Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1744
Der Plan des Unsterblichen
Der Bote der Superintelligenz berichtet – und Perry Rhodan erkennt die Hintergründe
von Peter Griese
Die Bedrohung für die Menschheit des Jahres 1218 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 4805 alter Zeit – geht von zwei Stellen aus: einerseits vom kristallisierten Planeten Mars im heimatlichen Solsystem, andererseits vom Arresum, unglaublich weit von der Menschheitsgalaxis entfernt.
Im Solsystem dehnt sich die Todesstrahlung vom Mars nach wie vor aus; wer in ihren Bann kommt, muss sterben. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Erde von der Strahlung erfasst und alles Leben auf dem Planeten vernichtet wird. Zudem sorgen die Hamamesch mit ihren Basaren für Unruhe; die Waren der fischähnlichen Wesen aus der Galaxis Hirdobaan scheinen andere Wesen in eine Art Abhängigkeit zu treiben.
Von aktuellen Entwicklungen kann Perry Rhodan gar nichts wissen: Er versucht, die unglaubliche Gefahr durch die Abruse zu beseitigen, die offensichtlich die Absicht hat, das ganze Universum mit ihrer Todesstrahlung zu überziehen und alles Leben zu töten. Die Abruse ist letztlich auch für die Kristallisation des Mars und die tödlichen Gefahren für die Erde verantwortlich.
Nach Hamillers Alleingang und seiner Flucht ins Arresum schien es zeitweise, als sei das Ende für die 12.000 Besatzungsmitglieder der BASIS gekommen. Doch als Perry Rhodan und seine Gefährten auf der »anderen Seite« des Universums das größte Raumschiff der Menschheit wiederfinden, treffen sie auf den Boten von ES. Dieser liefert einen Bericht und schildert den PLAN DES UNSTERBLICHEN ...
Ernst Ellert – Der Bote der Superintelligenz berichtet.
Perry Rhodan – Der Terraner erfährt mehr über den Langzeitplan.
Shauny Target – Eine junge Frau im Widerstreit der Gefühle.
Lugia Scinagra – Derzeit ist sie die Kommandantin der BASIS.
Maninga – Eine erstaunlich umgängliche Ayindi.
Im »Heiligtum« der Hamiller-Tube stand die Gestalt mit leicht gespreizten Beinen und verschränkten Armen. Die schmalen Lippen waren geschlossen. Der Blick glitt über alle Anwesenden, die zum Sturm auf die Hamiller-Tube angetreten waren, zuletzt zu Perry Rhodan. Der Blick war ruhig, irgendwie zeitlos und durchdringend, aber auch gutmütig und aufrichtig.
Kein Zweifel, das war Ernst Ellert.
Der ehemalige Mutant war im August 1940 der alten Zeitrechnung auf Terra geboren worden. Nach der Gründung der Dritten Macht durch Perry Rhodan war er zum Mutantenkorps gestoßen. Seine paranormale Gabe hatte darin bestanden, Dinge vorauszuahnen oder vorauszusehen, die in der nahen und fernen Zukunft passieren würden. Diese Gabe hatte zu seinem frühen Tod im Alter von 21 Jahren geführt, im Februar 1972. Er hatte sich geopfert, um eine vorausgesehene Katastrophe zu verhindern.
Seinen ursprünglichen Körper besaß er schon lange nicht mehr; sein Bewusstsein hatte sich längst daran gewöhnt, in fremden Körpern zu existieren. Und doch: Der Projektionskörper, mit dem Ernst Ellert nun vor Perry Rhodan stand, entsprach ziemlich genau dem, den er bei seinem eigentlichen Tod in der fernen Vergangenheit besessen hatte. Bei einem Tod, den das Bewusstsein zumindest uneingeschränkt überlebt hatte.
Vielleicht war der jetzige Körper etwas zu glatt, zu makellos. Vielleicht strahlte er etwas Künstliches aus. Aber das konnte auch Einbildung sein. Ein wahrer Körper war es jedenfalls nicht.
Ellert war etwa 1,80 Meter groß und schlank. Das schmale Gesicht wies keine besonderen Merkmale auf. Das volle Haar war jugendlich und dunkel. Vom Aussehen her war er eher ein unauffälliger Durchschnittstyp, ein Gesicht in der Menge, das man leicht übersehen konnte.
Das war die Wirkung, die von ihm ausging. Sie hatte nichts mit der Wirklichkeit zu tun, die wohl jeder an Bord der BASIS kannte.
Dieses Wesen war ein Beauftragter der Superintelligenz ES, des Mächtigen und Unsterblichen vom Kunstplaneten Wanderer.
Jetzt trug Ernst Ellert eine einteilige, schmucklose Kombination von graugrüner Farbe, an der keinerlei technische Besonderheiten zu erkennen waren. Was wie Stoff aussah, lag ganz eng auf der Haut und bildete keine Falten.
Vielleicht war es ein Teil des künstlichen Körpers. Jedenfalls waren keine Nähte oder Trennstellen zu erkennen.
Auch fehlten Taschen oder ein Gürtel, eine Armbanduhr oder ein kleines Multifunktionsgerät, wie man es üblicherweise am Unterarm trug. Ernst Ellert war nur er selbst, die einfache Kombination und ein Paar halbhohe Stiefel, die nahtlos mit dem Kleidungsstück verbunden zu sein schienen. Die fahlen Hände, an denen sich kein Finger rührte, wirkten fremd und etwas unwirklich.
Sicher erschien Perry Rhodan nur, dass irgendwo in diesem Pseudo- oder Projektionskörper das ursprüngliche Bewusstsein des früheren Mutanten vorhanden war, das im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche verschiedene Körper belebt hatte und zweimal in der Superintelligenz ES aufgegangen war.
Und aus deren vielleicht unerschöpflichem Reservoir war dieser Ernst Ellert nun hervorgegangen und auf der BASIS erschienen.
Die Worte Ernst Ellerts klangen Perry Rhodan noch im Ohr. ES hatte ihn geschickt; er hatte einen bestimmten Auftrag.
»Ich grüße dich, Ernst«, sagte Perry Rhodan nach einer längeren Pause. »So darf ich dich doch nennen?«
»Natürlich«, antwortete der Mann mit der Stimme, die Rhodan aus der Zeit der Dritten Macht in vager Erinnerung hatte. »Es ist dir sicher klar, dass ich nur eine einzige Funktion habe.«
»Du bist der Bote von ES«, sagte Rhodan. Es klang wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage. »Wo steckt Homunk? Und wo hält sich ES auf?«
»Ich habe mit wichtigeren Fragen aus deinem Mund gerechnet.« Ernst Ellert schien etwas irritiert zu sein.
»Die wichtigen Fragen wirst du noch zu hören bekommen«, versicherte Rhodan. »Oder hast du es so eilig?«
»Wir haben ein zeitliches Problem«, erklang die Antwort ohne Hast. »Aber gut: Homunk existiert nicht mehr. Ich habe seine Stelle eingenommen. Und ES hält sich überall auf.«
Das klang nicht sehr aufschlussreich, aber Rhodan musste sich damit abfinden.
»Was ist mit der Hamiller-Tube passiert?«, fragte der Unsterbliche dann. »Sie meldet sich nicht mehr. Und sie hat unserem Vorstoß kaum nennenswerten Widerstand entgegengesetzt.«
»Ich habe die Hamiller-Tube ausgeschaltet«, erklärte der Bote von ES den überraschten Galaktikern. »Ich habe ihr jede Chance genommen, sich euch zu widersetzen. Das musste sein.«
»Kannst du das näher erklären?«
»Wir begeben uns in die Hauptleitzentrale der BASIS«, antwortete Ernst Ellert ausweichend. »Ich brauche genauere Informationen über die aktuelle Lage und über eure geplante Vorgehensweise. Auch über das, was ihr denkt und plant. Die Lage ist indifferent. Aus meiner Sicht.«
Er wartete keine Reaktion ab und schritt auf den Ausgang zu. Hinter ihm erschien die Schaltwand wieder in ihrer ursprünglichen Position. Aber alle Bildschirme und Funktionselemente der Hamiller-Tube blieben dunkel. Es war, als ob die stets etwas merkwürdige Großsyntronik gar nicht mehr existierte.
Perry Rhodan folgte Ernst Ellert.
»Unsere Lage kann ich dir mit wenigen Worten umreißen«, sprach er im Gehen. »Aber ich wundere mich, dass du im Auftrag von ES kommst und nicht weißt, wie unsere Situation aussieht.«
»Ich weiß mehr als du«, behauptete der Bote von ES. »Aber ich möchte wissen, wie du deine Lage siehst. Denn ganz sicher siehst du sie unvollständig. Vielleicht sogar auch falsch. Auch glaube ich nicht, dass du die tieferen Zusammenhänge begriffen hast.«
Ernst Ellert sagte das ohne erkennbaren Vorwurf und ohne Ironie. Er sprach fast unmoduliert und eher sanft.
Sie erreichten die Hauptleitzentrale im Bugteil der BASIS. Die anwesenden Galaktiker starrten interessiert auf die schlanke Gestalt, die wie ein Fremdkörper an Bord wirkte und doch alles andere war.
Natürlich hatte nahezu die gesamte Besatzung den Vorstoß zur Hamiller-Tube verfolgt und auf den übertragenen Bildern das unvermutete Auftreten Ellerts mitbekommen.
Alle Aktivatorträger waren anwesend, aber sie überließen es zunächst Perry Rhodan, das Gespräch zu führen.
Es herrschte von Anfang an eine gespannte Atmosphäre. Niemand konnte sich so recht vorstellen, was das Auftauchen eines Gesandten des Unsterblichen von Wanderer in dieser Situation zu bedeuten hatte.
Die eigene Situation nach dem Alleingang der Hamiller-Tube hatte das Gigantschiff an den Rand des Untergangs gebracht. An vielen Stellen wurde mit Hochdruck an den Reparaturen gearbeitet.
Auch in der Hauptleitzentrale waren mehrere Instrumente ausgefallen. Einige Besatzungsmitglieder und ihre Roboter unterbrachen die Tätigkeiten auch jetzt nicht, schauten nur gelegentlich zu Rhodan und Ellert hinüber.
Die Mienen aller Beteiligten verrieten Unsicherheit und Neugier.
Philip, der einzige Ennox an Bord, hockte stumm in einer Ecke und verfolgte das Geschehen ohne feststellbare Regung. Er besaß nur noch einen Schritt für den Kurzen Weg. Und den brauchte er, um zu seiner Heimat zu gelangen. Solange die BASIS im Arresum weilte, war ihm der Weg versperrt. Durch das Möbiusband konnte er nicht so einfach. Immerhin – sein letzter Schritt hatte die Zellaktivatorträger zu der havarierten BASIS geführt.
Viele Bildschirme und Holokuben im weiten Rund waren dunkel. Auf einem war der Stern abgebildet, der einsam seine Bahn durch den Leerraum zwischen den Galaxien des Arresums zog. Von seinen Planeten ging schon die Todesstrahlung der Abruse aus.
Aus der Entfernung, die sie erreicht hatte, ließ sich ziemlich genau berechnen, dass die Kristallschiffe erst vor wenigen Tagen oder Wochen hier gewesen waren. Die Abruse drängte mit aller Kraft in Richtung des Aariam-Systems, um den Ayindi den Todesstoß zu versetzen.
Auf anderen Bildschirmen waren Ausschnitte aus dem Antriebssektor der BASIS und aus anderen Sektoren zu erkennen, wo die größten Schäden entstanden waren. Hier waren überall Reparaturtrupps im Einsatz.
Jeder an Bord wusste, dass das Gigantschiff schnell wieder flugtauglich gemacht werden musste. Irgendwann würden die Schneeflocken auftauchen und vielleicht alle technischen Systeme lähmen.
Zu weit hatte die Hamiller-Tube sie in die Nähe der Todeszone der Abruse geführt.
Die gesamten Reparaturen wurden von einem Dreierteam koordiniert, das vor einer großen Bildwand saß, auf der alle Schäden und Aktivitäten aufgeführt waren. Die drei Personen waren der Cheftechniker Shaughn Keefe, die Lokvortherin Olga DeSedde, eine Spezialistin für Recycling, und der Logistiker und Ferrone Geromesch. Der Chef der Beibootflotte, der Arkonide Tymon t'Hoom, hielt sich in ihrer Nähe auf, um jederzeit seine Unterstützung anzubieten.
»Die BASIS ist manövrierunfähig«, griff Perry Rhodan das Gespräch auf. »Es ist dir sicher bekannt, dass dies auf die Eigenwilligkeit der Hamiller-Tube zurückzuführen ist, die das Schiff übermäßig strapaziert hat. Und das angeblich nur, um zu ES zu gelangen.«
»Wir sind in einem Raumabschnitt gelandet«, ergänzte Lugia Scinagra, die nach der Ablösung von Harold Nyman praktisch die Kommandantin der BASIS war, auch wenn sie offiziell nur als Stellvertreterin galt, »der von der Abruse bereits in Besitz genommen worden ist. Unweit von hier zieht ein einsamer Himmelskörper seine Bahn, dessen Planeten bereits seit längerer Zeit ein Opfer der Abruse wurden und seitdem die Todesstrahlung verbreiten. Im Augenblick herrscht hier zwar Ruhe, aber wir müssen in jeder Minute mit dem Auftauchen von Schneeflocken- und Diamantschiffen rechnen. Wir sind in großer Gefahr. Bringst du uns Hilfe?«
Wieder blickte Ernst Ellert irritiert, als ob er die Frage nicht verstanden hätte oder in ihr keinen Sinn sehen könnte.
»Ist es nicht so«, fragte der Bote von ES, »dass gerade durch eure Aktivitäten die Abruse gereizt wurde, ihre letzten Trümpfe auszuspielen? Hättet ihr alle die ganze Sache nicht etwas bedachter angehen können? Und etwas flotter und konsequenter?«
»Das beantwortet meine Frage nicht«, beklagte sich Lugia Scinagra mit raspelnder Stimme, was ihren Unmut verriet. »Hättest du die Hamiller-Tube nicht früher abschalten können? Dann wären wir gar nicht erst in diese missliche Lage geraten. Wie konnte ES es zulassen, dass die Tube dem Wahnsinn verfiel und zu einem Rendezvous mit Wanderer fliegen wollte? Oder hält sich Wanderer im Arresum auf?«
»Ihr sucht die Schuld an der falschen Stelle«, wurde die Frau von Ernst Ellert korrigiert. »Die Hamiller-Tube hat einen Fehler begangen, das räume ich ein. Aber die Gründe dafür sind weder bei ES noch bei Hamiller selbst zu suchen. Vielleicht sind Fragmente der Tube zu alt geworden; und dann haben sie nicht mehr richtig gearbeitet. Es ist müßig, über die Gründe zu diskutieren. Allein die Tatsachen zählen. Da Hamillers Handlungen in den letzten Tagen nicht mehr im Sinn von ES waren, musste ich die Tube ausschalten. Sie wird auf unbestimmte Zeit auch ausgeschaltet bleiben.«
»Das klingt ja fast so«, überlegte Atlan laut und mit einem deutlichen Vorwurf, »als hätte die Hamiller-Tube doch im Auftrag des Unsterblichen gehandelt. Oder wie sollen wir deine Worte verstehen?«
»Du hast richtig kombiniert, Arkonide«, stellte der Bote von ES fest. »Es existiert ein Langzeitplan des Mächtigen von Wanderer, über den wir noch zu reden haben. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ihr die Zusammenhänge längst erkannt habt, aber dem scheint nicht so zu sein. Die Hamiller-Tube war nur über Teile des Langzeitplans informiert. Sie sollte eine nicht unwichtige Rolle darin spielen, aber das kann sie nun nicht mehr. Zu eurem Verständnis möchte ich euch darüber aufklären, dass auch NATHANS Aktivitäten des Geheimprojekts Insideout einen Teil dieses Langzeitplans darstellen. Wie gesagt, in der Schlussphase hat die Tube teilweise versagt. Aber offensichtlich nicht nur sie. Weitere Versager können sich alle Beteiligten nicht erlauben. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.«
»Wie viel?«, wollte der Arkonide wissen.
»Jemand erschüttert die Grundfesten des Universums!«
Zum ersten Mal klang aus den Worten Ellerts etwas, das den Galaktikern einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ.
*
»Was hast du mit der Hamiller-Tube gemacht?«, lautete Perry Rhodans nächste Frage. »Sie hat uns in all den Jahren viel geholfen, aber zuletzt viele Rätsel aufgegeben und alle gefährdet. Wir müssen mehr über sie in Erfahrung bringen.«
»Nein«, sagte Ernst Ellert entschieden. »Wir haben schon viel Zeit verloren. Daher sollten wir uns um die wirklichen Probleme kümmern. Die Hamiller-Tube wird in der nächsten Zeit nichts zu sagen haben. Alle Fragen, die sie betreffen, sind daher im Augenblick bedeutungslos.«
Das klang wie ein endgültiges Urteil. Rhodan sah aus diesem Grund davon ab, weitere Fragen zu diesem Komplex zu stellen, so interessant das Thema auch war.
»In Ordnung«, lenkte der Terraner ein. »Dann lass uns über den Langzeitplan von ES sprechen. Ich gehe davon aus, dass du darin die wirklichen Probleme siehst. Oder habe ich dich da falsch verstanden?«
»Durchaus nicht«, lautete die Antwort.
Sie standen locker im Kreis, etwa zwanzig Galaktiker, in der Mitte diskutierten Ernst Ellert und Perry Rhodan.