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Robert Kardinal Sarah und Nicolas Diat

Gott oder nichts

Ein Gespräch über den Glauben

© 2015 fe-medienverlags GmbH

Hauptstraße 22, D-88353 Kißlegg

E-Book-Herstellung: Manuel Kimmerle, Kißlegg Covergestaltung: Manuel Kimmerle, Kißlegg

ISBN (gedruckte Ausgabe): 978-3-86357-133-7

ISBN (ePub): 978-3-86357-138-2

Für Msgr. Louis Barry,

der durch seinen Mut so groß war

Für Frère Vincent,

und all jene, die sich unermüdlich an seinem Krankenbett abwechseln

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Erzbischof Georg Gänswein

Einleitung von Nicolas Diat

  1. Die Zeichen Gottes im Leben eines Kindes Afrikas
  2. Der Stern der Heiligen Drei Könige
  3. Von Pius XII. zu Franziskus – Die Päpste eines Lebens
  4. Auf der Suche nach der Kirche
  5. Die Eckpfeiler und die falschen Werte
  6. Fragen der postmodernen Welt
  7. Um in der Wahrheit zu stehen
  8. Das Geheimnis der Sünde und die großen Zweifel
  9. Evangelii Gaudium – Die Freude des Evangeliums nach Papst Franziskus
  10. Gott spricht nicht, doch seine Stimme ist deutlich vernehmbar
  11. Quellenangaben

»Denn für Gott ist nichts unmöglich.«

Lk 1,37

»Zuallererst sollt ihr einmütig zusammenwohnend, wie ein Herz und eine Seele auf dem Weg zu Gott sein.«

Heiliger Augustinus

»Weil der Mensch der Welt seinen Ort, sein Schicksal, seine Idole ändern will und diese ständig ändert, muss der Freund Gottes an dem Ort bleiben, an den Gott ihn gestellt hat. Zwischen den Freunden Gottes und der Welt besteht nämlich ein Gegensatz und ein Bruch. Wofür sich der eine entscheidet, lehnt der andere ab. Andernfalls gäbe es nicht zwei Lager mehr, sondern ein einziges: die Welt.«

Père Jérôme

Zu den Wurzeln!

Vorwort von Erzbischof Georg Gänswein

Dieses Buch ist radikal. Natürlich nicht in dem Sinne, in dem wir das Wort heute oft benutzen, etwa mit Blick auf Protestformen und extreme politische Ansichten. Nein, es ist die Radikalität des Evangeliums, die dieses Buch inspiriert, die Radikalität, die schon so viele Glaubenszeugen bewegt und angetrieben hat, die Radikalität einer unausweichlichen Entscheidung, vor der letztlich jeder einzelne Mensch steht, wenn er, früher oder später in seinem Leben, den Ruf Christi hört, ihn ernst nimmt, ihm nicht länger ausweichen will und endlich darauf antworten muss. Dann versteht er, dass seine ganze menschliche Existenz auf diese eine Frage zuläuft: Gott oder nichts!

Robert Kardinal Sarah hat keine Scheu, über die Radikalität des Evangeliums zu sprechen und ihr eine schonungslose Zeitanalyse gegenüberzustellen. Überzeugend zeigt er auf, dass es sich bei den neuen Formen des Atheismus und der Gottesgleichgültigkeit nicht einfach um gedankliche Irrwege handelt, die man auf sich beruhen lassen könnte. Vielmehr sieht er in den tiefgreifenden moralischen Transformationen unserer Gesellschaften eine existenzielle Bedrohung nicht nur des Christentums, sondern der menschlichen Zivilisation schlechthin. Erst verschwindet Gott, dann macht sich der Mensch selbst zu Gott: »Heute führt die Gottesfinsternis in den reichen und mächtigen Ländern den Menschen zu einem praktischen Materialismus, zu einem chaotischen oder übermäßigen Konsum und zur Schaffung von falschen moralischen Normen. Das materielle Gut und die sofortige Befriedigung werden zum alleinigen Lebensinhalt. Am Ende dieser Entwicklung geht es noch nicht einmal mehr darum, gegen Gott zu kämpfen; Christus und der Vater werden ignoriert. (…) Die neue Regel lautet: den Himmel zu vergessen, damit der Mensch total frei und autonom sei.«

Dass in dieser prekären Lage der Auftrag, das Evangelium glaubwürdig zu verkünden, an Dringlichkeit gewinnt, steht für Kardinal Sarah außer Frage. Hier steht einer auf, der eine müde gewordene Glaubenswelt wieder wachrütteln will, indem er unumwunden sagt, worum es für die Kirche in dieser dramatischen Situation tatsächlich geht: »Um eine radikale Änderung des konkreten Lebens zu bewirken, muss die Lehre Jesu und der Kirche das Herz des Menschen erreichen.« Wo ihr das nicht gelingt, sieht er die Lösung nicht etwa in Anpassung an die Lehren des Hier und Jetzt, sondern in einer selbstkritischen Reflexion über die Mängel der Verkündigung: »Dabei geht es nicht darum, die Forderungen des Evangeliums aufzuweichen oder die Lehre Jesu und der Apostel zu ändern, um sich an die sich verflüchtigenden Moden anzupassen, sondern um uns selbst über die Art und Weise infrage zu stellen, wie wir das Evangelium Jesu leben und das Dogma präsentieren.«

Es wäre falsch, dieses Buch als einen Beitrag zu einer ganz bestimmten Debatte oder eine Erwiderung auf konkrete Standpunkte anderer zu lesen. Damit würde man der Tiefe dieser Theologie und der Strahlkraft dieses bewegenden Glaubenszeugnisses nicht gerecht. Kardinal Sarah geht es gerade nicht um die einzelne Konfliktfrage, sondern um das Ganze des Glaubens; er beweist, wie aus dem richtig verstandenen Ganzen auch das Einzelne zu verstehen ist – und wie, umgekehrt, mit jedem theologischen Versuch, Teilfragen zu isolieren, auch das Ganze beschädigt und geschwächt wird. Mag sein, dass Politik die Kunst des Machbaren ist, die Fertigkeit des Kompromisses unter sich ständig wandelnden Bedingungen; die christliche Botschaft aber kann niemals Verhandlungsmasse sein. Sie ist uns anvertraut und kann nur unverfälscht ihre heilbringende Wirkung in der Welt entfalten – auch und gerade in der Welt von heute.

»Gott oder nichts« – im Titel dieses Buches hallen berühmte Glaubenszeugnisse aus der Kirchengeschichte nach, zumal aus der Geschichte der Mystiker. Auf dem kleinen handschriftlichen Zettel, den man nach dem Tod Teresa von Ávilas in ihrem Brevier fand, stand schon der Gedanke in ähnlich leidenschaftlicher Diktion: »Solo Dios basta« – Gott allein genügt! Und die heilige Margareta Maria Alacoque, deren Visionen wir die Herz-Jesu-Verehrung verdanken, bekannte schon früh in ihrem Leben: »Ich brauche nichts außer Gott.« Man kann Kardinal Sarahs in diesem Buch skizzierte Theologie durchaus in diese Traditionslinien stellen, aber nicht als Anknüpfung an spätmittelalterliche Mystik, sondern als eine Theologie, die mit dem eigenen Leben und dem persönlichen Bekenntnis untrennbar verbunden ist, wie die fesselnden Kindheits- und Jugenderinnerungen im ersten Teil des Buches zeigen.

Ich will gestehen, dass mir bei der Lektüre dieses langen Gesprächs zwischen Kardinal Sarah und Nicolas Diat mehr als einmal jener Brief in den Sinn kam, mit dem Papst Gelasius I. aus Afrika im Jahr 494 von Rom aus dem Allmachtstreben Kaiser Anastasios’ I. in Konstantinopel entgegentrat. Achtzehn Jahre zuvor hatten germanische Stämme die alte Hauptstadt überrannt; West-Rom existierte nicht mehr. Hier hatte nur die katholische Kirche überlebt, deren Oberhaupt dem mächtigsten Herrscher des Erdkreises in diesen Jahren nun unerschrocken das Recht absprach, auch über die Seelen seiner Untertanen herrschen zu wollen. Europas staunenswerte Geschichte und die Geschichte der katholischen Kirche als zivilisatorischer Kraft ist undenkbar ohne jene Spur, die Gelasius I. damals mit seinem entschlossenen Widerspruch legte.

Die totalitäre Versuchung hat unsere Geschichte seither weiter begleitet. Jede Generation kennt sie, auch wenn sie in jeder Epoche in neuer Gestalt und Sprache auftritt. Es ist im Kern auch heute noch dieselbe totalitäre Versuchung, der Kardinal Sarah hier so einsam, freimütig und furchtlos entgegentritt wie Papst Gelasius I. vor über 1500 Jahren.

Dieses Buch ist radikal – ganz im Sinne des Wortursprungs: Das lateinische Radix heißt im Deutschen »Wurzel«. Und genau dorthin, zu den Wurzeln unseres Glaubens, zu den Wurzeln des Evangeliums, führt uns Robert Kardinal Sarah in diesem Buch. Ihn auf diesem Weg mitlesend, mitdenkend, mitbetend zu begleiten, ist eine große Ermutigung für jeden, der sich mit wachem Verstand und offenem Herzen darauf einlässt.

Vatikanstadt, am Gedenktag Jean-Marie Vianneys, des heiligen Pfarrers von Ars, am 4. August 2015

+ Georg Gänswein

Einleitung

»Gott findet sich in den Erprobungen des Lebens.«

Père Jérôme, Car toujours dure longtemps …

Es gibt radikale Begegnungen, die einen Teil unserer Wahrnehmung verändern. Die Begegnung mit Kardinal Sarah gehört auf jeden Fall dazu. Es gibt kein Vorher und kein Nachher, sondern nur die Gewissheit, einem Mann Gottes gegenüberzustehen.

In L’Art d’être disciple schrieb Père Jérôme, Mönch der Abtei Notre-Dame de Sept-Fons, vom Zisterzienserorden der strengen Observanz: »Bittet euren Meister, nicht zu sprechen, um nichts zu sagen. Befragt ihn lieber über die Probleme der Geschicke des Menschen und über die damit zusammenhängenden Probleme, über die stets aktuellen Probleme. Und wie er selbst sie sieht. Wie er es anstellt, um sie couragiert und beschaulich hinzunehmen. Fragt ihn, was er mit Gewissheit kennt, was für ihn keine Frage mehr ist, was er für indiskutabel und unverrückbar hält. Lasst ihn über das Drama seiner eigenen Persönlichkeit reden, nicht über die artifizielle Komödie, die ihm vielleicht die Zeitumstände auferlegt haben. Lasst ihn über seine Unzufriedenheit und seine Hoffnungen, über seinen Glauben, über sein Vertrauen in Gott, über sein Gebet sprechen. Fragt ihn, wie und inwieweit er sich durch seine Begabung von sich selbst befreit hat. Informiert euch darüber, woher die Scharfsinnigkeit seiner Verweigerung kommt. Er vertraue euch an, was er in seinem Schweigen entdeckt. Er sage euch, was die Ursache seiner Tränen und der Grund seines Lächelns ist. Konzentriert euch bei diesem Mann auf das Wesentliche. Und wenn er bereit ist, erneut zu seinen Heften aus der Grundschulzeit und zu seinen Lehrlingswerkzeugen zu greifen, um euch zu helfen, dann dankt ihm durch eure Folgsamkeit.«

Im Laufe dieser Monate, in denen ich mit Kardinal Robert Sarah Gespräche führte, habe ich versucht, die einfachen und anspruchsvollen Grundsätze von Père Jérôme zu befolgen. Dieser heilige Trappistenmönch richtete sich an einen Novizen, um ihn aufzufordern, die Ratschläge und Bitten seines Meisters immer besser zu verstehen.

Kardinal Robert Sarah ist ein außergewöhnlicher spiritueller Meister. Ein Mann, der durch seine Demut groß ist, ein sanfter und standhafter Ratgeber, ein Priester, der nie aufhört, von dem Gott zu reden, den er liebt.

Kardinal Sarah hatte ein außergewöhnliches Leben, selbst wenn er wirklich der Meinung ist, dass sein Leben im Grunde recht alltäglich verläuft.

Kardinal Robert Sarah ist ein Gefährte Gottes, ein Mann der Barmherzigkeit und der Vergebung, ein Mann des Schweigens, ein guter Mensch.

Wenn ich an die langen Stunden zurückdenke, die wir mit der Arbeit zu diesem Buch gemeinsam verbracht haben, fallen mir immer wieder die ersten Momente ein, als er mir von seiner Kindheit erzählte – in einer besonders entlegenen Region Guineas, tief im Busch, am Ende der Welt, von dem kleinen Dorf Ourous, vom Halbdunkel in der Kirche, von den Missionaren, von seinen Eltern und seinem Volk, den Coniagui.

Ich bin sicher, dass Gott auf den Kardinal einen besonderen Blick geworfen hat – und ich denke auch, dass seine Erwartung enorm ist. Doch Gott kann beruhigt sein, denn der Kardinal liebt ihn auf die allerschönste Weise – so wie ein Mensch seinen Vater nur lieben kann.

In diesem Buch spricht der neue Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung viel von Benedikt XVI. Mit Bewunderung, Dankbarkeit und Freude.

Doch der Papst, dem sich Kardinal Robert Sarah am meisten verbunden fühlt, ist Paul VI. Zwischen Giovanni Battista Montini und dem Kind Afrikas besteht so etwas wie eine mystische Übereinstimmung. Ihre beiden Spiritualitäten, ihre beiden Mystiken und ihre beiden Theologien richten sich auf die gleiche, einfache und aszetische Weise auf Gott hin.

In den letzten Stunden seiner Regentschaft entschied sich Paul VI. zugegebenermaßen für einen Priester mit wenig Erfahrung, um aus ihm den jüngsten Bischof der Welt zu machen. Dieser Mann hieß Abbé Sarah. Doch ihre Beziehung ist enger, verborgener, tiefer. Die Verbindung zwischen Paul VI. und Kardinal Sarah lässt sich im Hinblick auf eine spirituelle Kindschaft verorten, auf Folgsamkeit, Radikalität, Wahrheitsanspruch, was auch immer es koste.

So konnte Paul VI. bei einer Generalsaudienz am 1. September 1976 sagen: »Um die Kirche aufzubauen, muss man sich Mühe geben, man muss leiden. Die Kirche muss ein Volk von starken Menschen sein, ein Volk von mutigen Zeugen, ein Volk, das für seinen Glauben und für seine Verbreitung in der Welt leiden kann – schweigend, umsonst und stets aus Liebe.« Zwei Jahre später verließ Paul VI. diese Welt; doch diese wenigen Worte werden gegebenenfalls erneut von Kardinal Sarah ausgesprochen werden, von ihm, der niemals vergisst, dass »die Kirche ein starkes Volk sein muss«, da in seinem Leben nichts jemals weder leicht noch umsonst gewesen war. Ein Mann, der eines der blutigsten diktatorischen Regimes Afrikas erlitten hat, ermisst besser als jeder andere diese Überlegung Pauls VI., die von 1963 stammt, als der Nachfolger Pet­ri seine Laufbahn beginnt: »Spricht Gott zur rastlosen Seele oder zur friedlichen Seele? Um dieser Stimme zu lauschen, das wissen wir ganz genau, muss etwas Stille, etwas Ruhe herrschen. Wir müssen uns von jeder bedrohlichen Aufregung oder Nervosität fernhalten, wir müssen wir selbst sein. Und genau das ist die essenzielle Grundlage: in uns selbst zu sein! Daher findet die Begegnung nicht außerhalb, sondern in uns selbst statt.«

Und wenn man nur einen einzigen Abschnitt dieses Buches im Gedächtnis behalten müsste, dann wäre es ohne Zweifel das Vertrauen des Kardinals, das sich auf den Augenblick richtete, als es unmöglich erschien, dass er angesichts aller politischen, ökonomischen und sozialen Schwierigkeiten Guineas sein Bischofsamt antreten könnte. Damals ging Robert Sarah in eine Einsiedelei, um fernab von Lärm und Raserei mit Gott alleine zu sein, fastend, ohne Nahrung oder Wasser, während mehrerer Tage einzig in Begleitung der Eucharistie und der Bibel. Die ganze Persönlichkeit des von den Spiritaner-Missionaren geführten Kindes von Ourous findet sich hier. Und nirgendwo anders. Seine Botschaft ist tatsächlich die Botschaft von Paul VI., der sich nicht scheute, 1970 zu betonen: »Jeder muss lernen, in sich und aus sich heraus zu beten. Der Christ muss ein persönliches Gebet besitzen können. Jede Seele ist ein Tempel. Und wenn wir diesen Tempel unseres Gewissens betreten, um hier Gott anzubeten, wer ist hier anwesend? Werden wir leere, obwohl christliche Seelen sein, Seelen, die sich selbst fernbleiben und die die geheimnisvolle und unsagbare Begegnung, den kindlichen und trunken machenden Dialog vergessen, den Gott – der eine Gott in drei Personen – die Güte hat, uns in uns selbst anzubieten?«

Es gibt viele ungewöhnliche Ereignisse im Leben von Kardinal Sarah, insbesondere die Ursachen seiner priesterlichen Berufung. Nichts in seinem animistischen Umfeld schuf bei ihm die Voraussetzungen, um sein Dorf zu verlassen, um mit elf Jahren in das kleine Seminar einzutreten. An dem Tag, als er seine Eltern mit einem kleinen Gepäckstück verließ, markierte den Beginn einer langen und stürmischen Wegstrecke, als ob dunkle Mächte mit allen möglichen Mitteln versuchten, einen jungen Heranwachsenden daran zu hindern, Priester zu werden: Armut, die Abwesenheit einer Familie, die marxistische Diktatur, die Verfolgung durch das Militär, der Sturm, der durch die Kirche fegte, die Gegenwinde der Ideologie … Doch dieser Mann hat durchgehalten, denn er dachte daran, dass Gott immer in seiner Nähe sei.

Wie die Mönche weiß auch er, dass die Monotonie und die Wiederholung an den vorbeiziehenden Tagen auch die verborgene Triebfeder der authentischen Begegnung mit Gott ist. Wie oft konnte der Fortgang seines Lebens ihm beweisen, dass Gott stets noch weit entfernter auf ihn wartete …

Ausgehend von einer Naturreligion, hat Robert Sarah die Gipfel des Christentums erreicht.

Heute ist er noch immer absolut derselbe: demütig, aufmerksam und entschlossen. Johannes Paul II. sagte oft, dass man mit seinen Kräften auf dieser Erde nicht haushalten müsse, denn wir hätten ja die Ewigkeit, um uns auszuruhen. Robert Sarah denkt ebenfalls, dass seine Arbeit erst im Augenblick seines Todes zu Ende sein wird. Er ist auf Erden, um Gott zu dienen und den Menschen zu helfen.

Im Jahr 2010 vertraute Benedikt XVI. ihm den Päpstlichen Rat Cor Unum an, der die Aufgabe hat, die karitativen Aktivitäten des Papstes durchzuführen. Er fasste diese Entscheidung, da er sich sicher war, dass dieser Mann aus einem kleinen schwachen Land besser als jeder andere das Leben der Armen verstehen könne. Und damit hatte der ehemalige Papst recht! Denn Robert Sarah hat das Elend nicht aus Büchern kennengelernt, in bürgerlichen Salons, die nach einem guten Gewissen gieren, in unruhigen Hörsälen, die die Welt durch den Willen verrückt spielender und aufgeblähter Egos verändern wollen … Er ist in eine andere Familie hineingeboren, die fast nichts besaß, und seine Studien konnte er dank der Unterstützung französischer Missionare fortsetzen, die ihm alles gegeben haben.

Zuweilen scheint das Denken des Kardinals schroff und zu anspruchsvoll zu sein. Gewiss gibt es da ein großes Mysterium, wenn man so radikal ist, um schließlich doch nur den Weg der goldenen Mitte aufzuzeigen. Robert Sarah legt bei jeder Sache einen sanften und engelhaften Eigensinn an den Tag.

»Tröste dich, du würdest mich nicht suchen, wenn du mich nicht gefunden hättest«, schrieb Pascal in seinen Gedanken. Der Wille des Kardinals hat sich stets nur auf Gott hin ausgerichtet. Denn es ist der beständige Wunsch von Robert Sarah, Gott durch das Gebet zu erreichen. Das ist einfach zu sagen, doch für diesen Mann geht es um die Herzschläge eines ganzen Lebens. Ja, mehr noch, der geistliche Sohn unerschrockener Missionare denkt, dass das Gebet nicht nur eine wunderbare Umsetzung der Taten der Freundschaft ist. Mit Paul VI. – auf Reisen auf den Philippinen – kann er zudem sagen: »Die Liebe Gottes ist untrennbar, so lehrt Jesus Christus, mit der Liebe zum Nächsten verbunden. Dem Apostel muss es nach einer stets realeren, universaleren Liebe dürsten. Seine Liebe seinen Brüdern und besonders den Schwächsten und Ärmsten gegenüber ist in der Liebe verwurzelt, die Gott allen entgegenbringt, vor allem ›den geringsten unter ihnen‹. Die Liebe zu Gott ist keine Versicherung für einen selbst: Sie ist ein Erfordernis des Teilens.«

Fern von seiner Heimat ist das Herz von Robert Sarah in Rom seinen afrikanischen Brüdern stets nahe geblieben – all jenen, die am Krieg, an Krankheit und Hunger leiden. Als Papst Franziskus ihn im Herbst 2014 in seine neuen Ämter berief, war der Kardinal traurig. Andere hätten sich über eine derart glänzende Beförderung gefreut, sie wären wie die Pfauen entlangstolziert und hätten ihr Rad geschlagen … doch nichts davon bei Robert Sarah. Er wollte einfach nur weiterhin den Armen dienen.

Robert Sarah tritt mit seiner unkomplizierten Persönlichkeit den Beweis für einen nicht spektakulären, dafür aber nachhaltigen Erfolg an. Das sehr differenzierte Mitgefühl dieses Mannes ist von einer Natürlichkeit, die kein Alter kennt. Seine Beziehung zu Gott ist offensichtlich, denn sie nährt sich aus einem ganzen Dasein der Treue, der Beständigkeit, der Liebe und des Vertrauens. Er ist ein Partisan, der zu einem Meister in der Kunst geworden ist, die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen – nichtsdestotrotz trägt er eine unbeschreibliche Kraft in sich.

Der Sohn von Claire und Alexandre Sarah ähnelt manchmal einem Mönch, der sich auf die große Reise macht, um seinem Gott, seiner Liebe zu begegnen. Er ist ruhig und vertrauensselig – ein Anflug von Besorgnis und Kummer wird mit der glühenden Klinge seines Glaubens in Windeseile zerschlagen.

Die Freunde Gottes sind natürlich immer in seinem Schatten verborgen. Robert Sarah ist ein Vertrauter des Hauses Gottes und er kennt zu diesem viele Eingänge.

Nicolas Diat, Rom, am 25. Januar 2015