N. Bernhardt
Buch XV: Eine Frage der Ehre
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XV: Eine Frage der Ehre
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954186-20-4
null-papier.de/309
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Nach dem Ritual
Zweites Kapitel: Alles halb so schlimm
Drittes Kapitel: Der Herzog außer Rand und Band
Viertes Kapitel: Blick in die Zukunft
Fünftes Kapitel: Die Zukunft im Blick
Sechstes Kapitel: Ein seltsames Bündnis
Siebtes Kapitel: Zeichen der Zeit
Ausblick
Eine Weile lang geht diesmal alles gut. Die Anrufung der Asra kann ohne Probleme beendet werden und sogar der Besuch bei Fydal verläuft glimpflicher als gedacht.
Dann aber bringt der Herzog Nikko in eine Zwickmühle, aus der ihm nur eine Schau in die Zukunft den Ausweg zeigt. Was dem Zauberer da offenbart wird, hat es jedoch in sich!
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Beim nächsten Neumond fand um Mitternacht schließlich die letzte Anrufung statt, in welcher Nikko den Handel mit Asra noch einmal bekräftigte und der Wesenheit für ihre Hilfe dankte.
Obwohl dem Zauberer in den vergangenen Tagen oft genug Zweifel gekommen waren, ob der Preis für die Reinigung durch Asra nicht doch zu hoch war, hatte er nicht mehr den Mut aufgebracht, das Ritual einfach abzubrechen. Ernsthaft erwogen hatte er diesen Schritt ohnehin nie.
Auch die große Unsicherheit, was Nikko in Sinál erwarten würde, hatte seine Konzentration auf die Anrufung nicht allzu sehr stören können. Der Herzog Fydal hatte den jungen Magier ja zu sich zitiert, ohne in seinem Schreiben jedoch anzudeuten, was der Grund für die so kurzfristige Einladung war.
Keiner dieser Zweifel hatte letztlich obsiegt. Inzwischen ging es Nikko nicht einmal mehr nur darum, diesen lästigen Dämon endlich loszuwerden, den Meister Nibegu auf ihn angesetzt hatte. Nein, der junge Zauberer war auch neugierig darauf, was genau passieren würde, wenn er die Invokation erfolgreich zu Ende brachte.
Nun, kurz nach der letzten Anrufung, war Nikko sich absolut sicher, dass alles bestens funktioniert hatte. Zwar hatte sich Asra während dieser Meditation nicht noch einmal gezeigt, aber der Magier fühlte einfach, dass all die schädlichen Einflüsse wie weggeblasen waren. Außerdem wäre ein erneutes Erscheinen Asras ohnehin nicht zu erwarten gewesen.
Es war ein großartiges Gefühl nach dem vollendeten Ritual. Ein Gefühl nicht nur der Befreiung, sondern auch großer Reinheit. Ja, Nikko fühlte sich fast wie neugeboren. Irgendwie schien die Kraft nun viel stärker durch ihn zu fließen, auch viel ungestörter und direkter.
Diese Empfindung war sogar deutlich stärker als erwartet. Eigentlich war es ja nur darum gegangen, diesen lästigen Dämon zu vertreiben. Aber so frisch hatte sich der junge Magier seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt – wenn überhaupt je.
Moment mal! Hatte ihn das Wesen etwa auch von anderen negativen Einflüssen befreit? Wenn ja, von welchen? Wer oder was hatte sie verursacht?
Da stimmte doch etwas nicht! Hatte der Orden ihn vielleicht heimlich mit irgendwelchen Mustern belegt? Oder war es der Nekromant gewesen, oder sogar Peryndor? Das wäre ja eine Unverschämtheit!
Noch mehr Fragen also. Als ob es nicht ohnehin schon genug gab, was Nikko noch herausfinden musste! Sein Versprechen an diese Asra, tausend Tage lang die Finger von der Finsternis zu lassen, machte es zudem unmöglich, einen Dämon danach zu fragen. Er musste sich also nach einer anderen Möglichkeit umschauen, die Machenschaften seiner werten Kollegen aufzudecken.
Nun aber wollte Nikko sich erst einmal etwas gönnen, auf was er den ganzen letzten Monat lang hatte verzichten müssen, nämlich ein ausgiebiges Schläfchen!
Trotz aller Bemühungen, wieder einmal richtig auszuschlafen, war Nikko auch am folgenden Morgen schon vor den ersten Sonnenstrahlen hellwach. Er hatte sich mittlerweile wohl zu sehr an den neuen Rhythmus gewöhnt.
Da den Zauberer ohnehin keine allzu große Müdigkeit plagte, entschied er sich, die morgendliche Ruhe für einen Spaziergang durch seine Burg zu nutzen. Zwar hätte er in dieser Zeit auch wieder etwas meditieren können, fühlte sich dafür jedoch zu energiegeladen.
Oben, auf der Plattform seines Turmes, wohin ihn sein Weg als Erstes führte, genoss er nun das Morgenrot am Horizont im Osten. Die Luft war klar und kühl. Kühler als erwartet, doch war es mittlerweile ja bereits später Herbst. In den nächsten Wochen könnte der erste Schnee fallen, oder auch schon in einigen Tagen.
Vermutlich wollte Fydal den Zauberer noch vor dem Winter sehen und hatte ihn nur deswegen so kurzfristig zu sich zitiert. Vielleicht galt diese Aufforderung ja nicht nur Nikko, sondern auch anderen Vasallen des Herzogs oder gar allen. Es war auf jeden Fall eine ziemliche Dreistigkeit, ihn, den Zauberer einfach so zu sich zu zitieren, ohne dafür irgendwelche Gründe zu nennen.
So oder so, das Schreiben war bereits vor etwa einer Woche angekommen. Es war also höchste Zeit, nach Sinál zu reisen, oder?
Es kam natürlich darauf an, ob der Herzog erwartete, dass Nikko sich gleich zu ihm teleportierte oder aber auf normalem Wege kam. Letzteres würde gute drei bis vier Wochen dauern und erschien dem Magier irgendwie wahrscheinlicher, auch wenn er nicht wusste, warum. Er hatte demnach vermutlich noch einige Tage Zeit.
Nikko würde zunächst ohnehin viel lieber nach Zundaj zurückkehren, um dort mit Peryndor den Ausgang der Anrufung zu besprechen. Im Anschluss an dieses aufregende Ritual hatte er einfach das Bedürfnis, seine Erfahrungen mit einem Kollegen zu teilen.
Naja, wenn das mal nicht nur eine feige Ausrede war. Immerhin gab es jede Menge Dinge, die Nikko lieber täte, als ausgerechnet nach Sinál zu reisen, um dort Fydal unter die Augen zu treten – oder, viel schlimmer noch, der Herzogin!
Trotzdem, er war in erster Linie ein Zauberer. So ein wichtiges Ritual, wie die Anrufung der Asra, mit seinem ehemaligen Mentor auszuwerten, kam unbedingt an erster Stelle. Wenn der Besuch in Zundaj nicht viel länger als ein paar Tage dauerte, könnte Nikko ohnehin früher in Sinál sein, als Fydal es erwarten dürfte.
Ja, das klang doch nach einem guten Plan. Am liebsten hätte sich der junge Zauberer sofort nach Zundaj teleportiert. Allerdings hatte er sich während der Anrufung, wie auch schon in den Tagen davor, hier auf seiner Burg ziemlich rar gemacht. Bevor er abreiste, sollte er daher zunächst einmal nach dem Rechten sehen.
Bis zum Frühstück, welches das erste Mal seit Anfang der Anrufung nicht aus beschworenem Fraß bestehen sollte, war Nikko durch seine Burg geschlendert und hatte sich in kurzen Gesprächen mit einigen der niederen Untertanen davon überzeugt, dass hier im Grunde alles gut lief.
Da ihm zu so früher Stunde jedoch noch niemand von Rang über den Weg lief, überlegte der Zauberer, ob er für den Vormittag nicht eine kleine Sitzung mit seinem Rat einberufen sollte. Zwar fand er an diesen Besprechungen nie großen Gefallen, sollte aber dennoch viel öfter daran teilnehmen.
Ja, er käme wohl ohnehin nicht länger darum herum. Wenn er den Rat selbst einberief, könnte das seinem Ansehen nur gut tun. Immerhin würde dies zeigen, dass er sich nun mehr um sein Lehen kümmern wollte. So winkte Nikko schnell einen Diener zu sich, um alles Nötige in die Wege leiten zu lassen.
»Guten Morgen, Meister Nikko«, überraschte Peryndor den jungen Zauberer, als dieser etwa eine halbe Stunde später tief in Gedanken versunken in den Speisesaal kam und sich auf ein ordentliches Morgenmahl freute.
»Großmeister?«, war Nikko verblüfft. »Was macht Ihr denn hier?«
»Ich gehe doch Recht in der Annahme, dass Ihr die Anrufung der Asra in der vergangenen Nacht beendet habt?«, antwortete der Alte. »Natürlich bin ich am Ausgang des Rituals interessiert.«
»Ich selbst habe mich ja nie in eine Situation gebracht, die eine solche Invokation nötig gemacht hätte«, grinste er dann selbstgefällig. »Daher bin ich auf Eure Erfahrungen schon ganz gespannt.«
Ach ja, dem Großmeister war ja bekannt, dass die Anrufung genau einen Mondzyklus dauerte. So wusste er natürlich auch, dass das Ritual in der vergangenen Nacht beendet worden war.
»Es ist alles überstanden«, nickte der junge Zauberer und lächelte: »Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Anrufung geglückt ist.«
»Ich zweifle stark, dass Glück etwas damit zu tun hatte«, zuckte Peryndor mit den Schultern und beäugte Nikko schließlich genauer. »Ja, ich kann erkennen, dass Ihr … gereinigt seid. Sehr gut!«
»So prächtig habe ich mich in der Tat seit Langem nicht gefühlt«, nickte der junge Zauberer und setzte sich an den Frühstückstisch, wo dampfender Tee und frisches Gebäck lockten. »Nach einem ausgiebigen Morgenmahl werde ich mich aber noch viel besser fühlen.«
»Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass Fasten ein Bestandteil der Anrufung war«, kraulte sich Peryndor den langen Rauschebart.
»Fasten?«, war Nikko verwirrt. »Nein, einige Speisen waren zwar verboten … aber ich spielte eher darauf an, dass ich mir während der Anrufung meine Mahlzeiten lieber beschworen habe, um gar nicht erst Gefahr zu laufen, dass meine Diener mich bei einer der unzähligen Meditationen stören.«
»Ich verstehe«, nickte der Großmeister. »Ihr tatet sicherlich gut daran.«
»Nun aber berichtet mir doch von Einzelheiten!«, drängte er dann und griff ebenfalls zum Gebäck. »Immerhin seid Ihr der einzige mir bekannte Meister, der diese Anrufung je absolviert hat. Nun ja, jedenfalls der einzige, der es je zugeben würde.«
»Was soll das denn heißen?«, verstand Nikko nicht, worauf der Alte nun schon wieder hinaus wollte.
»Nun, die wenigsten Meister würden damit hausieren gehen, wenn sie eine derartige Reinigung nötig gehabt hätten«, grinste Peryndor gemein. »Auch wenn sie sich durch eine erfolgreiche Anrufung noch so interessant machen könnten, wäre deren schiere Notwendigkeit … eher peinlich, wenn nicht gar verdächtig.«
Der Großmeister schien ja wieder einmal in Höchstform zu sein und machte es Nikko damit schwer, unbefangen über die Sache zu sprechen. Nein, jegliche Lust, seine Erfahrungen mit dem Alten zu teilen, war jetzt auf einmal verflogen.
Dennoch, der junge Zauberer durfte seinen einzigen Verbündeten nicht zu sehr verprellen. Ein paar Einzelheiten musste er dem Großmeister also präsentieren – in der Hoffnung, dass dieser bald Ruhe gäbe.
»Es ist natürlich sehr peinlich, dass ich von einem der größten Meister des Südens angegriffen wurde«, konnte sich Nikko eine passende Antwort dennoch nicht verkneifen. »Oder ist es gar … verdächtig.«
»Vergesst dabei nicht, womit er Euch angreift«, knurrte der Alte. »Vergesst auch nicht, wer ihm dieses … Kunststückchen erst beigebracht hat.«
»Aber kommen wir nun zu den Details«, wechselte er schnell das Thema. »Ist Euch Asra bei Vollmond erschienen, ganz so wie das Buch es beschreibt?«
»Ja, das ist sie«, bestätigte Nikko und trotzte dann: »Warum hätte sie auch nicht erscheinen sollen?«
»Hat sie einen Preis gefordert?«, ignorierte der Großmeister Nikkos Frage.
Der junge Zauberer überlegte kurz, ob er dem Alten solche Einzelheiten wirklich verraten sollte. Vor allem sein Versprechen, eintausend Tage lang die Finger von den Dämonen zu lassen, wäre zu viel der Genugtuung für Peryndor. Nein, den Triumph wollte Nikko ihm nicht gönnen!
»Die Einzelheiten meines Handels mit Asra sind … vertraulich«, log der Zauberer und pokerte: »Das solltet Ihr eigentlich wissen.«
»Als ob ich mich an alle Details im Buch erinnern könnte«, rollte Peryndor die Augen. »Nun …«
Ein Klopfen an die Tür des Speisesaals unterbrach den Großmeister. Wie schade, giftete Nikko innerlich und war noch immer stolz, dass seine Finte mit dem Handel so gut funktioniert hatte.
»Herein!«, rief er dann und ein Diener zeigte sich in der Tür.
»Eure Erlaucht«, verbeugt er sich und fuhr fort: »Euer Stab versammelt wie befohlen zu einer Besprechung und ist in Kürze bereit.«
»Sehr gut«, freute sich Nikko. »Dann will ich ihn nicht länger warten lassen. Wir sehen uns mit Sicherheit später noch, Großmeister.«
Natürlich hätte Nikko seinen Stab auch warten lassen und in aller Ruhe sein Frühstück beenden können. Dann wäre er jetzt zwar weniger hungrig, hätte dafür jedoch die Gelegenheit versäumt, Peryndor wenigstens für einige Stunden wieder loszuwerden.
Zur Freude des jungen Zauberers hatten die Diener im Sitzungssaal eine Schale Gebäck aufgetischt. Den zunächst noch fehlenden Tee hatte Nikko gleich nachbestellt, so dass nun die zweite Hälfte seines Morgenmahls ihres Verzehrs harrte.
Während der Burgherr genüsslich an einer Tasse mit dampfendem Tee nippte, kam auch der Major in den Saal geschritten und nahm am Tisch zu Nikkos Rechten Platz. Der Kastellan und sein Schreiberling hatten indes schon die ganze Zeit am Tisch gesessen und geduldig gewartet.
Als Nikko den letzten Bissen seines Gebäcks heruntergeschluckt und mit etwas Tee nachgespült hatte, gesellte sich letztlich auch noch der Hauptmann von Baldhon dazu und nahm neben dem Major Platz.
»Eure Erlaucht«, richtete der Kastellan schließlich das Wort an Nikko, »Euer Rat ist nun vollzählig, wie befohlen.«
»Gut«, freute sich Nikko und wendete sich als Erstes an den Hauptmann: »Ihr seid also wieder völlig gesundet, von Baldhon?«
»Das bin ich«, versicherte der Soldat. »Doch lasst mich Euch noch einmal für meine … das heißt natürlich, unsere … ähm … einem Wunder gleich kommende Errettung danken.«
»Mich würde viel mehr interessieren, wie Ihr überhaupt in diese missliche Lage geraten seid«, wiegelte Nikko ab. »Warum eskortierte der Befehlshaber meiner Truppen einen schnöden Steintransport?«
»Nun, um … genau zu sein … ähm«, stammelte der Major, »die Truppen unterstehen … eigentlich noch immer … Seiner Hoheit.«
»Was hat das mit meiner Frage zu tun?«, wurde der Zauberer gereizt.
»Es geht darum …«, druckste der Major von Peryl weiter und schwitzte dabei ungeheuerlich. »Es geht um die … Angemessenheit der Verwendung der Euch … überlassenen Truppen des Herzogs.«
»Wir sind … waren … der Überzeugung«, keuchte er, »eine Eskorte wäre … vielleicht nicht das, was … Seine Hoheit … der Herzog …«
»Ihr wart dieser Überzeugung«, giftete der Hauptmann. »Ihr, nicht wir!«
»Die herzogliche Truppen sind hier, um die Burg zu sichern«, bellte der Major, nun selbstsicherer, und pochte dabei mit seinem Zeigefinger mehrmals kräftig auf den Tisch. »Von Eskortierungen entlang der Handelswege war niemals die Rede!«
»Beruhigt Euch doch bitte, werter Kommandant«, bat der Kastellan in freundlichstem Ton. »Diese Bitte sei auch an Euch gerichtet, werter Hauptmann.«
»Es ist in der Tat so, dass die auf Halfuár stationierten Truppen herzogliche sind«, erklärte er dann. »Sie dienen vor allem der Sicherung der Burg, die über den Vyldampass wacht. Ob eine Sicherung anderer Handelswege dazu gehört, ist … unklar.«
»Soso«, fiel Nikko keine bessere Antwort ein, doch dann: »Wer entscheidet das denn?«
»Der Herzog oder, in dessen Abwesenheit, Ihr, Eure Erlaucht«, antwortete von Abâr, der Kastellan der Burg. »Doch leider wart Ihr nicht vor Ort … und habt keinen Statthalter benannt, der Euch in allen Belangen vertreten könnte.«
Natürlich, jetzt versuchten sie also, ihm alles in die Schuhe zu schieben. Wenn es nötig gewesen wäre, einen Statthalter zu ernennen, dann hätte man es ihm doch sagen müssen! Außerdem war Nikko davon ausgegangen, dass der Kastellan ebendiese Rolle innehatte.
»Von Abâr, seid Ihr nicht mein Stellvertreter?«, wusste der Zauberer nicht, ob er sich ärgern oder verzweifeln sollte.
»Eure Erlaucht, ich bin nur Euer Kastellan«, verbeugte sich dieser. »Als solcher verwalte ich lediglich Euren Besitz. In militärischen und diplomatischen Angelegenheiten, die Euer Lehen betreffen, habe ich eigentlich kein großes Mitspracherecht.«
»Mir geht es ganz ähnlich«, zuckte der Major die Schultern. »Ich bin tatsächlich nur für die militärischen Belange der Burg an sich zuständig, vor allem natürlich für alles, was ihre Verteidigung betrifft.«
»Alle anderen militärischen Angelegenheiten obliegen Eurem Kommandeur«, fügte er brummend hinzu.
»Der jedoch nur über eine Handvoll eigener Soldaten verfügt«, erwiderte der sich angesprochen fühlende Hauptmann. »Verfügte, muss man nun leider sagen.«
Nun verstand Nikko besser, was damals vorgefallen sein musste. Der Hauptmann war zwar dafür verantwortlich, die Transporte zu beschützen, da diese nicht zur Festung an sich gehörten. Er hatte jedoch gerade einmal genügend Männer für eine einzelne Eskorte, und diese hatte notgedrungen auch ihn selbst eingeschlossen.
Der Major, dem offenbar die meisten auf Halfuár stationierten Soldaten unterstanden, war hingegen nur für die Verteidigung der Burg zuständig. Daher hatte der Kommandant seine Männer auch nicht für die Eskorte hergeben wollen. Der junge Burgherr hätte es ihm zwar befehlen können, weilte zu diesem Zeitpunkt jedoch im fernen Süden.
Der Kastellan, den Nikko eigentlich für seinen Stellvertreter gehalten hatte, verwaltete offenbar nur seine Besitztümer, also die Burg und das sie umgebende Land. Darüber hinaus schien er kaum Befugnisse zu haben.
»Von Abâr«, keuchte der Zauberer, »ich will, dass Ihr von nun an mein Statthalter seid und mich in meiner Abwesenheit hier in allen Belangen vertretet.«
Obwohl Nikko von den Fähigkeiten seines Kastellans noch lange nicht restlos überzeugt war, fiel ihm auf die Schnelle keine bessere Lösung ein. Allerdings war es einfach kein haltbarer Zustand, dass hier jedes Mal alles ins Stocken geriet, wenn der Burgherr abwesend war. Immerhin stand seine nächste Reise nach Sinál bald an.
»Eure Erlaucht«, verneigte sich von Abâr, »ich fürchte, das ist nicht ohne Weiteres möglich. Auch ich unterstehe schließlich Seiner Hoheit direkt und darf Euer Angebot daher nicht ohne dessen ausdrückliche Erlaubnis annehmen.«
»Wer soll mich denn sonst vertreten, wenn ich in Kürze nach Sinál reise?«, maulte Nikko. »Ich weiß schließlich nicht, wie lange ich dort verweilen werde.«
»Eure Erlaucht, es steht Euch prinzipiell frei, aus den Reihen Eurer eigenen Vasallen einen Seneschall zu ernennen«, erklärte der Kastellan. »Doch solltet Ihr dabei einiges beachten, um nicht großen … Unmut unter Euren Untergebenen zu erzeugen.«
»Was denn für Unmut?«, verstand Nikko nicht, worauf der Beamte anspielte.
»Der Posten des Seneschalls ist das höchste Amt, das Ihr an Eurem Hofe zu vergeben habt«, lächelte von Abâr. »Der Seneschall ist Euch immerhin nahezu gleichgestellt, Eure Erlaucht.«
»Daher solltet Ihr dieses Amt nur an eine Person übertragen, die von entsprechendem … Stande ist«, fuhr er fort. »Für Eure Grafschaft käme eigentlich nur ein Nachgeborener aus einer anderen gräflichen Familie in Frage. Jemand von niedrigerer Herkunft wäre … vermutlich eine Beleidigung für Euren Hof, würde zudem wohl auch Neid und Missgunst schüren. Jemand von noch höherer Herkunft würde sich mit diesem Amt hingegen selbst erniedrigen.«
Das wurde ja immer komplizierter! Wo sollte Nikko denn einen Nachgeborenen gräflicher Herkunft auftreiben, dem er dann auch noch vertrauen konnte?
»Ich rate Euch, diese Angelegenheit mit Seiner Hoheit zu besprechen«, erriet der Kastellan Nikkos Gedanken. »Es steht zu vermuten, dass sich in dessen Entourage einige geeignete Kandidaten für dieses Amt befinden.«
Das war vielleicht gar keine so schlech