Inhalt

  1. Cover
  2. Über die Autorin
  3. Titel
  4. Impressum
  5. Widmung
  6. KAPITEL EINS
  7. KAPITEL ZWEI
  8. KAPITEL DREI
  9. KAPITEL VIER
  10. KAPITEL FÜNF
  11. KAPITEL SECHS
  12. KAPITEL SIEBEN
  13. KAPITEL ACHT
  14. KAPITEL NEUN
  15. KAPITEL ZEHN
  16. KAPITEL ELF
  17. KAPITEL ZWÖLF
  18. KAPITEL DREIZEHN
  19. KAPITEL VIERZEHN
  20. KAPITEL FÜNFZEHN
  21. KAPITEL SECHZEHN
  22. KAPITEL SIEBZEHN
  23. KAPITEL ACHTZEHN
  24. KAPITEL NEUNZEHN
  25. KAPITEL ZWANZIG

Christine Feehan

UNGEZÄHMTE
NACHT

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch
von Ulrike Moreno

BASTEI ENTERTAINMENT

 

Mit viel Liebe für meine Schwester Denise,
die meine Liebe zu Büchern stets geteilt hat.
Du hast mir immer viel Freude geschenkt.

KAPITEL EINS

Heulend fuhr der Wind durch den schmalen Pass und durchdrang mit seiner bitteren Kälte Isabella Vernaduccis abgetragenes Cape. Fröstelnd zog sie den langen, pelzgefütterten Umhang noch fester um sich und blickte besorgt zu den hohen Felswänden auf, die sich rechts und links von ihr erhoben. Kein Wunder, dass Don DeMarcos Armee noch nie im Kampf besiegt worden war. Es war unmöglich, diese Furcht erregenden Felsen zu erklimmen, die glatt und steil aufragten wie bis in den Himmel reichende Türme.

Da war etwas Dunkles, das an Isabella nagte, ein Eindruck von Gefahr, der sich in den letzten Stunden ihrer Reise immer mehr verstärkt hatte. In der Hoffnung, ein wenig Schutz vor dem unerbittlichen Wind zu erlangen, beugte sie den Kopf tief über die Mähne ihres Pferdes. Ihr Führer war schon vor Stunden umgekehrt und hatte es ihr überlassen, allein den Weg durch den schmalen, kurvigen Pass zu finden. Ihr Pferd war nervös, warf den Kopf zurück und tänzelte schreckhaft hin und her, was alles darauf hinwies, dass es womöglich auch noch durchgehen würde. Isabella hatte das Gefühl, dass irgendetwas, das nur gerade eben außer Sicht war, neben ihnen herlief. Sie konnte ein gelegentliches Grunzen hören, das fast wie ein Husten war – auf jeden Fall ein sehr seltsames Geräusch, das sie noch nie zuvor vernommen hatte.

Isabella beugte sich noch weiter vor und flüsterte ihrem Pferd leise, beruhigende Worte in das nervös zuckende Ohr. Ihre Stute war an sie gewöhnt und vertraute ihr, und obwohl sie am ganzen Körper zitterte, versuchte sie tapfer, den Weg fortzusetzen. Eispartikel stachen wie aufgebrachte Bienen auf Pferd und Reiterin ein, worauf die Stute erschauderte, aber auch weiterhin gehorsam einen Huf vor den anderen setzte.

Isabella war wiederholt vor der Gefahr gewarnt worden, vor allem der durch die wilden Tiere, die frei in den Alpen umherstreiften, doch sie hatte keine andere Wahl gehabt, als sich trotzdem dorthin zu begeben. Irgendwo weiter vor ihr war der einzige Mann, der ihren Bruder vielleicht noch retten konnte. Isabella hatte alles aufgegeben, um hierherzukommen, und würde jetzt bestimmt nicht wieder umkehren. Sie hatte alles verkauft, was sie an Wertsachen besaß, um diesen einen Mann zu finden, ihr letztes Geld dem Führer gegeben und seit zwei Tagen weder etwas gegessen noch geschlafen. Doch das einzig Wichtige im Augenblick war, diesen Don zu finden. Einen anderen Ausweg gab es nicht; sie musste ihn finden und von ihm empfangen werden, egal, wie schwer erreichbar, gefährlich oder mächtig dieser Mann war.

Selbst seine eigenen Leute, die ihm so treu ergeben waren, dass sie sich weigerten, ihr zu helfen, hatten sie gewarnt und ihr geraten, sich von dem Tal fernzuhalten. Don DeMarcos Ländereien waren nahezu grenzenlos, seine Güter riesig. In Dörfern und Siedlungen wurde viel getuschelt über den Mann, auf dessen Schutz die Leute sich verließen, den sie aber auch mehr als jeden anderen fürchteten. Sein Ruf war legendär. Und tödlich. Er galt als unbesiegbar. Ganze Armeen, die versucht hatten, in seine Herrschaftsgebiete einzumarschieren, waren unter Schnee- oder Gesteinslawinen begraben worden. Seine Feinde starben einen schnellen, brutalen Tod. Isabella war trotz aller Warnungen, trotz des Wetters, aller Unfälle und Hindernisse fest auf ihrem Weg geblieben. Sie würde nicht umkehren, egal, wie die Stimmen in dem Wind sie anheulten oder wie eisig kalt der Sturm war. Sie würde diesen Don DeMarco sehen.

Grimmig blickte sie zu den dunklen Wolken auf. »Ich werde dich finden. Und dich sprechen«, schrie sie dem Himmel ihre eigene Herausforderung zu. »Ich bin eine Vernaducci, und wir Vernaduccis geben niemals auf.« Es war ein absurder Gedanke, aber trotzdem war sie nahezu sicher, dass der Besitzer des großartigen Palazzos, zu dem sie unterwegs war, sogar das Wetter befehligte und ihr Hindernisse in den Weg legte. Ein Geräusch, das sich wie das Knirschen von Gestein anhörte, erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie wandte den Kopf und blickte sich stirnrunzelnd nach einem besonders steilen Hang hinter ihr um. Steine rollten den Berg hinunter und rissen dabei andere, noch größere Gesteinsbrocken los. Ihr Pferd machte einen Satz nach vorn und wieherte erschrocken, als ein Hagel von Steinen auf sie herunterprasselte. Isabella hörte das Poltern der Pferdehufe auf dem harten Boden, als das Tier um Halt kämpfte, und spürte, wie seine mächtigen Muskeln sich unter ihr zusammenzogen, als die Stute mit aller Kraft versuchte, zwischen den herumrollenden Steinen auf den Beinen zu bleiben. Isabellas Finger waren schon fast taub, doch sie umklammerte die Zügel noch fester. Sie durfte auf gar keinen Fall aus dem Sattel fallen! Zu Fuß würde sie die bittere Kälte und die Attacken der Wolfsrudel, die das Gebiet durchstreiften, gewiss nicht überleben. Ihr Pferd bockte steifbeinig und auf allen vieren, und jede Bewegung erschütterte Isabella, bis sogar ihre Zähne von dem Aufeinanderschlagen schmerzten.

Es war mehr Verzweiflung als Erfahrung, was sie im Sattel festhielt. Der Wind peitschte ihr Gesicht, bis ihre Augen tränten und ihr fest geflochtenes Haar von der Wut des Sturmes zu einem wilden Durcheinander langer, seidiger Strähnen losgerissen wurde. Isabella stieß ihrer Stute die Stiefelspitzen in die Flanken und trieb sie an, um so schnell wie möglich den Gebirgspass hinter sich zu lassen. Der Winter nahte mit großen Schritten und würde noch heftigere Schneefälle mitbringen. Ein paar Tage später hätte sie es nicht mehr durch den schmalen Pass geschafft.

Fröstelnd und zähneklappernd trieb sie ihr Pferd über den kurvenreichen Pfad. Sowie der Pass hinter ihr lag, fiel der steil aufragende Berg zu ihrer Linken zu einem schmalen, zerbröckelnden und alles andere als stabil aussehenden Vorsprung ab. In der Tiefe unten konnte sie scharfkantige Felsen sehen. Falls ihr Pferd den Halt verlor, würde sie einen Sturz nicht überleben. Isabella zwang sich, ruhig zu bleiben und sich so dicht wie möglich am Berg zu halten, bis ihre Stiefel an dem Fels entlangschrammten. Wieder fielen kleine Steine von oben herab, rollten und hüpften über den schmalen Felsvorsprung, auf dem sie sich befand, und stürzten in den leeren Raum hinab.

Und da verspürte sie mit einem Mal ein seltsames Gefühl der Desorientierung, als bewegte sich die Erde und verschöbe sich … als wäre irgendetwas, das man besser ruhen ließe, durch ihren Eintritt in das Tal erwacht. Mit frischer Wut riss und zerrte der Wind an ihr, während Eiskristalle ihr das Gesicht und jeden Zentimeter unbedeckter Haut zerstachen. Stoisch ritt Isabella jedoch noch eine Stunde weiter, obwohl der Sturm aus allen Richtungen auf sie einstürmte. Er war heftig, brutal und schien sich ausschließlich auf sie zu konzentrieren. Über ihr ballten sich noch dunklere Wolken zusammen, statt von dem Wind vertrieben und aufgelöst zu werden. Isabellas Hände um die Zügel verkrampften sich zu Fäusten. Es hatte hundert Verzögerungstaktiken gegeben – kleinere Zwischenfälle, Unfälle, das Geräusch von scheußlichen, im Wind murmelnden Stimmen und seltsame, giftige Gerüche. Und natürlich auch das Geheul von Wölfen. Das Schlimmste jedoch war das schaurige, weit entfernte Brüllen eines ihr unbekannten Tieres gewesen.

Aber sie konnte und würde nicht umkehren. Sie hatte keine andere Wahl, als ihre Reise fortzusetzen. Langsam neigte sie sogar dazu, die beängstigenden Geschichten zu glauben, die über diesen Don erzählt wurden. Er sei geheimnisvoll, unnahbar, düster und gefährlich, hieß es – ein Mann, dem man besser aus dem Weg ging. Manche sagten, er beherrschte sogar den Himmel, und die Tiere darunter gehorchten ihm. Doch wen kümmerte das schon? Sie musste diesen Mann erreichen und sich auf Gedeih oder Verderb seiner Gnade anheimgeben, wenn es nicht anders ging.

Das Pferd bog um die nächste Kurve, und Isabella verschlug es den Atem. Sie war da! Sie hatte es geschafft. Die Festung war sehr real und keineswegs nur ein Fantasiegebilde. Zum Teil aus Fels, zum Teil aus purem Marmor, ragte sie zwischen den Bergen auf, ein regelrechter Palazzo, geradezu unglaublich groß und weitläufig, soweit sie sehen konnte. Er strahlte jedoch etwas Böses aus in der zunehmenden Abenddämmerung und mit seinen unglaublich vielen Fenstern, die wie leere Augen in den peitschenden Wind hinausstarrten. Das mehrere Stockwerke hohe Gebäude war mit langen Wehrgängen, runden Türmchen und mächtigen Wachtürmen versehen. Isabella konnte große, steinerne Löwen sehen, die die Türme bewachten, und Stein-Harpyien mit rasiermesserscharfen Schnäbeln, die auf den Balken hockten. Leere, aber alles sehende Augen starrten sie aus jeder Richtung an und beobachteten sie still.

Ihre Stute tänzelte wieder nervös, warf den Kopf zurück und verdrehte furchtsam die großen Augen. Isabellas Herz begann so laut zu pochen, dass es ihr in den Ohren dröhnte. Sie hatte es geschafft und hätte eigentlich erleichtert sein müssen, doch sie konnte die in ihr aufsteigende Furcht nicht unterdrücken. Ihr war etwas gelungen, das als unmöglich galt. Sie war mitten in der Wildnis, und was auch immer für eine Art von Mann hier lebte, musste den Legenden nach ebenso ungezähmt sein wie das Land, über das er herrschte.

Isabella schob trotzig das Kinn vor, als sie aus dem Sattel glitt und sich daran festhielt, um nicht hinzufallen. Ihre Füße waren taub, ihre Beine wacklig und kaum noch in der Lage, sie zu tragen. Für eine kleine Weile blieb sie stehen, atmete tief ein und aus und wartete, bis ihre Kräfte wiederkehrten. Dabei starrte sie zu dem castello auf und biss sich auf die Unterlippe. Jetzt, da sie tatsächlich hier war und ihn gefunden hatte, wusste sie nicht, wie sie sich verhalten sollte. Weiße, um die Säulen des Palazzos gewundene Nebelfetzen erzeugten einen unheimlichen Effekt, weil der Nebel trotz des Sturmes, der an ihr zerrte, wie an ihnen verankert zu sein schien.

Sie führte das Pferd so nahe wie möglich an den Palazzo heran und band es dort sehr sorgfältig an einen Baum, weil sie das Tier, ihre einzige Fluchtmöglichkeit, nicht verlieren wollte. Isabella versuchte, der Stute die bebenden Flanken zu streicheln, doch ihre Hände waren ungelenk und steif vor Kälte. »Wir haben es geschafft«, flüsterte sie dem Tier zu. »Grazie.« Dann hüllte sie sich noch fester in den Umhang, zog die Kapuze über den Kopf und verschwand buchstäblich in dem Kleidungsstück. Hin und her gestoßen von dem heftigen Wind, kämpfte sie sich zu den steilen Eingangsstufen vor. Aus irgendeinem Grund war sie überzeugt gewesen, dass das Kastell renovierungsbedürftig sein würde, aber die Stufen unter ihren Füßen waren aus solidem, glänzendem Marmor, der von den winzigen Eispartikeln darauf gefährlich rutschig war.

Die in die mächtigen Flügeltüren eingeschnitzten Löwenköpfe wirkten irgendwie deplatziert so weit draußen in der alpinen Wildnis. Die Augen der Tiere hatten einen wilden Ausdruck, die Mähnen waren strubbelig, und die großen, offen stehenden Mäuler gaben den Blick auf beeindruckende Zähne frei. Da der Türklopfer sich in einem dieser Mäuler befand, war Isabella gezwungen, an diesen Fängen vorbei hineinzugreifen. Nach einem tiefen Atemzug schob sie vorsichtig, um sich nicht die Haut an den scharfen Spitzen zu verletzen, ihre Hand hinein. Als sie den Klopfer fallen ließ, schien das Geräusch durch den ganzen Palazzo zu vibrieren, während der Wind, verärgert, dass sie in den verhältnismäßigen Schutz der vielen Säulen und Mauerstreben entkommen war, wie wild die Fenster peitschte. Zitternd vor Kälte und der Schwäche in ihren Beinen, lehnte sie sich an die Wand und schob die Hände unter den Umhang. Der Mann, den sie suchte, befand sich innerhalb der Mauern des Kastells. Isabella wusste, dass er daheim war, weil sie ihn spüren konnte. Dunkel. Gefährlich. Ein Monster, das dort drinnen auf der Lauer lag und sie beobachtete. Sie wusste es, weil sie Blicke auf sich spürte, bösartige, heimtückische, giftige Blicke. Selbst wenn es nicht dieser Don DeMarco war, lauerte irgendetwas Böses im Inneren des Palazzos, und ihrer besonderen Einfühlsamkeit wegen empfand sie es wie eine Faust ums Herz.

Der Drang, in die Wut des Sturmes zurückzulaufen, war stark. Ihr Überlebenstrieb riet ihr, im Schutz des großen Kastells zu bleiben, doch statt darauf zu hören, lehnte sich plötzlich alles in ihr dagegen auf. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, noch einmal anzuklopfen. Selbst ihre enorme Willenskraft schien sie im Stich zu lassen, und sie wandte sich tatsächlich wieder dem peitschenden Wind zu, bereit, es zu riskieren. Dann jedoch zügelte Isabella ihre mit ihr durchgehende Fantasie. Sie würde nicht in Panik geraten und zu ihrem Pferd zurücklaufen! Sie griff sogar nach dem massiven Türrahmen und grub ihre Fingernägel hinein, um sich daran festzuhalten.

Das Knarren der Tür warnte sie, obwohl es nur sehr leise war. Leise, aber beunruhigend. Furcht einflößend. Ein Anzeichen von Gefahr. Im Haus war es dunkel, und vor Isabella stand nun ein älterer, schwarz gekleideter Mann und schaute sie bedauernd an. »Der Herr wird niemanden empfangen.«

Isabella rührte sich nicht von der Stelle. Vor ein paar Sekunden hatte sie nichts anderes gewollt, als zu ihrem Pferd zurückzulaufen und wegzureiten, so schnell sie konnte. Doch jetzt war sie empört. Der Sturm, der sich in eine regelrechte Raserei hineinsteigerte, trieb Eisplatten vor sich her, die auf der Erde aufschlugen und sie mit weißen Kristallen bedeckten. Bevor die Tür geschlossen wurde, stellte Isabella blitzschnell einen Fuß in den Spalt, steckte die eiskalten Hände in die Taschen und holte tief Luft, um ihr Zittern zu beruhigen. »Nun, dann wird er es sich anders überlegen müssen. Ich werde ihn sehen. Ihm bleibt gar keine andere Wahl.«

Der Diener stand mit unbewegter Miene da und starrte sie an. Er trat weder zur Seite, noch öffnete er die Tür weiter, um Isabella Einlass zu gewähren.

Sie weigerte sich, den Blick von ihm abzuwenden und den warnenden Stimmen nachzugeben, die sie anschrien wegzulaufen, solange sie es noch konnte. Der Sturm hatte inzwischen seine volle Kraft erreicht; der heulende Wind schleuderte sogar in den Schutz des überdachten Eingangsbereiches Eisstückchen, die sich wie Speere anfühlten. »Ich muss mein Pferd in Ihren Stall bringen. Bitte zeigen Sie ihn mir sofort!«, verlangte sie mit trotzig vorgeschobenem Kinn und starrte den Diener an, bis er den Blick abwandte.

Der Mann zögerte, schaute über die Schulter in das dunkle Innere des Hauses und schlüpfte dann hinaus, wobei er leise die Tür hinter sich schloss. »Sie müssen diesen Ort verlassen. Schnell!«, flüsterte er. Seine Augen waren unruhig, seine knotigen Hände zitterten. »Gehen Sie, solange Sie es noch können!« Verzweiflung lag in seinem flehentlichen Blick. Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern, das im Heulen des Sturmes fast unterging.

Isabella konnte sehen, dass seine Warnung ehrlich gemeint war, und ihr Herz geriet vor Furcht fast völlig aus dem Takt. Was war so schrecklich in dem Haus, dass dieser Mann sie lieber in einen eisigen Schneesturm hinausschickte, um ihr Leben in dieser unwirtlichen Natur aufs Spiel zu setzen, statt sie eintreten zu lassen? Seine vorher noch so ausdruckslosen Augen waren jetzt voller Beklommenheit. Isabella musterte ihn einen Moment und versuchte, seine Motive zu ergründen. Er strahlte eine ruhige Würde und sehr viel Stolz aus, aber sie konnte auch seine Furcht riechen, die wie Schweiß aus seinen Poren drang.

Die Tür öffnete sich einen Spalt, nicht mehr, und der Diener versteifte sich. Eine ältere Frau streckte den grauhaarigen Kopf hinaus. »Betto, der Herr hat gesagt, sie soll hereinkommen.«

Der Diener schien für einen winzigen Moment in sich zusammenzusacken und tastete nach dem Türrahmen, um sich daran festzuhalten. Doch dann verbeugte er sich tief vor Isabella. »Ich werde mich persönlich um Euer Pferd kümmern«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme.

Isabella blickte zu den hohen Mauern des Palazzos auf, der eine regelrechte Festung war mit seinen großen, hohen, massiven Türen. Sie hob das Kinn und nickte dem älteren Mann zu. »Grazie, dass Sie sich meinetwegen so viel Mühe machen.« So viel Mühe, mich zu warnen. Die unausgesprochenen Worte hingen zwischen ihnen in der Luft.

Der Mann zog eine Augenbraue hoch. Sie war ganz offenbar eine Aristokratin. Frauen wie diese bemerkten einen Diener für gewöhnlich nicht einmal. Er war verblüfft, dass sie ihn nicht für seine Lüge tadelte und zu verstehen schien, dass er nur verzweifelt versuchte, ihr zu helfen. Sie zu retten. Er verbeugte sich erneut, zögerte leicht, bevor er sich dem eisigen Sturm zuwandte, und straffte dann ergeben die Schultern.

Isabella war kaum über die Schwelle getreten, als ihr Herz in jäher Panik wie wild zu pochen begann. Ein drückender Gestank nach etwas Bösem durchzog das Kastell wie eine düstere, graue, von purer Niedertracht durchdrungene Wolke. Isabella holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und sah sich um. Der Eingangsbereich war sehr geräumig, und überall standen brennende Wachsstöcke, um den Burgsaal zu erhellen und die Dunkelheit zu vertreiben, von der Isabella einen kurzen Eindruck erhalten hatte. Als sie eintrat, fuhr ein Windstoß den Gang hinunter, und die Flammen flackerten auf zu einem makabren Tanz. Ein hasserfülltes Zischen begleitete den Wind. Ein hörbares, bestätigendes Zischen. Was immer es auch war, erkannte sie ebenso sicher, wie Isabella es erkannte.

Das Innere des Palazzos war von makelloser Sauberkeit. Weite, offene Flächen und hohe, gewölbte Decken vermittelten den Eindruck einer Kathedrale. Eine Reihe mächtiger, mit kunstvollen Schnitzereien von beflügelten Wesen bedeckter Säulen erhob sich bis zu den hohen Decken. Isabella konnte sehen, wie die mythischen Wesen sich daran emporwanden. Das castello sprach die Sinne an mit seinen künstlerischen Darstellungen und der eindrucksvollen Bauweise, aber es war eine Falle für die Unvorsichtigen. Alles an dem Palazzo war schön, doch irgendetwas Unheimliches beobachtete Isabella mit Augen voller bösartigem Hass.

»Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, Signorina? Der Herr möchte, dass wir Euch ein Zimmer zur Verfügung stellen. Der Sturm soll noch mehrere Tage anhalten.« Die Frau lächelte Isabella an, und obwohl es ein aufrichtiges Lächeln zu sein schien, war jedoch auch ein Anflug von Besorgnis in ihren Augen zu erkennen. »Ich bin Sarina Sincini, die Wirtschafterin«, sagte sie und blieb einen Moment wartend stehen.

Isabella öffnete den Mund, um sich vorzustellen, doch kein Ton kam über ihre Lippen – und auf einmal wurde sie sich der absoluten Stille in dem riesigen Gebäude bewusst. Kein Knacken von Holz, keine Schritte, kein Gemurmel von Bediensteten war zu hören. Es war, als wartete das ganze Kastell darauf, dass Isabella ihren Namen aussprach. Aber sie wollte diesem unheimlichen Palazzo, der wie eine lebendige, atmende Präsenz des Bösen war, nicht ihren Namen nennen. Ihre Beine versagten ihr den Dienst. Den Tränen nahe und von einer unbestimmten, dunklen Furcht beherrscht, die wie ein Stein in ihrem Herzen lag, ließ sich Isabella auf dem kalten Marmorboden nieder.

»Oh, Signorina, Ihr müsst ja vollkommen erschöpft sein!« Signora Sincini legte sofort einen Arm um Isabellas Taille. »Erlaubt mir, Euch zu helfen! Falls nötig, kann ich auch einen Diener rufen, um Euch hinauftragen zu lassen.«

Isabella schüttelte schnell den Kopf. Sie zitterte vor Kälte, war geschwächt von Hunger und der ungeheuer strapaziösen Reise, aber die Wahrheit war, dass es das entnervende Gefühl einer bösartigen Präsenz war, das sie verängstigte und dazu führte, dass ihre ohnehin schon zitternden Beine versagten. Das Gefühl war stark. Vorsichtig blickte sie sich um und versuchte, gefasst zu erscheinen, obwohl sie nur noch fortwollte von diesem Ort.

Worauf sie nicht gefasst war, war ein Brüllen, das irgendwo ganz in der Nähe die Stille zerriss und von einem zweiten und einem dritten beantwortet wurde. Die grässlichen Geräusche kamen aus allen Richtungen, von nah und fern. Für einen furchtbaren Moment vereinten sie sich zu einem einzigen, das sie und die andere Frau von allen Seiten umgab und den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ. Das Gebrüll schallte durch den Palazzo, bis es die Wölbungen unter den Decken und jede noch so ferne Ecke zu erfüllen schien. Eine Reihe seltsamer, hustenähnlicher Grunzlaute ertönte nach dem Brüllen. Isabella, die dicht neben Signora Sincini stand, spürte, wie die ältere Frau sich versteifte.

»Kommt, Signorina, wir müssen Euch in Euer Zimmer bringen!« Die Frau legte eine zitternde Hand auf Isabellas Arm, um sie zu führen.

»Was war das?« Isabellas dunkle Augen glitten prüfend über das Gesicht der Bediensteten, in dem sich Furcht und Schrecken durch den zitternden Mund der Frau verrieten.

Signora Sincini antwortete mit einem scheinbar gleichgültigen Schulterzucken: »Don DeMarco hat Haustiere. Ihr dürft Euer Zimmer bei Nacht nicht verlassen. Zu Eurer eigenen Sicherheit muss ich Euch dort einschließen.«

Isabella spürte die jähe, grässliche Angst, die in ihr aufstieg, aber sie zwang sich, ruhig durchzuatmen und sie zu bezwingen. Du bist eine Vernaducci, sagte sie sich stolz, und wirst weder in Panik geraten noch weglaufen! Außerdem war sie mit einer bestimmten Absicht hergekommen, hatte alles riskiert, um zu diesem Ort zu gelangen und den schwer erreichbaren Don zu sehen, und geschafft, was allen anderen misslungen war. Die Männer, die sie vorher hergeschickt hatte, waren einer nach dem anderen zurückgekehrt und hatten berichtet, ein Weiterkommen sei unmöglich. Andere waren über einem Pferderücken liegend zurückgekommen, mit dem Gesicht nach unten und mit schlimmen Verletzungen, die von einem wilden Tier zu stammen schienen. Wieder andere waren gar nicht erst zurückgekehrt. Und jedes Mal waren Isabellas Fragen mit einem stummen Kopfschütteln und Bekreuzigen beantwortet worden. Sie hatte jedoch nicht aufgegeben, weil sie keine andere Wahl hatte. Und jetzt hatte sie den Schlupfwinkel des Dons gefunden und betreten. Da konnte sie doch nicht mehr das Handtuch werfen und sich im letzten Augenblick von Furcht besiegen lassen. Ihr Vorhaben musste ihr gelingen. Sie konnte ihren Bruder nicht enttäuschen, denn schließlich stand sein Leben auf dem Spiel.

»Ich muss Don DeMarco noch heute Abend sprechen. Mir läuft die Zeit davon. Ich brauchte länger als erwartet, um diesen Ort zu erreichen. Bitte, Signora, er muss mich wirklich empfangen! Und wenn ich danach nicht schnellstens wieder aufbreche, wird der Pass unpassierbar sein, und ich werde nicht mehr herauskommen. Ich muss unverzüglich weiter, hört Ihr!«, erklärte Isabella in ihrem gebieterischsten Ton.

»Signorina, Ihr müsst das verstehen. Dort draußen ist es jetzt gefährlich. Es ist schon dunkel, und nichts ist sicher außerhalb dieser Mauern.«

Das tiefe Mitgefühl in den blassen Augen der Frau verschärfte Isabellas Panik nur. Die Wirtschafterin wusste etwas, was sie selbst nicht wusste, und fürchtete um ihre Sicherheit.

»Wir können nichts anderes tun, als es Euch bequem zu machen. Ihr zittert vor Kälte, und in Eurem Zimmer brennt bereits ein warmes Feuer. Ein Bad wird vorbereitet, und die Köchin schickt Euch etwas zu essen hinauf. Der Herr möchte, dass Ihr Euch wohlfühlt«, sagte die ältere Frau unter Aufbietung ihrer ganzen Überredungskunst.

»Ist mein Pferd in Sicherheit?« Ohne das Tier konnte Isabella unmöglich die vielen unwegsamen Kilometer zwischen dem Palazzo und der Zivilisation überwinden. Das Gebrüll, das sie gehört hatte, stammte nicht von Wölfen, doch was immer es verursachte, klang äußerst hungrig und hatte zweifellos sehr scharfe Zähne. Isabellas Bruder hatte ihr die Stute zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt, und es war eine grauenhafte Vorstellung, dass das Pferd von wilden Bestien gefressen werden könnte. »Ich sollte vielleicht besser nachsehen.«

Sarina schüttelte den Kopf. »Nein, Signorina, Ihr müsst in Eurem Zimmer bleiben. Wenn der Herr es so bestimmt, dürft Ihr seine Befehle nicht missachten. Es ist nur Eurer eigenen Sicherheit wegen.« Diesmal lag eine deutliche Warnung in der liebenswürdigen Stimme. »Betto wird sich um Euer Pferd kümmern.«

Isabella schob trotzig das Kinn vor, spürte jedoch, dass Schweigen ihr besser dienen würde als ärgerliche Worte. Der Herr. Sie hatte keinen Herrn und auch nicht die Absicht, je einen zu haben. Der Gedanke war ihr fast ebenso zuwider wie das unheimliche Gefühl, von dem das Kastell durchdrungen war. Isabella zog ihren Umhang noch fester um sich und folgte der älteren Frau durch ein Labyrinth von breiten Gängen und eine gewundene Marmortreppe hinauf, auf der eine Vielzahl von Porträts sie anstarrten. Sie konnte das unheimliche Gefühl von sie beobachtenden Augen spüren, deren Blicke jedem ihrer Schritte folgten, als sie durch die endlosen Gänge und Korridore des riesigen Palazzos ging. Das Bauwerk war schön, schöner als alles, was sie je zuvor gesehen hatte, doch es hatte eine kalte Art von Schönheit, die sie unberührt ließ. Wohin sie auch blickte, sah sie Schnitzereien von riesigen Raubkatzen mit dichten Mähnen, scharfen Zähnen und wilden Augen, gewaltigen Bestien mit struppigen Haaren um Nacken und Rücken. Einige waren mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt, als würden sie sich jeden Moment in die Luft erheben. In allen Sälen, durch die sie kamen, standen viele kleine Standbilder und große Skulpturen dieser Tiere. In einer Nische in einer der Wände befand sich sogar ein Schrein mit Dutzenden von brennenden Kerzen vor einem grimmig dreinblickenden Löwen.

Ein plötzlicher Gedanke sandte einen eisigen Schauder über Isabellas Rücken. Das Gebrüll, das sie gehört hatte, könnte das von Löwen gewesen sein. Sie hatte noch nie einen gesehen, aber schon von den legendären Bestien gehört, die angeblich unzählige Christen zur Unterhaltung der Römer in Stücke gerissen hatten. War es möglich, dass die Bewohner dieses schrecklichen Ortes das Tier verehrten? Oder den Teufel anbeteten? Es wurde viel getuschelt über diesen Don DeMarco. Verstohlen bekreuzigte Isabella sich, um sich vor dem Bösen zu schützen, das sogar die Wände auszustrahlen schienen.

Sarina blieb vor einer Tür stehen, öffnete sie und trat zurück, um Isabella hindurchzuwinken. Nach einem fragenden Blick zu der Wirtschafterin trat Isabella über die Schwelle in ein Schlafzimmer. Der Raum war groß und angenehm warm von dem lodernden Feuer aus roten und orangefarbenen Flammen im Kamin. Isabella war jedoch zu müde und ausgelaugt, um mehr zu tun, als die Schönheit der vielen Buntglasfenster und reich geschnitzten Möbel mit einem anerkennenden Murmeln zur Kenntnis zu nehmen. Selbst das breite Bett mit der dicken Daunendecke nahm sie nur am Rande ihres Bewusstseins wahr. Sie hatte ihren ganzen Mut und all ihre Kraft aufwenden müssen, um an diesen Ort zu gelangen und den schwer erreichbaren Don Nicolai DeMarco zu sehen.

»Seid Ihr sicher, dass er mich heute Abend nicht mehr empfangen wird?«, fragte Isabella. »Ich könnte mir vorstellen, dass er seine Meinung ändern würde, wenn Ihr ihn nur wissen ließet, wie dringend mein Besuch ist. Bitte, Signora, wollt Ihr es nicht wenigstens versuchen?« Isabella streifte die pelzgefütterten Handschuhe ab und warf sie auf die reich verzierte Frisierkommode.

»Allein schon durch Euer Erscheinen an diesem verbotenen Ort weiß der Herr, dass Euer Anliegen von größter Bedeutung für Euch ist. Ihr müsst allerdings verstehen, dass es für ihn nicht wichtig ist. Er hat seine eigenen Probleme, mit denen er sich befassen muss«, sagte Sarina freundlich, aber entschieden, und wandte sich zum Gehen. Dann blieb sie in der Tür jedoch noch einmal stehen, warf einen Blick auf den Gang hinaus und sah sich schnell im Zimmer um, bevor sie sich wieder Isabella zuwandte. »Ihr seid sehr jung. Hat man Euch nicht vor diesem Ort gewarnt? Wurde Euch nicht befohlen, Euch von hier fernzuhalten?« Ein leiser, aber unüberhörbarer Tadel schwang in ihrer Stimme mit. »Wo sind Eure Eltern, piccola?«

Isabella ging zur anderen Seite des Zimmers und vermied es, die Frau anzusehen, weil sie befürchtete, dass ihr mitleidiger Ton ihr zum Verhängnis werden könnte. Am liebsten hätte sie sich zusammengerollt wie ein Häufchen Elend und geweint, nicht nur um ihre verlorene Familie, sondern auch der schweren Bürden wegen, die nun auf ihren schmalen Schultern lasteten. Doch sie nahm sich zusammen und hielt sich an einem der mit kunstvollen Schnitzereien bedeckten Pfosten des breiten Bettes fest. »Meine Eltern sind vor langer Zeit verstorben, Signora«, antwortete sie mit kühler, unbewegter Stimme, aber ihre Hand umklammerte den Bettpfosten noch fester, bis ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. »Ich muss mit Don DeMarco sprechen. Falls ihr die Möglichkeit habt, ihm etwas auszurichten, sagt ihm doch bitte, dass es eilt und meine Zeit sehr kurz bemessen ist.«

Die Dienerin kam ins Zimmer zurück und zog die Tür hinter sich zu. Sofort schien die scheußliche, klebrige Dichte der Luft des Palazzos sich zu verflüchtigen, und Isabella spürte, wie die Enge in ihrer Brust nachließ und sie wieder freier atmen konnte. Auch einen seltsamen Duft bemerkte sie, der aus dem heißen Wasser in der für sie bereitstehenden Wanne aufstieg, einen frischen, sauberen, blumig riechenden Duft, dem sie noch nie zuvor begegnet war. Sie atmete ihn tief ein und war dankbar für die heiße Tasse Tee, die ihr von der Wirtschafterin in die zitternde Hand gedrückt wurde.

»Trinkt das, Signorina!«, ermutigte Sarina sie. »Es wird helfen, Euch aufzuwärmen, so durchfroren, wie Ihr seid. Und trinkt die Tasse bis auf den letzten Tropfen aus – ja, so ist es gut, mein Kind.«

Der Tee half tatsächlich, Isabella von innen heraus aufzuwärmen, aber trotzdem hatte sie irgendwie das Gefühl, dass ihr nie wieder richtig warm werden würde. Noch immer fröstelnd, blickte sie zu Sarina auf. »Ich komme jetzt allein zurecht, Signora. Ich will Euch wirklich keine Mühe machen. Das Zimmer ist sehr hübsch, und ich habe alles, was ich brauche. Übrigens ist mein Name Isabella Vernaducci.« Das Bett sah bequem aus, das Feuer war anheimelnd und warm. Trotz des einladenden, dampfend heißen Wassers in der Wanne wollte Isabella sich jedoch nur noch aufs Bett fallen lassen und schlafen, sobald die Dienerin gegangen war. Ihr fielen schon jetzt die Augen zu, so sehr sie sich auch bemühte, wach zu bleiben.

»Der Herr würde wollen, dass ich Euch behilflich bin. Ihr schwankt ja vor Erschöpfung, Signorina. Wenn meine Tochter so weit weg von zu Hause wäre, würde ich mir auch wünschen, dass ihr jemand hilft. Bitte erlaubt mir, Euch behilflich zu sein!«, sagte Sarina und nahm Isabella schon den Umhang von den Schultern. »Kommt, Signorina! Ein heißes Bad wird Euch schneller aufwärmen. Ihr zittert ja noch immer.«

»Ich bin so müde.« Die Worte entschlüpften Isabella, bevor sie es verhindern konnte. »Ich will einfach nur noch schlafen.« Selbst in ihren eigenen Ohren hörte sie sich sehr jung und hilflos an.

Sarina drängte sie jedoch, das Bad zu nehmen, und half ihr beim Entkleiden. Als Isabella in dem heißen Wasser saß, löste Sarina ihre vom Wind zerzausten Flechten und fächerte das lange Haar der jungen Frau im Wasser auf. Sehr sanft massierte sie mit den Fingerspitzen Isabellas Kopfhaut und schäumte ihr Haar mit einer selbst gemachten, nach Blumen duftenden Seife ein. Nach und nach, als die Hitze des Wassers auf Isabellas Körper übergriff, ließ das Zittern allmählich nach.

Sie war so müde, dass sie kaum noch wahrnahm, wie Sarina ihr das Haar ausspülte und sie in einen dicken Morgenmantel hüllte. Schlaftrunken taumelte sie zum Bett. Die sanften Hände Sarinas, die ihr behutsam die langen Haare ausbürsteten und sie dann wieder flochten, waren angenehm beruhigend und erinnerten Isabella an ihre Mutter, die das Gleiche auch immer getan hatte, als sie noch sehr jung gewesen war. Träge und mit halb gesenkten Lidern lag sie auf dem Bett, und der dicke Morgenmantel um ihren nackten Körper nahm die restliche Feuchtigkeit des Bades auf.

Nicht einmal ein Klopfen an der Tür und der Duft von Essen vermochten ihr Interesse zu erregen. Vollkommen übermannt von ihrer Erschöpfung, die alle Sorgen und Ängste auslöschte, wollte Isabella nur noch schlafen. Sarina murmelte etwas, das sie nicht ganz verstehen konnte. Das Essen wurde wieder fortgebracht, und Isabella überließ sich erneut dem Gefühl des Wohlbehagens, das die Schönheit des Zimmers, das anheimelnde Prasseln des Feuers und Sarinas sanfte Hände in ihr auslösten.

In ihrem traumähnlichen Zustand hörte Isabella wie von weit her, dass Sarina scharf die Luft einzog, und irgendwie gelang es ihr, die Wimpern ein wenig anzuheben und unter ihnen hervorzuschauen. Die Schatten im Zimmer hatten sich auf beängstigende Weise ausgebreitet, die Kerzen in den Haltern an den Wänden waren erloschen und die Flammen im Kamin heruntergebrannt, sodass die Ecken des Schlafzimmers im Dunkeln lagen. In einer von ihnen konnte sie jedoch die schattenhafte Gestalt eines Mannes sehen – oder zumindest hielt sie den Schatten für einen Mann.

Er war groß, breitschultrig und hatte langes Haar und mandelförmige Augen, in denen sich die orange-roten Flammen des Feuers widerspiegelten. Isabella konnte die Hitze dieses glutvollen Blicks auf ihrer nackten Haut spüren. Das Haar des Mannes war von einem seltsam gelblichen Braun, das sich zu Schwarz verdunkelte, wo es ihm auf die Schultern und den breiten Rücken fiel. Er beobachtete sie aus den Schatten, mit denen er verschmolz, sodass sie ihn nicht klar erkennen konnte. Eine schattenhafte Gestalt für meine Träume, dachte sie und blinzelte, um ihren Blick zu schärfen, doch es war zu anstrengend, sich aus ihrem traumähnlichen Zustand aufzuraffen. Ihr Körper war bleischwer, und sie konnte nicht einmal die Energie aufbringen, ihren nackten Arm unter den Morgenrock zu ziehen. Während sie dort lag und versuchte, sich von der schattenhaften Gestalt ein besseres Bild zu machen, verschwamm ihre Sicht noch mehr, und für einen Moment kamen seine großen Hände ihr wie Pranken vor, und der Hüne bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit, die nicht ganz menschlich war.

Isabella fühlte sich unter seinem Blick entblößt und verletzlich, doch sosehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr einfach nicht, sich aufzurappeln. So lag sie mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett und starrte ängstlich und mit wild pochendem Herzen in die dunkle Ecke.

»Sie ist viel jünger, als ich dachte. Und viel schöner.« Leise Worte, die sich anhörten, als wären sie nur laut gedacht und nicht für jemand anderen bestimmt gewesen. Die Stimme war tief und heiser, ihr Tonfall eine Mischung aus verführerisch, gebieterisch und einem tief aus seiner Kehle kommenden Knurren, bei dem Isabella fast das Herz stehen blieb.

»Und sehr beherzt.« Sarinas Stimme kam von Isabellas anderer Seite und aus solch geringer Entfernung, als stünde sie beschützend neben ihr. Aber Isabella wagte nicht, sich umzusehen, weil sie nicht den Blick von der schattenhaften Gestalt abwenden wollte, die sie so intensiv beobachtete. Wie ein Raubtier, eine große Katze. Ein Löwe? Ihre Fantasie ging mit ihr durch und vermischte die Realität mit Träumen, sodass sie nicht mehr sicher war, was real war und was nicht.

»Es war dumm von ihr hierherzukommen.« Der Tadel, der in seiner Stimme mitschwang, kränkte sie.

Wieder versuchte Isabella, sich dazu zu zwingen, sich zu bewegen, doch es war unmöglich. Und da kam ihr plötzlich der Gedanke, dass irgendetwas in dem Tee gewesen war oder vielleicht auch in dem duftenden Badewasser. Quälende Angst beherrschte sie, und trotzdem war sie seltsam geistesabwesend und verträumt, der Realität entrückt und wie abgekoppelt von ihrer Furcht, als sähe sie dabei zu, wie all das jemand anderem geschah.

»Es erforderte großen Mut und Durchhaltevermögen, allein hierherzukommen«, wandte Sarina freundlich ein. »Es mag dumm gewesen sein, aber es war auch sehr mutig und grenzt schon an ein Wunder, dass sie eine solch beachtliche Leistung vollbringen konnte.«

»Ich weiß, was du denkst, Sarina«, sagte der Mann in einem von extremer Müdigkeit geprägten Ton. »Es gibt keine Wunder. Und ich weiß, wovon ich rede. Es ist besser, solchen Unsinn nicht zu glauben.« Er trat näher und ragte so hoch vor Isabella auf, dass sein über sie fallender Schatten sie völlig einhüllte. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen, doch seine Hände waren tatsächlich groß und außerordentlich stark, als er sie wortlos auf die Arme hob.

Für einen Moment starrte sie entsetzt die Hände an, die sie mit solcher Mühelosigkeit hochhoben. In einem Moment schienen sie mächtige Pranken mit rasiermesserscharfen Krallen zu sein, und im nächsten waren sie die Hände eines Menschen. Sie hatte keine Ahnung, was die Illusion war. Ob dies real oder ein Albtraum war. Ihr Kopf fiel zurück, aber sie schaffte es nicht, ihre Lider genug anzuheben, um sein Gesicht zu sehen. Sie konnte nur hilflos in seinen Armen liegen und ihr wild pochendes Herz in ihren Ohren dröhnen hören. Doch er hatte sie nur aufgehoben, um sie in ihrem Morgenmantel unter die Daunendecken zu legen, und seine Bewegungen waren sicher und geschickt.

Dann berührte er mit einer Hand ihr Gesicht und strich sanft mit dem Daumen über ihre Haut. »Wie zart und weich!«, murmelte er, und seine Finger glitten zu ihrem Kinn hinab, um ihr den dicken Zopf aus dem Nacken zu schieben. Eine unerwartete Hitze entströmte seinen Fingerspitzen, winzige Flammen, die ihr Blut in Wallung zu bringen schienen, sodass ihr ganzer Körper sich plötzlich heiß und fremd anfühlte.

Das fürchterliche Gebrüll hob wieder an, und die Furcht erregenden Geräusche schienen in dem gesamten Palazzo nachzuhallen.

»Sie sind unruhig«, bemerkte Sarina, und ihre Hand schloss sich noch fester um Isabellas. Dieses Mal bestand kein Zweifel, dass sie es in beschützerischer Absicht tat.

»Sie nehmen eine Störung wahr, und das macht sie unruhig und gefährlich. Sei sehr vorsichtig heute Nacht, Sarina!« Dass die Worte des Mannes eine Warnung waren, war offensichtlich. »Ich werde sehen, ob ich sie beruhigen kann.« Mit einem Seufzer wandte die schattenhafte Gestalt sich ab und ging lautlos hinaus. Kein Rascheln von Kleidern, keine Schritte, ja, überhaupt kein Geräusch war zu hören.

Isabella spürte noch, wie Sarina ihr übers Haar strich und die Decken glatt zog, und dann schlummerte sie auch schon ein. Wie zu erwarten gewesen war, träumte sie von einem großen Löwen, der sie auf Schritt und Tritt verfolgte. Er tappte auf mächtigen Pranken lautlos hinter ihr her, während sie durch ein Gewirr von langen, breiten Gängen lief. Die ganze Zeit über wurde sie von stillen, beflügelten Harpyien mit scharfen, krummen Schnäbeln und gierigen Augen beobachtet.

Dann durchdrangen Geräusche ihre merkwürdigen Träume, seltsame Geräusche, die zu ihren ebenso seltsamen Träumen passten. Das Rasseln von Ketten. Ein Heulen. Schreie in der Nacht. Unruhig kuschelte Isabella sich noch tiefer in die Decken. Das Feuer war bis auf eine orangerote Glut heruntergebrannt, deren schwaches Glimmen den dunklen Raum kaum noch erhellte. Isabella lag still da und starrte die winzigen Flammen an, denen ein gelegentlicher Windzug Leben einhauchte. Es verstrichen einige Minuten, bis sie merkte, dass sie nicht allein war.

Schnell drehte sie sich um und spähte durch die Dunkelheit zu der schattenhaften Gestalt hinüber, die am Fußende ihres Bettes saß. Als Isabellas Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie eine junge Frau erkennen, die sich mit vor der Brust verschränkten Armen hin und her wiegte, sodass ihr langes Haar sie wie ein Wasserfall umrieselte. Sie war schlicht, aber elegant gekleidet und offensichtlich keine der Bediensteten. Ihr Kleid war von einer ungewöhnlichen Farbe, zumindest in der Dunkelheit, von einem sehr dunklen Blau mit einem fremdartigen Sternenmuster, wie Isabella es noch nie zuvor gesehen hatte. Als sie sich bewegte, wandte die Frau sich ihr zu und sah sie lächelnd an.

»Hallo. Ich hatte nicht die Absicht, Euch zu wecken. Ich wollte Euch nur sehen.«

Isabella kämpfte gegen den Dunst in ihrem Bewusstsein an, während sie sich vorsichtig im Zimmer umschaute und die Schatten nach dem Mann absuchte. War er nur ein Traum gewesen? Sie hatte keine Ahnung, doch sie spürte noch immer die Berührung seiner Finger an ihrer Haut. Ihre Hand glitt sogar wie von selbst zu ihrem Nacken, um die Empfindung festzuhalten.

»Ich bin Francesca«, stellte die junge Frau sich mit einem Anflug von Hochmut in der Stimme vor. »Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben. Ich weiß schon, dass wir gute Freundinnen sein werden.«

Isabella versuchte, sich aufzusetzen, aber ihr Körper verweigerte ihr die Mitarbeit. »Ich glaube, da war etwas in dem Tee«, sagte sie, weil der Gedanke nahelag.

Die junge Frau lachte perlend. »Aber natürlich. Er kann ja wohl nicht zulassen, dass Ihr nach Lust und Laune durch den Palazzo lauft und alle so lang gehüteten Geheimnisse entdeckt.«

Entschlossen, ihre lästige Benommenheit zu überwinden, kämpfte Isabella gegen den Dunst in ihrem Schädel an und richtete sich zu einer sitzenden Haltung auf. Während sie den über ihrer Brust aufklaffenden Morgenrock zusammenraffte, wurde ihr bewusst, dass sie gar nichts anderes zum Anziehen hatte. Für den Moment war das jedoch nicht wichtig, da ihr warm genug war. Zudem war sie sauber und aus dem Sturm heraus und hatte ihr Ziel erreicht. »Gibt es hier denn Geheimnisse zu lüften?«

Wie in Beantwortung ihrer Frage rasselten die Ketten wieder los, das Heulen stieg zu einem Kreischen an, und von irgendwo weit her kam ein bösartiges Knurren. Isabella zog die Decken noch fester um sich.

Die junge Frau lachte fröhlich. »Es ist ein Geheimnis, wie ich in Euer Zimmer gekommen bin, obwohl die Tür verschlossen ist. Es gibt viele, viele Geheimnisse hier, die alle herrlich skandalös sind. Seid Ihr hergekommen, um Nicolai zu heiraten?«

Isabella riss schockiert die Augen auf und zog den dicken Morgenmantel noch fester um sich. »Nein, natürlich nicht! Wie kommt Ihr denn auf die Idee?«

Francesca lachte wieder perlend. »Alle tuscheln darüber, auf den Gängen und in ihren Zimmern. Im ganzen Palazzo werden Spekulationen darüber angestellt. Es war eine solche Freude, als wir erfuhren, dass Ihr hierher unterwegs wart. Die anderen wetteten natürlich, dass Ihr eine solche Reise niemals überleben oder umkehren würdet, doch ich hoffte, dass Ihr es schaffen würdet!«

Isabellas Lippen zitterten, und sie biss sich auf die Unterlippe. »Dem Herrn des Palazzos war bewusst, dass ich kam, und er schickte mir keine Eskorte entgegen?« Sie hätte ja tatsächlich umkommen können. »Wieso wusstet Ihr überhaupt davon?«

Die Frau zuckte achtlos mit den Schultern. »Weil er überall Spione hat. Er wusste schon lange, dass Ihr ihn sprechen wolltet. Er empfängt niemanden, den er nicht sehen will.«

Isabella musterte die junge Frau. Sie war ungefähr in ihrem Alter, wirkte jedoch noch ziemlich kindlich und verspielt. Trotz der gegebenen Umstände musste Isabella lächeln, weil Francescas schelmisches Grinsen etwas Ansteckendes hatte. »Was sind das für schaurige Geräusche?«, fragte Isabella, doch da sie Francesca nicht im Mindesten zu stören schienen, entspannte sie sich jetzt ein wenig.

Die junge Frau lachte wieder. »Ihr werdet Euch daran gewöhnen.« Dann verdrehte sie die Augen. »Dumme Antwort! Manchmal geht das stundenlang so.« Francesca beugte sich vor. »Wie seid Ihr hierhergekommen? Niemand kann ohne eine Einladung und Eskorte an diesen Ort gelangen. Wir alle sterben vor Neugierde, wie Ihr das geschafft habt.« Sie senkte die Stimme. »Mithilfe eines Zaubers?«, fragte sie gespannt. »Ich kenne auch einige Zauber, jedoch keinen, der wirkungsvoll genug wäre, um jemanden vor den Gefahren dieses Tales zu beschützen. War es schwierig, durch den Pass zu kommen? Alle sagen, Ihr hättet es ganz allein geschafft. Ist das wahr?« Francesca feuerte ihre Fragen in solch schneller Folge ab, dass Isabella Mühe hatte, nicht den Faden zu verlieren.

Sie wählte ihre Antwort mit Bedacht, da sie nichts über diese Leute wusste, nicht einmal, ob sie den Richtlinien der Heiligen Kirche folgten oder Teufelsanbeter waren. Es klang nicht gut, dass Francesca sich mit Zaubern befasste, und noch schlimmer war, dass sie es offen zugab. Isabella rechnete schon fast damit, dass ein Blitzschlag vom Himmel auf sie hinunterfahren würde.

»Ich bin tatsächlich durch den Pass gekommen«, gab sie zu. Sie hatte einen trockenen Mund, und neben dem Bett standen eine hübsche Karaffe mit Wasser und ein fein geriffeltes Glas. Isabella starrte das Wasser an, rührte es jedoch nicht an aus Angst, dass es etwas enthalten könnte, das sie wieder in einen dumpfen Schlaf versetzen würde. Ihre Finger verkrampften sich in der Daunendecke, als sie darüber nachdachte, wie schwierig ihre Reise gewesen war und wie sie sich gefühlt hatte, als sie ein Hindernis nach dem anderen überwunden hatte. »Es war berauschend und beängstigend zugleich«, antwortete sie ehrlich. Jetzt, da sie wusste, dass der Don sich die ganze Zeit schon ihrer Situation bewusst gewesen war, war sie sogar noch froher, dass sie geschafft hatte, was so vielen anderen nicht gelungen war.

Francesca hüpfte auf dem Bett herum und lachte leise. »Oh, das ist köstlich! Wartet, bis die anderen hören, was Ihr sagtet. ›Berauschend‹! Das ist einfach zu perfekt!«

Trotz des Bizarren ihrer Unterhaltung konnte Isabella nicht umhin zu lächeln, weil Francescas Lachen so ansteckend war.

Ein wütendes Brüllen erschütterte plötzlich den Palazzo, und ein grauenhafter, schriller Schmerzensschrei vermischte sich mit dem furchtbaren Geräusch. Er schallte durch das ganze weitläufige Kastell und erreichte die höchsten Decken und tiefsten Verliese und Gewölbe, über die der Palazzo zweifellos verfügte. Isabella drückte den Morgenmantel an sich und starrte in sprachlosem Entsetzen auf ihre verschlossene Tür. Der Schrei wurde abrupt zum Verstummen gebracht, doch gleich darauf folgte ein wahnsinniger Lärm. Aus allen Richtungen erschallte das Brüllen wilder Tiere, so unerträglich laut, dass Isabella sich die Ohren zuhielt, um die Geräusche abzudämpfen. Aber auch ihr Herz hämmerte so wild, dass es sich wie Donnerschläge in ihren Ohren anhörte, die sich mit dem Höllenlärm draußen vermischten. Fragend wandte sie sich Francesca zu.

Doch die junge Frau war nicht mehr da. Das Bett war glatt, die Daunendecke wies nicht einmal ein Fältchen auf, wo Francesca gesessen hatte. Als ob sie niemals da gewesen wäre. Isabella blickte sich fieberhaft im Zimmer um, suchte jede Ecke ab und versuchte verzweifelt, das Dunkel zu durchdringen. Genauso abrupt, wie der fürchterliche Lärm begonnen hatte, verstummte er, und wieder herrschte absolute Stille. Aus Angst, sich zu bewegen, blieb Isabella wie erstarrt in ihrem Bett sitzen und lauschte angespannt.

KAPITEL ZWEI

In ihren Morgenrock gehüllt, saß Isabella für den Rest der Nacht ganz still da und starrte auf die Tür, bis das erste graue Licht der Morgendämmerung durch die Buntglasfenster fiel. Dann beobachtete sie den Sonnenaufgang und sah zu, wie die Farben der Fenster zum Leben erwachten und eine leichte Bewegung in die auf ihnen dargestellten Bilder brachten.

Schließlich stand sie auf und durchquerte das Zimmer, weil es sie zu den farbenfrohen Glasmalereien hinüberzog. Als Kind hatte sie mit ihren Eltern viele der großen castelli besucht, und alle waren sehr eindrucksvoll gewesen. Aber dieses war noch prunkvoller, noch reicher ausgeschmückt und stilvoller. Allein schon ihr Zimmer, ein bloßes Gästezimmer, enthielt ein kleines Vermögen in Kunst und Gold. Kein Wunder, dass die Armeen der spanischen und österreichischen Könige sowie alle anderen, die vor ihnen gekommen waren, sich Zugang zu dem Tal hatten verschaffen wollen.

Don