Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1793
Tod den Galaktikern!
Die Fermyyd greifen an – ihre Übermacht ist erdrückend
von Hubert Haensel
Gegen Ende des Jahres 1220 Neuer Galaktischer Zeitrechnung haben die Galaktiker, die mit Perry Rhodan und der BASIS in die kleine Galaxis Hirdobaan gekommen sind, schon vieles herausfinden können. Man weiß nun, wie sich vor über 1200 Jahren das Herrschaftssystem der Maschtaren etablierte, das sowohl das Händlervolk der Hamamesch als auch die anderen Völker der Galaxis unter seine Knute brachte.
Man weiß auch mehr über das abgeschottete Zentrum der Galaxis, rund 118 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Dieses Zentrum wird Endreddes Bezirk genannt – und dort werden rund dreißig Millionen Intelligenzen aus der Menschheitsgalaxis gefangen gehalten; diese vegetieren vor sich hin und sind vom Tod bedroht.
Mittlerweile konnten die Herren der Galaxis gestellt und besiegt werden; die BASIS und einige Begleitschiffe konnten zudem ins Zentrum eindringen. Perry Rhodan und seine Freunde lassen das Programm Lebenshilfe anlaufen, um den Gefangenen zu helfen.
Dann aber kommt eine neue Gefahr hinzu: Die Brut des Albtraumwesens Tréogen attackiert die Galaktiker. In letzter Not flüchten Perry Rhodan und einige wenige seiner Begleiter. Sie werden mit einem mächtigen Wesen namens Aachthor konfrontiert ...
Währenddessen spitzt sich die Situation für die Galaktiker in Hirdobaan zu. Die Fermyyd blasen zum Großangriff, ihre Losung heißt: TOD DEN GALAKTIKERN!
Michael Rhodan – Der Terraner wird mit einer unglaublichen Übermacht konfrontiert.
Coram-Till – Der Anführer der Ambraux-Crypers auf gefährlicher Erkundung.
Calizo – Ein Sydorrier auf der Spur eines alten Geheimnisses.
Raa-Nu-Kal – Ein Ferm-Kommandant bläst zum Großangriff.
Bremse – Der Stuuhr entscheidet sich im großen Konflikt für eine Seite.
»Verschwunden?« Michael Rhodan holte geräuschvoll Luft und schloss beim Ausatmen für einen Moment die Augen. »Sag das noch einmal!«, verlangte er schneidend scharf.
»Die BASIS antwortet nicht mehr«, wiederholte der Funker. »Die ATLANTIS und die CIMARRON sind ebenfalls aus der Funkpeilung herausgefallen.«
»Die letzte Position?«
»Innerhalb des Mereosch-Oktanten, in unmittelbarer Nähe der verbotenen Zone.«
Deutlich war zu sehen, dass Mikes Anspannung nachließ. Wahrscheinlich waren die drei Schiffe dem Transitionsschirm zu nahe gekommen und auf die andere Seite von Endreddes Bezirk versetzt worden.
Der Funker räusperte sich vernehmlich.
»Was ist noch?«, fragte Mike schroff. Der Blick des Mannes schien ihn zu sezieren, schien seine ureigensten Gedanken nach außen zu kehren. Vorübergehend fühlte er sich unangenehm berührt.
»Die BASIS sollte nach einer Ortsversetzung auch ohne zwischengeschaltete Relais in unserer Reichweite stehen. Aber wir bekommen keinen Kontakt.«
Vergeblich versuchte Mike, die aufkeimende Unruhe zu ignorieren. Die Regenbogenschiffe der Fermyyd hatten sich längst aus dem Riffta-System zurückgezogen, doch auch die Flotte der Crypers war in Auflösung begriffen. Dass die Rebellen inzwischen mit Technik aus den Beständen der BASIS versorgt worden waren, hinderte sie nicht daran, die Verwirrung in Hirdobaan auszunutzen. Dabei schoben sie als moralische Rechtfertigung den Kampf gegen die angeblichen Unterdrücker vor, der für manchen längst zum Vorwand geworden war, die eigene Gier nach Macht und Reichtum zu befriedigen.
Nur die Cryperführer Coram-Till und Assyn-Stey hielten mit knapp 200 Raumschiffen über Borrengold aus. Obwohl aus ihrem Kommando jeden Tag ebenfalls einige Einheiten »abmusterten«.
Piraten, dachte Michael Rhodan bedrückt. Die meisten von ihnen sind nichts anderes als Piraten.
Hatten die Galaktiker sich in den Crypers getäuscht?
Seine Gedanken schweiften zurück ins Jahr 2435, zu einem Mann namens Roi Danton und seinen Freihändlern – für ihn besaß die Bezeichnung Piraten in dem Zusammenhang einen besonderen Beigeschmack. Damals war der Riesenrobot OLD MAN – als Geschenk für die Menschheit gedacht – durch ein banales Missverständnis zum Gegner geworden, und eigentlich sollte er sich hüten, ähnliche Missverständnisse mit den Crypers zu provozieren.
»Keine spezifischen Ortungsechos!« Ein rascher Blick in die Runde zeigte Mike angespannte, teils verkniffen wirkende Gesichter. Die Besatzung der MONTEGO BAY wartete auf seinen Befehl, der BASIS zu folgen.
»Nur weil wir seit fünf oder sechs Minuten keinen Funkspruch mehr empfangen, sollten wir nicht gleich das Schlimmste ...«
»Siebeneinhalb Minuten«, wurde er berichtigt. »Außerdem haben wir kurzfristig hyperphysikalische Stoßfronten angemessen.«
»Aus dem Mereosch-Oktanten?«
»Die Definition ist problematisch. Mutmaßlicher Ausgangspunkt dürfte der Transitionsschirm gewesen sein.«
Michael Rhodans Miene verhärtete sich schlagartig. »Ich will eine exakte Aussage. Bisher dachte ich, wir hätten leistungsfähige Syntrons an Bord.«
»Der Meinung war ich auch«, versetzte der Ortungschef. »Aber die Rechner spucken Widersprüchliches aus, die Stoßfronten überlappen sich mit zunehmender Distanz.«
»Mit anderen Worten: Während an der Grenze zur verbotenen Zone möglicherweise ein Chaos tobt, spüren wir nur schwache Ausläufer.«
»So könnte man sagen.«
Michael zerbiss eine Verwünschung zwischen den Zähnen.
Sekunden später herrschte Rotalarm. Die MONTEGO BAY, auf Patrouillenflug im Außenbereich des Riffta-Systems, beschleunigte mit Höchstwerten.
*
Der Raumer sah aus wie ein schlanker Wassertropfen. Heckwärts ging der gerundete Bug jedoch in kantige Segmente über, die zur Form eines langgezogenen Achtecks ausliefen – eine nicht alltägliche Konstruktion, zudem mit einer Länge von nur 25 Metern alles andere als imposant.
Die matte Hülle spiegelte das Licht einer fernen roten Sonne, und das sanfte Rot entriss Dutzende schroffer Asteroiden der Schwärze des Weltraums. Wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, strebten sie dem Muttergestirn entgegen. In ihrer Mitte glich der Raumer einem Sandkorn zwischen Mühlsteinen.
»Ich identifiziere Relikte einer untergegangenen Kultur«, meldete der Bordrechner. »Die Ruinen erlauben bisher keine Rückschlüsse.« Die künstlich modulierte Stimme brach ab, zugleich verzerrte sich die optische Wiedergabe.
»Das Bild stabilisieren!«, befahl Nbltsgndpfrdbrms.
Keine Reaktion. Aber Augenblicke später erschreckte das Dröhnen des anspringenden Haupttriebwerks den Stuuhr. Die KRRZBRNF beschleunigte ohne ersichtlichen Grund. Sie würde inmitten der Ruinen zerschellen.
»Manöver abbrechen und Kursänderung einleiten! – Sofort!«
Bremses Finger hämmerten über die Sensorschalter. Bräämsää, so hatten ihn die Galaktiker genannt, und der Name gefiel ihm, weil er so unaussprechlich war; er hatte etwas Eigenwilliges, für die Sprechwerkzeuge eines Stuuhr schwer zu Artikulierendes.
BEFEHLSSEQUENZ ANNULLIERT, flimmerte die schnörkelige Schrift der Hamamesch über den Hauptschirm. EMPFEHLE AUS LIQUIDITÄTSGRÜNDEN VERKAUF AN EINEN STUUHR-PROSPEKTOR.
Irgendwie hatte er es geschafft, eine geschützte Datei der Hamamesch zu öffnen. Nbltsgndpfrdbrms ächzte gequält.
Noch vier Inx bis zum Aufprall.
Endlostext lief über den Schirm – in einer Geschwindigkeit, der er kaum zu folgen vermochte. Was er zu lesen bekam, schürte seinen Zorn auf die Fischgesichter.
... DIE ERSPARTEN ABWRACKKOSTEN FÜR DAS TESTMODELL SOWIE DIE UNKENNTNIS DES INTERESSIERTEN BEGÜNSTIGEN DIESE VORGEHENSWEISE.
Er hatte geahnt, dass er betrogen worden war, aber nie den Beweis dafür erbringen können. Und ausgerechnet jetzt ...
Die Chance war vertan, sich auf die Seite der Galaktiker zu schlagen und mit ihnen gegen die Hamamesch zu kämpfen; vergebene Chancen kehrten nie zurück. Durch die Sichtscheiben konnte Nbltsgndpfrdbrms schon mit bloßem Auge die Ruinen erkennen. Der Tod war zum Greifen nahe.
Jäh kippte der Asteroid zur Seite weg.
»Ausweichmanöver ist eingeleitet!«, plärrte der Bordrechner. »Die Blockade ist beendet.«
Eine Torkelbewegung des Schiffes erweckte den Anschein, als beginne der Asteroid sich zu überschlagen. Vergeblich hieb Bremse mit drei Händen auf die Konsole ein; er schaffte es nicht, die Drehung zu stabilisieren.
»Die manuelle Eingabe ist noch desaktiviert«, teilte der Bordrechner monoton mit. »Undefinierbarer Strahlungseinfluss.«
Die Anspannung des Stuuhr entlud sich in einem dröhnenden Aufschrei. »Ich lasse dich verschrotten – das ganze Schiff werde ich abwracken und die Bauteile einzeln verkaufen. Welche Strahlung?«
Eine Amplitude erschien in der Wiedergabe. Ihre Ausschläge glichen einer schroffen Gebirgslandschaft.
Es war zum Maden ausbrüten. Bremse stand da wie vom Donner gerührt; er beugte sich über die Konsole, umklammerte mit den vier vorderen Gliedmaßen den Schirm und hielt eines der Facettenaugen dicht über die Wiedergabe. Seine Lider, die er sonst nur zum Schlafen schloss, zuckten nervös.
»Warum tust du das?«, keuchte er. »Warum zeigst du mir falsche Schwingungskurven?«
»Die Aufzeichnung ist authentisch.«
»Unmöglich!«, krächzte Nbltsgndpfrdbrms. »Schalte die Filter vor, enges Raster!«
Gebannt starrte er auf den Schirm, auf dem die Ausschläge spärlicher wurden. Nur ein Dutzend senkrechter Linien blieb übrig – identische Ausschläge.
Im Traum hatte der Stuuhr schon oft solche Amplituden gesehen, in Wirklichkeit nur ein einziges Mal.
Sternkristalle!
Ihre Reinheit war unverkennbar, so rein, dass sie sogar die Schiffselektronik beeinflusst hatten. Auf dem Asteroiden wartete kein natürliches Vorkommen – irgendwo inmitten der Ruinen lagen vielmehr bearbeitete Kristalle, deren Wert astronomische Summen erreichte.
Wenn er den Amplituden glauben durfte, würde er bald über genügend Guthaben verfügen, um ein Dutzend 1000-Meter-Raumer kaufen zu können. Und wahrscheinlich noch viel mehr.
»Ich werde dir huldigen, Große Stuuhr-Larve«, murmelte Nbltsgndpfrdbrms ergriffen. »Eine Skulptur aus edlem Glas werde ich vor einer Grenzländerstation verankern. Sie soll allen Ungläubigen deine Güte kundtun.«
Im nächsten Moment versteifte er sich wieder, seine Stimme nahm den gewohnt harten Klang an.
»Ist der Ausgangspunkt lokalisiert?«
Der Bordrechner überlagerte die Amplituden mit einer Darstellung des zerklüfteten Asteroiden. Zwei Punkte im Bereich der Ruinenstadt begannen hektisch zu blinken.
»Die Werfer ausfahren! Steuerung manuell!«
Er fühlte sich wie neugeboren. Endlich konnte er Stärke beweisen. Mit spitzen Fingern fuhr er die Schaltlinien entlang und aktivierte Speicherbänke und Konverter.
Die Zielerfassung pendelte sich ein; Mindestabstand zu den Kristallen 3000 Meter, andernfalls würden sie Schaden nehmen.
Zwischen den Werferspitzen entstand das flirrende Überschlagsfeld, dann brach sich die tödliche Energie Bahn. Fels wurde verflüssigt, ein feuriges Geschwür, aus dem der geringen Schwerkraft wegen die Glut weit aufspritzte.
»Beschuss ist erfolgreich«, meldete die Positronik. »Strahlungspegel auf unschädlichem Niveau stabilisiert.«
Der Stuuhr war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Fiebernd starrte er auf den Monitor, auf dem die Ortungsergebnisse eine Vielzahl von Diagrammen bildeten, alles noch im Fluss, schier unüberschaubar.
Schwache Energiefelder formten sich zu Wirbelströmen, die zwei ruhende Zentren umkreisten, so, wie kosmische Materie von einem unsichtbaren Schwarzen Loch angezogen wurde.
Mit vorsichtigen Korrekturschüben näherte Bremse sein Schiff erneut den Ruinen. Sein Jagdfieber war erwacht. Diesmal würden gewiss keine Kugelschiffe mit Imprint-Outlaws auftauchen und den Fund mit Strahlschüssen unbrauchbar machen. Bearbeitete Sternkristalle reagierten anders als Rohlinge. Das Schicksal meinte es endlich gut mit ihm.
»Ortung!«, plärrte der Bordrechner.
Nbltsgndpfrdbrms reagierte nicht darauf. Er war im Begriff, seinen schweren Raumanzug anzulegen, um in wenigen Rou das Schiff zu verlassen.
Erst der Alarm schreckte ihn aus seinen intensiven Vorbereitungen auf. Der Anblick der Ortungsechos entlockte ihm eine deftige Verwünschung.
*
Nur wenig mehr als fünfzig Minuten hatte die MONTEGO BAY benötigt, um die letzte bekannte Position der BASIS im Buragar-Oktanten zu erreichen. Die Ortungen zeigten lichtjahreweit im Umkreis keine Besonderheiten.
»... nichts, was auf eine Zerstörung unserer Einheiten schließen ließe«, lautete die erleichtert klingende Meldung.
Michael Rhodan ließ sich die zeitliche Zuordnung auf den Schirm geben.
Der 29. November 1220 NGZ ... In den frühen Morgenstunden von der BASIS noch die Routinemeldung – alles okay. Und eine Notiz von Myles Kantor, die den Unschärfebereich des Transitionsschirms rings um den Zentrumskern von Hirdobaan mit plus/minus 30.000 Kilometern bestätigte.
Kurze Zeit später die Mitteilung der Kommandantin, dass eine hyperphysikalische Stoßfront kurzfristig den Zusammenbruch der Energieversorgung bewirkt hatte. Auf der ATLANTIS ebenso wie an Bord der CIMARRON waren ähnliche Probleme aufgetreten.
Danach kam beinahe zwei Stunden lang nichts mehr – bis zu der emotionsgeladenen Mitteilung eines Mitglieds der Zentralebesatzung: »Technische Defekte en masse, aber der Antrieb funktioniert wieder. Und das Wunderbare daran: Wir haben es geschafft, wir haben es wirklich irgendwie geschafft.«
Ein Bestätigungsimpuls der MONTEGO BAY war in einer neuen, heftigen Schockfront unbeantwortet verhallt. Und der letzte Funkspruch der BASIS über Relais war ebenfalls von Störungen überlagert gewesen.
In Gedanken versunken, betrachtete Mike das Sternenmeer auf dem Hauptschirm: Endreddes Bezirk, geheimnisvoll und unzugänglich, ein Gebiet mit 133 Lichtjahren Durchmesser. Bislang kannten die Galaktiker nur einen Schlüssel, der Zutritt gewährte: die Imprint-Würfel.
»Der Transitionsschirm ist aktiviert. Schwache Abweichungen im Spektrum liegen aber innerhalb der vermuteten Toleranzschwelle.«
»Distanz?«
»Siebenhundertfünfundsechzigtausend Kilometer.«
»Wir ändern den Kurs«, entschied Michael Rhodan. »Der Gefechtsalarm bleibt bestehen! Bis wir ebenfalls durchgebrochen sind und wissen, was uns auf der anderen Seite erwartet.«
»Erfassen die Ortungen die BASIS?«
Die Frage war überflüssig. Mikes Besorgnis galt eher dem Zustand des Trägerschiffs und welche Schäden der vermutliche Übertritt und die Störfront angerichtet hatten. Dreißig Millionen ehemals imprint-süchtiger Galaktiker brauchten dringend Hilfe.
»Ich wette drei zu eins, dass wir es nicht schaffen, in die Verbotene Zone einzudringen«, erklang es halblaut aus dem Hintergrund der Zentrale. »Wer hält die Wette? Ich setze einen Monatslohn.«
Mike schwang mitsamt dem Kontursessel herum.
»Falls falsche Vorstellungen bestehen«, sagte er scharf, »unser Flug dient nicht der privaten Belustigung. Wer hat die Wette angeboten?«
»War nur ein Spaß«, erklang es kleinlaut.
»Nicht einmal das«, erwiderte Michael. »Dumme Witze im Zusammenhang mit Menschenleben sind mir suspekt. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.«
Der Mann, ein Techniker, lief feuerrot an. Er nickte krampfhaft und widmete sich wieder intensiv seiner Arbeit.
Der äußere Wirkungsbereich des Transitionsschirms war erreicht, die Datenkolonnen auf den Schirmen veränderten sich rasend schnell.
»Wir schaffen es, wir brechen ebenfalls durch«, behauptete Marfin Kinnor.
Verhaltener Jubel, den Mike aber nicht teilte. Seine Hände verkrampften sich, er wartete auf den Moment, in dem er wirklich die Bestätigung erhielt.
20.000 Kilometer weit war die MONTEGO BAY inzwischen vorgedrungen ...
Etwas veränderte sich. Das Empfinden eines zähflüssigen Widerstands wurde übermächtig. Die Geräuschkulisse ebbte ab, und als Timol etwas rief, klang seine Stimme dumpf verzerrt.
Wir durchbrechen den Schirm!, schoss es Mike durch den Sinn. Wir dringen in Endreddes Bezirk ein!
30.000 Kilometer ... Die Anzeige brannte sich in sein Gedächtnis ein – er sah sie noch vor sich, als sie schon erloschen war. Und die Sterne standen nicht mehr so dicht wie eben, die fremden und immer noch ungewohnten Konstellationen hatten sich verändert.
»Neue Position im Bereich des Grencheck-Oktanten, 66,5 Lichtjahre vom Zentrum entfernt«, meldete der Bordrechner emotionslos.
»Verdammt!« Mike hämmerte mit der zur Faust geballten Rechten in die linke Handfläche. »Syntron, die aktuellen Messwerte über den Transitionsschirm mit den Speicherdaten abgleichen, die Abweichungen auflisten. Ich will die Daten sehen, bevor wir es erneut versuchen.«
Das unsichtbare Feld, das den Zugang zu Endreddes Bezirk verwehrte, hatte seine Position kaum merklich verändert. Soweit Parameter bisher bekannt waren, zeigten sie geringfügige Abweichungen.
»Eine Abdrift von mehreren hundert Kilometern«, stellte Gensech Timol fest. »Wieso?«
Michael zuckte mit den Achseln.
»Möglich, dass es mit den Störfronten zu tun hat«, sagte er.
»Vorausgesetzt, wir verwechseln nicht Ursache und Wirkung«, polterte der Erste Pilot los. Mit beiden Händen fuhr er durch seinen dichten roten Vollbart.
»Der Ausfall des Transitionsschirms, aus welchen Gründen auch immer, könnte die erste hyperphysikalische Stoßfront erzeugt haben«, bestätigte Michael.
»Also ein Erfolg der Phasenspringer oder des Kommandos Gonozal«, wandte Marfin Kinnor ein.
Michael nickte knapp. »Die BASIS hat die erste sich bietende Gelegenheit genutzt und ist durchgeschlüpft, kurz bevor ein Ersatzaggregat den Schirm wieder stabilisieren konnte. – Ich erbitte eine Wahrscheinlichkeitsberechnung für diese Annahme!«
Der Syntron nannte 91 Prozent.
Zehn Minuten später versuchte die MONTEGO BAY einen erneuten Durchbruch. Die Begleiterscheinungen der unfreiwilligen Transition über 133 Lichtjahre hinweg fielen diesmal weniger extrem aus.
»Zachary«, forderte Michael Rhodan den Chef der Feuerleitzentrale auf, »ich will nichts unversucht lassen, also lass dir etwas einfallen.«
Erbten, still und zurückhaltend wie immer, hielt Michaels bohrendem Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand.
»Wir vergeuden Zeit und Energie«, bemerkte er.
»Mon dieu.« Mike führte einen imaginären Degen gegen Erbtens Brustkorb. »Will Er seinem Herrn und Meister widersprechen? Solches ist ungebührlich und schickt sich nicht in Gesellschaft. – Ich brauche Hochrechnungen für den günstigsten Anflugwinkel, die maximale Geschwindigkeit und die Feuerkraft. Und das am besten gestern.«
Fast war es wie damals, als die MONTEGO BAY versucht hatte, in die abgeriegelte Milchstraße einzudringen – nur dass der Transitionsschirm nicht mit dem Chronopuls-Wall vergleichbar war. In Hirdobaan bestand für die Besatzung keine unmittelbare Lebensgefahr.
»Wohlgemerkt, wir versuchen nichts, was nicht schon versucht worden wäre«, sagte Michael. »Ich hoffe nur, dass sich aus den veränderten Parametern eine Chance ergibt.« Er wandte sich an die Funkzentrale: »Weiterhin keine Lebenszeichen von der BASIS oder ihren Begleitschiffen?«
»Nichts. Wir hätten den Anruf sofort gemeldet.«
Der 320-Meter-Kugelraumer beschleunigte. Im 45-Grad-Winkel raste er der unsichtbaren Barriere entgegen.
Die Transformgeschütze feuerten. Knapp ein Dutzend künstlicher Sonnen entstanden in gerader Linie hintereinander, doch nicht alle Ladungen explodierten auf dieser Seite des galaktischen Zentrums. Der Transmittereffekt machte sich mit reduziertem Unschärfebereich bemerkbar.
Raumtorpedos jagten in die expandierenden Glutbälle hinein, gleichzeitig erbebte die MONTEGO BAY unter einer Breitseite ihrer Thermo-, Desintegrator- und Intervallgeschütze. Mit gestaffelten Paratronschirmen tangierte sie das lodernde Inferno.
»Wir überwinden den Unschärfebereich!«, jubelte Timol. »Diesmal schaffen wir es.«