PEMA CHÖDRÖN
Meditieren – Freundschaft schließen mit sich selbst
Aus dem Amerikanischen von
Stephan Schuhmacher
Kösel
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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
How to Meditate. A Practical Guide to Making Friends with your Mind.
Copyright © 2013 by Pema Chödrön.
Published by arrangement with Sounds True, www.soundstrue.com
Copyright © 2013 Kösel-Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Umschlag: Weiss Werkstatt, München, unter Verwendung
eines Bildmotivs von: Shutterstock / © VikaSuh
ISBN 978-3-641-11324-7
V003
Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem
gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter
www.koesel.de
Meditation besteht einfach darin,
uns so zu schulen, dass sich unser Geist und unser Körper
in Übereinstimmung bringen lassen.
Durch die Übung der Meditation können wir lernen,
ohne Trug sowie ganz wahrhaft und lebendig zu sein.
Chögyam Trungpa Rinpoche
Unser Leben ist eine unablässige Reise:
Die Übung der Meditation ermöglicht es uns,
sämtliche Aspekte des Pfades zu erfahren,
denn genau darum geht es auf unserer Reise.
Chögyam Trungpa Rinpoche
Inhalt
Einführung: Die Entscheidung für ein Leben aus vollem Herzen
Warum meditieren?
Erster Teil: Die Meditationstechnik
1 Sich auf die Übung vorbereiten und eine Verpflichtung eingehen
2 Den Geist stabilisieren
Übung: Mit dem gegenwärtigen Moment in Kontakt kommen
Übung: Der Body Scan
3 Die sechs Punkte der Körperhaltung
Sitz
Hände
Der Rumpf
Augen
Gesicht
Die Beine
4 Der Atem: Die Übung des Loslassens
5 Die Einstellung: Immer wieder zurückkommen
6 Bedingungslose Freundlichkeit
7 Sie sind Ihr eigener Meditationslehrer
Zweiter Teil: Mit den Gedanken arbeiten
8 Der Affengeist
9 Die drei Ebenen des diskursiven Denkens
10 Gedanken als Meditationsobjekt
Übung: Gedanken als ein Objekt der Meditation benutzen
11 Alle Dharmas als Träume ansehen
Dritter Teil: Mit den Gefühlen arbeiten
12 Mit unseren Gefühlen vertraut werden
13 Der Raum innerhalb der Gefühle
14 Gefühle als Meditationsobjekt
Übung: Erinnerungen als Stütze für die Meditation benutzen
15 Sich die Hände schmutzig machen
16 Bei der Erfahrung bleiben
17 Mit der Emotion atmen
18 Die Geschichte fallen lassen und das Gefühl finden
Übung: Das Gefühl auffinden
Vierter Teil: Mit Sinneswahrnehmungen arbeiten
19 Die Sinneswahrnehmungen
Geräusche als Meditationsobjekt
Übung: Ein Geräusch als Meditationsobjekt
Anblicke als Meditationsobjekt
Übung: Ein Anblick als Meditationsobjekt
Das Fühlen als Objekt der Meditation
Übung: Etwas Gefühltes als Meditationsobjekt
Das Schmecken als Meditationsobjekt
Übung: Geschmack als Meditationsobjekt
20 Die Vernetztheit aller Wahrnehmungen
Fünfter Teil: Das Herz öffnen, damit es alles umfangen kann
21 Vom Kampf ablassen
Übung: Die Aufmerksamkeit auf eine einfache Aktivität als Meditation
22 Die Sieben Beglückungen
23 Die erträgliche Leichtigkeit des Seins
24 Überzeugungen
25 Entspannt mit der Bodenlosigkeit umgehen
26 Einen Kreis von Übenden bilden
27 Ein Gefühl des Staunens kultivieren
28 Der Weg des Bodhisattvas
Über die Autorin
Zum Weiterlesen: Deutschsprachige Bücher von Pema Chödrön
»Pema ist eine unserer beliebtesten und hilfreichsten Lehrerinnen – praktisch, mitfühlend und weise. Meditieren – Freundschaft schließen mit sich selbst ist eine wunderbare Gelegenheit, sich ihre Lehren zu Herzen zu nehmen und eine Meditationspraxis aufzubauen.«
Jack Kornfield, Autor von Frag den Buddha – und geh den Weg des Herzens und Das innere Licht entdecken.
»Dieses neue Buch von Ani Pema ist eine wunderbare Zusammenstellung von Meditationsunterweisungen, die sie selbst im Laufe der Jahre vielen ihrer Schüler gegeben hat. Diese Anleitungen haben sich als dermaßen hilfreich für andere erwiesen, dass sie zu einer der beliebtesten und am meisten verehrten buddhistischen Lehrerinnen der Moderne geworden ist. Mit ihrem brillanten Geist und einer unerschütterlich fröhlichen Einstellung zum Leben praktiziert sie selbst, was sie lehrt. Für Tausende von Lesern ist sie eine große Stütze und eine spirituelle Freundin, und ich bin ganz sicher, dass dieses Buch, mit dem sie den aufrichtigen Versuch macht, uns alle anzusprechen, vielen Menschen in ihrem Alltagsleben helfen wird.«
Dzigar Kongtrül Rinpoche, Autor von Licht bricht durch und Dein Leben liegt in deiner Hand.
EINFÜHRUNG:
Die Entscheidung
für ein Leben aus
vollem Herzen
***
Das Prinzip der Jetztheit ist für jedes Bestreben,
eine erleuchtete Gesellschaft zu schaffen,
von größter Bedeutung. Sie mögen sich fragen,
auf welche Weise Sie die Gesellschaft am besten
zu unterstützen vermögen und wie Sie wissen können,
dass das, was Sie tun, auch wirklich authentisch und gut ist.
Die einzige Antwort besteht in der Jetztheit.
Durch die Übung der Meditation gelangen Sie dazu,
sich zu entspannen oder Ihren Geist in der Jetztheit
ruhen zu lassen. In der Meditation nehmen Sie
eine unvoreingenommene Einstellung an.
Sie lassen die Dinge sein, wie sie sind,
ohne sie zu beurteilen, und auf diese Weise lernen Sie
ganz von selbst, zu leben.
Chögyam Trungpa Rinpoche
Der Geist ist ausgesprochen ungestüm. Das menschliche Leben ist voll von unvorhersehbaren und paradoxen Erfahrungen, Freuden und Sorgen, Erfolgen und Fehlschlägen. In der unermesslichen Landschaft unseres Daseins können wir keiner dieser Erfahrungen ausweichen. Sie ist ein Teil dessen, was das Leben so großartig macht – und ihre Unermesslichkeit führt dazu, dass unser Geist uns auf einen derart verrückten Ritt mitnimmt. Vermögen wir uns durch Meditation darin zu schulen, den wilden Sprüngen unserer Erfahrungen offener und mit mehr Akzeptanz zu begegnen, und bringen wir es fertig, uns auf die Schwierigkeiten des Lebens und den Ritt unseres Geistes einzulassen, dann können wir inmitten all dessen, was das Leben mit sich bringt, ausgeglichener und entspannter werden.
Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, mit dem Geist zu arbeiten. Eine der wirksamsten Methoden ist, das Hilfsmittel der Sitzmeditation anzuwenden. Die Sitzmeditation öffnet uns für jeden einzelnen Moment unseres Lebens. Jeder Augenblick ist völlig einzigartig und unbekannt. Unsere mentale Welt scheint vorhersehbar und greifbar zu sein. Wir glauben, uns auf sicherem Boden zu befinden, wenn wir alle Ereignisse unseres Lebens sowie das, was wir damit anfangen wollen, durchdenken. Aber all das ist nur eine Phantasie, und eben dieser Moment, ohne jede begriffliche Überlagerung, ist vollkommen einzigartig. Er ist total unbekannt. Wir haben genau diesen Augenblick niemals zuvor erfahren, und der nächste Augenblick wird nicht derselbe sein wie der, in dem wir uns jetzt befinden. Meditation lehrt uns, unmittelbar mit dem Leben umzugehen, sodass wir den gegenwärtigen Moment wirklich erfahren können, frei von begrifflicher Überlagerung.
Gehen wir von der Sichtweise des Dharma aus – mit anderen Worten von der Lehre des Buddha über die Wahrheit dessen, was ist –, dann besteht der Zweck der Übung der Meditation darin, das Leiden zu überwinden. Vielleicht fühlen sich deshalb so viele Menschen zur Meditation hingezogen. Im Allgemeinen sitzen Menschen nämlich nicht in der Meditationshaltung, wenn sie nicht irgendwelche Schwierigkeiten haben. Aber in den buddhistischen Lehren geht es nicht nur um die Beseitigung der Symptome des Leidens. Ihr Anliegen ist vielmehr, die Ursache oder die Wurzel des Leidens auszurotten. Der Buddha sagte: »Ich lehre nur eine einzige Sache: das Leiden und das Verlöschen des Leidens.«
In diesem Buch möchte ich betonen, dass der Geist die Wurzel des Leidens ist – unser Geist. Und der Geist ist auch die Wurzel unseres Glücks. Der Weise Shantideva gibt dort, wo er in seinem Werk Bodhicharyavatara das Thema des Leidens behandelt, die folgende berühmte Analogie für unsere Bemühungen, unser Leiden zu lindern. Er sagte: »Wenn du über die Erde läufst und dies deine Füße schmerzen lässt, dann könntest du vielleicht auf die Idee kommen, die ganze Erde mit Tierhäuten abzudecken, damit die spitzen Steine dir nicht mehr wehtun. Doch woher sollte man so viel Leder nehmen? Stattdessen könntest du dir einfach um beide Füße ein Stück Leder wickeln; dann ist es so, als wäre die ganze Welt mit Leder bedeckt und du bist immer geschützt.«
Mit anderen Worten: Sie könnten endlos versuchen, das Leiden zu beenden, indem Sie sich mit den äußeren Bedingungen auseinandersetzen – das, was wir alle gewöhnlich tun. Die übliche Herangehensweise ist: Sie versuchen einfach immer wieder, die äußeren Probleme zu lösen. Doch der Buddha sagte etwas ziemlich Revolutionäres, das die meisten von uns ihm nicht wirklich abnehmen: Wenn Sie mit Ihrem Geist arbeiten, wird dies alles Leiden lindern, das von außen zu kommen scheint. Bereitet Ihnen etwas Probleme – ein Mensch, der Sie ärgert, eine Situation, die Sie stört, oder körperlicher Schmerz, unter dem Sie leiden –, dann müssen Sie mit dem Geist arbeiten, und das geschieht in der Meditation. Mit unserem Geist zu arbeiten, ist der einzige Weg, uns in der Welt, in der wir leben, tatsächlich zufrieden und glücklich fühlen zu können.
Was die Vorstellung vom »Leiden« angeht, gilt es, eine wichtige Unterscheidung zu treffen. Als der Buddha sagte: »Ich lehre nur eine einzige Sache: das Leiden und das Verlöschen des Leidens«, benutzte er das Wort dukkha für »Leiden«. Dukkha ist etwas anderes als Schmerz. Schmerz ist, ebenso wie Freude, ein unvermeidlicher Teil des Lebens. Freude und Schmerz wechseln einander ab, und sie gehören einfach zum Leben eines jeden in diese Welt geborenen Wesens mit Körper und Geist.
Der Buddha sagte nicht etwa: »Ich lehre nur eine einzige Sache: den Schmerz und das Verlöschen des Schmerzes.« Er sagte: Schmerz gibt es einfach. Indem wir heranreifen und erwachsen werden, müssen wir uns mit der Tatsache anfreunden, dass es in unserem Leben nun einmal Schmerz gibt. Es wird Ihnen nicht gelingen, einen Punkt zu erreichen, an dem Sie keinen Kummer mehr empfinden, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Sie werden auch keinen Punkt erreichen, an dem Sie keine blauen Flecken mehr bekommen, wenn Sie die Treppe hinunterfallen. Wenn Sie älter werden, haben Sie vielleicht Rückenschmerzen oder Ihnen tun die Knie weh. All dies und vieles mehr kann passieren.
Selbst ein sehr fortgeschrittener Meditierender erfährt Stimmungen. Die Energien, die durch Menschen hindurchströmen – die massiveren, bedrückenderen davon nennen wir Depression, Furcht oder Angst –, also diese Arten von Stimmungsenergien durchströmen alle Lebewesen, genauso wie sich das Wetter von Tag zu Tag ändert. Unser inneres Klima ändert und wandelt sich unablässig, ob wir nun völlig erleuchtet sind oder nicht. Darum stellt sich die Frage: Wie gehen wir mit diesen sich ständig verändernden Energien um? Müssen wir uns total mit ihnen identifizieren, uns von ihnen mitreißen und herunterziehen lassen?
Das Wort dukkha wird auch als »Unzufriedenheit« oder »Unbefriedigtsein« übersetzt. Dukkha wird dadurch am Leben erhalten, dass wir fortwährend mit der Realität des menschlichen Lebens unzufrieden sind, weil wir uns einfach nicht mit der Tatsache abfinden wollen, dass unangenehme Situationen nun einmal ebenso zum Leben gehören wie angenehme. Alle Lebewesen neigen sehr stark zu dem Wunsch, dass die erfreulichen und angenehmen Gefühle, die Gefühle von Behaglichkeit und Sicherheit, ihr ganzes Leben ausfüllen mögen. Tritt irgendeine Art von Schmerz auf – erfahren wir also Unannehmlichkeiten, Unwohlsein oder Unsicherheit –, dann möchten wir das vermeiden und davonlaufen. Und genau deshalb wenden wir uns der Meditation zu.