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Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel
Un segreto non è per sempre bei Longanesi in Mailand.
1. Auflage
Copyright © 2012 by Longanesi & Co. S.p.A.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013
bei carl’s books, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Umschlaggestaltung: semper smile, München
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-10169-5
V002
www.carlsbooks.de
Für Stefano und Olly
Auf dieser Welt ist selbst das Leben eines Schmetterlings hektisch
Kobayashi Issa
Das Institut für Rechtsmedizin, an dem ich arbeite, ist wie ein eifersüchtiger Liebhaber, der lieber nimmt als gibt.
So wie heute. Da hat sich wieder einmal herausgestellt, dass Leistung nicht zählt. Alles begann mit einer kurzen, aber nervenaufreibenden institutsinternen Prüfung. Die Kandidaten waren wir Assistenzärzte. Denn nur eine oder einer von uns darf zur Forensik-Weiterbildung nach Paris fahren. Das Ganze hatte etwas von einer Realityshow. Niemand hätte auf mich gesetzt. Ein Fehler. Denn so wahr ich Alice Allevi heiße – ich wäre sogar auf den Strich gegangen, um den ersten Platz zu ergattern. Heute wollte ich unter keinen Umständen ohne mein Flugticket nach Paris nach Hause gehen. Der Grund für meinen unbändigen Ehrgeiz: Ich hätte die Chance, eine Woche in der schönsten Stadt der Welt zu verbringen. Dort hält sich zufällig auch gerade der einzige Mensch auf, für den ich mich sogar von dieser alten Schreckschraube Wally in die Mangel nehmen lasse – Arthur Malcomess, Sohn von meinem Boss. Er ist als Reporter für Agence France Presse in Krisengebieten unterwegs und der Mann meines Herzens.
Und so befand ich mich in der Folterkammer, in Wallys Büro. Sie ist die Assistentin des Allerhöchsten und hat im letzten Herbst meine Nerven mit einem Ultimatum auf eine harte Probe gestellt. So ganz habe ich mich immer noch nicht davon erholt. Damals riskierte ich einen historisch einmaligen Rausschmiss – zwischen zwei Ausbildungsjahren –, was verhängnisvoll gewesen wäre.
Neben Wally sitzt, wie er leibt und lebt, der Allerhöchste, müde und mit einer Laune, die sich zusehends verschlechtert.
Wir Assistenzärzte sind nur eine kleine Gruppe, und bei der Prüfung ging es nach dem Alphabet.
Zum Erstaunen der Kollegen, meiner Vorgesetzten und sogar der Putzfrau, schnitt ich von allen am besten ab.
Natürlich war es auch Glück, das stimmt, aber nicht nur.
Als die Wally mit ihrer Raucherstimme mein Wissen zu Pfählungsverletzungen prüfte – ausgerechnet, ganz wie zu Draculas Zeiten –, war sie überzeugt, dass ich mir an diesem Thema die Zähne ausbeißen würde. Natürlich konnte sie nicht ahnen, dass ich neulich erst einen Film mit Keanu Reeves gesehen hatte. Der hatte mich auf die Idee gebracht, mir genau dieses Thema gründlich vorzunehmen.
Es war so aufregend, einmal an der Spitze zu sein, dass es mir fast um alle verpassten Gelegenheiten in der Vergangenheit leidtat. Vielleicht lohnt es sich, die Erfahrung zu wiederholen.
Und als ob dieser Erfolgsrausch nicht genug gewesen wäre, durfte ich miterleben, wie die institutseigene Nummer eins völlig versagte: Ambra Negri Della Valle, die zu gleichen Teilen aus Muskeln und Silikon besteht. Ihr Prüfungsergebnis war derart mittelmäßig, dass es mir einen Augenblick lang vorkam, als wäre ich in Candid Camera.
Es ist nicht nett, sich an den Niederlagen von Leuten zu erfreuen, die sich für etwas Besseres halten, aber man darf sich im Leben nicht alle Freuden versagen. Es reicht schon, ständig bei den Kalorien und beim Geldausgeben aufpassen zu müssen.
Ich hatte mir eigentlich kaum Chancen ausgerechnet, aber jetzt, wo Ambra aus dem Spiel war, gehörte der Platz in Paris mir, da war ich sicher.
Ich suchte im Internet schon mal nach passenden Flügen, als man uns per Telefon mitteilte, dass man sich entschieden habe.
In freudiger Erwartung der Ankündigung – Also, der Platz gehört Dottoressa Allevi, und um ganz offen zu sein, hat Sie Ihnen allen den Rang abgelaufen – betrat ich das Büro des Allerhöchsten. Und traute meinen Ohren nicht, als er uns mitteilte, dass Ambra nach Paris durfte.
Sie nahm das wie eine Selbstverständlichkeit hin, als hätte sie mit nichts anderem gerechnet.
»Vielen Dank, Professore«, säuselte sie und zwinkerte meinen Kollegen zu. Vielleicht hatten auch die keine Sekunde lang geglaubt, dass ich die Beste sein würde.
»Ambra, eigentlich erwarten wir uns mehr von Ihnen«, merkte Wally an, immerhin ein Anflug von Ehrlichkeit.
Lara Nardelli – sie ist in meinem Ausbildungsjahr, und ich teile mit ihr und Ambra das Büro – warf mir einen betrübten Blick zu.
»Aber wir sind uns im Klaren, dass Ihre Leistungen normalerweise besser sind als das, was Sie uns heute in der Prüfung gezeigt haben. Und wir sind überzeugt, dass Sie die Chance, die wir Ihnen hiermit bieten, nutzen werden«, fuhr sie fort.
Niedergeschlagen und empfindlich getroffen, kehrte ich in mein Büro zurück. Was für eine Enttäuschung! Im Geiste hatte ich mich schon mit Arthur durch die Straßen von Saint-Germain-des-Prés spazieren sehen, ganz in Rosa, wie in der Werbung für Miss Dior Chérie, vollgestopft mit Macarons und ohne den inneren Druck, eine Woche Ferien nehmen zu müssen und auf dem Schreibtisch alles unerledigt zurückzulassen.
Es dauerte keine Stunde, da stand ich erneut im Büro des Allerhöchsten, um eine Erklärung einzufordern. Denn Malcomess Senior mag in seiner Art undurchschaubar sein, aber er ist aufrichtig, und so etwas ist eigentlich nicht sein Stil.
Er betrachtete mich aus seinen grauen Augen, die wenig von dem preisgeben, was er wirklich denkt.
»Haben Sie etwas gegen das Prüfungsergebnis einzuwenden?«, fragte er mich mit seinem englischen Akzent, der etwas hörbarer ist als der Arthurs.
»Warum haben Sie nicht mich genommen?«, fragte ich ihn geradeheraus. Das wäre mir früher niemals in den Sinn gekommen. Mir war meine Position am Institut nie wichtig, bis ich eines Tages begriff, dass ich am Rande eines Abgrunds stand.
»Ich bin für aufgeklärte Tyrannei und nehme Ihre Frage an«, antwortete der Allerhöchste. »Das Endergebnis basiert auf einer gründlichen Beurteilung. Ich habe Sie durchschaut, Dottoressa. Interessiert Sie wirklich das Seminar, oder ist es lediglich der Vorwand für einen Kurzurlaub in Paris? Und kann ich wirklich darauf zählen, dass Sie dort unser Institut vertreten und nicht lieber einige Vorlesungen schwänzen, um den Nachmittag mit meinem Sohn zu verbringen? Das waren die Fragen, die ich mir stellte, bevor ich mich am Ende für Dottoressa Negri Della Valle entschied.«
Bei solch klaren Worten half nur eine ehrliche Antwort.
»Ich gebe zu, dass mich dieser glückliche Zufall angespornt hat … aber es ist nicht fair. Wenn Sie von meiner Beziehung zu Arthur nichts wüssten und sich nur an meinen heutigen Leistungen orientiert hätten, wäre dann Ambra immer noch an meiner Stelle?«
»Die Antwort ist ganz einfach: Wenn mein Sohn nicht im Spiel wäre, dann hätten Sie niemals diese Leistungen gezeigt. Nicht etwa, weil Sie dazu nicht in der Lage sind, das durchaus nicht, sondern weil Ihnen die Motivation gefehlt hätte. Aber es gibt viele Billigflüge, und ich gebe Ihnen gerne ein paar Tage Urlaub.«
Na, dieses Angebot werde ich sicher annehmen! Erst musste ich mich aber von dieser Schlappe erholen. Es war wirklich alles andere als angenehm, dem Ziel schon ganz nahe zu sein und dann zu merken, dass sich gewisse Dinge niemals ändern: Die Assistenzärztin am Institut, der man nichts zutraut und auf die niemand zählt, bin nun mal ich.
Dass ich bei der Rückkehr ins Büro miterleben musste, wie Ambra eine Reise organisierte, die eigentlich meine hätte sein sollen, hob meine Stimmung nicht gerade.
»Claudio? Kannst du kurz beim Reisebüro vorbeigehen und die Hotelvoucher abholen? Kaum zu glauben, die schaffen es nicht einmal, sie mir zu mailen. Die leben wirklich noch in der Steinzeit. Ich kann das jetzt nicht erledigen, ich habe keine Zeit!«, erklärte sie ihrem Lebensgefährten. Claudio Conforti ist der vielversprechendste wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut und ebenso gut aussehend wie hinterhältig.
Zwischen Claudio und mir gab es einmal eine Phase der Nostalgie, wie man sie für etwas empfindet, das eigentlich niemals stattgefunden hat. Eine derartige Anziehungskraft birgt großes Potenzial, aber die Chance, dass etwas Konkretes daraus wird, liegt bei null.
»Es ist mir egal, ob du zur Polizei musst, mach das doch später«, fuhr Ambra fort. Dass es Ambra tatsächlich gelingen würde, Claudio Schritt für Schritt in einen Pantoffelhelden zu verwandeln, hätte niemand für möglich gehalten.
»Jetzt hör mir mal gut zu, Dottor Conforti. Es interessiert mich nicht, ob du nach dem Fall Valenti an Boden verloren hast. Wenn du an mangelndem Selbstbewusstsein leidest, dann ist das dein Problem, halt mich da raus …«
Den Rest der Unterhaltung konnte ich nicht mehr mitverfolgen, weil Ambra sich entfernte, um in aller Ruhe weiterzuschimpfen. Als sie einen Augenblick später wieder hereinkam, war ihre Laune auf dem Tiefpunkt.
Etwa eine Stunde später betrat Claudio unser Büro. Ambra blickte nicht von ihrer Arbeit auf.
Er sparte sich die Begrüßung und sagte zu niemandem ein Wort. Claudio legte die Dokumente, nach denen Ambra verlangt hatte, auf ihren Schreibtisch, drehte sich um und ging. Sein Missfallen war unübersehbar. Bei Ambra fiel der Groschen, und wie eine Furie fuhr sie von ihrem blauen Bürostuhl auf und rannte hinter ihm her: »He, Claudio, komm zurück!«
Offenbar ging er unbeirrt weiter.
Als sie wieder hereinkam, war sie nur ein wenig errötet.
»Was starrt ihr mich so an?«, fragte sie uns. Wahrscheinlich leuchteten unsere Gesichter vor Genugtuung.
Wir murmelten Beiläufiges – es gibt Leute, denen es noch viel schlechter geht, sagte ich mir.
Um neun Uhr bin ich mit Cordelia in einem grell erleuchteten Restaurant verabredet, einer Neueröffnung in der Nähe der Piazza Navona.
Cordelia Malcomess ist Arthurs Schwester; ihre Karriere als Schauspielerin ist so wechselhaft wie ihr Liebesleben. Seit drei Monaten hat sie, nach ihren Worten, endlich den Mann fürs Leben gefunden: Der Glückliche heißt Lars Mikkelsen, ein Manager aus Norwegen; er ist neununddreißig, sieht aber älter aus. Sie redet nur noch von ihm, und irgendwie gelingt es ihr, jede Unterhaltung auf ihn zu bringen, auch wenn die Vorwände bisweilen mehr als fadenscheinig sind.
Heute Abend trägt Cordelia eine kurze orangefarbene Bluse aus teuerster Seide.
»Gibt’s was Neues?«, fragt sie mich, während sie ihre Tasche auf einem Stuhl ablegt und zur Speisekarte greift. »Gegrillter Lachs mit Tatarensoße … das soll sehr fein sein. Eigentlich sollte ich mich zurückhalten, ich habe schon wieder ein paar hundert Gramm zugenommen. Aber es ist eine Empfehlung von Lars, er war letzte Woche hier.«
Ich überlege. Doch, es gibt eine Neuigkeit.
»Wusstest du schon, dass Riccardo sich verlobt hat?«, eröffne ich ihr.
Cordelia senkt verblüfft die Speisekarte. Wie konnte es der arme Riccardo, ein enger Freund von Arthur, wagen, sich einfach eine nette Freundin zu suchen und aufhören, ihr hinterherzulaufen? »Du meinst Riccardo Gherardi?«
»Genau den.«
»Das ist absurd«, kommentiert sie schrill.
»Und warum? Was soll daran so merkwürdig sein?«
»Wie kann er nur so inkonsequent sein? Erst große Liebesschwüre – du kannst dir nicht vorstellen, was für Szenen er mir nach seiner Rückkehr aus Khartoum gemacht hat. Und jetzt kommt heraus, dass er schon längst Ersatz für mich gefunden hat. Findest du das nicht unverschämt?«
»Nein, für mich ist das Überlebensinstinkt. Riccardo hat dich doch eigentlich nie interessiert. Ich bin froh, dass er eine Freundin gefunden hat, die seine Gefühle erwidert.«
Cordelia mustert selbstgefällig ihre Fingernägel, die schlammfarben lackiert sind, einfach scheußlich. »Und wer ist die Glückliche?«
»Sie ist Model und heißt Emma, glaube ich.«
»Emma … ich weiß, wer das ist!«, meint sie giftig. »Kennst du sie?«, fragt sie mich dann finster.
»Ich habe sie im letzten Monat kennengelernt, als Arthur hier war. Sie ist ganz hübsch.«
»Möglicherweise war dein chirurgischer Blick getrübt – wie kannst du das nur behaupten?«
Ich unterdrücke ein Lachen, denn sie ist wirklich nicht zu Scherzen aufgelegt. Im Gegenteil, sie meint es todernst.
»Vielleicht hast du auch recht, sie ist eine graue Maus«, erwidere ich entgegenkommend. Sonst verschluckt Cordelia sich am Ende noch am Lachs, den man gerade aufgetragen hat.
»Gibt es Neuigkeiten von meinem Bruder?«
»Es geht ihm gut. Morgen bricht er nach Myanmar auf.«
Cordelia steckt den Schlag weg. Es macht ihr keinen Spaß zuzugeben, dass sie von nichts wusste. Sie ist unschlüssig, ob sie sich die Blöße geben oder darüber hinweggehen soll. Am Ende befindet sie anscheinend, dass der Abend ihr genügend Themen zum Nachdenken und Selbsterkenntnis beschert hat und somit niederschmetternd ist. Und so macht sie sich über ihren Lachs her und stellt mir eine Frage, die ich Arthur nicht gestellt habe, weil ich eine Kurzrecherche bei Google bevorzuge.
»Und wo liegt das?«
* * *
Bis letzte Woche hatte auch ich keine Ahnung, dass Myanmar der neue Name für Burma ist. Später, bevor ich schlafen gehe, erzählt mir Arthur noch etwas über das Land.
»Der Auftrag ist relativ leicht. Der Ausgang der Wahlen steht ohnehin schon so gut wie fest, denn die Oppositionspartei ist bereits vor einiger Zeit aufgelöst worden. Ein leicht errungener Sieg also. Eine Schande.«
»Ist Burma ein schönes Land?«
»Schön schon, aber krisengeschüttelt.«
»Ich möchte dich so gerne sehen, seit unserem letzten Treffen ist mehr als ein Monat vergangen.«
»Stimmt«, erwidert er vage und ziemlich teilnahmslos. »Es tut mir leid, Honey, ich muss Schluss machen.«
»Wirst du auch Aung San Suu Kyi interviewen?«
»Da schau an, du hast dich schlaugemacht!«
Ich hätte so gern ganz viel Zeit, um seinen Erzählungen über alle diese Länder zu lauschen, die so fern sind, dass ich wirklich gar nichts über sie weiß. Aber die Zeit reicht nie, wenn man einander fern ist, und nur Sehnsucht gibt es im Überfluss.
Nachdem ich aufgelegt habe, beginnt eine abendliche Routine, von der zwei Varianten existieren. Welche gerade dran ist, hängt davon ab, ob Yukino, meine Mitbewohnerin, zu Hause ist oder nicht. Im ersten Fall kümmert sie sich ums Essen und auch um die Abendgestaltung. Gewöhnlich vertreiben wir uns die Zeit mit einer Privatshow von Anime-Filmen. Im zweiten Fall bin ich allein, was aber auch nicht immer unangenehm ist. Um elf liege ich mit einer spannenden Lektüre im Bett.
Wenn der Alltag durcheinandergerät, dann gibt es nur ein Mittel, um die alte Ordnung wiederherzustellen: Man muss sich neue Gewohnheiten zulegen. Und genau das habe ich getan, als mir klar wurde, dass mir nichts anderes übrig bleiben würde, als mich auf eine Fernbeziehung mit langen Telefonaten einzustellen. Oder, dank Skype, mit Videogesprächen. Immer wenn Arthur abreist und wir uns wieder einmal flüchtig voneinander verabschiedet haben, spüre ich, wie in mir etwas zerspringt. Es kommt mir so vor, als müsste ich wieder ganz von vorn anfangen. Am Tag darauf fühlt es sich dann so an, als wäre er schon ewig weg und als gäbe es nichts anderes als diesen unentrinnbaren Schwebezustand.
Ein furchtbares Gefühl.
Narrheit, Herr, geht rund um die Welt; sie scheint allenthalben
William Shakespeare, Was ihr wollt
Ein Entmündigungsverfahren?«
Ich wiederhole die Worte von Dottor Anceschi, einem meiner Vorgesetzten.
Während der letzten Monate hat der gute Dottore, in seinen besten Zeiten so groß und dick wie Notorius B.I.G., einige Kilos verloren, und jetzt kann man seine Augen sehen, wenn er lacht.
»Das ist doch was für dich. Außerdem hast du dich bislang noch nie mit dem Thema beschäftigt, oder?« Stimmt, und ich muss mich auch erst einmal schlaumachen, um was es eigentlich geht. »Ein Kollege aus einem anderen Fachgebiet unterstützt uns bei diesem Auftrag, der Psychiater Dottor Laurenti. Er kommt später vorbei, um über den Fall zu sprechen. Ich sage dir Bescheid, dann kannst du ihn kennenlernen.«
Kaum bin ich wieder im Büro, gehe ich noch einmal das Kapitel Entmündigung durch:
Man spricht von Entmündigung, wenn sich eine volljährige Person in einem dauerhaften Zustand von Geistesschwäche befindet und daher nicht in der Lage ist, die eigenen Interessen wahrzunehmen.
»Alice.« Die Stimme ist arrogant bis unverschämt. »Was machst du da?«
»Ich lerne.«
Claudio tritt an meinen Schreibtisch und lugt auf mein Buch. »Wie schön. Sonst lernst du nie was, ich weiß gar nicht, wie du das Studium geschafft hast. Aber leider hast du gerade den falschen Moment erwischt. Hast du die Autopsie von heute ganz vergessen? In einem Anfall von Großmut ist mir der Einfall gekommen, sie dir in Gänze anzuvertrauen.«
Ich lese ohne aufzuschauen weiter.
»Ist Ambra nicht da?«, frage ich zurück. Normalerweise spielt sie immer die Rolle der Primadonna. Jetzt mimt er den fairen Dozenten und antwortet, dass er streng darauf achte, dass alle die gleichen Chancen bekommen.
Wir laufen durch die Gänge des Instituts in Richtung Leichenhalle, wo Claudio triumphal Einzug hält: Die Techniker schauen huldvoll zu ihm auf, die Assistenzärztinnen beten ihn an, nur die männlichen Kollegen können ihn unterschwellig nicht ausstehen. Wie auch immer, der glückliche Stern über seinem Leben lässt Menschen in seiner Umgebung nur die Wahl zwischen zwei Grundgefühlen: Bewunderung oder abgrundtiefer Neid.
Heute geht er in seiner Rolle als Star auf, die Grenzen zum Größenwahn sind fließend. Er reicht mir den gefütterten blauen Kittel, den Mundschutz, das Skalpell, und mit seinem typischen unverschämten Lächeln verkündet er: »Heute führt Alice die Autopsie durch. Fertig?«
Na, da bleibt mir wohl gar nichts anderes übrig.
Alle schauen mir zu. Aber ich komme klar. Der Mann, der vor mir liegt, hat sich erhängt. Claudio hält Selbstmordfälle für die einfachsten, na, wenn das nicht der Grund für seine heutige Großzügigkeit ist. Ich löse das Großhirn heraus, und es rutscht mir ausnahmsweise nicht aus den Händen; die Hauptschlagader durchtrenne ich an der richtigen Stelle und hebe gekonnt die Nieren heraus. Alles läuft bestens, und Claudio ist sogar richtig zufrieden. Bis ein Blutstropfen von meinen Händen auf seine Schuhe tropft und er in Sekundenschnelle in Zorn gerät.
»Wie zum Teufel schaffst du es, so ungeschickt zu sein, Allevi! Das darf nicht wahr sein!«
»Wieso trägst du keine Überschuhe?«, wende ich ein, ohne meinen Blick von dem nunmehr leeren Brustkorb des Leichnams zu wenden. Verblüfft murmelt er etwas von mangelndem Respekt und nimmt seine Jacke.
»Gehst du?«
»Schau, dass du hier fertig wirst. Und pass auf, dass du nicht noch mehr anstellst.«
Das sagt sich so einfach. Die anderen Kollegen starren mich an, und ich fühle mich ohne ihn auf verlorenem Posten. Am Ende brauche ich eine Stunde für etwas, das ich normalerweise in zwanzig Minuten schaffen könnte, bringe aber alles zu einem guten Abschluss.
Bei meiner Rückkehr ins Institut stellt mir Anceschi einen Kollegen vor, dessen Gesicht mir bekannt vorkommt.
»Dottoressa Allevi, darf ich dich mit Niccolò Laurenti bekannt machen? Er arbeitet mit uns bei dem Entmündigungsverfahren zusammen, von dem ich dir erzählt habe.«
Laurenti ist ein bisschen älter als ich. Ich war noch im ersten Studienjahr, da war er schon im sechsten. Er hat ungewöhnlich dunkle und dichte Locken, ist groß und schlaksig, und wenn er sich etwas Mühe geben würde, wäre sein Blick aus den blauen Augen durchaus anziehend. Doch im Augenblick wirkt er eher genervt.
»Sehr erfreut«, erwidert er mit einer unvermutet dunklen Stimme, die klingt wie von einem Synchronsprecher. Er streckt mir die Hand hin; seine Finger sind unglaublich lang, wie bei einer Filmfigur von Tim Burton.
Anceschi lässt uns beide allein. Ich lade Niccolò auf einen Kaffee ein, zum gegenseitigen Beschnuppern.
In dem Café um die Ecke bestellt er einen Espresso, ich einen Cappuccino. Gesprächig ist er nicht gerade.
»Ich habe bereits Kontakt mit der Tochter von Konrad Azais aufgenommen, um einen Termin zu vereinbaren. Er lebt bei ihr. Sie hat mich in aller Form darum gebeten, dass die Untersuchung bei ihr zu Hause stattfindet«, erläutert er mir knapp.
»Na, dann machen wir das dort.«
»Ich habe angefangen, etwas von ihm zu lesen. Er hat mich niemals interessiert, aber ich muss sagen, was er schreibt, ist … beachtlich. Interessant, würde ich sagen.«
Ich habe den Faden verloren. Wahrscheinlich klebt noch Milchschaum an meinen Lippen, als ich den Mund aufmache und sage: »Entschuldigung, ich kann dir nicht folgen.«
Meine Äußerung scheint Niccolò aus der Fassung zu bringen. Er setzt seine Tasse ab, betupft seine Lippen, räuspert sich und sieht mich herablassend an.
»Dir sagt der Name Konrad Azais nichts?«
»Sollte er das?«, frage ich ihn gereizt zurück, denn seine Oberlehrerart geht mir auf die Nerven.
Er legt die Stirn in Falten, als müsste er über die Antwort nachdenken. »Er ist ein sehr wichtiger Schriftsteller«, meint er schließlich in einem neutralen Tonfall.
»In Italien?«
»Weltweit«, verbessert er mich und entnimmt seiner Tasche ein abgegriffenes Buch mit einem orangefarbenen Einband. »Diesen Roman habe ich gerade fertig gelesen. Nicht sein bester, aber so kannst du dir einen Eindruck verschaffen.« Er reicht mir das Buch. »Ich melde mich, sobald ich von der Tochter gehört habe.«
»Einverstanden«, erwidere ich zerstreut, weil ich bereits mit dem Roman beschäftigt bin.
Ich lese die Anfangsworte.
Anfangs sah es nach einer Tragödie aus. Sofort danach begriff ich, dass es eine Befreiung war.
Auf der Rückseite des Buches stehen einige dürre Worte zum Autor. Ich beschließe, bei Google nachzulesen. Unterdessen wird Niccolò zunehmend ungehalten und weist mich darauf hin, dass es für ihn wirklich an der Zeit ist aufzubrechen.
»Wenn du mir vielleicht deine Nummer geben könntest …«, meint er und hält ungeduldig sein Mobiltelefon bereit.
»Natürlich, Verzeihung«, erwidere ich und klappe das Buch sofort zu. Das kann ja heiter werden.
Konrad
Einige Tage darauf mache ich mich für die Fahrt nach Tarquinia fertig. Azais lebt dort bei seiner einzigen Tochter und deren Familie. Ich habe ein Notizheft eingesteckt, habe eine klarere Vorstellung vom Leben und Werk Azais’, viel Geduld, um Niccolò zu ertragen, und bin schrecklich aufgeregt, weil ich eine lebende Legende kennenlernen werde.
Anceschi hat uns bereits angekündigt, dass er sich um eine Viertelstunde verspäten würde, was bei ihm mindestens eine halbe Stunde heißt. Wir sollten ruhig schon aufbrechen, meinte er.
Ich bin mit Niccolò vor seinem Haus verabredet, ein rostfarbenes Mietshaus in der Nähe der Metrostation Monti Tiburtini. Von dort aus geht es mit seinem lauten metallicblauen Punto, dem neuesten Modell mit allen Schikanen, auf der Autobahn Richtung Tarquinia, wo Azais mit Tochter, Schwiegersohn, Nichte und einer Pflegerin unter einem Dach wohnt.
»Weißt du jetzt, wer Azais ist?«, fragt Niccolò, natürlich von oben herab.
Klar. Der Roman ist nervtötend ohne Ende, und ich habe nicht einmal verstanden, wovon eigentlich die Rede ist. Gott sei Dank gibt es Wikipedia, wo ich Folgendes nachlesen konnte:
Konrad Andràs Azais (* 12. März 1928 in Debrecen) ist ein ungarischer Autor und Dichter. Bekannt wurde er durch seinen ersten, kontroversen Roman Die Gier des Desziderius Horvath, der 1950 in Ungarn erschien.
Leben
Azais wurde in Debrecen als Sohn von Csàk Azais, einem Staatsbeamten aus dem gehobenen Bürgertum, und Izabella Beàta Banolis geboren, die aus einer alteingesessenen Familie litauischen Ursprungs stammte. Er war das zweite von fünf Kindern und wuchs in Debrecen auf. 1940 emigrierte die Familie nach Paris. Csàk Azais stand unter dem Verdacht der Staatsfeindschaft und hatte sich an seinen Cousin, Farkas Kiràly, gewandt, der bereits in Frankreich lebte.
In Paris trat Csàk Azais der Résistance bei. Er band die älteren seiner Kinder in seine Aktivitäten ein und machte sie so mit einem kulturellen Ambiente vertraut, welches die literarische Produktion von Azais prägte.
Im Alter von zwanzig Jahren bezog Konrad Azais zusammen mit Oliver Volange, dem Autor von Unterbrochene Einsamkeiten, eine Wohnung im fünften Arrondissement. Nach dem Tod seiner Schwester Heni (Henrietta) veröffentlichte Azais im Eigenverlag eine Sammlung von Gedichten, die ihr gewidmet waren. Der Band fand kaum Beachtung, wurde von der Kritik lange übersehen und erregt erst heutzutage Aufmerksamkeit.
1950 nahm Azais einen Lehrauftrag am Institut für Ungarische Sprache und Literatur an der Universität in Paris an. Zur gleichen Zeit erschien sein Roman Die Gier des Desziderius Horvath, der in Pariser Literaturkreisen begeistert aufgenommen und innerhalb von wenigen Jahren zu einem internationalen Erfolg wurde. 1951 beschloss Azais, Paris endgültig den Rücken zu kehren und sich in Mailand niederzulassen, wo er die folgenden zwanzig Jahre verbrachte.
1955 veröffentlichte er den Roman Qual; die Literaturkritik reagierte verhalten, vom Publikum wurde er verrissen. Qual schien künstlerisch nicht an Die Gier des Desziderius Horvath heranzukommen. 1959 erschien in italienischer Sprache der Roman Gestern und dann nie mehr, der allgemein sehr negativ aufgenommen wurde. 1961 heiratete Azais die zehn Jahre jüngere Maia Maniscalchi, mit der er vier Kinder hat: Leone (* 1964), Enrico (* 1966), Oscar (* 1970) und Selina (* 1973).
Nach Gestern und dann nie mehr veröffentlichte Azais, vermutlich aufgrund der literarischen Misserfolge, lange Zeit nichts mehr. 1971 zog er nach Udine um und lehrte an der dortigen Universität Ungarische Sprache und Literatur. Im selben Jahr erschien im Eigenverlag der Roman Das lange Warten, der nach Anlaufschwierigkeiten beachtliche Resonanz fand. Azais nahm seine literarischen Aktivitäten wieder voll auf und veröffentlichte in den Folgejahren die Trilogie von Margò, die 1974 als Vorlage für einen Film diente. In einem Interview eröffnete Azais, dass sich hinter Margò eine alte Jugendliebe verbirgt, in der manche die Ballerina Catherine Rouvroy vermuten.
Der Roman Die Gier des Desziderius Horvath wird allgemein als Azais’ wichtigstes Werk angesehen, doch ist die Trilogie von Margò sein bekanntestes. Im Jahr 1974 erschien eine Sammlung von Gedichten, die seiner Tochter Selina gewidmet ist. 1977 starb Maia Maniscalchi an Lungenkrebs. Im selben Jahr zog Azais von Udine nach Rom um, wo er Luisa Valli kennenlernte, bis 1985 seine Lebensgefährtin. 1979 erschien der autobiografische Roman Ich, Konrad und 1982 Margòs Spiele, in dem einige Figuren aus der gleichnamigen Trilogie wieder auftauchen. Das Werk wurde allgemein verhalten aufgenommen. 1986 erschien Der Unmoralische, eine Mischung aus Fiktion und Sachtext, nach Azais’ eigenen Worten »sein schlechtestes Buch«.
Werk
Heni, 1947
Die Gier des Desziderius Horvath, 1950
Qual, 1955
Gestern und dann nie mehr, 1959
Das lange Warten, 1971
Margò, 1972
Margòs Unruhe, 1972
Noch einmal Margò, 1973
Für Dich, Selina, 1974
Ich, Konrad, 1979
Margòs Spiele, 1982
Der Unmoralische, 1986
Besondere Anmerkung
Im Jahr 1978 wurde Konrad Azais zum Ehrenpräsidenten der Associazione Italiana di Enigmistica Classica (Italienischer Rätselverband) ernannt. Er gilt international als einer der größten Erfinder von Bilderrätseln sowie als äußerst geschickt bei deren Auflösung.
»Und? Gefällt dir Der Unmoralische?«, fragt Niccolò nach.
»Nicht besonders«, antworte ich aufrichtig.
Auf Niccolòs Gesicht breitet sich ein Lächeln aus, das bedeuten soll: Na, das war klar, ich hatte auch nichts anderes erwartet.
»Der Roman ist eine tiefgründige Metapher auf die Instrumentalisierung von Sex in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern«, schiebt er als Erklärung nach.
»So viel habe ich auch begriffen, aber mir haben weder Form noch Inhalt gefallen. Ich geb ihn dir bald wieder zurück, ich glaube nicht, dass ich ihn zu Ende lesen werde.«
»Wie du willst.«
Wir verharren in düsterem Schweigen. Offensichtlich hält Niccolò mich intellektuell nicht für ebenbürtig und schweigt lieber.
»Schöne Landschaft«, kommentiere ich, als wir uns dem Reiseziel nähern. Die goldenen Getreidefelder scheinen sich unendlich hinzuziehen.
»Ja«, antwortet er knapp. »Außerdem gibt es hier einige einzigartige Grabstätten aus etruskischer Zeit – wenn einen so etwas interessiert«, fügt er spitzfindig an. Er wirft einen Blick auf sein Navi. »Wunderbar, wir sind gleich da«, verkündet er dann erfreut.
»Wollen wir vorher vielleicht noch was Kleines essen?«, schlage ich vor, denn mir knurrt der Magen.
»Ich will mich nicht zu lange aufhalten. Hier sind ein paar Cracker, wenn du willst.«
Wir gelangen zu einer zweihundert Jahre alten kleinen Villa aus gelben Granitquadern. An einer Seite erhebt sich ein Türmchen diskret über das Dach. Am Tor drängen sich ein paar dicke Katzen, und nach den herbstlichen Regenfällen riecht es nach feuchtem, moderndem Laub.
Das Tor öffnet sich, und wir gelangen in einen sichtbar vernachlässigten Garten: wild wuchernde Kletterpflanzen, und die Schüsseln für die Katzen sind voller alter Futterreste. Trotzdem hat dieser heruntergekommene Garten seinen Zauber. Ein eindringlicher, reiner Celloklang, der aus einem offenen Fenster dringt, trägt zu dieser Atmosphäre bei.
Vom Garten gelangt man zu einer überdachten Veranda, die mit gelb-blau gemusterten Fliesen ausgelegt ist. Aus der hölzernen Eingangstür tritt eine Frau von verblasster Schönheit, ganz so wie dieses Haus. Sie ist sehr weiblich, anmutig, ohne aufreizend zu sein. Ihr blondes, gewelltes Haar ist zu einem Knoten gebunden. Sie hat helle grüne Augen, denen aber der Glanz fehlt, und ihr Lächeln ist freundlich, aber auch müde. Sie trägt eine hellgraue Strickjacke, darunter ein fliederfarbenes T-Shirt und eine beige Hose. Ihre Gesichtszüge verraten Intelligenz, aber ihre Miene hat gleichzeitig auch einen verlorenen Ausdruck.
»Ich bin Selina Norbedo«, begrüßt sie mich und kommt auf mich zu. Sie streckt ihre Hand aus, sehr gepflegt, aber ohne Schmuck, die Nägel unlackiert.
Die Cellomusik bricht unvermittelt ab, der Klang scheint noch etwas nachzuschwingen.
Selina bittet uns herein. Drinnen riecht es nach Landleben. Das Haus selbst ist geschmackvoll im Countrystil eingerichtet. In jedem freien Winkel stehen Vasen mit frischen Blumen, und auf einem weißen, verzierten Tisch in der Raummitte befindet sich ein Kuchen, oder besser: die Reste davon. Wohin man blickt, sind Bücher, die riesige Regalwand ist zum Bersten voll, und sie stapeln sich sogar auf dem Holzboden. Durch rot-weiß karierte Vorhänge dringt, nach dem Wolkenbruch von heute Nacht, schwach warmes Sonnenlicht herein und taucht den Raum in eine Atmosphäre von Zeitlosigkeit.
»Ich habe gerade Wasser aufgesetzt. Hätten Sie gern einen Tee und ein Stück Kuchen? Meine Tochter Clara hat ihn gebacken.«
»Sehr gern!«, antworte ich sofort. Selina nickt freundlich und ruft laut nach einer gewissen Terézia.
Darauf erscheint eine füllige Frau mit herben Gesichtszügen und murmelt etwas in einer unverständlichen Sprache. Selina antwortet ihr im gleichen Idiom – es kann sich dabei nur um Ungarisch handeln.
»Bitte setzen Sie sich doch. Er ist oben, er kommt nie aus seinem Zimmer. Und heute wird er keine Ausnahme machen. Das wird Ihnen sehr unfreundlich vorkommen, und, um die Wahrheit zu sagen, er ist unfreundlich … Man muss ihn zu nehmen wissen. Er benimmt sich wie ein verwöhntes Kind.«
Während Niccolò sich zum Thema Psychiatrie auslässt – Selina scheinen seine Ausführungen nicht sehr zu interessieren –, lasse ich meinen Blick schweifen. Da ist das Violoncello, auf dem eben noch so gefühlvoll gespielt wurde, ein Notenständer mit einer Partitur des Prélude zur Suite für Violoncello n. 1 von Johann Sebastian Bach; an den Wänden Bilder mit Blütenmotiven; neben dem erloschenen Kamin, in dem noch die Asche liegt, drei schlafende Kätzchen; daneben ein Schälchen mit Milch. Terézia kehrt mit kleinen Porzellantellern zurück, auf denen jeweils ein Stück Schokoladenkuchen angerichtet ist. Die Teekanne mit dem heißen Wasser hat Sprünge und passt zu den Tellern. Sie reicht mir eine Schachtel mit verschiedensten Teesorten, damit ich mir meinen Lieblingstee aussuchen kann.
Was für ein zauberhaftes Haus.
Hier würde ich gern wohnen.
Hast du schon einmal jemanden kennengelernt, der so richtig glücklich ist? Und trotzdem bei klarem Verstand, meine ich …
Terézia, frag bitte Clara, ob sie Tee will.«
»Nein!«, ertönt die genervte Stimme eines Teenagers; es kann sich nur um Clara handeln.
Die Mutter lächelt uns verlegen zu. Hoffentlich legt Niccolò jetzt nicht gleich zum Thema Störungen im Sozialverhalten bei Jugendlichen los.
Selinas Liebenswürdigkeit hat etwas Seidiges, leicht Romantisches, wie aus einem Film von Jane Campion.
»Ihr Haus gefällt mir sehr, Signora Norbedo.« Ich muss ihr das einfach sagen.
Sie erwidert das Kompliment mit einem Lächeln: »Ich habe Jahre gebraucht, bis es endlich fertig war. Aber jetzt mag ich es auch sehr«, fügt sie hinzu, und ein Lächeln erhellt ihr Gesicht.
Meine Anwesenheit geht Niccolò anscheinend mehr und mehr auf die Nerven. Sein Kuchenstück hat er unfreundlich zurückgewiesen, und jetzt sieht er alle paar Minuten auf die Uhr. Er verhält sich unmöglich. Wir haben Selina erklärt, dass wir nicht ohne Dottor Anceschi beginnen können, aber das ist ihr offenbar ziemlich gleichgültig.
»Mama, Großvater hat sich wieder eingenässt«, meldet Clara in einem schneidenden Tonfall. Sie trägt langes Haar, in ungefähr der gleichen Farbe wie das ihrer Mutter; die Augen sind mit schwarzem Kajal umrandet, die Fingernägel blau lackiert. Wie bei allen Linkshändern ist ihre Hand mit Tinte beschmiert; an den Füßen trägt sie Gummistiefel, darüber ein rosa Kleid mit einem grauen Schal. An einem Ohr baumelt ein langer Ohrring.
»Terézia, sei so gut und geh kurz nach oben. Clara, mein Schatz, bist du sicher, dass du nichts willst? Dein Kuchen schmeckt wunderbar.«
Clara nickt unwillig und bricht mit den Fingern ein Stückchen ab.
»Darf ich Ihnen meine Tochter Clara Norbedo vorstellen?«
Clara hebt nur kurz die Hand zum Gruß. Ich frage mich, ob sie schüchtern oder einfach nur ungezogen ist.
»Die wollen rausfinden, ob Großvater nicht mehr ganz bei Trost ist, oder?«, wendet sie sich an ihre Mutter; in ihren Mundwinkeln kleben Krümel.
»Mehr oder weniger«, erwidert Selina unbeteiligt.
Clara seufzt tief. »Großvater ist vollkommen bei Verstand. Ihm fehlt nichts. Er ist ein Genie und hellwach. Nur damit ihr’s wisst.«
»Dass du deinen Großvater so verteidigst, ist sehr ehrenwert, aber die Ärzte hier wissen, was sie zu tun haben, und kommen ohne dein Urteil zurecht.«
Clara sieht ihre Mutter entgeistert an. »Und du machst da mit«, zischt sie ihr mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung zu, bevor sie das Zimmer verlässt. Selina folgt ihr eilig. Terézia ist ebenfalls oben und vermutlich damit beschäftigt, Konrad Azais die Windel zu wechseln. Und so bleiben Niccolò und ich allein zurück und schauen uns dumm an.
»Kommen wir zur Sache, Alice. Ich möchte anfangen, sobald Selina Norbedo wieder hier ist.«
»Weißt du, was sie so macht?«
Niccolò betrachtet mich, als wäre ich nicht ganz bei Trost. »Woher soll ich das wissen?«, erwidert er abschätzig.
Als sie wieder zurückkommt, ist Selina Norbedo allein. Sie macht einen gefassten Eindruck, anscheinend ist sie nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen, und lächelt uns freundlich zu.
Es klingelt, und Anceschi ist da. Er betritt den Raum mit großem Getöse und verzögert zu Niccolòs Entgeisterung alles noch mehr, weil er natürlich nicht an dem Kuchen vorbeikann. Er sitzt auf dem Sofa und macht den Eindruck, als wäre ihm das Entmündigungsverfahren total gleichgültig.
»Wollen wir anfangen, Signora Norbedo?«, schlägt Niccolò schließlich gereizt vor.
Warum ist er bloß so ungeduldig?
»Oh, ja, natürlich«, erwidert Selina ein wenig zerstreut.
»Also. Beschreiben Sie mir bitte die Gesundheit Ihres Vaters, Signora Norbedo. Alles, was Ihnen dazu einfällt, von seiner Jugend bis heute.«
Selina überlegt. »Nun, da gibt es nicht viel zu erzählen. Meinem Vater ging es gesundheitlich immer ziemlich gut. Als junger Mann war er mal in eine Messerstecherei verwickelt, stellen Sie sich das vor. Offenbar eine Frauengeschichte. Für uns Kinder war das so etwas wie eine Heldensaga. Als ich noch klein war, wurde er wegen eines aufgebrochenen Geschwürs operiert. Außerdem hatte er unzählige Bandscheibenvorfälle, deshalb kann er auch nicht mehr laufen. Er ist inkontinent und hat geringfügige Kreislaufprobleme. Das ist alles.«
»Und warum hat man eine Entmündigung in die Wege geleitet?«
Selina errötet. »Ich bin damit nicht einverstanden. Das war eine Idee meiner Brüder.«
Niccolò versucht, die Situation zu begreifen. Ich höre aufmerksam zu. »Was meinen Sie, wenn Sie sagen, dass Sie damit nicht einverstanden sind?«
»Ich glaube, dass mein Vater noch voll geschäftsfähig ist. Er hat einen furchtbaren Charakter, aber das war schon immer so. Mit seiner Leidenschaft für Sprachrätsel und seinen permanenten Spielchen quält er uns, aber auch das war schon immer so. Sein Verstand ist völlig in Ordnung.«
»Na, das werden wir ja sehen«, entgegnet Niccolò mit einer Gereiztheit, die ich für fehl am Platz halte.
Selina ist über diesen Kommentar sichtlich verärgert. Sie sieht ihm stirnrunzelnd dabei zu, wie er aus der orangefarbenen Tasche eine Mappe mit den kognitiven Tests herausnimmt, die für Konrad Azais bestimmt sind. Dann erhebt sie sich. Wir folgen ihr auf der weiß gestrichenen Treppe nach oben. An der Wand hängen Schwarz-weiß-Porträts von einer Frau mit zarten Gesichtszügen, vielleicht Azais’ Ehefrau. Ich kann in der Tat eine leichte Ähnlichkeit mit Selina und Clara erkennen.
Das Zimmer von Konrad Azais liegt sehr versteckt. Selina geht uns bis zur Tür voraus und drückt die Klinke.
Doch die Tür geht nicht auf.
Selinas Gesichtsausdruck verändert sich. »Clara!«, ruft sie laut.
Das Mädchen erscheint in der Tür seines Zimmers. »Was ist los?«
Selina wirft ihr einen erzürnten Blick zu. »Warst du das? Her mit dem Schlüssel.«
Clara zuckt mit den Schultern. Sie errötet, und ich finde sie unglaublich unverschämt. »Ich habe ihn nicht«, antwortet sie, »er hat sich eingeschlossen. Siehst du, er ist vollkommen bei Verstand. Er hat alles durchschaut.«
»Bestimmt hast du ihm alles gesagt«, erwidert Selina.
»Du irrst dich, so etwas würde ich nie machen.« Aber ich wette, das Gegenteil ist wahr.
Niccolò verliert langsam die Geduld. »Und jetzt, Signora Norbedo?«
»Wollen Sie das Schloss aufbrechen?«, fragt Selina sarkastisch. Clara kichert, und Anceschi zwinkert ihr verschwörerisch zu.
»Und wenn Sie ihn einfach fragen, ob er uns aufmacht? Wenn er, wie Sie behaupten, seinen Verstand beieinanderhat, was stört ihn dann die Untersuchung?«, fragt Niccolò unfreundlich. Wenn ich an Selinas Stelle wäre, würde ich ihn beim Kragen packen und aus dem Haus werfen.
»Apa? Apa? Nyílem az ajitó.«
»Geht es auch auf Italienisch?«, ereifert sich Niccolò, und ich wette, am liebsten würde er mit dem Fuß aufstampfen.
Selina folgt seiner Aufforderung würdevoll. »Papa … mach auf.«
»Ich denke nicht dran«, antwortet Azais, entschieden und mit rauer Stimme.
»Warum hast du dich eingeschlossen, Papa?«
»Ich mag mich nicht von diesen hülyék untersuchen lassen.«
»Er hat euch Idioten genannt«, ruft Clara aus. Sie hat die Arme vor der Brust verschränkt und im Gesicht ein Lächeln, das tiefes Einverständnis mit dem Urteil ihres Großvaters signalisiert.
»Signora Norbedo …«, Niccolò spricht jede Silbe ihres Namens überdeutlich aus. »Wir gehen erst, wenn wir Ihren Vater untersucht haben.«
Angesicht einer solchen Dreistigkeit kann ich nicht stillhalten. Nicht zuletzt, weil das ausschließlich seine Meinung ist, die ich ganz und gar nicht teile. Ich hätte nichts dagegen, noch einmal hierherzukommen. Hoffentlich schlägt sich Anceschi auf meine Seite.
»Nun, Niccolò, ich erzwinge ungern eine Untersuchung. Ich glaube, in diesem Fall haben wir ausreichend Zeit«, befindet Anceschi ruhig
»Signora Norbedo«, schalte ich mich jetzt ein. »Uns ist klar, dass das alles nicht so einfach ist. Wir können wiederkommen, wenn sich Ihr Vater in einem besseren Gemütszustand befindet.
»Nur damit das klar ist: Keine Untersuchung«, lässt sich Konrad vernehmen.
»Ist Ihnen bekannt, warum wir Sie untersuchen wollen?«, frage ich durch die Tür hindurch.
Seine Antwort klingt glasklar. »Klar. Ich bin alt, aber nicht verwirrt, auch wenn man das behauptet.«
»Und um uns genau das zu beweisen, sollten Sie sich untersuchen lassen«, erklärt Anceschi. Niccolò merkt anscheinend, dass er verloren hat, und hält den Mund.
»Aber nicht heute.«
»Seien Sie doch vernünftig«, bitte ich. Aber ohne Nachdruck.
»Kommen Sie nächste Woche wieder. Heute habe ich Kopfschmerzen.«
»Hören Sie mit Ihrem Theater auf, Azais!«, ruft Niccolò gereizt aus.
»Hören Sie mit Ihrem Theater auf«, tönt es von der anderen Seite zurück. »Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie es zu tun haben? Haut ab! Und ruft das nächste Mal an, ich lass euch rein, wenn mir danach ist.«
»So funktioniert das nicht, Papa. Die Ärzte müssen dich nicht um Erlaubnis fragen.«
»Und warum nicht?«, fragt Clara, übrigens völlig zu Recht. Mit geübter Geste flicht sie ihr langes Haar zu einem Zopf.
»Sie haben einen Gerichtsbescheid«, antwortet Selina vorsichtig.
»Was heißt hier Gerichtsbescheid? Das Wichtigste ist Respekt. Und wenn Großvater die Untersuchung heute ungelegen kommt, dann sehe ich nicht ein, dass man ihn dazu zwingt.«
»So steht es auch in der italienischen Verfassung«, bestätige ich mit einem Kopfnicken. Sogar in meinen Ohren klingt mein Tonfall feierlich. »Und deshalb kommen wir wieder, wenn Signor Azais sich zu einer Untersuchung in der Lage fühlt.«
»Sind Sie damit einverstanden, Signor Azais? Vielleicht am kommenden Montag?«, schlägt Anceschi vor.
Niccolò schaut mich grimmig an, Selina und Clara wirken erleichtert.
Azais verharrt einige Sekunden lang in Schweigen. »Am nächsten Montag passt es«, räumt er ein.
An der Haustür verabschiedet Selina Norbedo sich sehr herzlich von mir und überreicht Anceschi ein großes Stück Kuchen, das in ein weißes Küchentuch eingeschlagen ist. »Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis«, sagt sie lächelnd. Niccolò wird weniger freundlich verabschiedet.
* * *
»Den können wir nicht behalten, Yuki.«
Yukino, die das Italienische noch immer nicht so gut beherrscht, wie sie das gern möchte, bettelt: »Ich bitte dir.«
Das scheckige, vernachlässigte Hündchen, das sie mütterlich in ihren Armen hält, ist unwiderstehlich.
Bei meiner Rückkehr von den Azais war ich ziemlich erledigt – zwei Stunden Autofahrt mit Niccolò würden jeden Menschen um den Verstand bringen, und zu Hause erwartete mich die Überraschung. Yukino hatte schon einen ganzen Vorrat an Hundefutter, Hundekeksen, Hundespielknochen aus Büffelleder und rosa Regenmäntelchen. »Was machen wir sonst mit dem ganzen Zeug?«
»Vielleicht hättest du mich anrufen können, bevor du auf Shoppingtour gehst.«
Yuki besinnt sich auf ihre bewährte Strategie: Sie bittet und bettelt und kommt wieder mit ihrem gewohnten Argument – ihrer immer näher rückenden Abreise nach Japan.
»Und genau, weil du wieder nach Japan gehst, können wir ihn nicht behalten. Wie soll ich ihn allein versorgen?«
»Wenn ich nach Kyoto gehe, nehme ich ihn mit. Ich habe dort einen anderen Hund. Du musst ihn nur noch die letzten paar Monate aushalten.«
Ich habe ihr noch nie etwas abschlagen können: weder nächtliche Gelage mit furchtbarem japanischem Essen, das sie zubereitet hatte, noch Anime-Marathons, noch den Spontanausflug nach Florenz oder Nachhilfe in Italienisch … und jetzt den Hund.
»Ich habe auch schon einen Namen«, fügt sie schelmisch hinzu.
»Ach ja?«, frage ich mit gespielter Gleichgültigkeit.
»Ichi, in Erinnerung an Parfait tic. Aber dir gefällt vielleicht Daiya besser.«
»Such du dir einen Namen aus, dir gehört der Hund. Auch wenn mir vielleicht Hachiko gefiele …«
Yukino schüttelt energisch den Kopf. »Einen solch banalen Namen bekommt er nicht. Entweder Ichi oder Daiya, such es dir aus.«
»Dann lieber Ichi. Und jetzt gib ihn mir mal.«
I love Paris in the fall
Dürres Laub, verschneite Äste, die sich in den rauchverhangenen Himmel recken. Die einzigartige Atmosphäre von Saint-Germain. Kleine, von der Alltagshektik unberührte Plätze. Die schmutzigste Metro, die mir jemals begegnet ist. Heiße Schokolade in einem Louvre-Café. Eiskalte Füße beim Bummeln auf den Champs-Elysées, aber das macht überhaupt nichts. Zum Aufwärmen eine Stippvisite bei Guerlain. Beeindruckende Gemälde von Ingres. Ein Nutella-Crêpe in einem Lokal (nicht sehr vertrauenerweckend im Vergleich zu anderen, aber ein bisschen Unsauberkeit verfeinert den Geschmack wie ein exklusives Gewürz, sagt er). Den Gelegenheitsmalern am Montmartre aus dem Weg gehen (einer von ihnen hat kurz seine Augen skizziert, und das war nicht einmal so schlecht). Meine Unkenntnis beim Anblick von vielen Werken im Centre Pompidou (er besteht darauf, dass es sich um Kunst handelt). Auf der Île Saint-Louis herumrennen wie Kinder. Mit Genuss Buttercroissants im Bett verzehren. Zum Abendessen verschiedene Käsesorten (sie riechen wie alte Socken, wir lachen darüber, dass die am besten schmecken, die am schlimmsten stinken). Nächte mit wenig Schlaf. Die Pflichten des Alltags einfach vergessen. Die Musik von Edith Piaf und Vanessa Paradis. An den Ständen in der Nähe von Notre-Dame einen Kunstdruck für sein karges Zimmer in der Rue d’Alésia aussuchen (ich begreife nicht, warum ihm die Damen in Gewändern des achtzehnten Jahrhunderts nicht gefallen, die so reizend aussehen). Ein endloser Nachmittag bei Shakespeare & Co. (und ich muss ihn bremsen, damit er nicht jedes Buch kauft, das ihm in die Finger kommt). Das Funkeln der Lichter am Eiffelturm. Karussells, die aussehen wie Spielzeug, auf denen aber Kinder sitzen und bald darauf auch ich, mit einem Stab Zuckerwatte in der Hand. Er fühlt sich in dieser Stadt viel wohler als in Rom, so viel ist klar. Das und noch viel mehr ist Paris mit Arthur an diesen eiskalten Novembertagen.
Ich bin in aller Eile aufgebrochen, fast sah es nach Flucht aus. Der Allerhöchste hatte mir ja einige Tage Urlaub zugesagt. Am Sonntag geht es wieder nach Hause, rechtzeitig für den zweiten Anlauf im Entmündigungsverfahren von Konrad Azais und wieder in Begleitung des ach so charmanten Niccolò.
Drei Tage, mal ohne Distanz, gerade so, als ob in unserer Beziehung eine gemeinsame Zukunft nicht mit jedem Tag ferner rücken würde. Doch immer, wenn ich ihn sehe, verfliegt angesichts unserer Leidenschaft und Nähe jeder Zweifel. Die wenigen Minuten am Telefon jeden Abend, die E-Mails, die Sehnsucht, alle Gefühle, die mich am Boden zerstören, sind den Augenblick wert, in dem ich in der anonymen Atmosphäre des Flughafens meinen Kopf müde an seine Schulter lege.