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Peter A. Levine;Maggie Kline: Verwundete Kinderseelen heilen
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Übersetzung aus dem Amerikanischen:
Judith Jahn, BerlPin.
Titel der Originalausgabe:
It Won’t Hurt Forever, Recognizing, Responding To and Preventing Childhood Trauma.
A Guide for Parents, Educators, Medical Personnel and Therapists.
Copyright © 2004 by Peter A. Levine, Ph.D.
Copyright © für die deutsche Ausgabe 2005 Kösel-Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: Kaselow Design, München
Umschlagmotiv: zefa / W. Flamisch
Redaktion: Maja Fink
ISBN 978-3-641-12726-8
V002
www.koesel.de
www.penguinrandomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

Einführung
TEIL I - TRAUMA VERSTEHEN
1 - Eine neue Definition von Trauma
Der Fall Jack
Warum unser Körper nicht vergisst und was uns die Gehirnforschung lehrt
Lektionen aus dem Tierreich
2 - Reichweite des Begriffs Trauma
Weitverbreitete Ursachen für Traumata in der Kindheit
Beispiele aus dem Leben von Kindern
Wie Sie feststellen können, ob Ihr Kind traumatisiert wurde
Ein Mädchen namens Dory
Gewalt in Familie und Öffentlichkeit
Stellvertretende Gewalt – Der Schatten der Medien
Sexuelle Belästigung – Wissenswertes zum Schutz Ihres Kindes
Vorgeburtliches Leben, Säuglinge und Kleinkinder
Wenn die Ursache eines Traumas im Verborgenen bleibt
3 - Anzeichen und Symptome von Trauma bei Kindern
Allgemeine Symptome eines Traumas
Warum treten Symptome auf?
Wenn Symptome als Metaphern ausgedrückt werden
Anzeichen von Traumata bei Kindern
Symptome bei Säuglingen und Kleinkindern
Säuglinge und Kleinkinder verschließen sich nach einer überwältigenden Erfahrung
Eine sichere und nährende Umgebung bereitstellen
Wie äußern Klein- und Vorschulkinder Stress?
Wie kleine Kinder im Spiel Symptome traumatischen »Wieder-Erlebens« äußern
Kevin erzählt im Spiel seine Geschichte
Weitere kindliche Ausdrucksmöglichkeiten
Übererregung als Ausdruck von Trauma-Symptomen
Starke Emotionen: Ausdruck kindlicher Hilflosigkeit
Körperliche Symptome bei kleinen Kindern
Das kleine Mädchen, das nicht essen konnte
Dämpfen der kindlichen Freude
Trauma-Symptome bei Schulkindern
Unterschiede bei den Symptomen von Schulkindern erkennen
Überraschende neue Gefühle
Symptome in der Schule
Bewegungsunfähigkeit, Erstarren, Dissoziation und Hilflosigkeit
Suses Schock
Trauma-Symptome bei Jugendlichen
Übererregung und Dissoziation bei Jugendlichen
Gloria
Dissoziation kann selbst von Ärzten und Psychologen übersehen werden
Elisabeth
Bewegungsfähigkeit, Erstarren, Hilflosigkeit, Dissoziation
Adoleszenz – eine schwierige Entwicklungsstufe
Prüfliste für Trauma-Symptome bei Jugendlichen
Verzögerte traumatische Reaktionen
Die Geschichte von Johnny
Trauma-Symptome nach sexuellem Missbrauch
Trauer als Symptom einer traumatischen Erfahrung
Die Symptome beeinflussen das ganze Kind
Wenn Symptome fortdauern
Sekundäre Trauma-Symptome
Anhäufungen und Muster von sekundären Symptomen
Karas Beinstützapparat
Wenn Dissoziation im Vordergrund steht
»Miss America by Day«
Kontraktion, Erstarren und Bewegungsunfähigkeit
Melissa
Zusammenfassung
TEIL II - KINDHEIT STRAUMATA VERMEIDEN
4 - Emotionale erste Hilfe oder: Wie Sie ein »gutes Pflaster« sein können
Geeignete Unterstützung für ein überwältigtes Kind
Ihre Ruhe ist entscheidend!
Jedem »Auf« folgt ein »Ab«
Entwicklung einer ruhigen Präsenz
Vereinfachte Darstellung des dreifältigen Gehirns
Die Sprache des Reptiliengehirns
Mit den eigenen Empfindungen vertraut werden
Übung: Empfindungen wahrnehmen
Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Kind einen neuen Wortschatz
Legen Sie eine Schatzkiste für Empfindungen an
Pendeln zwischen angenehmen und unangenehmen Empfindungen, Emotionen und Bildern
Übung: Empfindung und Pendelschwung erforschen
Seien Sie ein »gutes Pflaster«
Vermeiden Sie den Fehler, die Bedürfnisse Ihres Kindes zu übergehen
Richtlinien, um einzuschätzen, ob sich ein Kind in einem überwältigten Zustand befindet
Welche Fürsorge braucht ein überwältigtes Kind?
Erste Hilfe zur Prävention von Traumata: Eine Anleitung in acht Schritten
Werben um das Reptiliengehirn
Die Eidechsen-Trickkiste
Übung: Empfindungen in Begleitung eines Partners nachspüren
Es muss nicht für immer wehtun!
Wie Sie erkennen, ob die natürlichen Zyklen der Trauma-Lösung vollendet sind
Die Emotionen Ihres Kindes begleiten
Empfindungen und Emotionen sind nicht dasselbe
Kinder können ihre Emotionen verleugnen
Kinder als Lehrer – lassen Sie sich von ihnen leiten
Das Spiel als Hilfsmittel für traumatisierte Kinder
Die Geschichte von Sammy
Spiele, die retraumatisieren, und solche, die das Trauma heilen
Fünf hilfreiche Prinzipien, um das Spiel von Kindern einer Lösung zuzuführen
Zusammenfassung
5 - Empfindungen, Bilder und Gefühle
Metaphern aus dem Tierreich und Reime als Ressourcen
Die heilende Kraft von Ressourcen
Übung: Äußere und innere Ressourcen
Der Körper als beste Ressource
Verschiedene Empfindungen können Ihrem Kind helfen, gesund zu werden
Reime und Geschichten zur Verhütung und Heilung von Traumata
Die Zauberkraft in mir
Haarige, schaurige Geschichten
Wie schnell kannst du laufen?
Oskar Opossum
Du musst keine Angst haben
Die Wackelpudding-Schüssel
Dinge, die dich erschrecken können
Ein Wort zum Thema Sorgen
Zusammenfassung
TEIL III - LEITFADEN FÜR HÄUFIG AUFTRETENDE SITUATIONEN
6 - Erste Hilfe bei Unfällen und Stürzen
Unfälle und Stürze
Achtsame Wortwahl
Die Bedeutung von Berührung bei der Unterstützung eines Kindes mit Schock
Keine Überraschungen
Die Kraft der Sprache
Übung: Die Heilkraft von Worten erfahren
Emotionale Reaktionen
Ein Mädchen namens Dory
Mit Geschichten arbeiten
Anregungen für spezielle Situationen
Die Arbeit mit Stürzen, wenn noch Trauma-Symptome vorliegen
Die Arbeit mit Autounfällen
Spielzeug und handwerklich-künstlerische Techniken
Die Verwendung von Musik zur Trauma-Heilung
Die Arbeit mit Teenagern
Zusammenfassung
7 - Scheidung, Tod und Trennung
Symptome von Trauer im Unterschied zu Trauma
Eine Scheidung überstehen
Wie Kinder das Trauma einer Scheidung verarbeiten können
Den Schock abpuffern: Was sagen Sie Ihren Kindern?
Lieber, todunglücklicher Joseph
Ein glücklicheres Szenarium für Joseph
Kindliche Entwicklung und Scheidung
Helfen Sie Ihrem Kind zu trauern
Mit dem Tod eines Haustiers umgehen
Allgemein verbreitete Mythen
Schritte, die Kindern bei der Auflösung ihrer Trauer helfen
Emotionale Unterstützung bei Tränen, Ängsten, Ausbrüchen und Verwirrung
Gefühle sind ein natürlicher Teil des Trauerns
Das Leben wird besser werden!
8 - Die Wunde des sexuellen Traumas
Schützen Sie Ihre Kinder
Gibt es Kinder, die verletzlicher sind als andere?
Das doppelte Dilemma von Geheimhaltung und Scham
Was ist ein sexueller Übergriff?
Wie Sie die Gefährdung von Kindern herabsetzen
Kinder müssen wissen, wer dieser »Jemand« sein könnte
Jenny und Onkel Sherman
Ekel: eine wenig diskutierte Emotion
Amys erste Verabredung
Häufig übersehene Auswirkungen von sexuellem Missbrauch vor der Pubertät
Juanitas soziale Isolation
Wie Sie Kindern die Sicherheit geben können, etwas zu erzählen
Vergewaltigung bei einer Verabredung und andere Themen, die Teenager betreffen
Echos in die nächste Generation hinein: Die Hinterlassenschaft transformieren
Gesunde Sexualität
Den Kreislauf des sexuellen Traumas durchbrechen
TEIL IV - TRAUMA UND GESUNDHEITSWESEN
9 - Vorbeugende Maßnahmen für Eltern und Fachkräfte im Gesundheitswesen
Bereiten Sie Ihr Kind auf Operationen und andere medizinische Eingriffe vor
Richtlinien für die Vorbereitung eines Kindes auf eine Operation oder eine andere medizinische Behandlung
Am Tag vor der Operation
Am Tag der Operation
Nach der Operation
Wenn es sich um einen Notfall handelt
Ein Wort zur Notaufnahme
Operationen, bei denen Sie die Wahl haben
Jeff
Sensibler Umgang mit den Schmerzen von Kindern
Einfache Maßnahmen, um die Schmerzen eines Kindes zu erleichtern
Speziell für Jugendliche
10 - Vision einer alternativen und integrativen Medizin für das 21. Jahrhundert
Ausblick auf alternative Perspektiven im Gesundheitswesen
Anregungen zur Verbesserung der Trauma-Vorsorge
Gute Klinikprogramme durch Einführung der Trauma-Intervention stärken
Candis Geschichte
Noch ein positives Beispiel
Zusammenfassung
Anmerkungen
Literatur
Copyright

Anmerkungen

1

FHE = Foundation for Human Enrichment ist ein Zentrum, das sich mit Ausbildungsprogrammen und Projekten für die Vermeidung und Heilung von Traumata einsetzt.

2

Peter A. Levine: Healing Trauma Study Guide. Sounds True, 1999.

3

Peter A. Levine/Ann Frederick: Trauma-Heilung. Synthesis, 1998.

4

Daniel Siegel: Wie wir werden, die wir sind. Junfermann 2005.

5

Corpus amygdaloideum = Mandelkern.

6

Bessel van der Kolk: Traumatic Stress. Junfermann 2000.

7

National Incident-Based Reporting System: Uniform Crime Reporting Program, 1999.

8

Murray A. Straus/Richard Gelles: Physical Violence in American Families. Transaction Publ. 1995. Für Deutschland liegen derzeit leider keine konkreten Zahlen vor.

9

Carla Garrity u. a.: Bully-Proofing your School. Sopris West 1994. Laut einer Umfrage des Weißen Rings kann man davon ausgehen, dass in Deutschland rund ein Drittel aller Schulen stark gewaltbelastet sind, Tendenz steigend. »Gewalt in der Schule«, Mainzer Schriften Band 10, 1997.

10

Sue Smith-Heavenrich, in: Mothering Magazine, Mai/Juni 2001.

11

Marilyn Van Derbur: Miss America by Day. Oak Hill Ridge Pr., 2003.

12

Vernon Wiehe: Sibling Abuse. Sage Publications, 1997, S. 59.

13

Robin Karr-Morse/Meredith S. Wiley: Ghosts from the Nursery.Tracing the Roots of Violence. Atlantic Monthly Press 1999.

14

Hippokampus = Vorwölbung im Unterhorn des Seitenventrikels, Teil des limbischen Systems im Gehirn.

15

Ausschnitt aus einem Bericht über einen Jungen, der in Columbia entführt worden war, geschrieben von Christian Miller für die L.A. Times, 31.12.2003.

16

Lenore Terr: Too Scared to Cry. Basic Books, 1990.

17

Dean Kilpatrick: Journal of Consulting and Clinical Psychology, August 2003.

18

In den USA gibt es das sog. Homeland Security Advisory System. Es besteht aus fünf Warnstufen, die verschiedenen Farben zugeordnet werden: die niedrigste Stufe = grün, gefolgt von blau, gelb, orange und schließlich, für die größte Gefahr, rot.

19

Vergleiche Antonio Damasios Buch Ich fühle, also bin ich.

20

Kontakt zu der Firma Remo erhalten Sie über die Website www.remo.com. Remo, Inc. gibt es in Amerika und in Europa (London).

21

Oxygen Media, 2001. Nach unserer klinischen Erfahrung halten diese körperlichen Symptome – obwohl sie abgewandelt oder »abgestuft« auftreten – viel länger an. Das gilt vor allem für Kinder, da sie keinerlei Kontrolle über die Scheidungsursache haben und machtlos sind.

22

Das Child Sexual Abuse Prevention Project ist ein Präventionsprogramm, das in Minneapolis, Minnesota in Schulen angeboten wird.

23

Vernon R.Wiehe: Sibling Abuse. Sage Publication, 1997.

24

J.v. Becker/E.M. Coleman: Handbook of Family Violence. New York, 1988.

25

W. Holmes/G. Slap: Journal of the American Medical Association, 1998.

26

Leigh Baker: Protecting Your Children, in: Marilyn Van Derbur: Miss America by Day.

27

Studien von Bessel van der Kolk und Judith Herman, zitiert bei der Cape Cod Conference on Trauma mit Bessel van der Kolk und Peter Levine im Juli 2001.

28

American Medical Association: Strategien für die Behandlung und Vermeidung von sexuellem Missbrauch. Chicago 1995.

29

Oprah Winfrey, Moderatorin einer bekannten Talkshow, in ihrer Sendung am 7. Mai 2002.

30

Ted Kaczynski, auch der »Unabomber« genannt, kündigte 1969 seine Anstellung als Mathematikprofessor in Berkeley und zog sich in eine kleine Hütte in die Wälder Montanas zurück. Von dort aus plante er Anschläge gegen Personen aus Wissenschaft, Kunst, Militär und Computertechnologie. Siebzehn Jahre lang versetzte er die USA mit selbstgebastelten Sprengkörpern in Angst und Schrecken, bevor man ihn mit Hilfe seines Bruders in seiner Hütte verhaftete. Er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt.

31

Soothing the Littlest Patients. In: U.S. News & World Report, 6.12.2000.

32

U. S. News & World Report, 6.12.2000.

33

Unter www.ChildLife.org können Sie mehr darüber erfahren, wie solche Programme aussehen könnten.

Literatur

Adams, Caren/Fay, Jennifer: Ohne falsche Scham. Rowohlt 1989

Acosta, Judith/Prager, Judith: The Worst is Over ... What to Say When Every Moment Counts. Jodere, 2002

Alberti, Bettina: Die Seele fühlt von Anfang an. Wie pränatale Erfahrungen unsere Beziehungsfähigkeit prägen. Kösel, 2005

Baum, Heike: Ist Oma jetzt im Himmel? Vom Umgang mit Tod und Traurigkeit. Kösel, 2002

Brown, Laurene Krasny/Brown, Marc: Scheidung auf dinosaurisch. Carlsen, vergriffen (Englische Ausgabe: Dinosaurs’ Divorce. Little Brown, 1988)

Damasio, Antonio: Descartes’ Irrtum. Fühlen, denken und das menschliche Gehirn. List, 2004

Damasio, Antonio: Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins. List, 2002

Duenwald, Mary: »Two Portraits of Children of Divorce: Rosy and Dark.« The New York Times, March 26, 2002

Ennulat, Gertrud: Kinder trauern anders. Wie wir sie einfühlsam und richtig begleiten. Herder, 2003

Gardner, Richard: The Boys and Girls Book About Divorce. Bantam, 1985

Gotzen-Beek, Betina/Scheffler, Ursel: Von Papa lass ich mich nicht scheiden. Eine Vorlesegeschichte über Getrenntsein und Zusammengehören. Ravensburger, 2002

Hannibal, Mary Ellen/Gyemant, Judge Ina: Good Parenting Through Your Divorce. Marlowe & Company 2002

Hetherington, Mavis/Kelly, John: For Better or Worse ... Divorce Reconsidered. Norton & Co., 2003

James, John W./Friedman, Russell: When Children Grieve. For Adults to Help Children Deal with Death, Divorce, Pet Loss, Moving, and Other Losses. Perennial, 2002

Karr-Morse, Robin/Wiley, Meredith S.: Ghosts from the Nursery: Tracing the Roots of Violence. Atlantic Monthly Press 1999

van der Kolk, Bessel A.: Psychological Trauma. American Psychiatric Publishing Inc., 1987

van der Kolk, Bessel A. et. al.: Traumatic Stress: Grundlagen und Behandlungsansätze. Junfermann, 2000

Lansky, Vicky/Prince, Jane: It’s Not Your Fault, Koko Bear. Book Peddlers, 1998

Largo, Remo/Czernin, Monika: Glückliche Scheidungskinder. Trennungen und wie Kinder damit fertig werden. Piper, 2003

LeDoux, Joseph: Das Netz der Gefühle: Wie Emotionen entstehen. Dtv, 2001

Levine, Peter A./Frederick, Ann: Trauma-Heilung. Das Erwachen des Tigers. Unsere Fähigkeit, traumatische Erfahrungen zu transformieren. Synthesis, 1998

Maar, Nele/Ballhaus,Verena: Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße. Pro Juventute, 1998

Miller, Susan B./Muller, Rene J.: Disgust:The Gatekeeper Emotion. Analytic Press, 2004.

Nöstlinger, Christine: Sowieso und überhaupt. Beltz, 2000

Ricci, Isolina: Mutters Haus – Vaters Haus. Wenn Eltern sich scheiden lassen: Wie Kinder dennoch glücklich bleiben. Oesch, 1997

Schins, Marie-Thérèse: Und wenn ich falle? Vom Mut, traurig zu sein. Dtv, 2001

Schöberl, Elisabeth: Meine Eltern trennen sich. Der Ratgeber für Jugendliche. Ueberreuter, 2004

Spangenberg, Brigitte: Märchen helfen Scheidungskindern. Wie Kinder die Trennung ihrer Eltern besser akzeptieren. Herder, 2002

Siegel, Daniel: Wie wir werden, die wir sind. Junfermann 2005

Steele, William/Raider, Melvyn: Structured Sensory Intervention for Traumatized Children, Adolescents and Parents: Strategies to Alleviate Trauma (Mellen Studies in Social Work,Vol. 1). Edwin Mellen Press, 2002

Straus, Murray A. /Steinmetz, Suzanne K.: Violence in the Family. Harper Row, 1974

Terr, Lenore: Too Scared to Cry: Psychic Trauma in Childhood. BasicBooks, 1990

Thomas, Shirley: Parents Are Forever. A Step-By-Step Guide to Becoming Successful Coparents after Divorce. Springboard Publications, 2004

Van Derbur, Marilyn: Miss America by Day: Lessons Learned from Ultimate Betrayals and Unconditional Love. Oak Hill Ridge Pr., 2003

Wallerstein, Judith S. et.al.: The Unexpected Legacy of Divorce: A 25-Year Landmark Study. Hyperion, 2001

Wiehe,Vernon R.: Sibling Abuse: Hidden Physical, Emotional, and Sexual Trauma. Sage Publications, 1997

Zand, Janet/Walton, Rachel/Rountree, Bob: A Parent’s Guide to Medical Emergencies : First Aid for Your Child. Avery Publ., 1996

1

Eine neue Definition von Trauma

»Das kämpferische und territoriale Schutzverhalten des Reptils,
das Brutpflegeverhalten und die familiäre Orientierung
des frühen Säugetiers, das symbolische und sprachliche Vermögen
des Neokortex werden unsere Verdammung verschärfen oder
unserer Erlösung Aufschwung verleihen.«

 

JEAN HOUSTON

 

 

Was bedeutet Trauma? Wo auch immer wir derzeit hinblicken, scheint plötzlich das Wort »Trauma« aufzutauchen. Überschriften wie »Auflösung von Trauma« und »Folgen von Missbrauch« erscheinen sowohl in den Schlagzeilen von Illustrierten als auch in Fachzeitschriften. Beliebte Fernsehserien wie Oprah Winfrey versuchen Millionen von Zuschauern verständlich zu machen, dass ein Trauma auf Körper, Geist und Seele wie eine Fessel wirkt. Endlich wird allgemein bekannt, welch einen verheerenden Einfluss ein Trauma auf das emotionale und körperliche Wohlbefinden von Kindern sowie auf die Entwicklung ihrer kognitiven Fähigkeiten und ihres Verhaltens haben kann.

Für Menschen, die beruflich mit dem Thema zu tun haben, stehen zahlreiche Foren zur Verfügung, die sich vorrangig mit Statistiken über den Einfluss von Traumata auf unsere Jugend befassen. Außerdem gab es viele Seminare darüber, wie man mit den Folgen der Katastrophe vom 11. September 2001 fertig werden kann. Trotz dieser Informationsflut und der Fülle der gegenwärtigen Forschungsaktivität über das traumatisierte Gehirn ist nur sehr wenig darüber geschrieben worden, wie alltäglich die Ursachen eines Traumas sind und wie Traumata ohne medikamentöse Behandlung verhindert und geheilt werden können. Glücklicherweise sind Sie – die Eltern, Erzieher und andere Menschen, die berufsmäßig für Kinder da sind – in einer Position, in der Sie die gefährlichen Auswirkungen eines Traumas verhüten und das Beste für die in Ihrer Obhut Stehenden tun können. »Trauma ist möglicherweise die am meisten angefochtene, ignorierte, verharmloste, verleugnete, missverstandene und nicht behandelte Ursache für menschliches Leiden.«2

Sowohl in unserer unmittelbaren Nähe als auch an entfernteren Orten auf der Welt nehmen beunruhigende Ereignisse mit der Geschwindigkeit eines anfahrenden Zuges zu. Eltern, Erzieher, medizinisches Personal und Therapeuten können es sich nicht leisten, noch weitere kostbare Zeit verstreichen zu lassen, ehe sie lernen, wie ein Trauma am besten verhütet werden kann. Ganz wesentlich ist es auch, die natürliche Widerstandskraft jener wachsenden Anzahl von Kindern anzuerkennen und wiederherzustellen, die sich bereits im Griff eines Traumas befinden. In dem vorliegenden Kapitel schließen wir diese Informationslücke, indem wir einen genaueren Blick auf das Trauma werfen und dabei Mythos und Realität untersuchen.

 

Das Trauma befindet sich im Nervensystem – nicht im Ereignis!

 

Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Trauma-Symptome die Folge eines äußeren Ereignisses sind und mit der Art und Ungeheuerlichkeit desselben übereinstimmen. Natürlich ist das Ausmaß der Belastung ein wichtiger Faktor, aber er definiert ein Trauma nicht. Denn »das Trauma liegt nicht im Ereignis; es ist vielmehr so, dass sich das Trauma im Nervensystem befindet«.3 Die Grundlage eines Traumas ist in erster Linie physiologischer und nicht so sehr psychologischer Natur. Weil wir keine Zeit zum Nachdenken haben, wenn wir einer Bedrohung gegenüberstehen, erfolgen unsere primären Reaktionen instinktiv. Die Hauptfunktion unseres Gehirns besteht darin zu überleben! Dafür sind wir ausgerüstet. Einer traumatischen Reaktion liegt ein 280 Millionen Jahre altes Erbe zugrunde, ein Erbe, das sich in jenen ältesten und tiefsten Strukturen unseres Gehirns befindet, die wir Reptiliengehirn nennen. Wenn diese primitiven Teile des Gehirns eine Gefahr wahrnehmen, aktivieren sie automatisch eine außergewöhnliche Menge an Energie – wie beispielsweise den Adrenalinstoß, der es einer Mutter ermöglicht, das Auto anzuheben und zu bewegen, unter das ihr Kind geraten ist. Dieser wiederum ruft starkes Herzklopfen hervor, begleitet von mehr als zwanzig weiteren physiologischen Reaktionen, die uns darauf vorbereiten, uns selbst und die Menschen, die wir lieben, zu verteidigen und zu schützen. Während dieses rapiden, unwillkürlichen Umschaltens zieht sich gleichzeitig der Blutstrom aus den Verdauungsorganen und der Haut zurück und fließt in die große motorische Fluchtmuskulatur. Die Atmung wird schneller und flacher, die normale Speichelproduktion geht zurück. Die Pupillen weiten sich, damit die Augen mehr Informationen aufnehmen können. Die Blutgerinnung nimmt zu, während das verbale Ausdrucksvermögen abnimmt. Die Muskelfasern sind stark erregt, häufig bis zum Zittern. Für einen Menschen, der nicht versteht, was gerade in seinem Körper geschieht, können diese Reaktionen, die ihm einen physischen Vorteil verschaffen sollen, unangenehm und geradezu erschreckend sein. Das gilt vor allem dann, wenn die Person aufgrund ihrer Körpergröße, ihres Alters oder anderer Verletzlichkeiten nicht in der Lage ist, sich zu bewegen, oder wenn dies von Nachteil für sie wäre. Ein Säugling oder Kleinkind beispielsweise kann nicht weglaufen. Ein älteres Kind hingegen oder ein Erwachsener, die normalerweise entkommen könnten, sind vielleicht gezwungen, völlig still zu halten, wie bei einer Operation oder einem Raubüberfall. Es gibt keine bewusste Wahlmöglichkeit. Unsere biologische Programmierung sieht vor, dass wir erstarren (einfrieren), wenn Flucht oder Kampf entweder unmöglich sind oder als unmöglich wahrgenommen werden.

Wir müssen verstehen, dass der Körper bei einer Erstarrungsreaktion zwar inaktiv wirkt, dass jedoch die physiologischen Mechanismen, die den Körper auf die Flucht vorbereiten, noch voll aufgeladen sind. Wenn jemand einen Schock erleidet, ist seine Haut blass und seine Augen wirken leer. Das Zeitgefühl ist verzerrt. Paradoxerweise wird der sensorisch-motorisch-neuronale Ablaufplan, der zum Zeitpunkt der Bedrohung in Bewegung gesetzt wurde, angehalten. Weil die Muskeln sich nicht bewegen lassen, entsteht eine Situation der Hilflosigkeit; darunter jedoch befindet sich eine enorme Lebensenergie, die »darauf lauert«, das Begonnene zu Ende zu bringen.

Wie wirken sich diese Energieausschüttung und die zahlreichen physiologischen Veränderungen langfristig auf uns aus? Die Antwort auf diese Frage ist für das Verständnis von Trauma wichtig und hängt davon ab, was während und nach dem überwältigenden Ereignis geschieht. Für die Vermeidung einer Traumatisierung ist es entscheidend, dass der gesamte Energieüberschuss beim Bewältigen der Bedrohung aufgebraucht wird. Energie, die nicht vollständig entladen wurde, verschwindet nicht einfach; sie bleibt im Körper eingeschlossen und schafft das Potential für traumatische Symptome.

Bei einem Kind gilt: Je jünger es ist, desto weniger Ressourcen stehen ihm zur Verfügung, um sich selbst zu schützen, was eine größere Menge nicht abgebauter Energie zur Folge hat. Ein Vorschul- oder Grundschulkind beispielsweise ist nicht in der Lage, vor einem bissigen Hund zu fliehen oder ihn abzuwehren; Kleinkinder können sich noch nicht einmal selbst warm halten. Aus diesen Gründen ist der Schutz durch respektvolle Erwachsene, die die kindlichen Bedürfnisse nach Sicherheit, Wärme und Ruhe wahrnehmen und ihnen nachkommen, von größter Wichtigkeit. Darüber hinaus können Erwachsene häufig mit Hilfe eines Stofftieres, einer Puppe, eines Engels oder einer Fantasiefigur, das heißt mit einer Art Ersatzfreund, für Trost und Sicherheit sorgen. Ressourcen wie diese mögen einem Erwachsenen unbedeutend erscheinen, für ein kleines Kind jedoch können sie ein lebenswichtiges Hilfsmittel sein, um eine Überwältigung zu verhindern.

Erwachsene, die diese Art von sicherer Beziehung erfahren haben, wenn sie als Kinder Angst hatten, werden die voranstehenden Informationen als etwas bezeichnen, das dem »gesunden Menschenverstand« entspringt, und auch davon ausgehen, dass die Bedürfnisse von Kindern im Allgemeinen beachtet und erfüllt werden. Historisch gesehen wurden die Bedürfnisse von Kindern jedoch schändlich vernachlässigt, wenn nicht sogar gänzlich außer Acht gelassen. Der Entwicklungspsychiater Daniel Siegel, Autor des gefeierten Buchs Wie wir werden, wie wir sind4 legt eine Synthese der neurobiologischen Forschung vor, in der er unterstreicht, dass gerade die Sicherheit und der Halt durch Erwachsene für Säuglinge und Kinder von entscheidender Bedeutung sind. Das frühkindliche Gehirn entwickelt seine Intelligenz, seine emotionale Widerstandskraft und die Fähigkeit zur Selbstregulierung in einem ausgefeilten anatomischen Gestaltungsprozess, der in direktem Zusammenhang mit dem Geschehen steht, das im Moment der Begegnung stattfindet. Bei einem traumatischen Ereignis wird die Einprägung der neurologischen Muster dramatisch verstärkt. Deshalb leisten Erwachsene zugleich einen entscheidenden Beitrag für eine gesunde Gehirn- und Verhaltensentwicklung ihrer Kinder, wenn sie die einfachen Werkzeuge für emotionale Erste Hilfe, die in diesem Buch vermittelt werden, erlernen und anwenden.

Die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen traumatischen Reaktion ist direkt proportional zu der Energiemenge, die eine Person für Kampf oder Flucht mobilisiert, jedoch zu Schutz oder Verteidigung ihres Lebens nicht einsetzen kann. Wenn wir von diesem Grundgedanken ausgehen, wird klar, wie anfällig Kinder für die Auswirkungen von Traumata sind. Den Mythos, dass Säuglinge und Kleinkinder »zu jung sind, um betroffen zu sein« oder »dass es nichts ausmacht, weil sie zu klein sind, um sich zu erinnern«, können wir zu Grabe tragen. Was bisher nicht klar gesehen wurde, wird offensichtlich und wichtig, wenn wir begreifen, dass Neugeborene, Säuglinge und sehr kleine Kinder unter den Auswirkungen eines Traumas am meisten leiden, weil sie ihre motorischen Fähigkeiten noch nicht entwickelt haben. Deswegen sind sie vollkommen abhängig von uns. Diese Verletzlichkeit gilt auch für ältere Kinder, deren Beweglichkeit durch permanente oder zeitweilige Behinderung eingeschränkt ist, so zum Beispiel, wenn sie infolge einer orthopädischen Verletzung oder Korrektur eine Schiene, einen Stützapparat oder einen Gips tragen müssen. Betrachten wir ein reales Beispiel:

Der Fall Jack

Jack, ein elf Jahre alter Pfadfinder und Einserschüler, entwickelte kurz nach einem kleinen Erdbeben – für kalifornische Verhältnisse war es eine winzige Erschütterung – eine Schulphobie. Seine Eltern brachten das Erdbeben und die Phobie nicht miteinander in Verbindung und fanden die Symptome eher mysteriös. Die extreme Schulangst stellte auch Jack vor ein Rätsel. Während der ersten Sitzung berichtete er, dass er sich kürzlich einer Rückenoperation hatte unterziehen müssen und dankbar dafür sei, von den Schmerzen befreit zu sein. Er brannte darauf, in die Schule zurückzukehren, weil er dort viele Freunde habe. Er könne jedoch buchstäblich nicht aus dem Bett aufstehen, weil die »Schmetterlinge in seinem Bauch« so heftig seien, dass sie eine Panik-Reaktion auslösten. Während der ersten drei Sitzungen arbeiteten wir mit den »Schmetterlingen«, indem wir uns auf seine Empfindungen konzentrierten und Bilder malten, was eine erstaunliche Geschichte zum Vorschein brachte: Ein erschreckendes Bild tauchte in ihm auf, weil sein Bücherschrank während des Bebens zu zittern begonnen hatte. Was aber, da der Schrank ja nicht umfiel, ließ dieses Erlebnis für Jack so traumatisch werden, dass es ihn von seinen Freunden in der Schule abhalten konnte? In unserer weiteren Zusammenarbeit wurde dies deutlich, wie Sie sehen werden.

Als Jack das Beben zu spüren begann, konnte er das Ausmaß der Gefahr nicht voraussehen; das Einzige, was in seinem Reptiliengehirn registriert wurde, war die »rote Flagge« der Gefahr. Sein Nervensystem antwortete auf die wahrgenommene Bedrohung mit voller Alarmbereitschaft und er fühlte auch dann noch Panik, als das »kleine Schütteln« längst vorüber war. Die Heftigkeit seiner Reaktion wird verständlich, wenn wir erfahren, dass Jack als kleines Kind nach einer vorangegangenen Rückenoperation mehrere Wochen lang einen Körpergips tragen musste. Durch den Eingriff verängstigt und bewegungsunfähig gemacht, war er zu kraftlos, um auf Gefahren zu reagieren, die er überall lauern sah, wie dies bei kleinen Kindern nach einem furchterregenden Erlebnis häufig der Fall ist. Er konnte seinem normalen Fluchtimpuls nicht folgen. Im Fall von Jack verhinderte die harte Begrenzung durch den Gips, dass er sich bewegen konnte. Wenn das Gehirn einen sensorisch-motorischen Impuls in Gang setzt, die Gliedmaßen sich aber nicht bewegen lassen (oder wenn die Bewegung selbst zu gefährlich wäre wie bei einer körperlichen Quälerei oder einem schmerzhaften medizinischen Eingriff), können unterschiedliche Szenarien eintreten. Das Unbehagen kann als Reizbarkeit, Angst, »Schmetterlinge«, Taubheitsgefühl etc. empfunden werden. Kann der Körper die überwältigenden Gefühle nicht länger ertragen, so verfällt er in eine angsterfüllte Resignation (erlernte Hilflosigkeit) – wie Tiere es tun, wenn sie sich in einer Situation befinden, aus der es kein Entrinnen gibt. Als Jack älter wurde, schien die Erfahrung, die in seiner frühen Kindheit so schrecklich gewesen war, längst »vergessen«.

Das Problem ist, dass manche Lebenserfahrungen zwar unserer bewussten Erinnerung entzogen sein mögen, unser Körper jedoch nichts vergisst. Es gibt einen physiologischen Imperativ, die aktivierten, aber unvollständig gebliebenen sensorisch-motorischen Impulse zu vollenden, bevor der Körper wieder in der Lage ist, in einen Zustand entspannter Wachsamkeit zurückzukehren. Deshalb blieb die nicht entladene Energie und die neurologische »Prägung« des Eingeschränktseins auch nach der Beseitigung des Gipses in Jacks Nervensystem erhalten.

Warum unser Körper nicht vergisst und was uns die Gehirnforschung lehrt

Woran liegt es, dass wir von dem Schrecklichen, das wir erlebt haben, nicht frei werden, selbst wenn die Bedrohung vorüber ist und wir gelernt haben, mit dem zu leben, was uns widerfahren ist? Warum leiden wir im Gegensatz zu unseren tierischen Freunden unter quälender Angst – zum Teil mit lebhaften Erinnerungen verbunden – die uns für immer verändert?

Antonio Damasio, Autor von Descartes’ Irrtum und Ich fühle, also bin ich entdeckte, dass Emotionen buchstäblich einer anatomischen Planzeichnung im Gehirn folgen, die für das Überleben notwendig ist. Das bedeutet, dass die Emotion »Angst« einen sehr spezifischen neuronalen Schaltkreis im Gehirn eingeätzt hat, der eine »Landkarte« von genau festgelegten physikalischen, körperlichen Empfindungen aus verschiedenen Teilen des Körpers darstellt. Wenn wir etwas sehen, hören, schmecken, tasten oder fühlen, das uns an die ursprüngliche Bedrohung erinnert, hilft die Erfahrung der Angst dem Körper, einen »Flucht- oder Erstarrungsplan« zu erstellen, damit wir uns schnell aus der Gefahr entfernen. Der Auslöser erzeugt nicht nur eine Erinnerung (tatsächlich gibt es vielfach keine bewusste Erinnerung an die ursprüngliche Bedrohung), sondern vielmehr eine echte physikalische Reaktion. Die Herzfrequenz steigt rapide an, Schweiß wird produziert und es entsteht ein Gefühl der Qual, weil der Körper ganz und gar so anspringt, als würde die Bedrohung noch bestehen. Die heftige Emotion des ursprünglichen Ereignisses hinterlässt deshalb einen so starken Eindruck, weil sie uns eine Lektion in Sachen Überleben erteilen will. Das ist alles schön und gut angesichts der nächsten Gefahr.Warum aber kommt es bei dieser Reaktion zu einer schlechten Anpassung und warum tritt sie auch dann auf, wenn keine eindeutige und gegenwärtige Gefahr vorhanden ist? Schauen wir wieder auf die Forschung.

Bessel van der Kolk von der Universität Boston hat die Angstreaktion mithilfe der NMR (Kernspinresonanz-Tomographie) untersucht. Eine kleine, mandelförmige Struktur im Mittelhirn, Amygdala5 genannt, ist dafür verantwortlich, eine schnelle Reaktion zu aktivieren, wenn eine Gefahr wahrgenommen wird. Sie reagiert hochsensibel auf optische Eindrücke und Geräusche und zieht viele Bereiche des Gehirns heran, um mit der Situation fertig zu werden. Joseph LeDoux von der Universität New York, Autor des Buches Das Netz der Gefühle: Wie Emotionen entstehen vergleicht sie mit einem Frühwarnsystem, das den Körper in Alarmbereitschaft versetzt und ihn auf die Gefahr vorbereitet. Aus diesem Grund fangen die Muskeln an, Spannung aufzubauen, und es werden Hormone ausgeschüttet, die dafür bestimmt sind, unser Überleben zu sichern. Das denkende und schlussfolgernde Frontalhirn trifft schließlich die Entscheidung, ob der kläffende Hund freundlich oder feindlich gesinnt ist, ob der Schatten ein Verfolger oder ein freundlicher Fremder ist und ob es sich bei dem Gegenstand auf dem Weg vor uns um eine Schlange oder um einen Stecken handelt. Wenn der Hund sich als freundlich herausstellt, beruhigt die Botschaft, die das Frontalhirn an die Amygdala übermittelt, die Angstreaktion.

Bei einem traumatisierten Menschen ist das Frontalhirn unglücklicherweise nicht in der Lage, diese herabzusetzen. Mit einem »kortikalen Bypass« können wir die Angst nicht wegdiskutieren. Möglicherweise kommt es dazu, dass wir sie an anderen auslassen, an überwältigenden Gefühlen leiden oder die Angst ganz ausblenden. Oder, wie Bessel van der Kolk es formuliert: »Bei der PTSD (post-traumatic stress disorder = posttraumatische Belastungsstörung) befindet sich der Kortex in der Geiselhaft einer launischen Amygdala. Das Denken wird von den Gefühlen überfallen. Menschen mit PTSD sind sehr sensitiv darauf eingestimmt, selbst auf minimale Reize so zu reagieren, als ob ihr Leben in Gefahr sei.«6

 

Gehen wir noch einmal zurück zur Geschichte von Jack.

Die vorangegangene wissenschaftliche Erklärung verdeutlicht, wie ein kleines Erdbeben noch nach Jahren in Jack Empfindungen der Hilflosigkeit auslösen konnte, die sein Körperbewusstsein gespeichert hatte. Der Körper antwortete auf die momentane Gefahr, als würde er immer noch von einem Gips gefangen gehalten. Ausgeliefert an eine übermäßig sensitive Amygdala, setzte der zusätzliche Adrenalinstoß Kaskaden von Reaktionen frei, die ebenso überwältigend waren wie die ursprünglichen Gefühle des Schreckens. Die Unruhe, die Jack davon abhielt, in die Welt hinauszugehen, ergab oberflächlich betrachtet keinen Sinn. Es war das »alte« Ereignis von damals, als er außerstande gewesen war, sich selbst zu schützen, das die Empfindungen erneut aktivierte. Sie waren in sein »Körpergedächtnis« eingeätzt und unterminierten sein Selbstvertrauen. Da er nicht in der Lage war, den Grund für seine lähmenden Empfindungen zu verstehen, geriet Jack in Panik. Was aussah wie eine Schulphobie war in Wirklichkeit die Angst vor den beunruhigenden Gefühlen, die durch eine Flut von erneut ausgeschütteten Stresshormonen verursacht wurden. Dazu kam sein Verlust an Vertrauen in seine körperlichen Reaktionen (der sich ihm während des ursprünglichen Ereignisses eingeprägt hatte). Als Jack lernte, seine beängstigenden Gefühle Schritt für Schritt anzunehmen, stellte sein Körper glücklicherweise die Verbindung zur Vergangenheit her und entlud die lähmenden Empfindungen in seinen Beinen durch Zittern. Wunderbarerweise spürte Jack, dass seine Beine laufen wollten, so schnell sie ihn nur trugen! Genau darauf war sein sensorisch-motorisches System zum Zeitpunkt seiner ersten Operation »programmiert« gewesen, konnte dies jedoch nicht umsetzen.

Lektionen aus dem Tierreich

Woran liegt es, dass ungezähmte Beutetiere selten traumatisiert werden? Obwohl Tiere in ihrer natürlichen Umgebung keine Erfahrungen mit operativen Eingriffen und Bewegungseinschränkung machen, wie es bei Jack der Fall war, gehört Bedrohung zu ihrem normalen Leben – häufig mehrere Male am Tag. Dennoch werden sie selten traumatisiert, wenn sie in freier Wildbahn leben. Ethologische Forschungen (die Beobachtung von wilden Tieren in ihrer natürlichen Umgebung) führten zu der Entdeckung, dass Tiere die angeborene Fähigkeit besitzen, sich von ständig neuen Bedrohungen zu regenerieren. Sie schütteln die zurückgebliebene Energie buchstäblich ab, indem sie zittern, schnelle Augenbewegungen durchführen, am ganzen Körper beben, keuchend atmen und Bewegungen vervollständigen. Während der Körper zu seinem Gleichgewicht zurückkehrt, lässt sich beobachten, dass das Tier tiefe, spontane Atemzüge »nimmt«. Bei genauem Hinsehen lässt sich sogar erkennen, dass die Atemzüge dem Tier aus der Tiefe seines unwillkürlichen autonomen Nervensystems eingeflößt werden. All dies gehört zu einem normalen Mechanismus, den wir Homöostase nennen. Die gute Nachricht lautet, dass wir diesen Mechanismus mit unseren Freunden aus dem Tierreich teilen.

Wie kann es also sein, dass Menschen an Trauma-Symptomen leiden? Es gibt mehrere Antworten auf diese entscheidende Frage. Erstens sind wir komplexer gestaltet als andere Geschöpfe. Wir sind mit einem hervorragenden, rationalen Gehirn ausgestattet, mit dem wir, einfach ausgedrückt, zu viel denken. Denken ist allzu oft gepaart mit Beurteilung. Tiere haben keine Worte, um ihre Gefühle und Empfindungen zu bewerten. Es gibt bei ihnen keine innerlichen Schuldtrips, keine Beschämungs- oder Beschuldigungsspiele. Das Endergebnis sieht so aus, dass sie nicht wie Menschen den Prozess hemmen. Außerdem sind wir im Alltag mit diesen starken Körperreaktionen, die für Tiere selbstverständlich sind, nicht vertraut. Solange wir keine Kenntnis davon haben, dass es sich dabei um etwas Normales handelt und wir diese unwillkürlichen Reaktionen lenken können, anstatt sie zu hemmen, bleiben sie für Kinder (und Erwachsene) ebenso erschreckend wie das ursprüngliche Ereignis, das sie hervorrief. Glücklicherweise wird Ihnen dieses Buch zeigen, wie Sie Kindern helfen können, wieder zu fühlen und sich ohne übermäßigen Stress durch Empfindungen hindurchzubewegen ... gerade so, wie Tiere es tun! Im zweiten Abschnitt des Buches geben wir Ihnen konkrete Anweisungen, wie Sie Kinder wie Jack mit Hilfe einfacher Gedichte, die auf Tiervergleichen beruhen, unterstützen können. Da Tiere urteilsfrei und instinktiv handeln, können sie kraftvolle Ressourcen darstellen, die Kindern dabei helfen, sich mit ihrem angeborenen Selbstheilungsprozess zu verbinden, ohne dass sie von beschämender Selbstverurteilung gehindert werden, die so typisch menschlich zu sein scheint.