Über dieses Buch:
Denken Sie auch an eine schöne Amazone, Urwald, einen Wasserfall, eine Liebe à la Disney? Falsch gedacht. Stavaric präsentiert seine ganz eigene Pocahontas und lässt sie wie in einem Roadmovie auf Gleisen mit der deutschen Bahn von Nürnberg nach Freudenstadt fahren. Dabei steigt sie ins Abteil ihres ungewöhnlichen Reisebegleiters. Vielleicht doch eine Liebesgeschichte?
Der Literatur-Quickie – das schnelle Lesevergnügen für Zwischendurch von Deutschlands besten Autorinnen und Autoren.
Über den Autor:
Michael Stavaric wurde 1972 in Brünn geboren. Er lebt als freier Schriftsteller und Übersetzer in Wien und erhielt zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen.
Der Literatur-Quickie Verlag im Internet: http://www.literatur-quickie.de
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eBook-Ausgabe April 2013
Die Printversion erschien 2011 bei Literatur-Quickie, Hamburg
Copyright © der Printausgabe 2011 Literatur-Quickie, Hamburg
Copyright © der eBook-Ausgabe 2013 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München
Titelbildabbildung: mcpublish
ISBN 978-3-95520-193-7
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Michael Stavaric
Déjà-vu mit Pocahontas
dotbooks.
Nürnberg, Bahnsteig (Wartezeit auf den IC 2066)
Nürnberg (Teilamnesie!), Klopse, Adventmarkt, Zimtstollen, wie soll man sich an ein Tribunal erinnern vor so vielen Jahren?
Ein paar Minuten zuvor bin ich aus dem ICE 28 geglitten, wahrlich ein prall gefülltes Ziesel, bin den Bahnsteig vorgerittert, Visier nach unten, bloß keinen Kontakt mit all den Reiseraspeln, stetig plapperndes Mundzeug überall, nur vom Nürnberger Zungenschlag ist nichts zu hören.
Sinus, Cosinus, dreidimensionaler Slalom bis zum Anschlusszug nach Karlsruhe (IC 2066), die Anzeigetafel weist eine geringfügige Verspätung aus, aber da bin ich gefeit, mein Missbehagen hält sich in Grenzen (Alternativen?).
Als der IC endlich einfährt, drängen sich die Menschenmassen, bis zum Bahnsteigrand, kann´s jetzt schon absehen: Freie Sitzplätze sind Mangelware.
Ich säbel noch an meinem Hot Dog, viel zu heiß die Fleischkanüle, schluck und schling wie ein Kormoran, damit die Hand frei wird, Trolly packen und ab durch die Mitte.
Flippernd durch den Zug (von Bande zu Bande), aneinander vorbeischiebend mit autistischer Eleganz, da und dort sogar ein böses Wort zu hören: Kennen´s net aufpasse? Is´se des d´Meeglichkeit?
Ich lass mich auf keinerlei Geschwätz ein, will nur einen Stecker (Notebook!) und etwas Sitztaugliches.
Ach, ihr liebfrivolen Lesereisen!
Nürnberg, IC 2066, Gleis 14 (vor der Abfahrt)
Im einzig freien Abteil des gesamten Zuges tauche ich unter, schließe die Tür, plumps in den Sitz, ein Granatapfel zurückkehrend in den Schoß (griechischer) Muttererde.
Reserviert für Behinderte, das ganze Abteil geht für eine (sinnvolle) Quote drauf, nur: Mit einem Rollstuhl passt (im Normalfall) kein Mensch durch diese Tür.
Keine Behinderten weit und breit, während der Zug längst anfährt, die Diskussion mit dem Schaffner ist dennoch vorprogrammiert.
Wir einigen uns schließlich darauf, dass ich gehe, sobald er mich nötigt.
Meinen Paradesatz „Das Leben behindert mich …“ will er keinesfalls gelten lassen.
Trotzig zucke ich meinen Nabokov und beginne zu lesen, während er noch am Fahrschein fummelt.
Kaum ist er weg, öffnet sich die Tür und SIE setzt sich.