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N. Bernhardt

Buch XV: Eine Frage der Ehre

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch XV: Eine Frage der Ehre

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954186-20-4

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Nach dem Ri­tu­al

Zwei­tes Ka­pi­tel: Al­les halb so schlimm

Drit­tes Ka­pi­tel: Der Her­zog au­ßer Rand und Band

Vier­tes Ka­pi­tel: Blick in die Zu­kunft

Fünf­tes Ka­pi­tel: Die Zu­kunft im Blick

Sechs­tes Ka­pi­tel: Ein selt­sa­mes Bünd­nis

Sieb­tes Ka­pi­tel: Zei­chen der Zeit

Aus­blick

Ornament

Ei­ne Wei­le lang geht dies­mal al­les gut. Die An­ru­fung der Asra kann ohne Pro­ble­me be­en­det wer­den und so­gar der Be­such bei Fy­dal ver­läuft glimpf­li­cher als ge­dacht.

Dann aber bringt der Her­zog Nik­ko in eine Zwick­müh­le, aus der ihm nur eine Schau in die Zu­kunft den Aus­weg zeigt. Was dem Zau­be­rer da of­fen­bart wird, hat es je­doch in sich!

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Nach dem Ritual

Beim nächs­ten Neu­mond fand um Mit­ter­nacht schließ­lich die letz­te An­ru­fung statt, in wel­cher Nik­ko den Han­del mit Asra noch ein­mal be­kräf­tig­te und der We­sen­heit für ihre Hil­fe dank­te.

Ob­wohl dem Zau­be­rer in den ver­gan­ge­nen Ta­gen oft ge­nug Zwei­fel ge­kom­men wa­ren, ob der Preis für die Rei­ni­gung durch Asra nicht doch zu hoch war, hat­te er nicht mehr den Mut auf­ge­bracht, das Ri­tu­al ein­fach ab­zu­bre­chen. Ernst­haft er­wo­gen hat­te er die­sen Schritt oh­ne­hin nie.

Auch die große Un­si­cher­heit, was Nik­ko in Sinál er­war­ten wür­de, hat­te sei­ne Kon­zen­tra­ti­on auf die An­ru­fung nicht all­zu sehr stö­ren kön­nen. Der Her­zog Fy­dal hat­te den jun­gen Ma­gier ja zu sich zi­tiert, ohne in sei­nem Schrei­ben je­doch an­zu­deu­ten, was der Grund für die so kurz­fris­ti­ge Ein­la­dung war.

Kei­ner die­ser Zwei­fel hat­te letzt­lich ob­siegt. In­zwi­schen ging es Nik­ko nicht ein­mal mehr nur dar­um, die­sen läs­ti­gen Dä­mon end­lich los­zu­wer­den, den Meis­ter Ni­be­gu auf ihn an­ge­setzt hat­te. Nein, der jun­ge Zau­be­rer war auch neu­gie­rig dar­auf, was ge­nau pas­sie­ren wür­de, wenn er die In­vo­ka­ti­on er­folg­reich zu Ende brach­te.

Nun, kurz nach der letz­ten An­ru­fung, war Nik­ko sich ab­so­lut si­cher, dass al­les bes­tens funk­tio­niert hat­te. Zwar hat­te sich Asra wäh­rend die­ser Me­di­ta­ti­on nicht noch ein­mal ge­zeigt, aber der Ma­gier fühl­te ein­fach, dass all die schäd­li­chen Ein­flüs­se wie weg­ge­bla­sen wa­ren. Au­ßer­dem wäre ein er­neu­tes Er­schei­nen As­ras oh­ne­hin nicht zu er­war­ten ge­we­sen.

Es war ein groß­ar­ti­ges Ge­fühl nach dem vollen­de­ten Ri­tu­al. Ein Ge­fühl nicht nur der Be­frei­ung, son­dern auch großer Rein­heit. Ja, Nik­ko fühl­te sich fast wie neu­ge­bo­ren. Ir­gend­wie schi­en die Kraft nun viel stär­ker durch ihn zu flie­ßen, auch viel un­ge­stör­ter und di­rek­ter.

Die­se Emp­fin­dung war so­gar deut­lich stär­ker als er­war­tet. Ei­gent­lich war es ja nur dar­um ge­gan­gen, die­sen läs­ti­gen Dä­mon zu ver­trei­ben. Aber so frisch hat­te sich der jun­ge Ma­gier seit Ewig­kei­ten nicht mehr ge­fühlt – wenn über­haupt je.

Mo­ment mal! Hat­te ihn das We­sen etwa auch von an­de­ren ne­ga­ti­ven Ein­flüs­sen be­freit? Wenn ja, von wel­chen? Wer oder was hat­te sie ver­ur­sacht?

Da stimm­te doch et­was nicht! Hat­te der Or­den ihn viel­leicht heim­lich mit ir­gend­wel­chen Mus­tern be­legt? Oder war es der Ne­kro­mant ge­we­sen, oder so­gar Pe­ryn­dor? Das wäre ja eine Un­ver­schämt­heit!

Noch mehr Fra­gen also. Als ob es nicht oh­ne­hin schon ge­nug gab, was Nik­ko noch her­aus­fin­den muss­te! Sein Ver­spre­chen an die­se Asra, tau­send Tage lang die Fin­ger von der Fins­ter­nis zu las­sen, mach­te es zu­dem un­mög­lich, einen Dä­mon da­nach zu fra­gen. Er muss­te sich also nach ei­ner an­de­ren Mög­lich­keit um­schau­en, die Ma­chen­schaf­ten sei­ner wer­ten Kol­le­gen auf­zu­de­cken.

Nun aber woll­te Nik­ko sich erst ein­mal et­was gön­nen, auf was er den gan­zen letz­ten Mo­nat lang hat­te ver­zich­ten müs­sen, näm­lich ein aus­gie­bi­ges Schläf­chen!

Trotz al­ler Be­mü­hun­gen, wie­der ein­mal rich­tig aus­zu­schla­fen, war Nik­ko auch am fol­gen­den Mor­gen schon vor den ers­ten Son­nen­strah­len hell­wach. Er hat­te sich mitt­ler­wei­le wohl zu sehr an den neu­en Rhyth­mus ge­wöhnt.

Da den Zau­be­rer oh­ne­hin kei­ne all­zu große Mü­dig­keit plag­te, ent­schied er sich, die mor­gend­li­che Ruhe für einen Spa­zier­gang durch sei­ne Burg zu nut­zen. Zwar hät­te er in die­ser Zeit auch wie­der et­was me­di­tie­ren kön­nen, fühl­te sich da­für je­doch zu ener­gie­ge­la­den.

Oben, auf der Platt­form sei­nes Tur­mes, wo­hin ihn sein Weg als Ers­tes führ­te, ge­noss er nun das Mor­gen­rot am Ho­ri­zont im Os­ten. Die Luft war klar und kühl. Küh­ler als er­war­tet, doch war es mitt­ler­wei­le ja be­reits spä­ter Herbst. In den nächs­ten Wo­chen könn­te der ers­te Schnee fal­len, oder auch schon in ei­ni­gen Ta­gen.

Ver­mut­lich woll­te Fy­dal den Zau­be­rer noch vor dem Win­ter se­hen und hat­te ihn nur des­we­gen so kurz­fris­tig zu sich zi­tiert. Vi­el­leicht galt die­se Auf­for­de­rung ja nicht nur Nik­ko, son­dern auch an­de­ren Va­sal­len des Her­zogs oder gar al­len. Es war auf je­den Fall eine ziem­li­che Dreis­tig­keit, ihn, den Zau­be­rer ein­fach so zu sich zu zi­tie­ren, ohne da­für ir­gend­wel­che Grün­de zu nen­nen.

So oder so, das Schrei­ben war be­reits vor etwa ei­ner Wo­che an­ge­kom­men. Es war also höchs­te Zeit, nach Sinál zu rei­sen, oder?

Es kam na­tür­lich dar­auf an, ob der Her­zog er­war­te­te, dass Nik­ko sich gleich zu ihm tele­por­tier­te oder aber auf nor­ma­lem Wege kam. Letz­te­res wür­de gute drei bis vier Wo­chen dau­ern und er­schi­en dem Ma­gier ir­gend­wie wahr­schein­li­cher, auch wenn er nicht wuss­te, warum. Er hat­te dem­nach ver­mut­lich noch ei­ni­ge Tage Zeit.

Nik­ko wür­de zu­nächst oh­ne­hin viel lie­ber nach Zun­daj zu­rück­keh­ren, um dort mit Pe­ryn­dor den Aus­gang der An­ru­fung zu be­spre­chen. Im An­schluss an die­ses auf­re­gen­de Ri­tu­al hat­te er ein­fach das Be­dürf­nis, sei­ne Er­fah­run­gen mit ei­nem Kol­le­gen zu tei­len.

Naja, wenn das mal nicht nur eine fei­ge Aus­re­de war. Im­mer­hin gab es jede Men­ge Din­ge, die Nik­ko lie­ber täte, als aus­ge­rech­net nach Sinál zu rei­sen, um dort Fy­dal un­ter die Au­gen zu tre­ten – oder, viel schlim­mer noch, der Her­zo­gin!

Trotz­dem, er war in ers­ter Li­nie ein Zau­be­rer. So ein wich­ti­ges Ri­tu­al, wie die An­ru­fung der Asra, mit sei­nem ehe­ma­li­gen Men­tor aus­zu­wer­ten, kam un­be­dingt an ers­ter Stel­le. Wenn der Be­such in Zun­daj nicht viel län­ger als ein paar Tage dau­er­te, könn­te Nik­ko oh­ne­hin frü­her in Sinál sein, als Fy­dal es er­war­ten dürf­te.

Ja, das klang doch nach ei­nem gu­ten Plan. Am liebs­ten hät­te sich der jun­ge Zau­be­rer so­fort nach Zun­daj tele­por­tiert. Al­ler­dings hat­te er sich wäh­rend der An­ru­fung, wie auch schon in den Ta­gen da­vor, hier auf sei­ner Burg ziem­lich rar ge­macht. Be­vor er ab­reis­te, soll­te er da­her zu­nächst ein­mal nach dem Rech­ten se­hen.

Bis zum Früh­stück, wel­ches das ers­te Mal seit An­fang der An­ru­fung nicht aus be­schwo­re­nem Fraß be­ste­hen soll­te, war Nik­ko durch sei­ne Burg ge­schlen­dert und hat­te sich in kur­z­en Ge­sprä­chen mit ei­ni­gen der nie­de­ren Un­ter­ta­nen da­von über­zeugt, dass hier im Grun­de al­les gut lief.

Da ihm zu so frü­her Stun­de je­doch noch nie­mand von Rang über den Weg lief, über­leg­te der Zau­be­rer, ob er für den Vor­mit­tag nicht eine klei­ne Sit­zung mit sei­nem Rat ein­be­ru­fen soll­te. Zwar fand er an die­sen Be­spre­chun­gen nie großen Ge­fal­len, soll­te aber den­noch viel öf­ter dar­an teil­neh­men.

Ja, er käme wohl oh­ne­hin nicht län­ger dar­um her­um. Wenn er den Rat selbst ein­be­rief, könn­te das sei­nem An­se­hen nur gut tun. Im­mer­hin wür­de dies zei­gen, dass er sich nun mehr um sein Le­hen küm­mern woll­te. So wink­te Nik­ko schnell einen Die­ner zu sich, um al­les Nö­ti­ge in die Wege lei­ten zu las­sen.

»Gu­ten Mor­gen, Meis­ter Nik­ko«, über­rasch­te Pe­ryn­dor den jun­gen Zau­be­rer, als die­ser etwa eine hal­be Stun­de spä­ter tief in Ge­dan­ken ver­sun­ken in den Spei­se­saal kam und sich auf ein or­dent­li­ches Mor­gen­mahl freu­te.

»Groß­meis­ter?«, war Nik­ko ver­blüfft. »Was macht Ihr denn hier?«

»Ich gehe doch Recht in der An­nah­me, dass Ihr die An­ru­fung der Asra in der ver­gan­ge­nen Nacht be­en­det habt?«, ant­wor­te­te der Alte. »Na­tür­lich bin ich am Aus­gang des Ri­tuals in­ter­es­siert.«

»Ich selbst habe mich ja nie in eine Si­tua­ti­on ge­bracht, die eine sol­che In­vo­ka­ti­on nö­tig ge­macht hät­te«, grins­te er dann selbst­ge­fäl­lig. »Da­her bin ich auf Eure Er­fah­run­gen schon ganz ge­spannt.«

Ach ja, dem Groß­meis­ter war ja be­kannt, dass die An­ru­fung ge­nau einen Mond­zy­klus dau­er­te. So wuss­te er na­tür­lich auch, dass das Ri­tu­al in der ver­gan­ge­nen Nacht be­en­det wor­den war.

»Es ist al­les über­stan­den«, nick­te der jun­ge Zau­be­rer und lä­chel­te: »Ich kann mit Fug und Recht be­haup­ten, dass die An­ru­fung ge­glückt ist.«

»Ich zweifle stark, dass Glück et­was da­mit zu tun hat­te«, zuck­te Pe­ryn­dor mit den Schul­tern und be­äug­te Nik­ko schließ­lich ge­nau­er. »Ja, ich kann er­ken­nen, dass Ihr … ge­rei­nigt seid. Sehr gut!«

»So präch­tig habe ich mich in der Tat seit Lan­gem nicht ge­fühlt«, nick­te der jun­ge Zau­be­rer und setz­te sich an den Früh­stücks­tisch, wo damp­fen­der Tee und fri­sches Ge­bäck lock­ten. »Nach ei­nem aus­gie­bi­gen Mor­gen­mahl wer­de ich mich aber noch viel bes­ser füh­len.«

»Ich kann mich gar nicht dar­an er­in­nern, dass Fas­ten ein Be­stand­teil der An­ru­fung war«, kraul­te sich Pe­ryn­dor den lan­gen Rau­sche­bart.

»Fas­ten?«, war Nik­ko ver­wirrt. »Nein, ei­ni­ge Spei­sen wa­ren zwar ver­bo­ten … aber ich spiel­te eher dar­auf an, dass ich mir wäh­rend der An­ru­fung mei­ne Mahl­zei­ten lie­ber be­schwo­ren habe, um gar nicht erst Ge­fahr zu lau­fen, dass mei­ne Die­ner mich bei ei­ner der un­zäh­li­gen Me­di­ta­tio­nen stö­ren.«

»Ich ver­ste­he«, nick­te der Groß­meis­ter. »Ihr ta­tet si­cher­lich gut dar­an.«

»Nun aber be­rich­tet mir doch von Ein­zel­hei­ten!«, dräng­te er dann und griff eben­falls zum Ge­bäck. »Im­mer­hin seid Ihr der ein­zi­ge mir be­kann­te Meis­ter, der die­se An­ru­fung je ab­sol­viert hat. Nun ja, je­den­falls der ein­zi­ge, der es je zu­ge­ben wür­de.«

»Was soll das denn hei­ßen?«, ver­stand Nik­ko nicht, wor­auf der Alte nun schon wie­der hin­aus woll­te.

»Nun, die we­nigs­ten Meis­ter wür­den da­mit hau­sie­ren ge­hen, wenn sie eine der­ar­ti­ge Rei­ni­gung nö­tig ge­habt hät­ten«, grins­te Pe­ryn­dor ge­mein. »Auch wenn sie sich durch eine er­folg­rei­che An­ru­fung noch so in­ter­essant ma­chen könn­ten, wäre de­ren schie­re Not­wen­dig­keit … eher pein­lich, wenn nicht gar ver­däch­tig.«

Der Groß­meis­ter schi­en ja wie­der ein­mal in Höchst­form zu sein und mach­te es Nik­ko da­mit schwer, un­be­fan­gen über die Sa­che zu spre­chen. Nein, jeg­li­che Lust, sei­ne Er­fah­run­gen mit dem Al­ten zu tei­len, war jetzt auf ein­mal ver­flo­gen.

Den­noch, der jun­ge Zau­be­rer durf­te sei­nen ein­zi­gen Ver­bün­de­ten nicht zu sehr ver­prel­len. Ein paar Ein­zel­hei­ten muss­te er dem Groß­meis­ter also prä­sen­tie­ren – in der Hoff­nung, dass die­ser bald Ruhe gäbe.

»Es ist na­tür­lich sehr pein­lich, dass ich von ei­nem der größ­ten Meis­ter des Sü­dens an­ge­grif­fen wur­de«, konn­te sich Nik­ko eine pas­sen­de Ant­wort den­noch nicht ver­knei­fen. »Oder ist es gar … ver­däch­tig.«

»Ver­ge­sst da­bei nicht, wo­mit er Euch an­greift«, knurr­te der Alte. »Ver­ge­sst auch nicht, wer ihm die­ses … Kunst­stück­chen erst bei­ge­bracht hat.«

»Aber kom­men wir nun zu den De­tails«, wech­sel­te er schnell das The­ma. »Ist Euch Asra bei Voll­mond er­schie­nen, ganz so wie das Buch es be­schreibt?«

»Ja, das ist sie«, be­stä­tig­te Nik­ko und trotz­te dann: »Wa­rum hät­te sie auch nicht er­schei­nen sol­len?«

»Hat sie einen Preis ge­for­dert?«, igno­rier­te der Groß­meis­ter Nik­kos Fra­ge.

Der jun­ge Zau­be­rer über­leg­te kurz, ob er dem Al­ten sol­che Ein­zel­hei­ten wirk­lich ver­ra­ten soll­te. Vor al­lem sein Ver­spre­chen, ein­tau­send Tage lang die Fin­ger von den Dä­mo­nen zu las­sen, wäre zu viel der Ge­nug­tu­ung für Pe­ryn­dor. Nein, den Tri­umph woll­te Nik­ko ihm nicht gön­nen!

»Die Ein­zel­hei­ten mei­nes Han­dels mit Asra sind … ver­trau­lich«, log der Zau­be­rer und po­ker­te: »Das soll­tet Ihr ei­gent­lich wis­sen.«

»Als ob ich mich an alle De­tails im Buch er­in­nern könn­te«, roll­te Pe­ryn­dor die Au­gen. »Nun …«

Ein Klop­fen an die Tür des Spei­se­saals un­ter­brach den Groß­meis­ter. Wie scha­de, gif­te­te Nik­ko in­ner­lich und war noch im­mer stolz, dass sei­ne Fin­te mit dem Han­del so gut funk­tio­niert hat­te.

»He­rein!«, rief er dann und ein Die­ner zeig­te sich in der Tür.

»Eure Er­laucht«, ver­beugt er sich und fuhr fort: »Euer Stab ver­sam­melt wie be­foh­len zu ei­ner Be­spre­chung und ist in Kür­ze be­reit.«

»Sehr gut«, freu­te sich Nik­ko. »Dann will ich ihn nicht län­ger war­ten las­sen. Wir se­hen uns mit Si­cher­heit spä­ter noch, Groß­meis­ter.«

Na­tür­lich hät­te Nik­ko sei­nen Stab auch war­ten las­sen und in al­ler Ruhe sein Früh­stück be­en­den kön­nen. Dann wäre er jetzt zwar we­ni­ger hung­rig, hät­te da­für je­doch die Ge­le­gen­heit ver­säumt, Pe­ryn­dor we­nigs­tens für ei­ni­ge Stun­den wie­der los­zu­wer­den.

Zur Freu­de des jun­gen Zau­be­rers hat­ten die Die­ner im Sit­zungs­saal eine Scha­le Ge­bäck auf­ge­tischt. Den zu­nächst noch feh­len­den Tee hat­te Nik­ko gleich nach­be­stellt, so dass nun die zwei­te Hälf­te sei­nes Mor­gen­mahls ih­res Ver­zehrs harr­te.

Wäh­rend der Bur­gherr genüss­lich an ei­ner Tas­se mit damp­fen­dem Tee nipp­te, kam auch der Ma­jor in den Saal ge­schrit­ten und nahm am Tisch zu Nik­kos Rech­ten Platz. Der Kas­tel­lan und sein Schrei­ber­ling hat­ten in­des schon die gan­ze Zeit am Tisch ge­ses­sen und ge­dul­dig ge­war­tet.

Als Nik­ko den letz­ten Bis­sen sei­nes Ge­bäcks her­un­ter­ge­schluckt und mit et­was Tee nach­ge­spült hat­te, ge­sell­te sich letzt­lich auch noch der Haupt­mann von Bald­hon dazu und nahm ne­ben dem Ma­jor Platz.

»Eure Er­laucht«, rich­te­te der Kas­tel­lan schließ­lich das Wort an Nik­ko, »Euer Rat ist nun voll­zäh­lig, wie be­foh­len.«

»Gut«, freu­te sich Nik­ko und wen­de­te sich als Ers­tes an den Haupt­mann: »Ihr seid also wie­der völ­lig ge­sun­det, von Bald­hon?«

»Das bin ich«, ver­si­cher­te der Sol­dat. »Doch lasst mich Euch noch ein­mal für mei­ne … das heißt na­tür­lich, un­se­re … ähm … ei­nem Wun­der gleich kom­men­de Er­ret­tung dan­ken.«

»Mich wür­de viel mehr in­ter­es­sie­ren, wie Ihr über­haupt in die­se miss­li­che Lage ge­ra­ten seid«, wie­gel­te Nik­ko ab. »Wa­rum es­kor­tier­te der Be­fehls­ha­ber mei­ner Trup­pen einen schnö­den Stein­trans­port?«

»Nun, um … ge­nau zu sein … ähm«, stam­mel­te der Ma­jor, »die Trup­pen un­ter­ste­hen … ei­gent­lich noch im­mer … Sei­ner Ho­heit.«

»Was hat das mit mei­ner Fra­ge zu tun?«, wur­de der Zau­be­rer ge­reizt.

»Es geht dar­um …«, drucks­te der Ma­jor von Pe­ryl wei­ter und schwitz­te da­bei un­ge­heu­er­lich. »Es geht um die … An­ge­mes­sen­heit der Ver­wen­dung der Euch … über­las­se­nen Trup­pen des Her­zogs.«

»Wir sind … wa­ren … der Über­zeu­gung«, keuch­te er, »eine Es­kor­te wäre … viel­leicht nicht das, was … Sei­ne Ho­heit … der Her­zog …«

»Ihr wart die­ser Über­zeu­gung«, gif­te­te der Haupt­mann. »Ihr, nicht wir!«

»Die her­zog­li­che Trup­pen sind hier, um die Burg zu si­chern«, bell­te der Ma­jor, nun selbst­si­che­rer, und poch­te da­bei mit sei­nem Zei­ge­fin­ger mehr­mals kräf­tig auf den Tisch. »Von Es­kor­tie­run­gen ent­lang der Han­dels­we­ge war nie­mals die Rede!«

»Be­ru­higt Euch doch bit­te, wer­ter Kom­man­dant«, bat der Kas­tel­lan in freund­lichs­tem Ton. »Die­se Bit­te sei auch an Euch ge­rich­tet, wer­ter Haupt­mann.«

»Es ist in der Tat so, dass die auf Hal­fuár sta­tio­nier­ten Trup­pen her­zog­li­che sind«, er­klär­te er dann. »Sie die­nen vor al­lem der Si­che­rung der Burg, die über den Vyldam­pass wacht. Ob eine Si­che­rung an­de­rer Han­dels­we­ge dazu ge­hört, ist … un­klar.«

»Soso«, fiel Nik­ko kei­ne bes­se­re Ant­wort ein, doch dann: »Wer ent­schei­det das denn?«

»Der Her­zog oder, in des­sen Ab­we­sen­heit, Ihr, Eure Er­laucht«, ant­wor­te­te von Abâr, der Kas­tel­lan der Burg. »Doch lei­der wart Ihr nicht vor Ort … und habt kei­nen Statt­hal­ter be­nannt, der Euch in al­len Be­lan­gen ver­tre­ten könn­te.«

Na­tür­lich, jetzt ver­such­ten sie also, ihm al­les in die Schu­he zu schie­ben. Wenn es nö­tig ge­we­sen wäre, einen Statt­hal­ter zu er­nen­nen, dann hät­te man es ihm doch sa­gen müs­sen! Au­ßer­dem war Nik­ko da­von aus­ge­gan­gen, dass der Kas­tel­lan eben­die­se Rol­le in­ne­hat­te.

»Von Abâr, seid Ihr nicht mein Stell­ver­tre­ter?«, wuss­te der Zau­be­rer nicht, ob er sich är­gern oder ver­zwei­feln soll­te.

»Eure Er­laucht, ich bin nur Euer Kas­tel­lan«, ver­beug­te sich die­ser. »Als sol­cher ver­wal­te ich le­dig­lich Eu­ren Be­sitz. In mi­li­tä­ri­schen und di­plo­ma­ti­schen An­ge­le­gen­hei­ten, die Euer Le­hen be­tref­fen, habe ich ei­gent­lich kein großes Mit­spra­che­recht.«

»Mir geht es ganz ähn­lich«, zuck­te der Ma­jor die Schul­tern. »Ich bin tat­säch­lich nur für die mi­li­tä­ri­schen Be­lan­ge der Burg an sich zu­stän­dig, vor al­lem na­tür­lich für al­les, was ihre Ver­tei­di­gung be­trifft.«

»Alle an­de­ren mi­li­tä­ri­schen An­ge­le­gen­hei­ten ob­lie­gen Eu­rem Kom­man­deur«, füg­te er brum­mend hin­zu.

»Der je­doch nur über eine Hand­voll ei­ge­ner Sol­da­ten ver­fügt«, er­wi­der­te der sich an­ge­spro­chen füh­len­de Haupt­mann. »Ver­füg­te, muss man nun lei­der sa­gen.«

Nun ver­stand Nik­ko bes­ser, was da­mals vor­ge­fal­len sein muss­te. Der Haupt­mann war zwar da­für ver­ant­wort­lich, die Trans­por­te zu be­schüt­zen, da die­se nicht zur Fes­tung an sich ge­hör­ten. Er hat­te je­doch ge­ra­de ein­mal ge­nü­gend Män­ner für eine ein­zel­ne Es­kor­te, und die­se hat­te not­ge­drun­gen auch ihn selbst ein­ge­schlos­sen.

Der Ma­jor, dem of­fen­bar die meis­ten auf Hal­fuár sta­tio­nier­ten Sol­da­ten un­ter­stan­den, war hin­ge­gen nur für die Ver­tei­di­gung der Burg zu­stän­dig. Da­her hat­te der Kom­man­dant sei­ne Män­ner auch nicht für die Es­kor­te her­ge­ben wol­len. Der jun­ge Bur­gherr hät­te es ihm zwar be­feh­len kön­nen, weil­te zu die­sem Zeit­punkt je­doch im fer­nen Sü­den.

Der Kas­tel­lan, den Nik­ko ei­gent­lich für sei­nen Stell­ver­tre­ter ge­hal­ten hat­te, ver­wal­te­te of­fen­bar nur sei­ne Be­sitz­tü­mer, also die Burg und das sie um­ge­ben­de Land. Dar­über hin­aus schi­en er kaum Be­fug­nis­se zu ha­ben.

»Von Abâr«, keuch­te der Zau­be­rer, »ich will, dass Ihr von nun an mein Statt­hal­ter seid und mich in mei­ner Ab­we­sen­heit hier in al­len Be­lan­gen ver­tre­tet.«

Ob­wohl Nik­ko von den Fä­hig­kei­ten sei­nes Kas­tel­lans noch lan­ge nicht rest­los über­zeugt war, fiel ihm auf die Schnel­le kei­ne bes­se­re Lö­sung ein. Al­ler­dings war es ein­fach kein halt­ba­rer Zu­stand, dass hier je­des Mal al­les ins Sto­cken ge­riet, wenn der Bur­gherr ab­we­send war. Im­mer­hin stand sei­ne nächs­te Rei­se nach Sinál bald an.

»Eure Er­laucht«, ver­neig­te sich von Abâr, »ich fürch­te, das ist nicht ohne Wei­te­res mög­lich. Auch ich un­ter­ste­he schließ­lich Sei­ner Ho­heit di­rekt und darf Euer An­ge­bot da­her nicht ohne des­sen aus­drück­li­che Er­laub­nis an­neh­men.«

»Wer soll mich denn sonst ver­tre­ten, wenn ich in Kür­ze nach Sinál rei­se?«, maul­te Nik­ko. »Ich weiß schließ­lich nicht, wie lan­ge ich dort ver­wei­len wer­de.«

»Eure Er­laucht, es steht Euch prin­zi­pi­ell frei, aus den Rei­hen Eu­rer ei­ge­nen Va­sal­len einen Se­ne­schall zu er­nen­nen«, er­klär­te der Kas­tel­lan. »Doch soll­tet Ihr da­bei ei­ni­ges be­ach­ten, um nicht großen … Un­mut un­ter Eu­ren Un­ter­ge­be­nen zu er­zeu­gen.«

»Was denn für Un­mut?«, ver­stand Nik­ko nicht, wor­auf der Be­am­te an­spiel­te.

»Der Pos­ten des Se­ne­schalls ist das höchs­te Amt, das Ihr an Eu­rem Hofe zu ver­ge­ben habt«, lä­chel­te von Abâr. »Der Se­ne­schall ist Euch im­mer­hin na­he­zu gleich­ge­stellt, Eure Er­laucht.«

»Da­her soll­tet Ihr die­ses Amt nur an eine Per­son über­tra­gen, die von ent­spre­chen­dem … Stan­de ist«, fuhr er fort. »Für Eure Graf­schaft käme ei­gent­lich nur ein Nach­ge­bo­re­ner aus ei­ner an­de­ren gräf­li­chen Fa­mi­lie in Fra­ge. Je­mand von nied­ri­ge­rer Her­kunft wäre … ver­mut­lich eine Be­lei­di­gung für Eu­ren Hof, wür­de zu­dem wohl auch Neid und Miss­gunst schü­ren. Je­mand von noch hö­he­rer Her­kunft wür­de sich mit die­sem Amt hin­ge­gen selbst er­nied­ri­gen.«

Das wur­de ja im­mer kom­pli­zier­ter! Wo soll­te Nik­ko denn einen Nach­ge­bo­re­nen gräf­li­cher Her­kunft auf­trei­ben, dem er dann auch noch ver­trau­en konn­te?

»Ich rate Euch, die­se An­ge­le­gen­heit mit Sei­ner Ho­heit zu be­spre­chen«, er­riet der Kas­tel­lan Nik­kos Ge­dan­ken. »Es steht zu ver­mu­ten, dass sich in des­sen En­tou­ra­ge ei­ni­ge ge­eig­ne­te Kan­di­da­ten für die­ses Amt be­fin­den.«

Das war viel­leicht gar kei­ne so schlech­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­