Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1785
Knotenpunkt Zonder-Myry
Sie erreichen eine gigantische Anlage – den Bahnhof für Endreddes Bezirk
von Arndt Ellmer
Gegen Ende des Jahres 1220 Neuer Galaktischer Zeitrechnung sind Wesen aus der Milchstraße an verschiedenen Orten Hirdobaans aktiv. So operiert beispielsweise die Besatzung des Riesenraumschiffes BASIS unter Führung von Perry Rhodan in der kleinen Galaxis und versucht alte Geheimnisse zu lösen.
Das Herrschaftssystem in Hirdobaan existiert seit über tausend Jahren, ordnet das Hauptvolk der Hamamesch ebenso den Befehlen der Maschtaren unter wie die pantherähnlichen Fermyyd, die Schutztruppe der Galaxis. Und irgendwo dahinter gibt es eine unbekannte Macht namens Gomasch Endredde, nach der sich angeblich alle richten.
Die Spur führt über das abgeschottete Zentrum der Galaxis – dort liegt Endreddes Bezirk, und in diesem werden rund dreißig Millionen Intelligenzen aus der Menschheitsgalaxis gefangen gehalten. Unter ihnen bewegen sich die so genannten Phasenspringer, die zwischen dem Bezirk und der »Außenwelt« oszillieren. Immerhin konnten sie schon einige Rätsel des Bezirks lösen; dabei wurde das Albtraumwesen Tréogen geweckt.
Während die Galaktiker von der BASIS mittlerweile die Herren der Galaxis, die Maschtaren, stellen und besiegen konnten, ist den Phasenspringern noch nicht so viel Erfolg beschieden. Zwar gelang es ihnen, die Oszillation zu stoppen – aber sie müssen trotzdem einen Ausweg aus Endreddes Bezirk finden. Ihr nächstes Ziel ist der KNOTENPUNKT ZONDER-MYRY ...
Myles Kantor – Der terranische Wissenschaftler versucht, von außen Endreddes Bezirk zu erreichen.
Atlan – Der Arkonide sucht nach wie vor nach dem eigentlichen Zentrum Gomasch Endreddes.
Ssmach-Tsorr – Ein Hoher Herr der Topsider auf Zonder-Myry.
Icho Tolot – Der Haluter sucht den Kontakt zu Artgenossen.
»Du darfst jetzt nicht aufgeben! Bleib dran! Irgendwann wirst du die Lösung finden!«
Die Uhren um ihn herum gerieten in Bewegung. Sie wogten auf und nieder, näherten sich ihm, zogen sich wieder zurück. Ein besonders beeindruckendes Exemplar beugte sich über ihn. Das vergoldete Ziffernblatt geriet zu einer Grimasse aus Sorge und Belustigung.
»Du bist erschöpft«, flüsterte die Uhr namens Big Ben. »Ruhe dich aus.«
»Ich kann aber nicht«, entgegnete er, doch Big Ben ließ es nicht gelten.
»Du musst.«
Übergangslos nahm das Ziffernblatt das Aussehen von Kallias Gesicht an.
Kallia!
»Ich sehe, es geht dir gut«, flüsterte sie dicht über ihm. »Auch mir fehlt nichts. Ich habe mich gut erholt, und ich warte auf dich, Myles. Willst du noch ein paar Worte mit Enza wechseln?«
Kallias Gesicht füllte plötzlich sein gesamtes Blickfeld aus. Die Impression verzog sich ruckartig und riss ihn endgültig aus seinem Albtraum.
Myles Kantor erwachte schweißgebadet. Er öffnete die verklebten Augen und drehte den Kopf auf die linke Seite. »Wie viel Uhr?«, ächzte er.
»Viertel nach drei«, antwortete der Servo seiner Wohneinheit. »Du hast unruhig geschlafen. Ein intensiver Traum. Die Aufzeichnung deiner Gehirnwellenmuster befindet sich in der Analyse. Das Ergebnis bekommst du gerne als Ausdruck.«
»Danke. Ich verzichte darauf.«
Er wischte die letzten Eindrücke des Albs zur Seite und setzte sich auf die Bettkante. Das leise Ticken von Uhren drang an seine Ohren, und er schüttelte den Kopf.
Hastig erhob er sich und durchquerte den Schlafraum. Die Tür zum Wohnzimmer war einen Spalt offen, und er schob sie ein Stück zur Seite.
»Tick – tack, tick – tack«, machte es in über zwei Dutzend Varianten.
»Licht an«, murmelte Myles.
Die Deckenbeleuchtung flammte auf, und er starrte auf die achtundzwanzig Uhren verschiedener Größe, die einen Teil des Wohnraums ausfüllten und kaum Platz zum Gehen ließen. Jede von ihnen besaß einen anderen Klang, aber alle schlugen im Gleichtakt.
Myles Kantor lachte leise. Er hatte vergessen, den Projektor abzustellen. Die Uhren tickten nur vor sich hin. Ihre Geräusche hatten seinen Albtraum verursacht.
Nein, er benötigte wirklich keine Analyse seiner Gehirnwellenmuster.
Nacheinander betrachtete er die Projektionen: originalgetreue, holographische Nachbildungen der antiken Uhren, die daheim im Bungalow am Goshun-See standen, von Enza liebevoll gepflegt.
Ein Zug von Wehmut legte sich über sein Gesicht. Wie sehr hatte er den fehlenden Kontakt in all den Monaten vermisst.
Wieso konnte ein aktivatortragender Ennox wie Philip nicht wenigstens ab und zu eine Ausnahme machen und auf der BASIS vorbeischauen? Fast schien es, als habe das Volk der Veego eine Art Arcoana-Syndrom erfasst. Sie igelten sich auf Mystery ein.
Viel wahrscheinlicher aber war, dass sie sich bereits einem anderen Phänomen des Universums zuwandten, nachdem das Rätsel um die Große Leere keines mehr war. So schnell, wie sich die Ennox in die Begeisterung für diesen Bereich des Kosmos hineingesteigert hatten, so rasch erlosch sie auch wieder.
Einhundertachtzehn Millionen Lichtjahre trennten Myles von zu Hause. Nur etwas mehr als die Hälfte der ursprünglichen Strecke bis zur Großen Leere, noch immer eine halbe Unendlichkeit.
Kallias Worte in seinem Traum, dass ihr nichts fehlte, entsprangen seinem innersten Wunsch. Er hoffte inständig, dass es ihr gut ging. Ihr und Enza, seiner Mutter.
Er ging hinüber zum Wandterminal und schaltete die Projektion der Uhrensammlung ab. Das Ticken verstummte übergangslos, die Uhren lösten sich in nichts auf.
Stille senkte sich über Myles Kantor. Dann suchte er die Hygienezelle auf und duschte sich den Schweiß vom Körper.
Es war nicht das erste Mal, dass er unter solchen Träumen litt. Meist zeigte ihm sein Unterbewusstsein damit an, dass er sich in einer Phase inneren Überdrucks befand und die Lösung eines Problems unmittelbar bevorstand.
Sein Blick blieb auf dem Galaxien-Mal auf seinem Oberarm haften. ES hatte ihm diesen Stempel verpasst, eine Art Brandzeichen. Die Superintelligenz schwieg zu seiner Bedeutung. Es war einfach da, stumm und deutlich. Unzählige Male hatte Myles sich schon gefragt, ob es einen Zusammenhang zwischen diesem Zeichen und der unbekannten Herkunft seiner Frau gab. ES blieb ihm die Antwort schuldig.
Solange Myles und Kallia über so lange Strecken voneinander getrennt blieben, bestand mit Sicherheit keine Chance, es herauszufinden. Das Abbild einer unbekannten Galaxie stimmte mit keinem der bisher bekannten Sterneninseln überein.
Kallia, die geheimnisvolle Frau mit der nicht entschlüsselten Heimatsprache und dem Zinkfinger als genetischem Aufsatz. Kam sie von dort? Und wie war sie in die Milchstraße gelangt?
Fragen, auf die es vielleicht nie eine Antwort geben würde.
Myles Kantor schaltete das Wasser ab und den Luftstrom ein.
»Sind die beiden Space-Jets schon zurück?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte der Servo. »Von der Hauptleitzentrale liegen keine Informationen vor. Die beiden Fahrzeuge haben sich bisher nicht gemeldet.«
»Schade«, murmelte der Wissenschaftler und stieg aus der Hygienezelle. »Ein winziger Anhaltspunkt hätte mir genügt. Aber so ...«
Er ließ den Satz offen, kehrte in das Schlafgemach zurück. Aus dem Angebot seines Wandschranks wählte er flauschige Unterwäsche und einen Hausmantel. Anschließend machte er es sich im Wohnzimmer auf der Couch bequem.
»Kanal achtundachtzig«, sagte er. Es war sein derzeitiger Lieblingssender.
Mitten im Zimmer flammte ein raumgreifender Holoschirm auf. Einen Sekundenbruchteil lang zeigte er das Logo von BASIS-TELVIEW. Dann erschien eine digitalisierte Zeitanzeige, und eine freundliche Stimme verkündete: »Guten Morgen. Für alle, die sich soeben erst zugeschaltet haben, bringen wir eine Zusammenfassung der Ereignisse der Nacht in Kürze. Anschließend klinken wir euch unmittelbar in die aktuelle Nachrichtensendung ein.«
Ein freundlicher Daniel-Roboter mit Bioplast-Maske lehnte an einem kleinen Tisch und blickte mit glühenden Linsen in das Feld der Aufnahmeoptik.
»Es ist der zweiundzwanzigste November, drei Uhr fünfzig«, begann er. »Hier ist Daniel zweitausendachthunderteinundsechzig. Nichts Neues im Riffta-System. Die Fermyyd sind mit ihrer Flotte nicht zurückgekehrt. Sie verharren vermutlich bis in alle Ewigkeit über Schingo und Roenderveen und warten auf weitere Befehle. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass sie ihre Befehle von den Maschtaren und nicht von Gomasch Endredde persönlich erhielten, dann ist er damit erbracht. Aus dem Oktogon gibt es noch keine Verlautbarungen zu den Vorgängen in Hirdobaan. Perry Rhodan hat den Fürsten alle Daten über die Ereignisse im Bereich von Tampir und auf Schingo zur Verfügung gestellt. Ebenfalls nichts Neues aus Endreddes Bezirk. Wir wissen nicht, was sich dort inzwischen ereignet hat. Vermutungen gibt es zuhauf, doch BASIS-TELVIEW ist ein solider Sender, der Fakten liefert, keine aufgebauschten Sensationsberichte.«
Die Technik blendete den Roboter aus und zeigte eine ältere Arkonidin.
»Hallo, Freunde von BASIS-TELVIEW«, sagte sie. »Wie an jedem dritten Wochentag um diese Zeit erfahrt ihr alles Wissenswerte durch Thamora von Ilfan. Perry Rhodan befindet sich derzeit auf dem Weg nach Borrengold. Er will sich mit den Fürsten der acht Oktanten und ihren Beratern treffen. Die gründliche Untersuchung der gesamten Oberfläche Borrengolds durch die Explorer-Teams ist inzwischen abgeschlossen. Alle Teams sind in die BASIS zurückgekehrt.«
Sie lauschte einen Augenblick nach innen, während ein unsichtbares Akustikfeld ihr etwas zuflüsterte. Kaum merklich holte sie Atem.
»Soeben erhalten wir eine aktuelle Mitteilung aus den wissenschaftlichen Abteilungen der BASIS. Cyrus Morgan teilt uns mit, dass mit Hilfe der Rohstoffe von Borrengold mehrere Gravitraf-Speicher hergestellt wurden. Sie dienen als Ersatzgeräte für den Weiterflug in Richtung Heimat. Wenn ihr mich fragt, wird es noch eine ganze Weile dauern, bis es so weit ist. Cyrus weiß das so gut wie ihr und ich. Dennoch ist es irgendwie beruhigend, dass wir unser Schiff einigermaßen über Wasser halten ...«
Die Holobildwand erlosch übergangslos. Myles Kantor war auf der Couch eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin.
*
»Ich freue mich, dass du gekommen bist«, begrüßte der Sydorrier den Terraner.
»Danke, Eiderlo. Ich möchte mich über den Zustand des Fürsten informieren.«
»Es geht ihm gut. Komm!«
Der Sydorrier führte ihn in eines der Gemächer, die Clarven bewohnte.
»Nicht sprechen«, mahnte Eiderlo. »Es könnte schlimme Folgen haben.«
Perry Rhodan nickte heftig. Er wusste um die geistige und psychische Verletzlichkeit des Fürsten, wenn dieser sich in Shourachar befand, jener virtuellen Welt, in der er als unumschränkter Herrscher galt. Der Sydorrier schien kein Problem mit der Interpretation der menschlichen Geste zu haben, denn er schwieg und rückte dem Besucher ein Stück näher.
Der Terraner starrte die Aufbauten der Terminals an, dann den Fürsten. Clarven war nicht mehr als ein verspieltes Kind, der das Erbe seines Vaters Orchin angetreten hatte.
Orchin war unter nie richtig geklärten Umständen mit seinem Schiff in einer Sonne verglüht. Ein Attentat, wie Rhodan inzwischen von Eiderlo wusste.
Clarven saß mit verkrümmtem Körper auf seinem Gestell. Über seinem Kopf hing der Helm zur Übertragung der virtuellen Welt. Die Augen des Fürsten starrten nach oben durch die Decke ins Nichts. Die plumpen Finger huschten blind über die großflächigen Eingabefelder.
Plötzlich jedoch hielten sie inne.
Eine Computerstimme verkündete in Hamsch: »Programmstörung, Programmstörung. Fehlerhafte Eingabe. Bitte brich sofort alle Prozesse ab und verlasse Shourachar.«
Ein Lufthauch streifte Rhodans Nacken. Der Sydorrier gab ihm Zeichen, sich in den Hintergrund zurückzuziehen. Der Terraner folgte der Aufforderung und trat in den Sichtschutz eines der Aufbauten. Eiderlo ging zu seinem Fürsten hinüber und berührte ihn vorsichtig am Arm.
»Mein Fürst, es ist Zeit.«
Wieder begannen die Fingerkuppen Clarvens über die Eingabefelder zu wandern. Die akustische Fehlermeldung wiederholte sich.
Erneut erstarrten die eifrigen Finger des Kindes.
»Wer ruft mich?«, verstand Rhodan in seinem Versteck. »Wer ist da?«
»Ich bin es, mein Fürst.«
»Eiderlo? Du gehörst nicht in mein Shourachar. Was willst du?«
»Shourachar braucht Ruhe, mein Fürst.«
Minutenlanges Schweigen verging.
Endlich bewegte sich Clarven. Unruhig rutschte er auf seinem Gestell hin und her. Schließlich bewegte er den Kopf und löste den Blick von der Decke.
»Eiderlo, mein Freund. Wo bin ich?«
»Im Oktogon. Erinnerst du dich nicht?«
»O ja! Aber was ist mit Shourachar? Etwas stimmt nicht in meiner Welt.«
»Sie benötigt dringend eine Aufbereitung, mein Fürst.«
»Du bist mein Freund. Nenn mich nicht immer Fürst. Für dich bin ich Clarven. Einfach Clarven.«
»Wie du willst, Clarven. Das Problem besteht darin, dass wir derzeit keine Möglichkeit besitzen, Shourachar auf den neuesten Stand der Informationen zu bringen. Du weißt mehr als diese Welt. Das führt zu Widersprüchen zwischen den Programmen und deinem Bewusstsein. Du machst Eingaben, die Shourachar nicht versteht. Deshalb bricht die Anlage ab. Mangelnde Harmonie führt logischerweise zu schweren Fehlern.«
Der kindliche Fürst ließ den Helm nach oben fahren. Schwankend erhob er sich und klammerte sich an das Sitzgestell.
»Du bist nicht allein«, flüsterte er. »Ich spüre das. Wer ist da?«
»Es ist Perry Rhodan, mein Fürst. Du erinnerst dich bestimmt an ihn. Man nennt ihn bei uns den Herrscher der Milchstraße.«
»Der Mann, der Schingo eroberte und die Fermyyd bezwang. Der Ten-Or-Too das Fürchten lehrte. Ich will ihn sehen!«
Rhodan trat hinter dem Aufbau hervor und näherte sich den beiden so unterschiedlichen Wesen. Eiderlo war zwei Köpfe größer als er selbst, von grazilem Körperbau und geschmeidigem Gang. Seine trompetenförmige Mundpartie und der Knochenkamm auf dem Kopf ließen ihn in Verbindung mit den langen Gliedmaßen ausgesprochen fremdartig erscheinen. Wie alle Sydorrier hatte er etwas Majestätisches an sich.
Der kleine Clarven bot dazu einen fast grotesken Gegensatz. Obwohl noch ein Kind, wirkte sein Körper alt und behäbig. Clarven besaß keine Ausstrahlung, er war ein Kind, das sich in seiner Sucht nach der virtuellen Welt verzehrte.
Jetzt allerdings straffte sich der Körper des Fürsten ein wenig, und die Augen zu beiden Seiten des Kopfes traten ein Stück hervor.
»Ja, du bist es wirklich!«, rief Clarven aus. »Ich wollte nicht glauben, dass ich dich jemals wiedersehen würde. Was macht dein Sohn?«
»Er kümmert sich um sein Schiff.« Rhodan neigte leicht den Kopf. »Ich soll dich von ihm grüßen.«
Der Fürst gab seinem Freund und Berater einen Wink. Eiderlo eilte gemessenen Schrittes davon und kehrte wenig später mit dem Fahrzeug des Fürsten zurück. Clarven ließ sich hineinsinken.
»Alles hier ist nur ein Notbehelf«, ächzte er. »Es wird Zeit, dass ich in meinen Palast zurückkehre.«
»Dies wird vielleicht bald möglich sein«, versprach Rhodan. »Du kennst die Informationen?«
»Ja. Die Maschtaren sind tot, die Fermyyd führerlos.«
»Bitte begleite mich zu deinen Amtskollegen. Sie halten sich unter Bewachung in einem Raum ganz in der Nähe auf und warten darauf, dass ich mit ihnen spreche.«
*
Die Fürsten der acht Oktanten heuchelten ihre Erschütterung nicht nur. Sie spiegelte auf leicht nachvollziehbare Weise ihren seelischen Zustand wider. Die Hamamesch ahnten, was die Zukunft ihnen bringen mochte; sie sträubten sich innerlich dagegen.
betreute.«