Chris Renata
Wende mit 60
Ein Lebensbericht, Teil 2
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Inhaltsverzeichnis
Titel
ANTRAG AUF RENTE
ALLTAG UND UNSERE KINDER
REISE NACH ISCHIA
LEBENSENDE MEINES VATERS
REISE NACH NORWEGEN
TRAUER UND WEITERE TODESFÄLLE
EINE FESTE BEZIEHUNG IN UNRUHIGEN ZEITEN
STUDIENREISE DURCH DIE TÜRKEI
ALLTÄGLICHE EREIGNISSE UND HOCHZEIT VON BERNDS TOCHTER
DAS LEBEN MEINER MUTTER ALS WITWE
UNSER LETZTER SKIURLAUB IN DER SCHWEIZ
HARMONISCHES MITEINANDER UND KURZREISEN
REISE NACH SIZILIEN
80.GEBURTSTAG VON BERND
ZEITGEFÜHL UND ZEITWAHRNEHMUNG
SCHIFFSREISEN ZU DEN KANARISCHEN INSELN
DAS JAHR 2004 UND EINE REISE NACH MALTA
GESUNDHEITLICHE PROBLEME UND WEITERE REISEN
DER SCHLAG MIT ERTRÄGLICHEN FOLGEN UND DER TOD MEINER MUTTER
GRUPPEN-FLUGREISE NACH LONDON
EIN SCHRECKLICHER VORFALL MIT LEBENSVERÄNDERUNG
LEIDENSWEG MIT ABSCHIED FÜR IMMER
PERSONENREGISTER
Impressum neobooks
Mein Ehemann Bernd, Jahrgang 1923, bezog eine Kriegsbeschädigten-Rente. Er war als Jagdflieger von einem Amerikaner abgeschossen worden und beim Ausstieg aus seiner Maschine hatte sich Bernd schlimme Gesichtsverbrennungen zugezogen.
Wenn wir auf den 2. Weltkrieg zu sprechen kamen, bewunderte er die damalige Haltung meines Vaters, der 3 Jahre älter war als er. Als mein Vater an die Ostfront geschickt werden sollte, täuschte er den Ärzten eine Reizung des Blinddarms vor, den er sich dann entfernen ließ und danach wurde er an die Westfront versetzt. Wahrscheinlich hat er dadurch sein Leben gerettet.
Es ist hilfreich, sich einen realistischen Blick über sein Gefühlsleben zu verschaffen. Hatte ich Charaktereigenschaften von meinem Vater und wollte Sicherheit?
Ich merkte, wie ich öfters stressbedingte körperliche Beschwerden bekam und ging am 27.9. 2000 zum Arzt. Der Internist untersuchte mich und im Gespräch erzählte er so nebenbei, dass er Gutachten für Erwerbsminderungsrentner erstellt. Er würde mich bei einem Rentenantrag unterstützen, ich sollte aber überlegen, ob mir meine 33 Dienstjahre als Lehrerin für eine Rente genügen würden. Ich glaubte nicht richtig gehört zu haben!
Natürlich verfolgte ich nun diesen Gedanken.
Meine Überlegungen waren folgende: Ulrike, meine Tochter, hatte im August 2000 gerade ihr Studium als Diplomfinanzwirt erfolgreich bestanden und war von ihrem Amt übernommen worden. Meine beiden erwachsenen Kinder konnten nun finanziell unabhängig von mir leben.
Bereits ab Juni 1996 hatte ich eine monatliche Lebensversicherung für 12 Jahre abgeschlossen, die dann als Rente ausgezahlt werden sollte.
Ebenfalls bei einer anderen Versicherung würde ein größerer Betrag am 1.4. 2009 zur Rentenzahlung dazu kommen.
Ich stellte also bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Einige ungewisse Monate zur Bearbeitung und Überprüfung des Rentenantrages vergingen. Am 1.4.2001 erhielt ich den Bescheid, dass ich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Anspruch nehmen kann.
Ein neuer Lebensabschnitt begann: ich war eine Rentnerin!
Die Wiedervereinigung von Ost und West vollzog sich im Zeichen des Konsums. Es genügte mir für meine Zukunft, eine zwar geminderte, aber sichere Rente zu erhalten. Das alltägliche Leben in unserer Ehe konnten wir nun ganz anders gestalten, immerhin war mein Ehemann 25 Jahre älter als ich. Wir konnten jetzt unseren Alltag ohne mein tägliches Berufsleben als Sonderschullehrerin besser planen. Das ging schon frühmorgens damit los, dass ich nicht mehr um 6.45 Uhr abfahrbereit im Auto sitzen musste und wir uns Zeit nehmen konnten, für ein gemütliches Frühstück mit Müsli und Zeitungslesen.
Hatte ich mich jetzt in dem angenehmen Empfinden eingenistet, angekommen zu sein? Doch wer ein Lebenskapitel abschließt, fragt sich gelegentlich: Und was kommt dann? Kann es so weitergehen, oder sollte man so vermessen sein, dass es noch besser würde, oder geht es vielleicht schon gnadenlos bergab?
Ohne meine beruflichen Anforderungen hatten Bernd und ich jetzt gemeinsam Zeit, etwas für unsere Gesunderhaltung zu tun. Wir nahmen an Präventionsmaßnahmen der Krankenkassen teil. Dazu gingen wir in eine Art Fitnessstudio, das von einem Arzt und Physiotherapeuten betreut wurde. Mit Spaziergängen sorgten wir auch für ausreichende Bewegung. Bernd machte auch gern ein 20 Minuten langes Läufchen auf dem Sportplatz, der sich nicht weit von unserer Wohnung befand. Ich bevorzugte die Teilnahme an Gymnastikkursen.
Wir nahmen uns auch die Zeit für Theaterbesuche und schlossen dazu ein Abonnement ab. In unserer Stadt gab es ein Tourneetheater, das für eine abwechslungsreiche Bespielung sorgte. Oder wir gingen ins Kino und verabredeten uns dazu mit Bekannten. Auch für Besuche bei Freunden und Verwandten war nun an Werktagen mehr Zeit. Der Kleine war dann im Mittelpunkt und genoss es.
Am 9.August 2000 wurde mein zweites Enkelkind geboren. Mit der Geburt von Fabian wuchs die Verantwortung für meinen Sohn. An Wochenenden betreute ich öfters mal den 2 Jahre alten Theo, damit die Eltern abends etwas unternehmen konnten.
Am 22. September 2000 besuchten uns Bernds Tochter Friederike mit Freund. Beide wohnten in Hamburg. Bernd hatte inzwischen die monatliche Zahlung an seine 36 Jahre alte Tochter eingestellt, um ihr damit zu signalisieren, dass sie beruflich etwas auf die Reihe bringen sollte. Er war nicht gerade glücklich darüber, dass seine Tochter nun bei PENNY an der Kasse sitzen musste, um sich ihr Geld zu verdienen. Außerdem konnte er mit ihrer Einstellung für die Eurythmie nichts anfangen. Trotzdem besuchten wir gemeinsam an dem bereits genannten Tag einen Vortrag über Eurythmie und ein anschließendes Mitternachtskonzert im Dom von Königslutter. Die Veranstaltung war eigenartig. Sie stand unter dem Motto: „Farben, Klänge, Licht…“.Sehr viele brennende Kerzen und Tänzer mit wehenden Schleiern aus dünnem Stoff, sorgten für eine mystische Atmosphäre. Die darauf folgenden Diskussionen zwischen Vater und Tochter waren wenig erfreulich.
Bernds Sohn arbeitete als Facharzt an einem Krankenhaus. Sein Dienst war sehr anstrengend, so dass er längere Zeit benötigte, um seine Doktorarbeit abzuliefern. Sein Vater erkundigte sich häufig danach. Manchmal fragte ich mich, ob die Kariere so im Vordergrund bei den Gesprächen zwischen Vater und Sohn stehen müsse.
Bernd hatte nichts dagegen, dass meine Tochter mittags von ihrem Niedersächsischen Amt zu uns kam und mit uns gemeinsam aß. Er sagte dann immer, Ulrike strukturiert unseren Tag, denn das Essen wurde jetzt pünktlich zu ihrer Kern-Mittagszeit eingenommen. Ich fand das ganz prima, denn man sah sie kurz und war immer über den neusten Stand in ihrem Leben informiert. Sie wohnte noch bei Christoph und damit hatte sie einen täglichen Anfahrtsweg von 50km zu bewältigen. Bald beklagte sie sich darüber, mindestens 2 Stunden täglich im Auto zu verbringen. Ich fasste es auch so auf, dass sie sich endlich selbst eine kleine Wohnung einrichten wollte. Also durchforschte ich die hiesige Zeitung, um eine nette, kleine Wohnung für sie zu finden. Im Nachhinein ein Fehler! Man sollte sich nicht einmischen! Natürlich fanden wir eine Wohnung, allerdings in einem Hochhaus, gebaut in den 70-ger Jahren, aber mit Blick ins Grüne. Ich kaufte ihr ein Bett mit einer Breite von 1,30m und einen Schlingenteppich, den sie sich bei IKEA selbst ausgesucht hatte. Nun merkte ich, wie schwer sich meine Tochter mit der weiteren Einrichtung der Wohnung tat. Als endlich die Küchenmöbel kamen, nahm ich sie bei der Anlieferung entgegen. Lampen fehlten! Nun hoffte ich auf eine helfende Hand von Christoph. Er war inzwischen Beamter in Sachsen-Anhalt. Bei einem Besuch bei uns gaben wir dem jungen Paar noch eine gute Flasche Rotwein mit. Nun war ich fest davon überzeugt, dass bei Christophs anschließender Begehung der Wohnung, die Lampen an der Decke der Zimmer hängen würden. Das Gegenteil trat ein. Die Beiden mussten wohl aneinander geraten sein und in der Wohnung passierte nun gar nichts mehr!
Bernd und ich besuchten nicht nur meine Kinder, sondern wir bekamen auch Einladungen, z.B. von einem Hobbymaler, der uns Anregungen für unsere eigene Aquarellmalerei gab. Wir hatten ihn über Bernhards jüngsten Bruder kennengelernt, der bei ihm einen Kurs belegt hatte.
Bernd hielt aber auch Kontakt zu seinen anderen Brüdern. So nahmen wir am 16.September 2000 in Hamburg/ Eppendorf an der kirchlichen Trauung seines sechs Jahre jüngeren Bruders Siegmar in Hamburg teil. Wir freuten uns, dass er als Witwer nach seinem Schlaganfall eine Frau gefunden hatte. Eine gemeinsame Basis für ihr Zusammenleben bildete die Theologie. Erstaunlich war, dass der Altersunterschied der Eheleute noch größer war, als zwischen Bernd und mir.
Am 9.Dezember 2000 bekamen wir eine Einladung zu einem runden Geburtstag von einem befreundeten, ehemaligen Kommilitonen von Bernd. Die Feier fand in Potsdam statt und es nahm als Verwandter auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker teil. Er hatte in seinem Amt anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges eine Rede mit politischer Wirkung gehalten. Im Jahr 1985 bezeichnete er den 8.Mai 1945 als „Tag der Befreiung von einem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ und rückte damit von der Sichtweise einer militärischen Niederlage endlich ab. Wie kaum ein anderer deutscher Staatsmann hat sich der CDU-Politiker über Parteigrenzen hinweg Ansehen und Respekt erworben.
Umso erstaunter war ich bei der Geburtstagsfeier von ihm zu hören, wie er einige Tischnachbarn fragte, ob sie das Buch „Harry Potter“ gelesen hätten. Ich war auch seiner Meinung, dass man diese Art von Büchern nicht unbedingt lesen müsste.
Im Dezember fuhren wir mit der Bahn zu Bernds Sohn Peter und Familie. Seine drei Mädchen, geboren 1992, 1994 und 1997 wuchsen behütet auf. Sie waren begeisterte „Harry Potter“-Fans.
Am Heiligabend und am 1. Weihnachtsfeiertag 2000 besuchten wir meine Eltern in Thüringen. Die Fahrt über den Harz wurde aber immer mit dem Auto gemacht. Meinen Vater ging es gesundheitlich nicht mehr so gut. Er hatte einen leichten Schlaganfall gehabt und es kündigten sich bei ihm Prostatabeschwerden an. Als er uns am Heiligabend ein Stück auf unseren Weg begleitet, um gleich den Hund auszuführen, stand er auf halben Weg auf einer beleuchteten Brücke und winkte uns nach. Bei diesem Anblick kamen mir Gedanken über sein Leben. Und ich ahnte vielleicht bereits schon, dass sein Lebensende nahte.
Auf dem Rückweg fuhren wir noch bei Ulrike vorbei. Sie und ihr Partner hatten wir in ein Lokal eingeladen, weil beide am 2. Feiertag in den Winterurlaub fahren wollten. Da wir von meinen Eltern nach einem guten Frühstück im Hotel über den Harz fahren mussten, konnten wir nicht genau unsere Ankunftszeit planen. Wir waren viel zu früh angekommen und was lag da näher, als zu meiner Tochter zu fahren. Bernd und ich waren aber sehr erstaunt über die Wohnung. In der Küche hingen an der Decke die teuren Fahrräder (Trotz dieser Aufbewahrung hatte man aber später ein exquisites Rad geklaut, indem man die Wohnungstür aufbrach!) Aber in der ganzen Wohnung lagen Sachen zum Snowboard fahren und weitere Gepäckstücke herum. Wir kamen uns fehl am Platz vor, aber wir waren ja überfallmäßig bei ihnen eingedrungen. Bernd redete abfällig darüber. Ich konnte mich aber daran erinnern, dass sein 38-jähriger Sohn bei einer gemeinsamen Benutzung einer Ferienwohnung seine Kleidungsstücke auch sehr chaotisch im Zimmer verteilt hatte. Es kam eigentlich nicht oft vor, dass wir unsere Kinder verglichen. Manchmal stellten wir aber doch fest, dass wir die leiblichen Kinder besser akzeptieren konnten.
Am 2. Weihnachtsfeiertag besuchten uns dann mein Sohn mit Ehefrau und seinen 2 Söhnen. Die beiden 2- und 4-Jahre alten Jungen konnten uns in unserer eigenen Wohnung ganz schön in Bewegung halten! Natürlich war eine Ritterburg der Renner als Geschenk. Bernd war bestimmt froh, als der Besuch wieder abfuhr. Feiertage konnten auch anstrengend sein.
Silvester sahen wir uns die 1. Vorstellung einer Komödie in unseren Theater an und fuhren anschließend nach Braunschweig zu Freunden, um mit ihnen gemeinsam zu feiern. Beim Anstoßen zum Jahreswechsel, erwähnten wir auch unser Kartenspiel, das allerdings nur von uns Frauen einmal im Monat organisiert wurde.
Seit 1992 besaß Bernd nun schon die 4 Zimmerwohnung und es wurde nach 9 Jahren Zeit, sie einmal von einer Malerfirma renovieren zulassen. Die kompletten Zimmer erhielten wieder einen weißen Anstrich.
Auch mein Sohn mit seiner Partnerin und 2 Kindern veränderte seine Wohnungssituation, indem sie in eine größere Wohnung zogen. Zu meinem Bedauern konnten sie sich aber nicht entschließen, nach Niedersachsen zu ziehen, obwohl hier ja der Arbeitsplatz von Uli war.
In meiner freien Zeit hätte ich mich nun meinen beiden Enkeln (2 Jahre bzw. 6 Monate alt) vor Ort mehr widmen können. So brachte man mir immer mal ein Kind zum Übernachten, wenn die Eltern am Wochenende einmal ausgehen wollten. Ich staunte auch nicht schlecht, wenn Uli und Cornelia jeweils verschiedene Veranstaltungen besuchten. Ich musste lernen, mich raus zu halten! Später sagte ich mir immer: „Machen lassen“
Und was geschah in der Weltpolitik?
George W. Bush wurde am 20.1.2001 zum neuen Präsidenten der USA vereidigt. Der Bevölkerung versprach er Steuersenkungen. Außenpolitisch verfolgte er einen harten Kurs und zerstörte damit das mühsam gewonnene Gleichgewicht. Bush nahm das bereits von Reagan begonnene Verteidigungskonzept einer nationalen Raketenabwehr wieder auf. Russland, Fernost und Westeuropa werteten den militärischen Alleingang als Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges.
Nach einer Weile gab mir Ulrike zu verstehen, dass die Miete der Wohnung zu teuer wäre, weil sie ja nur als Zweitwohnung gedacht sei, denn sie würde ja eigentlich noch bei Christoph wohnen. Also wurde die Wohnung im Februar 2001gekündigt und sie zog als Untermieterin in eine Kellerwohnung in ihrem Arbeitsort ein, um nicht so viel Miete zahlen zu müssen!
Es dauerte aber nicht lange und sie eröffnete uns, dass Christoph vielleicht doch nicht der Mann fürs Leben sei. Nun erträumte ich mir, dass sie vielleicht hier aus Niedersachsen einen Mann kennenlernen könnte. Aber das wollte meine Tochter absolut nicht!
Sie suchte sich in Sachsen- Anhalt in einer hübschen Kleinstadt mit vielen Fachwerkhäusern, die nur 30km von ihrem Arbeitsort entfernt war, wieder eine Wohnung. Zu meinem Erstaunen, legte sie sich auch gleich noch aus diesem Ort einen neuen Freund zu. Über den ich sehr verwundert war, denn er hatte nach der Wende in meinen Augen nichts auf die Reihe gebracht, sondern nur mit Geld spekuliert. Aber er nahm sich im Gegensatz zu Christoph immer Zeit für Ulrike.
Bald merkte sie selbst, dass das wohl auch nicht der Mann fürs Leben sein könnte und sie wollte mit ihm Schluss machen, aber er wollte nicht loslassen und rief sie laufend auf dem Handy an. Ich machte mir darüber Sorgen, denn was man mittags von ihr zu hören bekam, klang so, als würde sich ihr fälschlich Auserwählter als „stalker“ entwickeln. Ausgerechnet vor dem Haus, indem sich ihre Wohnung befand, gab es zu dieser Zeit ein Baugerüst und die Belästigung von ihrem noch Verehrer blieb auch über diesen Weg nicht aus. Als sie ihn zur Rede stellen wollte, ließ sie ihn in ihre Wohnung, um sich vernünftig mit ihm auseinander zu setzen. Das war aber anscheinend nicht möglich, denn er zerschnitt vor ihren Augen eine Jacke, die er ihr geschenkt hatte. Von diesen ganzen Unerfreulichkeiten erzählte sie mir aber erst, als die Trennung dann endgültig vorbei war. Selbst dann machte ich mir noch Sorgen um sie.
Vom 7. bis 21.April 2001 fuhren wir wieder zum Winterurlaub in die Schweiz nach Saas Fee. Da Bernd seine Kinder aus 1. Ehe sehr wenig sah, lud er sie zu diesem Zeitpunkt auch zum Skifahren ein. Bernds Tochter Friederike übernachtete mit uns im Hotel. Sein Sohn Peter mit seiner Frau und seinen 3 Kindern (9, 7 und 3 Jahre) waren in einer Ferienwohnung untergebracht. Natürlich bedeutete es Stress für Peters Frau die Mädchen zur Skischule zu bringen und selbst Skiunterricht zu nehmen.
Ich nahm auch wieder an einem Kurs teil und wusste, wie anstrengend es für einen Anfänger war die Technik des Abfahrens zu erlernen. Natürlich saßen wir öfters gemeinsam in der Ferienwohnung zusammen. Peters Frau war auch Sonderschullehrerin, wie ich.
In Gesprächen stellte sich heraus, dass die 36- jährige Friederike mit ihrer beruflichen Entwicklung selbst nicht zufrieden war. Peters Frau riet ihr zu einem Logopädie-Studium. Einige Wochen nach unserem Skiurlaub half Peter seiner Schwester herauszufinden, wo man Sprecherziehung studieren könnte und auch bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen für sie war er sehr hilfreich. Bernd war über den Entschluss seiner Tochter erfreut, in Hamburg Logopädie zu studieren. So hatte der Winterurlaub noch gute Nachwirkungen.
Unsere gemeinsamen Freizeitaktivitäten waren sehr abwechslungsreich: Teilname an einer Buchlesung „Der Lebenslauf der Liebe“ von Martin Walser, eine Betriebsbesichtigung im Volkswagenwerk in Wolfsburg, Besuch Ausstellung in Magdeburg über „Otto der Große“ und Troja- Ausstellung in Braunschweig, um nur einiges aufzuzählen. Die Troja- Ausstellung war interessant und Bernd spielte mit den Gedanken, vielleicht einmal die Ausgrabungsstätte in der heutigen Türkei zu besuchen.
Im März brachte man mir meinen 2 Jahre alten Enkel für 2 Tage zur Betreuung. Der kleine Theo war sehr gern bei mir. Bernd merkte man an, dass er mit Kindern nicht viel anfangen konnte. Er nahm aber Rücksicht darauf, dass ich mich in der kurzen Zeit dem Kleinen ganz widmete. Von Theo war ich sehr überrascht, als er mir sagte: „Du sollst meine Mama sein!“. Natürlich erzählte ich meiner Schwiegertochter nichts davon, denn wenn man als junge Frau berufstätig ist und zwei Kleinkinder zu versorgen hat, fehlt natürlich die Zeit, wie ich sie nun an einem Wochenende aufbringen konnte.
Aber auch die Treffen mit Bekannten und Freunden kamen nicht zu kurz. Das jährliche Klassentreffen von Bernd fand 2001 in Kassel statt. Dort wurde natürlich viel über die Jugendzeit in Ostpreußen gesprochen.
Am 3. Mai 2001 wurden wir zu einer Erstkommunion eines Sohnes einer Ärztin nach Göttingen eingeladen. Mit dieser kirchlichen Feier wurden wir mal wieder mit dem christlichem Glauben konfrontiert und sofort kamen mir, wie immer bei solchen Gelegenheiten Zweifel. Besonders die katholische Kirche mit ihren sieben Sakramenten (angeblich von Christus gebotene rituelle Handlungen: Taufe, Firmung, Bußsakrament, Abendmahl, Priesterweihe, Ehe und Krankensalbung) stellte ich in Frage.
Gleich anschließend nach den Feierlichkeiten fuhren wir nach Thüringen zu meinen Eltern. Meinem Vater ging es gesundheitlich nicht sehr gut, wie schön einfach, wäre dann eine Krankensalbung!
Auch unserem netten Nachbarn, der uns öfters zum Essen einlud und der unter seiner Multiple Sklerose litt, hätte ich gern einen besseren Gesundheitszustand gewünscht.
Wir wanderten auch mit dem Kegelklub. Bernd war hauptsächlich Mitglied, um dort mit seinen ehemaligen Kollegen Kontakt zu halten, denn er selbst kegelte ungern.
Unsere sportlichen Aktivitäten nahmen wir aber weiterhin in einem Fitnessstudio wahr. Bernd konnte auch von seinem Hobby der Fliegerei nicht lassen. Dazu verabredete er sich meist mit einem Fluglehrer und charterte eine Katana oder eine Aquila. Natürlich musste sich Bernd in seinem Alter ständig einer Gesundheitsüberprüfung zur Fliegertauglichkeit unterziehen. Freunde behaupteten, er habe gute Gene, denn es war erstaunlich, wie fit er sich fühlte. Vielleicht habe ich, als jüngere Partnerin, auch etwas für das allgemeine Wohlbefinden beigetragen.
Wir führten eine gute Partnerschaft, aber unser Sexualleben ließ nach. Am Anfang unserer Beziehung hatten wir Sex vom Feinsten. Natürlich liebt das ein Mann und es bindet die Partner aneinander. Ich konnte mich ihm total sexuell hingeben, weil er mir überlegen war, ich Vertrauen zu ihm aufgebaut hatte und ich mich geborgen bei ihm fühlte. Aber ich bin davon überzeugt, dass mich Bernd nicht nur wegen der Erotik liebte. Ich glaube er schätzte auch meine realistische denkende Art. Vielleicht sind eine weibliche und eine männliche Denkweise in mir.
Nun hatte ich einmal den Spruch gehört: Es ist normal, wenn das Alltagsleben mit 25% Sexualität und 75% Alltag ausgefüllt wäre. Anfangs nahm ich an, dass bei Bernd vielleicht durch bloße sexuelle Gewohnheitshandlungen unser Sexualleben nachließ. Es ist ja bekannt, dass die sexuelle Erregungskurve des Mannes steil ansteigt und ebenso steil abfallen kann. Da er sich aber bei einem Urologen ärztlichen Rat (ohne Erfolg) holte, stellte ich mich langsam darauf ein, auf sexuelles Verlangen zu verzichten. Manche behaupten ja sogar, wenn Sex in einer Partnerschaft weniger wichtig wird, dann liebt man sich wirklich.
Bei unseren leiblichen Söhnen hatten wir den Eindruck, dass Sex noch sehr wichtig ist. Bernds Sohn Peter aus erster Ehe hatte 3 Töchter und später ein uneheliches Kind. Auch ich sollte bald ein weiteres Enkelkind bekommen. Mein Sohn Uli wurde dreifacher Vater und das ohne Trauschein mit seiner Partnerin. Carl sollte am 6.6.2002 geboren werden.
Mit einem befreundeten Ehepaar aus Süddeutschland verabredeten wir in der Zeit vom 16.bis 30.6.2001 einen gemeinsamen Urlaub auf der Insel Ischia. Bereits viele Dichter der Antike priesen Ischia mit den berühmten Thermalquellen als Kurinsel.
Bernd und Wolf waren gleichaltrig. Schon ihre Eltern waren miteinander befreundet. Wolf bezeichnete sich als Historiker und dementsprechend wurden viele Gespräche über den Krieg geführt. Seine Frau Irmtraud hatte den Beruf als Zahntechnikerin erlernt, war aber jetzt in einem Unternehmen als Handelsvertreterin für Zahnimplantate tätig. Es war jeweils ihre zweite Ehe, die aber nicht besonders glücklich verlief, denn Wolf hatte mit einer Frau eine Affäre gehabt, die von Irmtraud nicht gerade freudig toleriert worden war.
Wolf und Irmtraud machten bereits viele Jahre Urlaub im Hotel San Nicola Terme in Panza. In der Kurabteilung des Hotels haben wir medizinisch-therapeutische Massagen erhalten. Auch die 7 Anwendungen mit Heilschlamm taten mir gut. Bernd brach die Behandlung mit den Fango-Packungen ab, weil er wenig Heilerfolg verspürte und sogar meinte, eine Verschlechterung im Bandscheibenbereich zu spüren.
Für Ausflüge waren unsere Bekannten wenig zu begeistern, obwohl sie mit dem Auto angereist waren. Da sie schon sehr oft in Panza waren, zogen sie es vor, faul am Pool die Sonne zu genießen und bei Bedarf im Thermalbecken mit einer Wassertemperatur von 32°C zu schwimmen.
Spätestens am Abend trafen wir uns dann zum Dinner wieder. Das Hotel war hauptsächlich mit Italienern belegt. Dementsprechend temperamentvoll ging es nach dem Genuss von einigen Gläsern Wein zu. Es wurde uns auch ein italienischer Folklore-Abend geboten.
Einmal wollten wir einen ruhigen Abend genießen und fuhren mit Irmtraud und Wolf zu dem Restaurant SOLE NESCENTE, das sich auf einem Hügel befand. Von dort aus konnten wir in aller Ruhe den Sonnenuntergang beobachten.
Nachmittags nahmen Bernd und ich einmal den Linienbus zu dem malerischen Fischerdorf Sant´Angelo. In einem Cafe mit dem Namen „Piratencafe“, bestellten wir Kaffee und merkten erst bei der Bezahlung den „Piratenpreis“. Zum Glück hatten wir vorher die traumhafte Atmosphäre des kleinen Hafens genossen.
Wir unternahmen aber auch eine ganztägige, geführte Inselrundfahrt mit dem Bus. Man zeigte uns den ältesten Ort an der Nordwestspitze Lacco Ameno, der von den Griechen gegründet wurde. Das Wahrzeichen von Lacco Ameno ist ein pilzförmiger Tuffstein-Felsen im Meer.
Natürlich verweilten wir auch in der Hauptstadt Ischias, in den Stadtteilen Porto und Ponte mit der prachtvollen Burg Castello Aragonese. Die Burganlage steht auf einem etwa 115m hohen Felsen und wurde bereits 474 v. Chr. als Festung erbaut.
An einem anderen Tag lernten wir bei einer weiteren Rundfahrt, dieses mal mit dem Motorschiff die Insel vom Wasser aus kennen.
Auch den Epomeo, den höchsten Berg mit ca.798m mussten wir erklimmen. Der erloschene Vulkan war zuletzt im Jahre 1301 ausgebrochen. Der teilweise steile und anstrengende Aufstieg, war der Mühe wert, denn wir wurden mit einem traumhaften Panoramablick über die ganze Insel belohnt. Eindrucksvoll war auch beim Auf- und Abstieg die mediterrane Pflanzenwelt mit großen Pinienhainen, üppigen Wäldern blühenden Gingster-Sträuchern und Gewürzpflanzen zu erleben.
Gemeinsam mit Irmtraud besuchten wir die „Giardini Poseidon Terme“ bei Cuotto. Ischia ist vulkanischen Ursprungs und daher reich an Mineral- und Thermalquellen. Die Anlage dürfte mit der Blütenpracht und reichen subtropischen Vegetation in Größe und Gestaltung mit seinen 20 Kur-Badebecken einmalig sein. Durch alle Wasserbecken fließt ständig quellfrisches Thermalwasser mit abgestuften Temperaturen von 28°C bis 40°C. Wir haben unseren Aufenthalt genossen und konnten gar nicht alle Becken ausprobieren.
Ischia ist die größte Insel im Golf von Neapel, dessen Küste vom mächtigen Vesuv beherrscht wird. Natürlich nahmen wir an einem Ausflugsprogramm nach Pompeji und dem Vesuv teil. In Pompeji lernten wir die Ausgrabungsstätte der 79 v. Chr. durch eine Naturkatastrophe verschütteten Stadt kennen. Durch den Ausbruch des Vulkanes wurde die Stadt von einer Wolke aus giftigen Gasen, Asche und glühenden Gesteinsbrocken 7m tief begraben. Erst im 18. Jahrhundert begann man die gut erhaltenen Zeugnisse der Vergangenheit auszugraben. Eindrucksvoll war es auch am Kraterrand des Vesuvs (1277m hoch) zu stehen und einen Blick auf das fruchtbare Land von oben zu werfen. Dazu war ein halbstündiger, steiler Aufstieg vom Busparkplatz bis zum geheimnisvollen Kraterrand notwendig. Der Kraterrand mit seiner 300m tiefen Schlucht und einem Umfang von 2000m ist bis zur Hälfte begehbar. Man wird ehrfürchtig vor solch einer Naturgewalt. Der Vesuv, der vor etwa zwölftausend Jahren entstand, ist der einzige aktive Vulkan des europäischen Festlandes.
Irmtraud und Wolf hatten uns davon überzeugen können, dass sich die Reise nach Ischia gelohnt hatte. Wir behielten unseren Aufenthalt mit den malerischen Landschaften, Heilquellen, der mediterranen Lebensart, Kunst und Kultur in schönster Erinnerung.
Mein Vater, 3 Jahre älter als Bernd, hatte am 20.April 1998 den ersten und am 11.Oktober 1998 einen zweiten Schlaganfall bekommen. Außerdem stellte der Urologe später noch Prostata-Krebs fest. Anfangs verharmloste er das Leiden der Vorsteherdrüsenvergrößerung und ließ keine Operation zu. Ich hatte das nicht verstanden, weshalb er sich gegen den operativen Eingriff zur Entfernung des Tumorgewebes wehrte. Mein Bruder Manuel hielt sich da mit seiner Meinung zurück, unterstützte aber meine Eltern, wenn etwas zu erledigen war.
Später musste die akute Harnsperre durch das Einlegen eines Harnblasenkatheters beseitigt werden.
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