komposition des Textes ist so angelegt, dass die Teilnehmer liebevoll angeregt werden, den Vorschlägen zu folgen. Sie können mit Ihrer Intonation und Ihrer Stimme dafür sorgen, dass die Worte wirklich das Unbewusste der Teilnehmer erreichen. Manche Passagen können verhältnismäßig ruhig, eher sogar monoton gesprochen werden, während andere Intensität und Lebendigkeit erfordern. Dies alles können Sie am besten ausprobieren, wenn Sie vor der Sitzung für sich mit dem Text experimentieren. Natürlich ist es auch möglich, Variationen des Textes einzufügen. Das hängt von den Reaktionen der Gruppe und von Ihrer Erfahrung und Kreativität ab.
Konsolidierung der Erfahrung
Am Ende jeder Phantasiereise werden die Teilnehmer aufgefordert, in ihrem persönlichen Rhythmus mit ihrem Bewusstsein wieder zur Gruppe zurückzukehren. Dieser Prozess der Rückkehr zum Tagesbewusstsein kann bei den einzelnen Teilnehmern unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Einige sind sehr schnell wieder zurück, bei anderen dauert dieser Vorgang ein paar Minuten. Ich selbst habe noch nie erlebt, dass ein Teilnehmer es innerlich abgelehnt hat, von seiner Phantasiereise zurückzukehren. Wenn ein Teilnehmer mehr als ein paar Minuten benötigt, um seine Reise für sich abzuschließen, dann können Sie ihm mitteilen, dass Sie diesen Entschluss respektieren und gleichwohl mit den übrigen Teilnehmern die Auswertung beginnen.
Je nach Gruppensituation gibt es im Anschluss an die Phantasiereise verschiedene Möglichkeiten für Ihr Vorgehen: Wenn die Gruppe z.B. auf einem mehrtägigen Seminar noch weiter zusammenbleibt, dann kann es angemessen sein, die Sitzung mit einem Blitzlicht zu beschließen, bei dem jeder Teilnehmer kurz das mitteilt, was die Gruppe über seinen persönlichen, augenblicklichen Standort wissen soll. Sie können ankündigen, dass am nächsten Tag Gelegenheit sein wird, auf die Erlebnisse von der Phantasiereise zurückzukommen. Der Vorteil dieser Strategie ist es, dass genügend Raum gelassen wird für eine eigenständige erste Verarbeitung der inneren Erlebnisse.
Manchmal bietet es sich an, dass die Teilnehmer, die das Bedürfnis danach haben, unmittelbar im Anschluss von ihren Phantasiereisen berichten. Diese Vorgehensweise sollte vor allem dann gewählt werden, wenn einer oder mehrere Teilnehmer ihre Erfahrungen mit der Gruppe besprechen möchten.
Am besten dürfte es sein, wenn Sie sich an den explizit geäußerten oder von Ihnen erspürten Bedürfnissen der Teilnehmer orientieren. Es wäre vermessen, wenn wir alle inneren Erfahrungen einer Phantasiereise gleich im Anschluss daran psychologisch verstehen wollten. Wir können zufrieden sein, wenn wir einiges gleich verstehen, und darauf vertrauen, dass andere Dinge uns in ihrer Bedeutung erst später aufgehen, nämlich dann, wenn wir die damit verbundenen Botschaften unseres weisen Unbewussten auch benutzen können.
Klaus W. Vopel