Kurze Geschichten für Zwischendurch




KURZE GESCHICHTEN

FÜR ZWISCHENDURCH



VON 84 AUTORINNEN UND AUTOREN:


Phil Humor · Melissa David · Michael Paul · K.C. Stevens · Carola Wolff · Rich Schwab · John McLane · Silvia Nagels · May B. Aweley · Karina Reiß  · Bettina Kiraly  · Frank Böhm  · Katharina Cubin  · E. Sawyer  · Mike Scholz · Nessa Notedigo · Monika Baitsch · Beatrix Lohmann · Valerie le Fiery · D.C. Hubbard · Moa Graven · Sabine Schulter · Andalie Herms · L.R. Bäuml · Simon Savier · Jonas Kissel · Adelheid von Theilenberg · Markus Dittrich · G. Greschke-Begemann · Bettina Wohlert · Ilona Bulazel · Elfie Nadolny · Laura Mench · Marla Lovett · Shehera Connor · Dagmar Finger · Joachim Harksen · Maria C. Brosseit · Melanie Neubert · Sonja Rabaza · Burkhard Tomm-Bub · Nicole de Virgiliis · Martin Maier · Charlotte da Silva · Jörg Krämer · Sabine Hennig-Vogel · T. S. Bordemé · Katrin Lachmann · Tim Jöris · Birgit Otten · Peter Brentwood · Laura Gambrinus · Kirsten Harder · Klara Bellis · K.D. Hendriks · Henry D. Rottler · Ele Wolff · Angela Planert · Leo Tiresias · David May · M.P. Anderfeldt · Waltraud Lang · Katja Fischer · Robert Friedrich von Cube · Cora Buhlert · Jill J. Jenkins · Ludmilla Dümichen · Astrid Rose · Lisa Diletta · Haiko Herden · Sal Rowney · Cornelia Rückriegel · Erika Eisenlöffel · Jörg Luzius · Petra Arentzen · Sara Puland · Claudia Dahinden · Marcel Meder · Valerie Oak · Lefty E. Ria · Stefanie Droßel · Gabriele Steiniger · Stefanie Maucher · Mika M. Krüger

 




VORWORT


Liebe Leserinnen und Leser,

üblicherweise bedankt man sich an dieser Stelle dafür, dass Sie ein tolles E-Book gekauft haben. Das wird jetzt etwas schwierig für uns, da diese Kurzgeschichten-Anthologie kostenlos vertrieben wird und auch in Zukunft kostenlos bleiben soll.

Daher danken wir Ihnen einfach ganz herzlich für Ihr Interesse an diesem Projekt!

Insgesamt 84 Autorinnen und Autoren haben sich zusammengefunden, um Sie in kurzen Geschichten mit maximal 1.000 Wörtern zu unterhalten, Sie für neue Genres zu begeistern und Ihnen neue Schreibstile vorzustellen. Das Ergebnis ist ein buntes E-Book mit vielen lesenswerten kurzen Geschichten.

Nehmen Sie das Angebot an und lassen Sie sich von der Vielfalt begeistern. Wagen Sie sich an Genres heran, an deren Regalen Sie im Bücherladen Ihres Vertrauens vorbeizugehen pflegen. Seien Sie offen für Neues! Das Inhaltsverzeichnis und das Genre-Verzeichnis geben Ihnen eine Orientierung an die Hand und zu jeder Autorin und jedem Autor finden Sie weiterführende Links.

Die Idee zu diesem Gemeinschaftsprojekt hatte Karin, bei der ich mich im Namen aller Mitwirkenden bedanken möchte. Ohne sie hätten wir uns nicht auf Facebook versammelt, um die Details zu diesem E-Book abzustimmen – angefangen beim Cover, über den Titel bis hin zu Formatierungsfragen. Unzählige Stunden wurden in die Korrektur und die einheitliche Darstellung der Geschichten investiert, damit sie Ihnen heute im bestmöglichen Licht präsentiert werden können.

Und jetzt viel Spaß beim Lesen!

Stefan Stern



Inhaltsverzeichnis — Genreverzeichnis — Autorenverzeichnis




Inhaltsverzeichnis



Cover

Titelseite

Vorwort

Inhalt

Danksagung

Autorenverzeichnis

Genreverzeichnis

Copyright/Impressum

 Humor


Zuckersüß: Wirt-uelle Konditorei

Phil Humor


 

»Mein Geschäftskonzept: Das virtuelle Café, man könnte auch sagen, das wirt-uelle Ambiente schaffen. Gastgeber sind Algorithmen. Bisher bot das Internet nur auditive und visuelle Impressionen – doch ich als Impresario des Konditorischen biete Konditionen, die den olfaktorischen und gustatorischen Genuss auf einen neuen Level bringen: Genuss ohne Reue – Kuchen bis zum Abwinken – und das ist keine Schaumschlägerei – es funktioniert! Kalorien sind kein Thema, wenn man vom Datenstrom speist.«

Ich geleite die Bankiers in die Konditorei – an den Tischen warten Roboter. »Die Roboter werden um Sie herum ein holografisches Feld erzeugen; ja, richtig, wir haben uns dabei von Science−Fiction Filmen inspirieren lassen. Innerhalb der holografischen Matrix können Sie Kuchen genießen, ihn greifen, muffeln – meinetwegen auch Tortenschlachten veranstalten – es sind Bits und Bytes, völlig kalorienfrei.«

Ich schaue die Bankiers erwartungsvoll an; ich sehe Skepsis. Einer schubst einen der Roboter; der wehrt sich und pfeffert ihm eine. Fängt ja gut an. Falsche Geschmacksrichtung. »Modus Zuckersüß!«, rufe ich und die Roboter salutieren. »Ich frage mich, ob es mit Süßstoff nicht viel einfacher wäre? Was wäre das Besondere an dieser Konditorei−Kette?«

Roboter Ben hebt den Arm. »Dürfte ich antworten? Sehr geehrte Investoren, wir haben Ihr bisheriges Geld nicht verplempert; allerdings hat die Programmierung einige unerwartete Effekte verursacht. Es war eine Selbstoptimierung vorgesehen: Also, die Roboter sollten sich durch Feedback hineinsteigern in einen Datenstrom−Rausch, um über den Umweg des Surrealen das virtuelle Virtuosia zu programmieren. Ist uns gelungen. Ich selber esse inzwischen Kuchen ausgesprochen gerne. Darf ich mich an dieser Kuchen−Session beteiligen? – Für mich Pralinen und Cremetörtchen.«

Ich habe den Robotern zu viel Eigenständigkeit gelassen, viel zu antiautoritär. Die Investoren werden abspringen; es sei denn, ich mache sie süchtig nach virtueller Buttercremetorte ... Ich dränge die Bankiers mit Hilfe der Roboter zurück auf ihre Plätze. »Jetzt die Feld−Emitter auf Tisch drei! Wer von dieser Virtualität umfangen, vermag zu allerhöchsten Genüssen zu gelangen.«

Na, ich nehme den Mund ja ganz schön voll. Außerdem gleite ich ab ins Magische; das soll doch seriös rüberkommen. Ich nehme Roboter Ben beiseite. »Wieso stehen denen die Haare zu Berge? Ist das mit dem elektrischen Feld noch nicht ganz in Ordnung?«

Roboter Ben flüstert: »Ich habe doch gesagt, wir hätten noch viel mehr mit Meerschweinchen üben sollen; die wurden verdächtig oft vaporisiert.«

Einer der Bankiers schaut panisch zu uns. Ich ermahne ihn, sich auf seinen Kuchen zu konzentrieren. Das hier sind Insider−Gespräche. Technik−Gebrabbel, das habe ihn nicht zu interessieren. Er ist anderer Meinung, will aufstehen. Das holografische Kraftfeld hält ihn zurück. Ich setze mich zu ihnen. Berge von Kuchen auf dem Tisch. »Es funktioniert. Sehen täuschend echt aus. Ich gebe zu, man kann dabei entspannen; willkommen Essenssünde! Ich schwelge – und das während meiner Diät. Sogar ein Sättigungsgefühl! Das könnte man als Kalorienbomben-Diät vermarkten! Ich bin begeistert!«

Die Bankerin legt die Gabel beiseite und packt die Kuchen und Torten beidhändig. »Ich bin so gierig. – Ich überlege gerade, ob sich das auf anderem Gebiet auch anwenden ließe.«

»Man könnte sicherlich auch ein Erotik-Programm mit taktilen Empfindungen anbieten; wie gesagt, das Patent bezieht sich auf das gesamte holografische Repertoire.«

Roboter Ben übt den lasziven Hüftschwung. »Hurra, ich bekomme neue Einsatzgebiete! Sinn und Sinnlichkeit – kiss me honey.«

Er presst ein Honigtoast an seine Lippen. Die Bankerin meint: »Ich bin gespannt, wenn Sie das neue Programm testen ... Darf ich Vorschläge beisteuern? Kann was Gewagtes sein.«

Wir haben nicht mal die virtuelle Konditorei unter Dach und Fach und schon melden sich andere Begierden, die mitmachen wollen: Das virtuelle Virtuosia gerät zu Sodom und Gomorrha. Roboter Ben macht Table Dance. Die Bankerin steckt ihm Geldscheine zu. »Das ist lustig. Ich weiß ja nicht, was meine Banker−Kollegen dazu sagen, aber das ist mein persönlicher Höhepunkt des Tages. Die Virtualität wird uns die Sinne beflügeln – wir werden zu neuen Dimensionen aufbrechen.«

»Apropos ›brechen‹ – mir ist sehr übel«, meint ihr Kollege neben ihr. »Alles kein Problem – gepflegtes Reihern ist möglich, dank der Tüten unter dem Tisch.«

Einer der Roboter ist ihm behilflich. »Toller Service. Scheint, als ob der Körper sich täuschen lässt: Er reagiert auf die Virtualität. 30 Jahre nicht genascht – und das in 30 Minuten wettmachen wollen - ich hätte es langsamer angehen lassen sollen – meine Kollegen sind noch im Rennen. Ich kann da gar nicht hinschauen.«

Er hält sich die Augen zu. »Aber es bleibt der Geruch, die ganze Luft geschwängert mit süßlichem Aroma.«

»Und noch eine Portion Marzipan−Obst. Ich habe alles im Griff. Wer will Nachschub?«

Die Roboter füllen jeden freien Fleck des Tisches mit holografischen Köstlichkeiten. »Mag sein, dass wir im Schlaraffenland sind oder in der Hölle – ›zuckersüß‹ hat auf einmal eine Bedeutung, die es vordem nicht hatte: Da schwingt Grauen mit, Inkarnation des Übermaßes; ein Völlegefühl von solch schmerzlicher Präsenz, dass man es auch als Lust bezeichnen könnte - mir geraten die Begriffswelten durcheinander; das Bittere könnte Wohltat sein – eine Variante in diesen süßen Zeiten. Warum schiebe ich mir dann noch eine Praline in den Mund?«

Der Banker weint. Die Bankerin zupft mich am Ärmel. »Wir könnten mit Schauspielern verhandeln – ob wir virtuelle Kopien machen dürfen von ihnen. Für einige von denen würde ich jeden Lizenz−Preis bezahlen, um sie im holografischen Refugium von allen Seiten kennenzulernen. Ist doch machbar?«

Sie steigert sich da hinein. »Lassen wir die Geldquelle sprudeln! Auf neue Projekte! Im Windschatten des Geldes errichten wir uns ein neues Paradies.«

»Oder wir kurieren das alte Paradies mit Finanzspritzen«, entgegnet mir einer der Banker. Er sieht blass aus.

»Verwirrung und Übelkeit – ideal – wir sollten ihn über den Tisch ziehen«, flüstert mir Roboter Ben zu. Habe ich es nötig, konspirativ zu sein? Es ist ein gutes Produkt. Ich lächle zuckersüß, als ich ihnen die Verträge zur Unterzeichnung vorlege.



 Phil Humor

Ich verwende in meinen Texten und Büchern gerne Philosophie und Humor. Deswegen: Phil Humor. Geboren 1963 in Hamburg.

Finden Sie mehr vom Autor auf seiner Webseite oder auf Facebook.


Inhaltsverzeichnis — Genreverzeichnis — Autorenverzeichnis

 Fantasy


Hunger

Melissa David


 

Hochsommer 1630, irgendwo im Atlantischen Ozean

Ruwen Wesley stand an der Reling und blickte auf das nachtschwarze Meer hinaus. Um ihn herum war nichts außer Dunkelheit und Wasser. Er hielt sich an der Brüstung fest und merkte, wie das Metall unter seinem Griff nachzugeben begann. Augenblicklich löste er den Griff. Seit vier Tagen saßen sie hier fest. Kein Windhauch, der sie auch nur einen Knoten weiter trieb. Er hatte gewusst, welches Risiko er einging, hatte damit gerechnet, dass sein Unterfangen nicht einfach werden würde. Bewusst hatte er auf den Hochsommer gewartet, auch wenn die langen Tage und die kurzen Nächte ihm zu schaffen machten.

»Wir werden von Southampton bis zur Küste höchsten vier Wochen brauchen«, hatte der Kapitän ihm versprochen.

Er biss die Zähne zusammen und unterdrückte ein Knurren.

Seit fünf Wochen war er Tag für Tag in seiner Kajüte gefangen. Nur in den wenigen Nachtstunden kam er an Deck. Die fehlende Nahrung setzte ihm empfindlich zu, der Hunger nagte entsetzlich an ihm. In den ersten Tagen war die Stimmung an Bord gut gewesen. Die dreißig Besatzungsmitglieder hatten das Schiff gut im Griff. Er selbst hatte einen horrenden Preis für seine Einzelunterkunft gezahlt, die im Poopdeck mit etwa zehn weiteren Kajüten lag. Im Gegensatz zu den Offizieren und ihm teilten sich die anderen Mitreisenden zu viert eine kleine Kabine. Anfänglich gab es jeden Abend ein Festessen, inzwischen war auch der Speiseplan der bessergestellten Passagiere auf Zwieback, Bohnensuppe und Pökelfleisch reduziert worden. Aber ihn musste das ja nicht kümmern. Ebenso wenig hatte es ihn gestört, dass nach einer Woche das Wasser faulig wurde und die Besatzung es mit Schnaps streckte. Erst nach zwei Wochen hatte er bei sich die ersten Anzeichen für Hunger festgestellt.

Da hatten sich allerdings im Zwischendeck schon die ersten Krankheiten verbreitet. Es begann mit Brechdurchfall, häufig kam Fieber hinzu und schließlich folgten Benommenheit und ein komatöser Zustand, bis die Erkrankten endlich verreckten. Noch hier oben an Deck konnte er den Gestank von Erbrochenem, Schweiß und Exkrementen wahrnehmen. Sieben Menschen waren bereits dahingesiecht, mindestens weitere zwanzig waren schwer krank und auch die restlichen trugen den Erreger bereits in ihrem Blut, der nur darauf wartete auszubrechen. Am liebsten hätte er dem Kapitän den Kopf umgedreht, doch ohne ihn würden sie nie an ihr Ziel kommen.

Etwas lag in der Luft. Ein erdiger, voller Geruch mit einer gewissen Schärfe. Nicht von Krankheit zerfressen, aber trotzdem gefährlich.

Der Kapitän bog um die Ecke, begleitet von einem weiteren Besatzungsmitglied. Ein Blick genügte und er wusste, er stand einem Inimicus, einem Feind, gegenüber. Die charakteristische fliehende Stirn, dazu die breite Boxernase und die stämmige, kleine Statur.

»Mr. Wesley«, grüßte ihn der hochgewachsene Kapitän.

»Kapitän«, murmelte Ruwen.

»Wie geht es Ihnen?«, erkundigte der Kapitän sich. »Sie sehen etwas blass aus.«

»Leiden nicht alle Passagiere an der Seekrankheit?«

»Gewiss doch. Aber ich habe gute Neuigkeiten. Das hier«, er deutete auf den kleineren Mann neben sich, »ist mein bester Steuermann. Spüren Sie es? Der Wind frischt auf.«

Ruwen betrachtete den stämmigen Kerl eingehend, der ihn wiederum mit zusammengekniffenen Augen musterte.

»Kapitän. Kapitän!«, schrie ein Schiffsjunge und eilte herbei. »Eine Prügelei im Backdeck.«

Der Kapitän fluchte, murmelte etwas Unverständliches und wies seinen Rudergänger an, schon vorzugehen. Dann nickte er Ruwen zum Abschied zu und schritt mit dem Schiffsjungen fort.

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, erkundigte sich Ruwen höflich, war sich nicht sicher, ob der Andere wusste, was er war.

»Ich weiß nicht«, begann der Rudergänger, fuhr mit der Hand über sein breites Kinn.

Ein Lächeln erschien auf Ruwens Gesicht. Ob es nun an der Dunkelheit lag oder daran, dass der Mann vor ihm noch kein halbes Jahrhundert auf der Welt verweilte, konnte er nicht sagen.

»Ich weiß, was Sie sind«, erklärte er ruhig. Er war ausgehungert. Und es war ihm egal, wenn dies sein Ende bedeutete. Er verdrängte die Warnungen seines Volkes vor dem Inimicusblut. Seine Hand schoss vor, ergriff den viel kleineren Mann am Hals. Dieser röchelte, riss die Augen auf. Ruwen sah die Veränderung im Gesicht des Mannes, das Erkennen, was er war.

»Kruento«, keuchte der Inimicus, versuchte kraftlos, sich zu wehren.

Doch nicht nur er selbst hungerte, auch der Mann vor ihm hatte seit Wochen kein Fleisch zu Gesicht bekommen. Er spürte, wie seine Fänge sich verlängerten. Seine Augen mussten bereits glühen, wie brennende Kohlen, in einem durchdringenden saphirblau.

Der Druck an seinem Arm wurde stärker. Sein Opfer trat so fest gegen sein Schienbein, dass er einen Moment befürchtete, das Gleichgewicht zu verlieren. Er war zu sehr abgezehrt, als dass er sich diese Mahlzeit entgehen lassen konnte. Mit einer schnellen Handbewegung kugelte er dem Anderen den rechten Arm aus, schmiss ihn zu Boden und war schon über ihm, bevor seine Beute nur blinzeln konnte. Dann stürzte er sich auf dessen Halsbeuge und grub seine Fänge tief ins Fleisch. Der warme Lebenssaft sprudelte in seinen Mund, rann ihm die Kehle hinab. Es brannte. Alles schien in Flammen zu stehen. Lag es daran, dass er sich so lange das Trinken versagt hatte, oder am Blut seines Opfers? Eine Veränderung ging in seinem Körper vor. Das Blut des Feindes drang in jede Pore, stärkte ihn. Seine Sinne schärften sich. Schnell strich seine Zunge über die winzigen Male am Hals des Inimicus, die sich augenblicklich schlossen. Dieser wehrte sich nicht mehr, war in einen Zustand der Bewusstlosigkeit gesunken. Ruwen zitterte leicht, die Sterne verschwammen kurz vor seinen Augen. So einen Blutrausch hatte er noch nie erlebt. Er besann sich, musste seine Spuren verwischen, ehe er entdeckt wurde. Mit einer Leichtigkeit, die ihn selbst verblüffte, riss er den leblosen Körper des Inimicus in die Höhe und schmiss ihn über die Reling. Seine Kräfte waren zurück, ebenso wie der Passatwind, der in diesem Moment über das Deck wehte, an den Segeln zerrte. Das Schiff schaukelte leicht.

Ruwen ließ seinen Blick über das Wasser gleiten, genoss die frische Brise. Die Reise ging weiter und es würde nicht mehr lange dauern, bis er als erster seiner Art die Neue Welt betreten würde.



 Melissa David

Schon früh entdeckte Melissa David ihre Liebe zu Büchern, begann bereits in der Grundschulzeit Comics zu malen und kurze Geschichten zu verfassen. Später konzentrierte sie sich zunehmend auf das Schreiben und fand immer mehr Gefallen am Fantasygenre. Das heimliche Lesen mit der Taschenlampe hat sie sich inzwischen abgewöhnt, aber noch immer kann sie den Reader erst aus der Hand legen, wenn das Buch beendet ist.

Seit 2009 schreibt sie wieder im Bereich Fantasy-Romance. Im April 2015 wird sie den ersten Band ihrer Vampirserie „Kruento“ als Indieautorin veröffentlichen. Besuchen Sie Melissa David auf ihrem Blog


Inhaltsverzeichnis — Genreverzeichnis — Autorenverzeichnis

 Deutsche Geschichte


Symphonie des Todes

Michael Paul



Vor sieben Tagen hatten sie das zerstörte Königsberg verlassen. Auf einem alten Küstenschiff waren sie bis Gotenhafen gekommen. Emils Vater trug damals schon die schwarz-rote Armbinde des »Volkssturms« und konnte nicht mitkommen.

Maria riss ihren Sohn am Mantelärmel hinter sich her. Sie huschte durch die Menschenmenge am Hafen. Mit seinen zehn Jahren konnte Emil gar nicht so große Schritte machen, wie es das hohe Tempo der Mutter erforderte, und so flog er mehr, als dass er lief.

Zwischen Bergen von Gepäck und der Kaimauer bahnte sich Maria den Weg entlang der hinaufragenden weißen Wand des prächtigen KdF-Schiffs. Von weitem schon sah man den hölzernen Steg, über den die Menschen an Bord gingen. Hoch über ihren Köpfen hievte ein Kran Säcke über die Bordwand und ein Maybach mit Hakenkreuzstandarten auf den Kotflügeln stand zum Verladen bereit. Vor dem Aufgang wartete eine unendliche Schlange verzweifelter Menschen. Der Zugang zum Boot war die einzige Rettung. Marias Knöchel waren schon weiß und die Finger blutleer. So sehr krallte sie aus Angst, ihn im Getümmel zu verlieren, ihre Hand in den Ärmel des Mantels ihres Sohnes. Nur sehr langsam kamen sie dem Aufgang zum Schiff näher, der von bewaffneten Wehrmachtssoldaten geschützt wurde. Die Männer hatten Mühe, in dem Chaos den Überblick zu bewahren und dafür zu sorgen, dass die verzweifelte Menschenmasse nicht einfach losstürmte. Mit Megaphonen schrien sie Anweisungen in die Menge. »Papiere bereithalten!« und »Nur noch Frauen und Kinder!« Es seien nur noch wenige Plätze frei. Um die Menge zu beruhigen, fügte der Offizier an, dass weitere Schiffe unterwegs seien, sie alle abzuholen. Keiner glaubte ihm, nicht mal er sich selbst.

Immer wieder stockte es und sie mussten warten, scheinbar ewig warten. Emil saß zusammengesunken und erschöpft auf dem Koffer, in dem alles war, was sie hatten mitnehmen können. Bis zum Sommer war er ein fröhlicher Lausbub gewesen. Aber in der ersten der beiden verheerenden Bombennächte im August hatten sie es nicht in den Bunker geschafft und mussten im eigenen Keller verharren. Als die britischen Lancaster ihre tödliche Fracht in einer Dreiviertelstunde über der Stadt niedergehen ließen, veränderte sich Emils Welt.

Nie wieder würde er die Geräusche einer Bombennacht vergessen. Er hörte das verschiedenartige Heulen der Sirenen, die hilflosen Salven der Flugabwehr, das Pfeifen der fallenden Bomben und die Explosionen. Das Getöse einstürzender Wände und das fast rhythmische Klopfen herabfallender Steine ließ ihn jedes Mal erzittern. Die panischen Schreie verzweifelter Menschen sowie das Heer der Einmachgläser in einem Schrank, die jede Erschütterung klirrend begleiteten, fügten ihm Schmerz zu. Das leise Rauschen des von der Kellerdecke rieselnden Sandes klang wie ein Oberton. Der brummende Himmel über seinem Kopf und der grollende Boden unter seinen Füßen kamen sich dann immer näher. Sie ließen ihm keinen Ausweg und drohten, ihn zu zerquetschen. Dann schreckte er schweißgebadet und am ganzen Körper zitternd aus dem Schlaf hoch.

In seinen Träumen vermischten sich oft auch diese Geräusche wie der Klang der Instrumente eines großen Symphonieorchesters. Oskar Buranski war bis Sommer 44 erster Geiger an der Oper in Königsberg und hatte seinen Sohn Emil oft zu den Proben mitgenommen. Dann saß er alleine mitten im großen Zuschauersaal und hörte zu, beobachtete die Musiker und den Dirigenten. Aber jetzt spielte sein Vater kein Instrument mehr und die Oper war seit den beiden Augustnächten eine erbärmliche Ruine. Emil tauchte ein in diese Symphonie und nahm das wilde Treiben um sich herum nicht mehr wahr. Nun konnte er das Orchester leiten, war er der Dirigent und bestimmte die Melodie, wann die Bomben trommelten und der Sand langanhaltende Töne anstimmte. Dann gab er den Gläsern den Einsatz für ihren klaren Gesang, während die Sirenen ihre Melodie auf ein Zeichen von ihm begannen und der Boden den Bass dazu strich. Die Schreie der Menschen mischten sich zu einem Chor von tausend Stimmen. Der prasselnde Feuersturm aus Phosphor trieb die Melodie wie Streicher vor sich her und die einstürzenden Hauswände bildeten das Trommelfeuer der Pauken zum Finale.

»Emil, komm!«, rief die Mutter und der Junge schreckte hoch. Nur eine Familie war nun noch vor ihnen. Die Soldaten prüften die Papiere, drückten Stempel hinein und winkten eine Frau und ihre Tochter durch. Mit einem energischen »Stopp!« stellte sich einer der Soldaten in den Weg. »Nur noch 2 Plätze, dann ist der Kahn voll!« Die Menschenmenge hinter Maria und Emil protestierte lautstark und drängte von hinten weiter nach, sodass die gesamte Menschenmenge bedrohlich ins Wanken kam. Maria und Emil sollten die Letzten sein. Erleichtert schob sie ihren Sohn vor sich auf den schmalen Aufgang zum Schiff hinauf.

»Halt!«, hörte sie plötzlich hinter sich und spürte, wie der Soldat ihr Emil wegzog, zurück an Land. »Tut mir leid, aber die beiden Mädchen hier gehören noch zu der Frau dort oben. Kommen Sie zurück, Sie müssen aufs nächste Schiff!«

Maria begriff gar nicht so schnell, was geschah, doch ihr Protest ging in dem Lärm der schreienden Menschen unter. Die Zwillinge rannten erleichtert an ihr vorbei, hinauf zu ihrer Mutter und Schwester. Mit einem Krachen schloss der Soldat das Gitter zum Eingang. »Schluss für heute!«

Verzweifelte Mütter schrien, weinten, bettelten, flehten, doch die Wachmannschaften konnten niemanden mehr durchlassen. »Das Schiff ist voll. Da ist kein Platz mehr! Verlassen Sie jetzt den Kai, weitere Schiffe kommen morgen!«, schrie der Unteroffizier in ein Megaphon. Nur langsam und widerwillig löste sich die Menschenmenge auf. Sie verteilte sich in die angrenzenden Lagerhallen, um beim nächsten Schiff einen guten Platz in der Warteschlange ergattern zu können, überleben zu können.

Kurz nach Mittag legte das elegante ehemalige Kreuzfahrtschiff ab. Knapp neun Stunden später schlugen zwei russische Torpedos ein. Die »Wilhelm Gustloff« versank in weniger als einer Stunde und nahm über 9.000 Seelen mit in die Tiefe.

Auf einem alten Frachter erreichten Emil und seine Mutter viele Tage später Deutschland. Seinen Vater und seine Heimat sah Emil nie wieder.

Im Herbst 2012 starb Emil als weltweit gefeierter Dirigent. Bis zuletzt hatte er unter seinem Frack Schweißausbrüche vor Angst und zitterte, wenn die Pauken seines Orchesters zum Finale Furioso trommelten.



 Michael Paul

Ich bin 1963 geboren und lebe mit meiner Familie in Südbaden. 2014 habe ich meinen ersten Roman »Wimmerholz« erfolgreich publiziert. In 2015 wird mein nächster Roman erscheinen.

Auf die Frage, was mich antreibt, antworte ich: »Es ist die Neugier auf das Leben, die Leidenschaft für die Dinge, die ich tue, und die Freude daran, gute Geschichten zu erzählen. Ich möchte mit dem, was ich erschaffe, Menschen unterhalten, berühren, bewegen, zum Nachdenken bringen.

Die Zeitepoche, die mich schon seit der Jugend immer interessiert hat, ist die der 1930er- und 40er-Jahre. Die Menschen, die Gesellschaft, die Politik, die Entstehung und die Auswirkungen des Krieges und insbesondere die vielen bewegenden Einzelschicksale, um die es am Ende des Tages immer geht, auch in meinen Romanen.

Wenn ich es schaffe, diese sehr besondere und prägende Zeit auch jungen Menschen heute auf unterhaltsame und spannende Weise wieder näherzubringen und damit etwas gegen das Vergessen beitragen kann, bin ich glücklich und erfolgreich.

Ich liebe es, mit einem guten Buch bei einem italienischen Rotwein nach meiner weiteren Arbeit als Unternehmensberater zu entspannen. Gerne schaue ich spannende oder romantische Filme an und höre die  Musik der 70er und 80er. Das Wochenende nutzen meine Frau und ich auch zu Motorradtouren durch den Schwarzwald oder das nahe Elsass. Ich liebe die Toskana, Schweden und die Ostsee. Doch am wohlsten fühle ich mich mit meiner wunderbaren Familie zu Hause.

Mehr über den Autor auf seiner Webseite oder bei Facebook.


Inhaltsverzeichnis — Genreverzeichnis — Autorenverzeichnis

 Belletristik


Der Sprung

K.C. Stevens



Sie betrachtete den Mann, der vor ihr kniete. Von oben sah sie nur dunkle Locken, die unter dem Rand einer Kappe hervorguckten, breite Schultern in einem bunten T-Shirt und tätowierte Arme. Bevor er sich bückte, hatte sie auch sein Lächeln gesehen, das Charme und jugendliche Unbekümmertheit versprühte. Dies war jetzt erst einmal verschwunden, während er den Sitz des Seils überprüfte, das er ihr fest um die Knöchel geschlungen hatte.

Er war genau die Art Mann, vor dem ihre Eltern sie immer gewarnt hatten.

Sie hatte nicht nachgedacht, sondern sich gleich entschieden. Deshalb stand sie jetzt hier mit ihrem Kopfkino. Momentan spielte es einen Horrorfilm, in dem sie die weibliche Hauptfigur war. Dass sie nichts weiter trug als ein kleines Handtuch um die Knöchel, damit das Seil nicht in ihre Haut schnitt, half auch nicht gerade, ihre Nerven zu beruhigen.

»Glaub mir, das ist besser als ein Orgasmus.« Der Mann hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet. Groß und kräftig stand er neben ihr und grinste sie an. Sie sah ihr Spiegelbild in den Gläsern seiner Sonnenbrille. »Soll ich dir helfen?«

Sie schüttelte den Kopf, ergriff dann aber doch seinen Arm, um sich an ihm festzuhalten, während sie sich vorsichtig die letzten Zentimeter über die Holzplanken nach vorne schob.

»Arme ausbreiten!«, rief ihr ein zweiter Mann zu, ein etwas älterer mit kurzgeschorenen Haaren und mehreren Piercings, der ein Stück abseits stand, während er den Karabinerhaken, an dem ihr Seil befestigt war, auf den Boden legte. Vorsichtig streckte sie ihre Arme aus und merkte direkt, wie sehr sie zitterte. Sie schaute sich um. Hinter ihr standen bestimmt ein Dutzend Menschen, aber keiner von ihnen würde ihr zu Hilfe kommen.

Ihr Atem kam flach. Sie war sicher, dass mehrere Kameras auf sie gerichtet waren.

»Nicht nach unten schauen«, flüsterte ihr der erste Mann zu, der ihren leicht panischen Blick bemerkt hatte.

»Los jetzt!« Der zweite klang ungeduldig. »Eins ... zwei ... drei ...!«

Bei drei stand sie noch wie angewurzelt auf der Holzplanke. Im nächsten Augenblick hatte sie das Gefühl, in ein Vakuum zu fallen. Sie schrie. Fallen, fallen, fallen – graue Felswände rauschten an ihr vorbei, grünblaues Wasser raste auf sie zu, dann griff das Gummiseil. Sie wurde ein Stück hochgeschleudert und sah schattenhaft die Brücke über sich, bevor die Schwerkraft sie wieder Richtung Fluss zog und sie langsam auspendeln ließ. In der Flussmitte wartete ein Schlauchboot auf sie. Einer der Insassen streckte ihr eine Stange entgegen, mittels derer er sie heranzog.

Von oben wurde das schwere Bungee-Seil nachgelassen, bis sie auf dem Bootsboden zu liegen kam. Jemand nahm ihr die Fußfesseln ab. Kurz darauf hielt das Schlauchboot am Flussufer und sie kletterte mit zitternden Beinen an Land.

Die Treppe, die zur Straße führte, kam ihr ewig lang vor.

»Hey, du hast es getan!«, rief ihr von oben jemand entgegen. Niemand, den sie kannte.

»Offensichtlich«, dachte sie und sagte stattdessen: »Ja, habe ich.«

»Wenn ihr nackt springt, ist es umsonst«, sagte ein Mann in demselben bunten T-Shirt, das schon der Mann oben auf der Brücke getragen hatte, zu einem jungen Paar, das gerade in den Shop gekommen war und sie neugierig musterte.

»Willst du die DVD und das T-Shirt?«, fragte die Frau hinter dem Tresen geschäftsmäßig. »Du kannst es gleich anziehen.«

Jetzt, wo der Adrenalinkick langsam nachließ, kam sie sich mit einem Mal sehr nackt vor und nickte.

»Das macht achtzig Dollar«, sagte die Frau. »Cash oder Kreditkarte?«



 K.C. Stevens

studierte in England Literatur und Kreatives Schreiben und arbeitete in Deutschland in verschiedenen Jobs im Medienbereich. Als Kelly Stevens veröffentlicht sie bei Verlagen, als Indie-Autorin ist sie als K.C. Stevens unterwegs. Normalerweise schreibt sie Liebesgeschichten mit einem Schuss Erotik und Humor; für diese Anthologie hat sie versucht, die Erotik wegzulassen.
Besuchen Sie K.C. Stevens auf ihrem Blog.


Inhaltsverzeichnis — Genreverzeichnis — Autorenverzeichnis

 Fantasy


Der verliebte Tod

Carola Wolff



Er ging nicht zu Partys, weder an Halloween noch sonst. Er amüsierte sich nicht und er trug keine Verkleidungen. Das war nicht sein Stil. Er stand ruhig, mitten im Leben, und tippte denen, die gehen mussten, mit der Hand auf die Schulter. Das reichte schon. Das war sein Job. Er war der Türöffner. Hindurch gingen immer die anderen.

Manchmal fielen sie auch.

So wie die Frau, die ihm gerade in die Arme gefallen war. Vom Dach eines großen, finsteren Backsteinhauses herunter, zusammen mit taumelnden, dunkelbraunen Herbstblättern.

»Schön dich zu sehen«, sagte sie zur Begrüßung und warf nur einen flüchtigen Blick auf das zerschmetterte Geschöpf im regennassen Rinnstein, dessen weißes Nachthemd mit Rot gesprenkelt war. Sie musterte stattdessen ihn, eingehend, von oben bis unten und wieder zurück.

»Kein Kapuzenumhang, keine Sense, keine Sanduhr«, stellte sie mit Befriedigung fest. »Ich hab’s doch gewusst!«

Die meisten, die ihn sahen, waren verunsichert. Weil er nicht ihren Vorstellungen entsprach. Diese hier nicht. Sie war auch die Erste, die sich wirklich freute, ihn zu sehen.

»Die Hose gefällt mir. Leder? Und das Hemd erst. Schwarz mit Rüschen. Hat was von Rockstar, mit einer Prise Pirat gemischt.«

Er zog seine Augenbrauen hoch. In der Ferne ertönte eine Sirene.

»Ich habe alles über dich gelesen. Sie erzählen so vieles von dir, durch alle Zeiten, in allen Völkern. Aber stimmt es auch?«

Die meisten, die ihn sahen, wollten nur wissen, warum er zu früh kam. Oder zu spät. Oder warum überhaupt. Und was jetzt mit ihnen passieren würde. Fragen, auf die er keine Antworten hatte. Fragen, die außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches lagen.

Keiner, kein Einziger von ihnen, hatte sich jemals für ihn interessiert.

»Das meiste stimmt nicht«, sagte er und war erstaunt über den Klang seiner eigenen Stimme.

Ein rostiges Sargscharnier, ungeölt, ungeputzt, ungebraucht.

Sie strahlte, schob ihren Arm unter den seinen und zog ihn mit sich fort, gerade als ein Krankenwagen am Bordstein hielt.

»Dachte ich mir doch. Erzähl mir von dir. Wie ist es so, du zu sein?«

Das war nicht richtig. Das war nicht der vorhergesehene Ablauf. Er musste sie berühren, und dann öffnete sich die Tür, und sie ging. Aber diese hier wollte nicht gehen.

»Was tust du den ganzen Tag und wie fühlt es sich an? Welche Musik hörst du gerne? Was ist deine Lieblingsfarbe? Na los, ich will alles wissen.«

Die Menschen, an denen sie vorbeigingen, schauderten unwillkürlich, als hätte ein kalter Wind sie gestreift und zogen ihre Schals enger zusammen. Keiner von ihnen erforderte gerade seine Aufmerksamkeit. Und so dachte er nach über die Fragen. Und seinen Mangel an Antworten. Er hatte keine Freizeit. Er hatte keinen Urlaub. Er wurde nie müde. Er träumte nie, weil er nie schlief.

»Ich weiß nicht«, sagte er zögernd.

In der Toreinfahrt eines Hauses stand Elvis, in ein großes dunkelrotes Cape gehüllt und sang Love Me Tender. Selbst die eiligsten Passanten verlangsamten ihren Schritt und die meisten warfen auch ein paar Münzen in den schwarzen Hut zu seinen Füßen.

»Der ist echt gut«, sagte sie anerkennend.

Er nickte Elvis zu, der sah ihn, nickte zurück und stimmte mit einem schelmischen Grinsen You Ain’t Nothing But A Hounddog an.

»Nun sag bloß, der ist echt?«

»Er kommt manchmal zurück. Er sagt, das Singen macht ihm hier mehr Spaß.«

Sie hatte rote Wangen und die kindliche Freude in ihrem Gesicht rührte an etwas längst vergangen Geglaubtes tief in ihm.

»Möchtest du tanzen?«

»Gerne. Aber ich kann nicht tanzen«, sagte sie.

»Jetzt schon«, sagte er und nahm ihre Hand.

Gemeinsam schwebten sie über den Bürgersteig, drehten sich ausgelassen, wirbelten Blätter auf. Er hatte noch nie jemanden so gehalten. Es fühlte sich gut an. Sie war leicht in seinen Armen, und erstaunlich warm. Und als sie lachte, schon wieder, aus purer Freude über den Augenblick, konnte er es spüren, in ihrem Körper, eine sanfte Vibration.

Elvis beendete sein Lied.

»Das war schön«, sagte sie atemlos.

»Ja«, sagte er.

»Zeit für mich, das Gebäude zu verlassen«, sagte Elvis, griff seinen Hut und verblasste in den dämmerigen Herbstnachmittag hinein. Über ihnen erwachte eine alte Gaslaterne zu flackerndem Leben.

»Du musst einsam sein«, sagte sie.

Auch darüber hatte er nie nachgedacht. Es hatte dafür keinen Grund gegeben. Jetzt, wo sie da war, spürte er es umso deutlicher.

»Und du?«, wollte er wissen.

»Sehr.«

Er neigte seinen Kopf zu ihr. Ihre Lippen waren weich wie Sargausstattungen aus Satin, ihr Kuss schmeckte nach Licht und Unendlichkeit.

»Warum bist du gesprungen?«, fragte er.

»Ich wollte dich kennenlernen.«

Sie schmiegte sich in seine Arme und flüsterte:

»Was wünschst du dir? So richtig von Herzen?«

Dass ich dich nie getroffen hätte, dachte er. Denn nun wusste er, was er vermisst hatte, ohne es zu wissen. Er tippte ihr vorsichtig auf die Schulter. Neben der Gaslaterne öffnete sich ein Spalt im Gefüge der Welten.

»Wie hast du das gemacht?« wollte sie wissen.

»Du musst jetzt weiterziehen«, sagte er.

»Dort hin?«

In ihren Augen spiegelten sich sternengesprenkelte Galaxien und ein fernes, warmes Licht.

»Das ist … «, sie rang nach Worten, » … fantastisch.«

Sie löste sich aus seiner Umarmung, ihre Füße bewegten sich wie von selbst. Nur noch ein Schritt.

»Ich bin müde«, sagte er, leise erstaunt über diese Erkenntnis. »Ich will nicht mehr der Türsteher sein.«

»Komm mit«, sagte sie und nahm seine Hand.

»Nein. Ich habe eine Aufgabe. Die darf ich nicht vernachlässigen. Stell dir nur vor, was passieren würde, wenn es mich nicht mehr gäbe. Überbevölkerung, Hungersnöte, Katastrophen.«

»Oh. Daran habe ich nicht gedacht.«

Sie blickte in die Unendlichkeit jenseits der Tür.

»Es ist wirklich wunderbar«, seufzte sie leise.

»Ja«, sagte er.

»Und wenn jemand anders deine Position einnimmt?«

»Hat noch keiner gewollt. Weil derjenige warten muss, bis ihn jemand ablöst. Freiwillig.«

Sie umarmte ihn, drückte ihn fest an sich. Tippte ihm sanft auf die Schulter.

Und er ging durch die Tür.



 Carola Wolff

geboren 1962, lernte Buchhändlerin, arbeitete lange und gerne in kleinen und großen Buchhandlungen in Berlin und absolvierte nebenbei ein Fernstudium der englischen Literatur an der Britischen Open University.

Jetzt schreibt sie spannende Romane und Kurzgeschichten.

Ihr erster, bei BoD erschienener Roman Mein erster Selbstmord belegte Platz zwei beim Autoren@LeipzigAward der Leipziger Buchmesse 2013. Ihre Kurzgeschichte Exit gewann den Fanfiction Wettbewerb 2014 bei LovelyBooks.

Neu ist die Kurzgeschichtensammlung Ladies' Night-Sexy Stories.

Unter dem Pseudonym Mela Wolff schreibt sie fesselnde Erotik mit einer Prise Humor; ihr bei Lyx als E-Book erschienener Roman Mailverkehr-Fesselnde Lust stand auf der Auswahlliste zum Leserpreis bei LovelyBooks.

Finden Sie mehr von der Autorin auf ihrer Homepage/Blog, auf Facebook oder auf Twitter.


Inhaltsverzeichnis — Genreverzeichnis — Autorenverzeichnis

 Humor


Tempo 30

Rich Schwab



Fernsehen. Ertränken. Erstechen. Erschießen, vergiften, in die Luft sprengen – die Welt ist voller Gewalt. Furchtbar. Wenn ich das sehe, könnt’ ich mit ‘nem Baseballschläger …! (Räusper …)

Dabei könnte das Leben so schön sein! Wenn wir uns alle lieben würden! Die schöne Frau Immekeppel hier und ich, zum Beispiel …! Aber nein – was lacht sie sich an …?! Ich weiß gar nicht – wo hab ich meinen Schläger eigentlich hingeräumt? Keine Ahnung. Wann hab’ ich ihn denn das letzte Mal … Nein, ein Baseballspiel kann’s nicht gewesen sein – die Regeln hab ich ja bis heute nicht verstanden … Ach ja, jetzt weiß ich’s wieder – letzten Samstagabend …!

Ich gehe ja abends, wenn ich Feierabend mache, so gegen Mitternacht, immer noch mal mit dem Hund raus. Ein Stück unsere Dorfstraße lang, bis zum Feld. Und ständig hab’ ich dabei so einen Hals, denn unsere Dorfstraße ist eine Durchgangsstraße – gerade mal anderthalb-spurig, mit Bürgersteigen, die nicht breiter sind als ein Meter. Und da kommen sie dann durchgebrettert, die Landstraßen-Vettels, besonders an Freitagabenden, auf dem Weg von Disko zu Disko (was ich auch schon mal gar nicht verstehe: die meisten ihrer Karren sind doch, unüberhörbar, rollende Diskos?); jedenfalls kommen sie da durchgebrettert, als hätten sie von Tempo 50 in geschlossenen Ortschaften noch nie was gehört, und das Tempo-30-Schild am Ortseingang scheinen sie allemal für einen Witz zu halten. Es interessiert sie auch nicht, dass ihnen da in dieser engen Straße ein Fußgänger entgegenkommt – manchmal bräuchte ich nicht mal groß meinen Arm auszustrecken, um ihn mir abfahren zu lassen.

Ein-, zweimal im Jahr, wenn die Gemeindekasse mal wieder aufgefüllt werden muss, stellen sich ein paar Freunde und Helfer an der Kirche in die Büsche und blitzen ein Stündchen. Der Rekordhalter im letzten Jahr hatte 110 auf dem Tacho. Hundertzehn, in einer Tempo-30-Zone…! In meiner Tempo-30-Zone!

Na ja, da kriege ich dann schon mal die Wut. Jeden Abend, eigentlich. Und so was soll man ja nicht in sich hineinfressen, das macht bekanntlich nur krank. Gelegentlich mache ich so zwanzig Meter vor dem nächsten Geisteskranken mal einen kurzen Ausfallschritt vom Bürgersteig runter und habe meinen Spaß an dem Bremsenquietschen und den panischen Grimassen hinter der Windschutzscheibe. Das mache ich aber nicht mehr so oft – einmal ist einer bei seinem Bremsmanöver beinahe in unsere Dorfkneipe gerauscht, und ein anderer ist so ins Schleudern geraten, dass er mich fast auf dem Bürgersteig erwischt hätte. Also blitze ich sie seitdem bloß mal kurz mit meiner Taschenlampe an. Oder eben mit dem Fotoapparat.

So wie letzten Samstag. Er brettert mir entgegen, ich blitze und gehe weiter. Dann hinter mir Bremsenquietschen. Ein krachender Rückwärtsgang und plötzlich steht er neben mir, das Fenster geht runter, und eine Art Spanferkel mit Gel im Haar auf dem Beifahrersitz brüllt mich an:

»Was fällt dir ein, uns zu knipsen, du Arschloch?!«

»Wau wau!«, antwortet ihm mein Hund wütend.

»Er meint mich, Rocco«, sage ich. »Misch dich nicht ein!« Er setzt sich brav hin, fixiert das Spanferkel und knurrt bloß noch. Zu dem sage ich:

»Wieso euch? Ich hab bloß unsere schöne Dorfkneipe fotografiert, als mir irgendein Bekloppter ins Bild gerast ist.«

»Bekloppter? Nicht, dass ich aussteige und dir in den Arsch trete!«

»Hast du gehört, Rocco? Er will aussteigen und sich blamieren …« Rocco fletscht die Zähne und sein Knurren wird bedrohlicher. »Das heißt: Von ihm aus gerne«, übersetze ich das dem Spanferkel.

»Ja, mit deinem Scheiß-Köter, da hast du ‘ne große Fresse!« ‘Scheiß-Köter’ hört Rocco gar nicht gerne – er zerrt heftig an der Leine, Richtung Beifahrerfenster.

»Och«, sage ich. »Wenn ihr ein Momentchen warten wollt – ich bringe den Hund eben rein und komme noch mal wieder …«, und ziehe mir dabei gemächlich meine schwarzen Lederhandschuhe an. Statt sich über das Angebot zu freuen, beugt sich der Fahrer herüber und schreit:

»Verpiss dich, du Penner!« Dabei bleibt er mit seinem Ellbogen auf der Hupe hängen. Nachts, um Viertel nach zwölf.

»Hör mal zu, Bockwurstgesicht«, sage ich zu ihm, als er fertig ist mit Hupen. »Warum fährst du nicht nach Hause, machst ‘ne Tube Senf auf und steckst deinen Kopf in siedendes Wasser?« Daraufhin haut er gleich noch mal auf die Hupe, löst seinen Sicherheitsgurt, öffnet die Fahrertür und steigt halb aus.

»Komm, Eddie, den schnappen wir uns«, zischt er.

Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, gleich noch ein Foto zu machen – sein hochrotes, wutverzerrtes Gesicht über dem blauen Wagendach und das immer blassere im Beifahrerfenster, das ängstlich auf den mittlerweile geifernden Rocco starrt.

Die ganze Brüllerei und Huperei hat aber nicht nur hier draußen für Unruhe gesorgt – gleichzeitig öffnen sich an unserem Haus ein Fenster und gegenüber im Dorfkrug die Tür. Im Fenster erscheint meine Frau, in der Kneipentür zwei unserer kräftig gebauten Bauernburschen – die Scheuermann-Zwillinge.

»Wat is’ denn los?«, rufen alle drei gleichzeitig.

»Ach, nix«, sage ich zu den Scheuermanns, und zu meiner Frau sage ich: »Bring mir doch mal meinen Baseballschläger – ich wette, ich kriege die Karre hier noch windschnittiger.«

Ja, so was finden auch die Scheuermanns witzig. Ihr Lachen klingt wie eine Ladung vom Hänger kullernder Zuckerrüben. Da fällt Eddie ein, dass sie ja eigentlich auf dem Weg zu einer Verabredung waren.

»Komm, Hannes, lass uns abhauen!«

»Spielverderber!«, sage ich.

»Arschloch!«, sagt er.

»Wo ist der denn?«, fragt meine Frau.

»Wat is’, trinkt ihr heute kein Bier?«, fragen die Scheuermanns sie. Meine Frau und ich gucken uns an. Hatten wir heute tatsächlich nicht vor.

»Ja, wir kommen gleich!«, rufen wir synchron. »Sobald die Straße hier frei ist«, ergänze ich.

»Sollen wir dat wegräumen?«, fragt einer der Scheuermanns mit verächtlichem Blick auf die Karre und spuckt in die Hände. Beim Versuch, möglichst cool loszufahren, lässt Hannes die Kupplung zu schnell kommen und würgt erst mal seinen Motor ab. Dann hinterlassen seine Reifen zwei schwarze Streifen auf unserer Dorfstraße. Um uns dann doch wenigstens noch ein bisschen zu ärgern, drehen sie die Musik im Auto wieder auf. Wir können die Bassdrum, die Andrea Berg durch 1000mal belogen prügelt, noch hören, als die beiden schon das Nachbardorf erreicht haben.



 Rich Schwab

1949 in Köln geboren.1966 aufs Abitur verzichtet. Daher von 1967–1988 etwa drei Dutzend unterschiedlichste Hilfsarbeiterjobs. Trotzdem seit 1970 (Mit-)Musiker, -Komponist, -Texter, -Arrangeur, -Produzent von 3-4 Dutzend Plattenproduktionen, Film-, Fernseh- und Hörspielmusiken & (Co-)Autor von Songs, Kabarettprogrammen, Drehbüchern, Kurzgeschichten, drei Romanen und einer Abhandlung über das Versacken. Ca. 191 Lesungen in 1 Stadtbibliothek, 2 Buchläden, 2 Theatern, 1 Gymnasium, 1 Pfarrsaal,1 Pferdestall, 1 Polizeipräsidium, 1 Friedhof und 181 Kneipen. Lebt seit 2007 mit Frau und Hund am Niederrhein. Mehr und ausführlichere Info auf der Webseite.


Inhaltsverzeichnis — Genreverzeichnis — Autorenverzeichnis

 Fantasy


Wenn der Mond die Sonne berührt

John McLane



Nic und Nora standen vor dem Kamin und Nic starrte nachdenklich in die Flammen. Plötzlich schaute er auf und sah Nora direkt an.

»Kennst du ihn eigentlich, Nora, den Platz, wo der Mond die Sonne berührt?«

Nora schaute ihn überrascht an, schüttelte den Kopf.

»Den Platz, wo Kobolde gehen, Einhörner stehen, Elfen sich drehen? Den Platz, wo Träume sich erfüllen, Herzen sich öffnen und Ängste vergehen? Komm ... ich zeig ihn dir.«

Er trat zu der Glaswand, wartete, bis Nora neben ihm stand und schnippte zweimal mit den Fingern. Plötzlich stand die Sonne als greller Ball am Himmelszelt und schickte ihre warmen Strahlen zur Erde. Er schnippte noch einmal und plötzlich standen die drei Monde am Himmel, sandten ihr fahles Licht herunter. Alle, Sonne und Monde, standen dicht beieinander.

Nora stand neben Nic in dem Raum und schaute wie er durch die Glaswand zum Himmel hinauf. Sie lächelte, ging zum Kamin und setzte sich davor auf den Boden.

Wieder schnippte Nic.

Die Tür öffnete sich und ein paar kleine Männchen spazierten herein. Kobolde, mit schweren Säcken über den Schultern. Nora lächelte die Kobolde an.

Zarte Elfen flogen tanzend herein, drehten sich in der Luft, schwebten zur Decke empor. Ein weißes Einhorn und ein schwarzer Pegasus gesellten sich zu ihnen.

Wieder das Schnippen von Nics Fingern. Und plötzlich erschien vor der Glaswand ein wunderschöner Regenbogen.

»Es ist wunderschön«, flüsterte Nora.

Nic schnippte wieder. Die Sessel, das Sofa und der Kamin verschwanden. Der Fußboden verwandelte sich unter Nora in eine bunte Blumenwiese, der Raum verschwand und ein Wald umrandete die Wiese.

Die Elfen tollten herum, narrten die Kobolde und schnappten nach den Säcken. Silbernes Sternenlicht fiel herab, bündelte sich mit dem Licht der Sonne und dem der Monde.

Ein Goldsack fiel herunter, öffnete sich und Goldklumpen funkelten in dem diffusen Licht.

Da ertönte leiser Gesang.

Ein Trupp Zwerge marschierte singend aus dem Wald heraus, stoppte auf der Wiese. Nic setzte sich ins Gras und beobachtete das Treiben. Er lächelte Nora zu.

Wolfsgeheul drang an ihre Ohren und das Wolfsrudel stürmte aus dem Wald heraus, allen voran der Graue. Wieder schnippte Nic.

Ein Bachbett zog sich quer über die Wiese, dessen Quelle in einen kleinen Wasserfall überging, der das Bett schnell füllte. Silbernes, reines, klares Wasser. Das Einhorn lief zu dem Bach, senkte den Kopf, berührte mit dem Horn sein Spiegelbild im Wasser und stillte seinen Durst.

Eine besonders neugierige, kleine Elfe kam dem Pegasus zu nahe, sodass dieser erschreckte und auf die Hinterläufe stieg. Aufgeregt sauste die Elfe davon. Buntes Treiben überall auf der Wiese.

Nora spürte trotz des Durcheinanders eine wundervolle Ruhe und Stille in sich und lächelte.

Sie stand langsam auf und ging ans Ufer des Baches. Sie trug ein knöchellanges, buntes, schulterfreies Sommerkleid, das wunderbar zu ihren roten Haaren passte. Am Ufer des Baches entlang ging sie bis zur Quelle und hielt ihre Hand in den Wasserfall.

»Schau nur Nic«, rief sie. »Das Licht bricht sich an den Spritzern, in allen Regenbogenfarben.«

Die kleine Elfe sauste auf Nora zu, landete auf ihrer Schulter und beobachtete neugierig, wie sich Noras Kleid mit feinen Sternen überzog, deren Licht silbern schimmerte und in den Bach überging. Auch die Regenbogenfarben der Wasserspritzer von Noras Hand regneten in den Bach, breiteten sich aus. Nora lächelte die Elfe an. Die schaute aus ihren wunderschönen kleinen Augen erstaunt zurück.

»Sternenzauber«, flüsterte die Elfe. Nora lächelte wieder und hielt der Elfe die Hand hin.

Äste brachen, als ein weißer Hirsch durch das Unterholz brach und auf die Wiese lief. Majestätisch stand er da, eine Spur Verwunderung in den dunklen Augen und beobachtete das bunte Treiben.

Nora setzte die kleine Elfe auf eine wunderschöne, große Blumenblüte. Bsssss ... die Flügel der Elfe summten, als sie mit gefurchten Brauen zurück auf Noras Schultern flog.

»Sie hat ihren eigenen Kopf«, lachte Nora.

Nic beobachtete, dass die kleine Elfe plötzlich einen winzigen Stab in der Hand hielt und damit auf den Wasserfall zeigte. Ein Reigen bunter Sterne flog darauf zu, vermischte sich mit den Regenbogenfarben, sodass das Wasser plötzlich voller funkelnder Sterne war.

»Elfenzauber«, kicherte sie.

Nora nickte und lächelte die Elfe an. »Wunderschön, Sternen- und Elfenzauber.«

»Wunderschön«, bestätigte Nic.

Der weiße Hirsch lief näher zu Nora und der Elfe, senkte den Kopf mit dem mächtigen Geweih und betrachtete die beiden neugierig. Die Elfe versteckte sich nahe an Noras Hals, ein ängstliches Geschöpf. Nora lächelte ihr beruhigend zu.

Sie lief ins Wasser, blieb stehen, inmitten der Farben und Sterne. Sie hob den Kopf und betrachtete über sich die Sonne und die Monde und lächelte Nic glücklich an.