Abukirow
Abusch, Alexander
Al Barazi, Khaled
Al Barazi, Moutaz
Albrecht I., Markgraf und Herzog von Preußen
Albrecht Alkibiades, Markgraf von Brandenburg-Kulmbach
Albrecht Friedrich der Blödsinnige, Herzog von Preußen
Albrecht, Kurfürst von Mainz und Erzbischof von Magdeburg
Anlauf, Paul
Anna von Preußen und JülichCleve-Berg
Auer, Ignaz
Barmat, Julius
Barova, Lida
Benjamin, Hilde
Berlin, Friedrich
Berlin, Lucie
Bialek, Robert
Bismarck, Otto Eduard Leopold von
Blake, George
Blecher, Hermann Pejser
Bleichröder, Gerson von
Blume, Wilhelm
Bonhoeffer, Dietrich
Brackow, Hans
Brecht, Bertolt
Breitscheid, Rudolf
Briesemann, Erdmann
Brinck, Werner
Bruno, Junker von (Pater Roderich)
Brussig, Thomas
Burgsdorff, Curt von
Burgsdorff, Ehrenreich von
C aetano, Dominico
Canaris, Wilhelm
Carion, Johannes
Carl, Prinz von Preußen
Carlos (Ilich Ramírez Sán chez)
Cocceji, Samuel
Cohen, Julius
Dagobert siehe Arno Funke
Danckelmann, Eberhard Christoph Balthasar Freiherr von
Delitz, Friederike Luise Christiane
Denke, Karl
Dieterich, Mattias
Dobbeck, Clemens
Döblin, Alfred
Dorothea von Holstein-Glücks burg (die Schwarze Dorothea)
Drenckmann, von Günter
Dretzieher, Konrad Dronke, Ernst
Duensing, Erich
Durieux, Tilla Dutschke, Rudi
Eberhard, Probst zu Berlin
Effendi, Ali Aziz
El Karmi, Mohamad
Elisabeth von Bayern
Elisabeth, Kurfürstin von Brandenburg
Elser, Georg
Encke, Wilhelmine (Gräfin Lichtenau)
Engelbrecht, Ernst
Engelmann, Hans
Engels, Friedrich
Erler, Fritz
Fabich, Max
Favre, Titus de
Fichte, Johann Gottlieb
Finck, Werner
Fischer, Samuel
Fontane, Theodor
Freisler, Roland
Freytag, Anton
Friedrich der Schöne von Öster reich
Friedrich II. der Große (der Alte Fritz), König von Preußen
Friedrich II. Eisenzahn, Kurfürst von Brandenburg
Friedrich III. (I.) (der Schiefe Fritz), Kurfürst von Brandenburg, König in/von Preußen
Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig), König von Preußen
Friedrich Wilhelm II. (der Dicke Wilhelm), König von Preußen
Friedrich Wilhelm III.
Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen
Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst
Fromm, Paul
Funke, Arno
Galinski, Heinz
Gennat, Ernst
Genschow, Rosa
Genzke, Johann
Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg
George, Heinrich
Gerwin, Propst zu Bernau
Gladewitz, Richard
Gladow, Werner
Glassbrenner, Adolf
Goebbels, Joseph
Gönczi, Joseph
Göring, Hermann
Götze, Max
Götze, Walter
Graßmuß, Hans
Gregorenko, Waldimir
Grimme, Adolf
Grossmann, Carl
Gustav Adolf, König von Schweden
Haarmann, Fritz
Haase, Hugo
Hacke von der Hakenburg,
Hans Georg
Hacke, Johann Georg
Hagemann, Wilhelmine Caroline
Halkan, Hans
Halkan, Jakob
Halkan, Peter
Harden, Maximilian
Harrach, Auguste von
Haushofer, Albrecht
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich
Heider, August
Heine, Heinrich
Helldorf, Wolf-Heinrich Graf
Henrich, Martin
Herrmann, Liselotte
Hess, Rudolf
Heydrich, Reinhardt
Hiller, Kurt
Himmler, Heinrich
Hinckeldey, Carl Ludwig Friedrich
Hindenburg, Paul
Hirschfeld, Gerhard
Hitler, Adolf
Höber, Heinz Werner
Hödel, Emil Max
Hoefle, Anton
Höhler, Ali
Honecker, Erich
Höpner, Johann Christian
Horst, Johann Christian Peter
Hüttig, Richard
Ibrahim, Dergham
Jacob, Berthold
Jagels, Ernst
Jagow, Traugott
Jahn, Friedrich Ludwig
Jandorf, Adolf
Joachim Friedrich, Kurfürst von Brandenburg
Joachim I. Nestor, Kurfürst von Brandenburg
Joachim II. Hektor, Kurfürst von Brandenburg
Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen
Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg
Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg
Jürgen, Bartel
Karah-Joli, Bassam
Katte, Hans Hermann
Kaul, Friedrich Karl
Keith, Peter Karl Christoph
Keller, Marie
Kempinski, Berthold
Kimmritz, Willi
Kirsch, Franz
Kizs, Istvan
Klante, Max
Klein, Amalie
Kleist, Heinrich
Knobloch, Heinz
Kohl, Andreas
Kohlhase, Hans
Kolbe, Freiherr von (später Reichsgraf von Wartenberg)
Kranzler, Johann Georg
Krautz, Julius
Kreikemeyer, Willy
Krösing, Daniel
Kuhfeld, Emil
Kunigunde von Orlamünde
Künstler, Franz
Kunze, Gotthilf Anton
Kurras, Karl-Heinz
Kusian, Elisabeth
Kutisker, Iwan
Landowsky, Klaus-Rüdiger
Lang, Fritz
Lehndorff, von
Lenck, Franz
Lenz, Christian
Leopold von Habsburg, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
Levetzow, Magnus von
Liebermann, Max
Liebknecht, Karl
Liebknecht, Wilhelm
Lindenberg, Ritter von
Linse, Walter
Lippold ben Chluchim
Litfaß, Ernst
Lorenz, Peter
Louis Ferdinand, Prinz von Preußen
Lövy, Leo
Lubbe, Marinus van der
Lüdke, Bruno
Ludwig von Bayern
Luise, Königin von Preußen
Lummer, Heinrich
Luther, Martin
Luxemburg, Rosa
Lynar, Rochus Guerini Graf zu
Madai, Guido von
Magdalena von Brandenburg, Gräfin von Arneburg
Mahle, Hans
Markgraf, Paul
Marloh, Otto
Mata Hari
Maximilian II. von Habsburg, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
Meienburg, Christoph
Meier, Silvio
Meißner, Thomas
Melanchthon, Philipp
Melsheimer, Ernst
Mendelssohn, Moses
Metzsch, Hans von
Meyer, Henriette
Meyer, Jaques
Meyerbeer, Giacomo
Mielke, Erich
Mierendorff, Carlo
Mies van der Rohe, Ludwig
Mirabeau, Graf
Momper, Walter
Morell, Theo
Moritz, Kurt
Mosse, Rudolf
Nagelschmidt, Georg
Napoleon Bonaparte
Nebbe, Erika
Nebbe, Arthur
Nehring, Johann Arnold
Neumann, Christian August
Neumann, Franz
Nikolaus Cyriakus von Bernau (Propst)
Nobiling, Karl Eduard
Noske, Gustav
Oberjat, Karl
Ogorzow, Paul
Ohnesorg, Benno
Oppenheimer, Süß
Oster, Hans
Ostwald, Hans
Otterstedt, Ritter von
Oza, Jakob de (Papst Johan nes XXII.)
Pannewitz, Erwin
Parvus-Helphand, Alex ander
Passarge, Gustav
Pflugk-Harttung, Horst von
Pieck, Wilhelm
Prokop, Otto
Raabe, Wilhelm
Rasch, Gustav
Rathenau, Walter
Rattay, Klaus-Jürgen
Raule, Benjamin
Rausch, Friedhelm
Reichelt, Clemens
Reindel, Wilhelm
Reuter, Ernst
Reuter, Fritz
Rickers, Katharina
Rochow auf Plessow, Hans Wilhelm
Rosenacker, Sigmund
Rosenfeld, Philipp
Rosenthal, Hans
Rudolf, Herzog von Sachsen
Runck, Valentin
Rung, Thomas
Saß, Erich
Saß, Franz
Scabell, Ludwig
Schalck-Golodkowski
Schertz, Georg
Schinkel, Karl Friedrich
Schirach, Baldur
Schirdewan, Karl
Schleiermacher, Friedrich
Schlüter, Andreas
Schmaus, Johann
Schmidt, Jakob
Schmidt, Philipp Jakob
Schmücker, Ulrich
Scholtz-Klink, Gertrud
Schreck, Konrad
Schultz, Egon
Schultze, Auguste
Schultze, Klara
Schumacher, Kurt
Schützendorff, Hasso
Schwarzenberg, Adam Graf
Seelenbinder, Werner
Sieg, John
Singer, Paul
Sklarz, Georg
Solmssen, Georg
Sophie Charlotte, Kurfürstin von Brandenburg
Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin, die Mecklenburgische Venus
Souchon, Herrmann
Speer, Albert
Speidel, Hans
Steffin, Dorothea
Stelling, Johannes
Stephan von Lebus
Stieber, Wilhelm
Stieff, Daniel
Stinnes, Hugo
Straß, Christoph
Strauß, Emil
Strauß, Erich
Strassmann, Fritz
Stubenrauch, Ernst
Stüler, August
Stumm, Johannes
Sült, Wilhelm
Sydow, Anna
Tempelhof, Hans
Tetzel, Johannes
Thälmann, Ernst
Tietz, Hermann
Tietz, Oskar
Todt, Hänschen
Tomaschek, Anton
Tomaschek, Franz
Tschech, Heinrich Ludwig
Tucholsky, Kurt
Ulbricht, Walter
Ullstein, Leopold
Ursinus, Charlotte Elisa beth
Ursinus, Theodor
Valke von der Lietzenitz, Erich
Vernezobre de Laurieux, Baron
Vierrath, Sebastian
Virchow, Rudolf
Vogel, Henriette
Völpel, Gustav
Waldeck, Leo
Wartenberg, Graf Kolbe
Wartenberg, Gräfin
Wedigen, Jochen (Johann)
Weigel, Helene
Weinleben, Johann
Weinrich, Johannes
Weiss, Antoinette
Wernicke, Otto
Wessel, Horst
Wilhelm I., König von Preußen, deutscher Kaiser,
Wilhelm II., König von Preußen, deutscher Kaiser
Winkler, Emil
Woldemar, Markgraf von Brandenburg
Wölfert, Hermann
Wrangel, Friedrich Heinrich Ernst
Wurm, Günter
Zänkert, Paul
Zaschwitz, Günter
Zastrow, von, Kriegsrat
Zeppelin, Ferdinand Graf
Zille, Heinrich
Ziller, Gerhart
Zimmermann, C.W.
Zörgiebel, Karl
Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe
1. Auflage dieser Ausgabe 2013
© 2003–2013 Jaron Verlag GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
www.jaron-verlag.de
Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin, unter Verwendung einer historischen Abbildung (Flugblatt zur Hinrichtung des »Hofjuden« Lippold, 1573, Ausschnitt)
ISBN 9783955521820
Jan Eik
Schaurige
Geschichten
aus Berlin
Die dunklen Geheimnisse der Stadt
Jaron Verlag
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Vorwort zur Neuausgabe
Rund um die Marienkirche
Die Hohenzollern und ihr Schlossgespenst
Aufruhr, Brände und andere Katastrophen
Huren, Hexen, Zauberer
Strafe muss sein
Gerechtigkeit ist ein schön’ Ding
Willkür gegenüber den Juden
Henkergeschichten
Friedhofs- und Grabgeschichten
Verrufene Orte
Aus gutem Hause
Berliner Polizeigeschichten
Berlins organisierte Unterwelt
Geschichten aus dem Untergrund
Eine schaurige Bilanz: Politische Verbrechen
Literatur
Personenregister
Berlin ist sicherlich keine üblere Großstadt als andere Metropolen dieser Welt. Und trotz der Unmenschlichkeit der NS-Zeit gelten noch immer die »Goldenen Zwanziger« als Gradmesser für die dunklen Seiten der Stadt. Wer heute jedoch nach dem Berliner Verbrecherviertel sucht, »das sich zwischen Alexanderplatz und Schlesischem Bahnhof erstreckt«, wie Hardy Worm 1924 berichtete, erlebt eine herbe Enttäuschung. Dort langweilt eine der eintönigsten Gegenden der Stadt, gesichts- und kneipenlos, von Auto-Pisten zerschnitten und begrenzt.
Wo Berlin gegenwärtig schaurig ist, mag der Mutige selbst herausfinden. Wir wenden uns nach der guten alten Zeit, als es in der Stadt angeblich noch »richtich jemietlich zujing«, auch den schwerlich zu übertreffenden Schrecknissen des 20. Jahrhunderts zu. Versprochen ist ein Ausflug an die schaurigen Orte einer barbarischen Justiz, der Unruhen und der Katastrophen, die Berlin erschütterten, wo leicht zu erregende Bürger und despotische Fürsten, Hexen, Huren, Henker, stöhnende Mönche, weiße Frauen, Brandstifter, attentäterische Bürgermeister, pädophile Konditormeister und Polizeipräsidenten mancherlei Couleur neben gewöhnlichen und politischen Verbrechern, Tunnelgangstern und Serienmördern zu Hause waren und sind.
Der Verfasser hat wie alle seine Vorgänger aus alten und neueren Quellen geschöpft, die er der bildhaften Sprache wegen gerne zitiert. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie die eine oder andere Geschichte in abweichender Fassung lesen oder gehört haben. Für manches gilt ohnehin der alte Berliner Spruch: »Wer’t jloobt, wird selich, wer’t nich jloobt, kommt ooch in’ Himmel.«
Dass die »Schaurigen Geschichten« zehn Jahre nach der Erstauflage und fünf nach einer erweiterten Fassung neu erscheinen, verdankt der erfreute Autor ausschließlich dem anhaltenden Interesse der Leser, die wahrscheinlich gerne erfahren, dass es in Berlin schon immer so zuging, wie es eben zugeht.
Totentanz und Sühnekreuz
Die Berliner gelten von jeher als ein unruhiges und unzufriedenes Volk. Sie selber behaupten natürlich, dass erst die Zugewanderten Unruhe in die teils sandige, teils sumpfige Wüstenei der Schwesterstädte Berlin und Cölln brachten. Andererseits – was wäre aus Berlin (die Insel Cölln immer einbezogen) ohne die Neuankömmlinge aus allen Teilen des Reiches, aus Holland, Frankreich und der Schweiz, aus Polen, Litauen und Böhmen geworden? Nichts. Nicht einmal eine Millionenstadt – und die war Berlin schon am Ende des 19. Jahrhunderts – reproduziert ihre Einwohnerschaft aus eigenen Ressourcen. Wer weiß heute noch, dass um 1860 zu den 19 Millionen Preußen auch 2,5 Millionen Einwohner nichtdeutscher Nationalität zählten? Daran mussten sich die Berliner gewöhnen, die den wendischen Ureinwohnern der umgebenden Mark nicht einmal das Bürgerrecht eingeräumt hatten. Bürger konnte nur werden, wer zum städtischen deutschen, zum Teil adligen Patriziat und – eine Stufe niedriger – zu den Handwerksmeistern, Kaufleuten und anderen Besserverdienenden gehörte.
Auf jeden Fall waren die alten Berliner fromm und gottesfürchtig. Beides wiederum nicht allzu sehr. Fromm genug immerhin, um zu Ehren Gottes hohe Kirchen zu bauen, viel höher als jedes bürgerliche oder adlige Haus und vollständig aus Stein, während man selber in hölzernen oder Lehmfachwerk-Bauten hauste. Von diesen zumindest in hygienischer Hinsicht wahrhaft schaurigen Baulichkeiten ist keine mehr zu finden in der Stadt. Die Kirchen aber stehen noch, soweit sie nicht durch Feuers- oder Kriegsbrunst und Abriss vernichtet wurden, wie mehrfach die Cöllnische Petrikirche, über deren Standort und einstigen Kirchhof sich heute der Verkehr zwischen Mühlendamm und Gertraudenbrücke zehnspurig ergießt. Aber das soll sich – wie so vieles in Berlin – bald wieder ändern.
Fliegende Baumeister und Chorknaben
Die ältesten Berliner Kirchen sind die Nikolai- und die Marienkirche. In der Marienkirche entdeckte man 1860 eine Wandmalerei aus der Pestzeit um 1485, einen 22 Meter langen Totentanz. Seltsamerweise aber erinnern die Berliner Sagen und Geschichten, die sich um das Bauwerk ranken, mit keinem Wort an diesen schaurigen Zug, sondern vielmehr an das unscheinbare Steinkreuz, das links neben dem Eingang der Kirche steht. Da soll beispielsweise ein braver Dachdecker abgestürzt sein, an den das Kreuz erinnert. Vielleicht aber auch an den Baumeister, der sich mit dem Teufel einließ, um diese besonders schöne Kirche zu errichten. Als Beelzebub sich am Tag der Fertigstellung die versprochene Seele abholen wollte, stand der Baumeister auf dem Turm und sprach ein Dankgebet. Da verlor der Teufel seine Macht über ihn und stieß ihn voller Wut vom Turm. Ein Windstoß erfasste jedoch seinen weiten Mantel, so dass er sanft herabschwebte und unverletzt unten ankam. Zum Dank ließ er das Kreuz errichten.
Dieses Kreuz beschäftigte die Berliner in geradezu verdächtiger Weise; als Grund für seine Errichtung wurden vielerlei Geschichten erfunden, in denen der Teufelspakt des Baumeisters häufig eine Rolle spielt. Nach einer anderen, zumindest in der Einleitung recht realistischen Version soll der Meister die Baugelder beim Kartenspiel verloren und deshalb den Pakt geschlossen haben. Der Teufel gab ihm das Geld unter der Bedingung, dass ein absichtlicher Fehler beim Bau der Gewölbe am Einweihungstag zu deren Zusammensturz führe. Der Baumeister, oberschlau wie manche Leute sich nun einmal dünken, wollte den Teufel übers Ohr hauen und vermied jeden Fehler. Satanas lauerte ihm nach der Einweihung hinter dem Kirchenportal auf, griff sich den Wortbrüchigen und drehte ihm den Hals um. Zum Andenken an den getreuen Baumeister stifteten die dankbaren Berliner das Kreuz.
Oder geht es doch gar nicht um den Baumeister? Vielleicht gilt das Kreuz dem Zinkenbläser, der am ersten Sonntag nach der Vollendung der Kirche auf den Turm stieg und dort oben ein Lied zur Ehre Gottes blies. Den Teufel ärgerte das fromme Lied so sehr, dass er den Musikanten vom Turm stieß. Da blähte ein Windstoß dessen Mantel auf … Den Rest kennen wir vom Baumeister.
Von besonderem Einfallsreichtum zeugt die Fassung mit den drei hungrigen Chorknaben, die aus ganz irdischen Gründen auf den Turm stiegen, um Krähen- oder Dohlennester auszunehmen. Sie legten ein Brett aus der Turmluke, auf dem der eine mit einem Körbchen hinauskroch, während die beiden anderen als Gegengewicht im Turm hockten.
Die Eiersammlung muss sich gelohnt haben, denn unversehens gerieten die drei in Streit über die Aufteilung der Beute. Der mutige Eierdieb beanspruchte die Hälfte, die Bretthalter verlangten je ein Drittel, und um ihre Macht zu demonstrieren, sprangen sie vom Brett. Der aushäusige Knabe stürzte samt Brett in die Tiefe, segelte aber dank seines weiten Chorhemdes so sanft zu Boden, dass nicht einmal die Eier im Körbchen Schaden nahmen.
So weit die Sagen um das Steinkreuz. In Wahrheit hatten die alten Berliner mehr zu verstecken, als unter das Mäntelchen eines nesträuberischen Chorknaben passt. Im 14. Jahrhundert dräute der Kirchenbann über der Stadt, und daran waren deren ach so fromme Bewohner ausnahmsweise selber schuld. Zwischen den Einwohnern der Doppelstadt und ihren geistlichen Herren und Hirten bestand nie ein besonders inniges Verhältnis, die Berliner (die Cöllner immer stillschweigend eingeschlossen) hassten »der Pfaffen Gierigkeit und Unkeuschheit« und liefen nicht von ungefähr 200 Jahre später spornstreichs zu Luther über.
Propst Nikolaus
Das Ereignis, von dem das schlichte Steinkreuz neben dem Kirchenportal noch heute zeugt, hatte für damalige Verhältnisse einen weltpolitischen Hintergrund. Die in jenen Jahren im Babylonischen Exil in Avignon residierenden Päpste mischten sich schon damals gerne in die deutsche Innenpolitik ein und versuchten, Könige und Kaiser nach ihrem Gusto einzusetzen. Jakob de Oza, der sich 1316 selbst zum Papst Johannes XXII. ernannt hatte, wollte Friedrich den Schönen aus dem Hause Österreich zum deutschen König machen, während die deutschen Fürsten und die Bürger in den Städten den späteren Kaiser Ludwig von Bayern bevorzugten. Ludwig belehnte nach dem Tod des letzten askanischen Markgrafen Woldemar seinen achtjährigen Sohn mit der herrenlosen Mark Brandenburg. Der Heilige Vater hingegen sprach die Mark, die ihm nicht gehörte, dem Herzog Rudolf von Sachsen zu und verbot bei Androhung des Kirchenbanns allen märkischen Untertanen, einem anderen Landesherrn zu gehorchen. Der Berliner Rat ergab sich 1321 wahrscheinlich nicht ganz freiwillig dem mit den Askaniern verwandten Rudolf, »dem aber ein großer Teil der Bürgerschaft nicht geneigt gewesen zu sein scheint«.
Der Papst beließ es nicht bei drohenden Worten, sondern schickte 1325 den als Königshasser bekannten Bischof Stephan von Lebus zusammen mit Propst Nikolaus Cyriakus von Bernau zum Polenkönig, um ihn zu überreden, in die Neumark einzufallen, was der brave Katholik prompt tat. Als Propst Nikolaus anschließend seinen Berliner Amtsbruder Propst Eberhard besuchte, war er darauf aus, auch den Berliner Rat im Sinne der Kirche und gegen das markgräfliche Kind Ludwig zu beeinflussen. Derlei Einmischung schätzten die Berliner nicht. Als Nikolaus sich in einer donnernden Predigt in der Marienkirche auch noch drohend für die Zahlung des Peterspfennigs starkmachte, lehnte er sich, wie man heute sagen würde, entschieden zu weit aus dem Fenster. Gleich nach der Predigt fielen die aufgebrachten Pfarrkinder mit Knüppeln über ihn her, erschlugen ihn auf der Stelle und verbrannten den Leichnam vor der Kirche auf dem Neuen Markt.
Berlin und Cölln hatten durch den daraufhin vom Magdeburger Erzbischof verhängten Bann »viel Verdrießlichkeit und Kosten zu erleiden«: Die Glocken verstummten, und die Kirchen blieben geschlossen, es fanden keine Taufen und Eheschließungen statt, den Sterbenden blieb die Letzte Ölung versagt. Da auch der Umgang mit den Gebannten verboten war und viele Kaufleute die Städte mieden, stockten Handel und Gewerbe. Nur die grauen Franziskaner in ihrem Berliner Kloster fügten sich nicht dem erzbischöflichen Interdikt, »dessen sich die Geistlichkeit, besonders der Bischof von Brandenburg bediente, die Städte auf schändlichste Art ums Geld zu bringen«. Der Bischof nahm 750 Mark Silber als Buße entgegen, verzettelte aber unter dem Vorwand, eine päpstliche Bulle wäre notwendig, die Sache bis 1345, indem er alle Bürger einzeln nach Brandenburg zitieren und jeden für die Absolution bezahlen ließ. Erst nachdem der Propst Gerwin zu Bernau und der Bruder des Erschlagenen mit beträchtlichen Summen abgefunden waren, erteilte er endlich 1347 die völlige Absolution. Der Vertrag forderte neben einem Altar in der Marienkirche ein mit einer ewigen Lampe versehenes Sühnekreuz von zwölf Fuß Höhe am Ort der Untat, etwa an der heutigen Ecke Spandauer-/Karl-Liebknecht-Straße, beim sogenannten »Lampenschmied«.
Das heutige Kreuz neben dem Kirchenportal misst kaum vier Fuß Höhe. Man nimmt an, dass es sich um eine spätere Replik des – vermutlich hölzernen – Originals handelt, das 1726 der Bebauung der Spandauer Straße weichen musste. Seitdem steht das Steinkreuz auf einem niedrigen Sockel am heutigen Platz.
Der Grüne Hut und die Eiserne Jungfrau
500 Jahre hat sie in Cölln an der Spree gestanden, die Zwingburg der Hohenzollern, deren Geschichte im Jahre 1448 mit einer vorsätzlichen Flutung der Baugrube begann. Doch nützte aller Aufruhr den Bürgern nichts – wie so oft in der Berliner Geschichte. Kaum drei Jahre später zog der eiserne Kurfürst Friedrich II. (nicht zu verwechseln mit seinem Nachfahren, dem gleichnamigen preußischen König Friedrich II.) auf der Burg ein.
Für die Berliner blieb das Gemäuer ein schauerlicher Ort. Stand doch an der Spreeseite bis zum Abriss des Schlosses im Jahre 1950 als einziger Rest der alten Burg ein kleiner Turm mit spitzem, von Grünspan schimmerndem Kupferdach. Der Grüne Hut diente bis 1648 als Gefängnis für das angeblich heimliche Gericht der Hohenzollern, und ganz unten im Turm stand die Eiserne Jungfrau: eine Frauengestalt aus Eisen, die weitgeöffneten Arme als Schwerter ausgebildet, der Leib links und rechts mit Messern versehen. War nun jemand zum Tode verurteilt, so musste er auf eine steinerne Platte dicht vor die Jungfrau hintreten und sie küssen. Durch ein Räderwerk schlossen sich die Arme, pressten ihn gegen die Messer und zerschnitten seinen Körper. Eine Klappe öffnete sich, der zerstückelte Leichnam fiel in die Spree und diente dort den Fischen und Krebsen als Nahrung.
Die Jungfrau war wohl in Wahrheit eine aufklappbare Maschine mit Dornen zum Peinigen durch quälenden Druck, die noch 1718 im Inventarverzeichnis des Gefängnisses im Stadthof vom Magistrat aufgeführt wurde. Ob sie der Große Kurfürst, der in seinem Schloss kein Gefängnis dulden wollte, beim Umbau des Grünen Huts 1648 in die Stadtvogtei neben dem damaligen Dom umsetzen ließ, ist nicht bekannt.
Die Weiße Frau – Gräfin von Orlamünde
Noch berüchtigter als die unheimliche Eiserne Jungfrau war unter den Schaurigkeiten Berlins ein anderes weibliches Wesen, dessen Geschichte untrennbar mit dem Hohenzollernschloss verbunden ist: die Weiße Frau.
Nach älteren Quellen soll es sich bei dieser Dame um die verwitwete Gräfin Kunigunde von Orlamünde-Plassenburg gehandelt haben, die in Liebe zu dem Nürnberger Burggrafen Albrecht dem Schönen entbrannt war, der sich jedoch zurückhielt. »Gern wollt ich dem schönen Weib mich zuwenden«, soll er geäußert haben, »wenn nicht vier Augen wären« – womit er seine Eltern meinte. Die verliebte Gräfin bezog den Ausspruch auf ihre beiden Kinder und beschloss, sie zu töten, indem sie ihnen mit einer goldenen Nadel ins Hirn stach. Nach anderen Quellen beauftragte sie ihren Bediensteten Hayder mit dem Mord.
Natürlich wandte sich der Burggraf nun vollends von ihr ab und heiratete eine andere. Viel zu spät bereute die Gräfin ihr scheußliches Verbrechen, unternahm eine Pilgerfahrt nach Rom, stiftete das Kloster Himmelsthron und verbrachte dort den Rest ihrer Tage mit Bußübungen. Im nahen Kloster Himmelskron bewahrte man noch im 17. Jahrhundert die angeblichen Gebeine der beiden Kinder auf, bevor sie infolge häufigen Vorzeigens zu zerfallen drohten und in einer steinernen Truhe bestattet wurden. Kein Wunder, dass die Mörderin nicht einmal nach ihrem Tode Ruhe fand und »als weiße Frau umgehen muss, bis ihre Zeit erfüllt ist«.
Den Geist der Gräfin von O. zeichnete nach ihrem Tode eine gewisse Reiselust aus. 1486 trat sie als Weiße Frau erstmalig im alten Schloss zu Bayreuth auf und wurde zwei Jahre später in den düsteren Gängen und Gewölben der Plassenburg gesichtet. 1540 stellte der dortige Schlossherr Markgraf Albrecht Alkibiades das Gespenst und warf es die steile Wendeltreppe hinunter. Unten lag sein Kanzler Christoph Straß mit gebrochenem Genick …
Die Weiße Frau – die schöne Gießerin
Wen wundert es, dass die echte Weiße Frau daraufhin den beschwerlichen Weg nach Berlin wählte, um sich ausgerechnet im Schloss der zahlreichen Ururgroßnachkommen ihres einst Angebeteten festzusetzen? Im Cöllner Schloss ist ihr Auftreten seit 1598 bezeugt. Da allerdings war sich alle Welt einig, dass es sich nicht um die längst vergessene Gräfin von Orlamünde handelte, sondern um die schöne Gießerin Anna Sydow, Witwe des Artilleriehauptmanns und Stückgießers Matthias Dieterich aus Burgund. Sie war die langjährige Favoritin des Kurfürsten Joachim II., der sie mehr liebte »als alle seine anderen Gespielinnen, von seiner angetrauten Ehefrau gar nicht zu reden«. Sie begleitete Joachim auf allen Reisen und Jagden und spielte auch sonst gerne die Landesmutter.
Mindestens zwei Kinder gingen aus dieser Verbindung hervor. Der Tochter Magdalena von Brandenburg verlieh der Vater den Titel einer Gräfin von Arneburg und sorgte sich sehr um ihre Aussteuer.
Joachim Hektor trat 1539 entgegen seinem dem frommen und fruchtbaren Vater geleisteten feierlichen Eid zum Luthertum über. Ohnehin war ja ein Hohenzoller, Joachim Nestors Bruder Albrecht nämlich, Schuld an der Reformation. Der hatte sich bereits als 24-Jähriger zum jüngsten Erzbischof von Magdeburg und Kurfürsten von Mainz emporgekauft. Die Augsburger Fugger liehen ihm das Geld dafür. Damit er es zurückzahlen konnte, privilegierte der Papst Albrecht zum Ablasshandel, unter der Bedingung, dass die Hälfte der Einnahmen für den Bau des Petersdoms nach Rom floss. Der nicht sonderlich fromme Erzbischof holte den wegen Ehebruchs zum Tode durch Ersäufen verurteilten und vom Sachsenherzog zu ewiger Haft begnadigten Dominikaner Tetzel aus dem Grimmaischen Turm zu Leipzig und ernannte ihn zum »Untersuchungsrichter der ketzerischen Entstellungen« und zum obersten Ablasskrämer. War es ein Wunder, dass sich der Doktor Luther in Wittenberg gegen Tetzels freches Gebaren empörte und die halbe Christenheit aufschrie? Erzbischof Albrechts und Joachim Nestors Vetter Markgraf Albrecht von Hohenzollern, letzter und jüngster Hochmeister des Deutschritterordens, war 1525 der erste Herrscher, der die neue Religion in seinem eben vom Polenkönig gelehnten Herzogtum Preußen zur Staatsreligion erhob.
Joachim sorgte sich nicht nur um seine uneheliche Tochter Magdalena und um die drei Kinder der Anna Sydow aus deren erster Ehe. Mit Recht misstraute er vor allem seinem ältesten Sohn Johann Georg. Am Sonnabend nach Pfingsten 1561 ließ er diesen in Zechlin eine Urkunde ausstellen, in der Johann Georg Folgendes versicherte:
Unsre liebe getreue Anna Sydows … jederzeit schützen handhaben und vertheidigen … Wir nehmen sie samt Kindern Haab und Gütern in Unsern sonderlichen Schutz, und versprechen auch alles wie obstehet, und Wir solches Unserm Herrn und Vater mit Hand und Mund angelobet haben …
Kaum aber war der Herr und Vater nach einer Wolfsjagd in der Nacht zum 3. Januar 1571 im Jagdschloss Köpenick verblichen, ließ der wortbrüchige Sohn die Sydow verhaften, aller ihrer Güter und Kleinodien berauben und auf die Festung Spandau bringen, »wo sie bis an ihren Tod (im Jahre 1575) sehr hart gehalten worden sein soll«.
Die durch Joachims Prunksucht und Mätressenwirtschaft verarmten Landeskinder sahen darin eine durchaus gerechte Strafe. Neben dem kurfürstlichen Münzjuden Lippold war ihnen die schöne Gießerin am meisten verhasst. Auch aus der glänzenden Aussteuer der mit einem Grafen von Eberstein verlobten Tochter Magdalena wurde nichts. Johann Georg fragte seinen verkrüppelten Schreiber Andreas Kohl mit herbem Spott: »Willst du mein Schwager werden?« Der lehnte nicht ab. Nach Kohls Tod lebte die kurfürstliche Halbschwester als bürgerliche Witwe in Berlin.
Sosehr das Volk die Gießerin verabscheute, verknüpfte es ihr Schicksal dennoch mit der Sage von der Weißen Frau, »die seit Jahrhunderten im Schloss zu Cölln umgeht und sich vor jedem Todesfall in der Hohenzollern-Familie zeigt«. Zu ihrer Zeit eine berühmte Schönheit, avancierte Anna Sydow 23 Jahre nach ihrem Tode zum berühmtesten Gespenst Brandenburg-Preußens. Sie fände, so behauptete der Volksglaube, in Spandau keine Ruhe, ja, sie sei in Wahrheit im Jagdschloss Grunewald unter der Treppe eingemauert worden. Selbst in einem Privatgebäude in Charlottenburg ginge sie um. Man bemerke dort im Trauerzimmer eine sanfte Erschütterung, die silbernen Wände würden von einer unsichtbaren Macht in einer lebhaften hellgrünen Farbe erleuchtet, süße, harmonische Töne vermischten sich zu einer fröhlichen Melodie …
Die Weiße Frau war kein fürchterliches Gespenst. Lautlos schwebte sie dahin und erfüllte die ihr vom Schicksal zugedachte Aufgabe, die Todesbotin der Hohenzollern zu sein.
Zum ersten Mal zeigte sich die weiße Gestalt in Cölln 1598, acht Tage vor dem Tod des 73-jährigen Johann Georg, dem Anna Sydow ihr bitteres Ende verdankte. Kurfürst Johann Georg war der fruchtbarste aller Hohenzollernherrscher, deren 20 es auf immerhin 165 anerkannte Nachkommen brachten. Das letzte von Johann Georgs 23 Kindern wurde erst nach dem Tod des Vaters geboren.
Auch vor dem Ableben von Johann Georgs Enkel, dem abergläubischen Kurfürsten Johann Sigismund, geisterte das Gespenst herum: »Dies, der Wein und dunkle Gedanken veranlassten den Zermürbten, die Regierung seinem Ältesten zu übergeben und das bessere Jenseits aufzusuchen …«
Es half nicht, dass Johann Sigismund aus Furcht vor der Weißen Frau ins Haus seines Kämmerers Anton Freytag an der Langen Brücke zog – er hatte nur noch sechs Wochen zu leben.
Die Weiße Frau wird aktenkundig
Mit der Leichenrede des Dompredigers Berger von 1619 geriet das Gespenst in die schriftlichen Annalen des Hauses Hohenzollern:
Es hat sich die Weiße Frau in leidtragender Gestalt auf dem Churfürstlichen Schlosse sehen lassen vor Personen allerhand Standes und Alters, daß also an ihrer Erscheinung nicht zu zweifeln ist.
Aus dem 17. Jahrhundert stammen die meisten Meldungen über das Gespenst, das sich gewöhnlich ruhig und anständig benahm. Nur wenn man sie durch frechen Übermut reizte, wurde die Dame zornig. Ein hoher Kavalier erzählte, dass er bei Ihrer kurfürstlichen Durchlaucht einstmals wegen wichtiger Affären ziemlich spät im Gemach gewesen, da sei das weiße Weib in Gestalt einer Beschließerin über den Saal gegangen. Sein Page, aller Warnungen ungeachtet, sei ihr nachgelaufen und habe sie angefasst mit den Worten: »Mutter, wo wollt ihr hin?« Der Vorwitzige bekam mit dem Schlüssel einen solchen Schlag an die Ohren, dass er bewusstlos zu Boden stürzte, während das Gespenst über ihn hinwegschritt. Zitternd wagten sich die anderen hervor und trugen den Pagen in seine Kammer, wo er trotz ärztlicher Bemühungen am dritten Tag den Geist aufgab. Man darf den Satan nicht reizen, schlussfolgerten die Todesmutigen, und so flüchteten sie alle, wenn im Schloss nur entfernt etwas Weißes schimmerte.
Einem schwachen Vater folgt mitunter ein noch schwächerer Sohn: Georg Wilhelm, der nächste Kurfürst, war schon bei seiner Huldigung mit 24 Jahren ein kranker Mann, der an der hohenzollernschen Erbkrankheit litt, einer schweren Wassersucht. Er starb 1640 mit nur 45 Jahren, vermutlich vom eigenen Kanzler Schwarzenberg vergiftet. Die wahre Herrscherin in Berlin blieb bis 1625 seine harte und herrschsüchtige Mutter Anna von Preußen, die älteste der fünf Töchter des Herzogs Albrecht Friedrich der Blödsinnige. Sie brachte den ohnehin nahe verwandten Hohenzollern immerhin das spätere Königreich Preußen als Morgengabe mit. Um den Stammbaum des Hauses Hohenzollern noch unübersichtlicher zu gestalten, heiratete ihre jüngere Schwester Eleonore Johann Sigismunds Vater Joachim Friedrich, starb aber bald darauf.
Kaum fünfzig Jahre später zog eine weitere schaurige Person ins Berliner Schloss ein: die ebenso gescheite wie ehrgeizige und rachsüchtige zweite Gemahlin des blatternarbigen Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, eine verwitwete Herzogin von Braunschweig-Lüneburg. Die Schwarze Dorothea ging wegen verschiedener unerwarteter Todesfälle und Koliken in der Herrscherfamilie – wahrscheinlich unverdientermaßen – als Giftmischerin in die Geschichte ein. Immerhin starben plötzlich und unerwartet zwei Kurprinzen, und der dritte, überraschend zum Kronprinzen aufgestiegen, hielt sich nach einer höchst unbekömmlichen Tasse Kaffee vorsichtshalber von ihr fern. Dafür stand ihm am Ende seiner Tage noch eine besonders eindrucksvolle Begegnung mit der Weißen Frau bevor.
Ein mutiger Hohenzoller
Etliche Jahre vorher wollte der Oberkämmerer und Saufkumpan des Großen Kurfürsten, Oberst Curt von Burgsdorff, ein trinkfester Mann von unbändiger Stärke, das schleierumwogte Hausgespenst endlich einmal mit eigenen Augen sehen. Er wolle ihm schon Bescheid stoßen!