Von der Pleite zum Superfund! Unter diesem Motto könnte der Grabhügel von Seddin stehen, der im späten 19. Jh. aus wirtschaftlichen Gründen von den damaligen Eigentümern ausgebeutet werden sollte. In der Gegend gab es neben dem „Königsgrab“ zahlreiche andere Grabhügel, die durchweg im 19. Jh. abgetragen wurden, da man das Steinmaterial der Grabkammern (Findlinge) und anderes Geröllmaterial aus den Hügeln gut für den Straßenbau verwenden konnte.
Brandenburg • Berlin
Wer heute das „Königsgrab“ von Seddin, wie es in der Literatur immer noch genannt wird, besuchen will, muss sich zunächst an der Ortsangabe Groß Pankow, Ortsteil Wolfshagen, orientieren. Schon vor langer Zeit war Seddin dem Ort Wolfshagen zugeschlagen worden. Die Grabanlage findet sich etwa 2 km südwestlich des Ortskerns von Seddin und ist über die K 7017 zu erreichen, von der man rechts abbiegt.
Ein Hügel, der einen Durchmesser von etwa 90 m und eine Höhe von 11 m aufwies und ein Volumen von rund 30.000 m³ – das entspricht etwa dem Fassungsvermögen von 100 Transportcontainern – besaß, zeichnete sich im 19. Jh. noch deutlich im Gelände ab. Im Jahr 1888 erweckte er das Interesse des Grundeigentümers, der, so heißt es, große wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. In der lokalen Überlieferung wurde der Hügel mit der Grablege eines Riesen in Verbindung gebracht, der in einem goldenen Sarg beigesetzt sei. Schatzsuche war also das Motiv und von einer wissenschaftlichen Ausgrabung konnte daher auch keine Rede sein. (Abb. 6)
Abb. 6
Seddin, Königsgrab. Zeichnerische Rekonstruktion (Schnitt durch den Grabhügel und Grundriss der Grabkammer).
Nachdem der Besitz seinen Eigentümer gewechselt hatte, sollte die wirtschaftliche Ausbeutung weitergehen, nun aber mit realistischen Plänen: Statt nach Gold zu suchen, ging es nun um die Gewinnung von Steinmaterial aus dem Hügel. Im Herbst 1899 stieß man bei der Steingewinnung in der Mitte des Hügels auf einen Steineinbau, bei dem es sich nur um eine Grabkammer handeln konnte. Diese Kammer, deren Höhe und Durchmesser später mit 2 m angegeben wurde, besteht in seinem Grundriss aus einem Neuneck aus aufrecht stehenden Steinblöcken; die Abdeckung ist ein falsches Gewölbe, d. h. Steinplatten wurden so übereinander gelegt, dass die jeweils folgende ein kleines Stück vorsprang. Die Steinblöcke wiesen einen Lehmverputz auf, der wohl bemalt war.
Im ersten Moment gewann offenbar der Schatzsucherinstinkt die Oberhand. Ohne fachliche Anleitung und ohne Dokumentation wurde die Kammer geöffnet und die wertvollen Funde geborgen. Entweder hatte man die Befürchtung, der Wert des Ausgegrabenen könne durch Gerüchte an die zuständigen Behörden gelangen, oder der Finder war zur Einsicht gekommen, was er auf seinem Grund gefunden habe, müsse doch gemeldet werden.
Die Funde wurden nun von Seiten des Staates gesichert und zunächst in das Märkische Provinzialmuseum nach Berlin gebracht. Nach 1945 gelangten die Funde, soweit sie die Wirren des Zweiten Weltkrieges überstanden hatten, in das Museum für Vor- und Frühgeschichte zu Berlin. Mit der Einrichtung des Brandenburgischen Landesmuseums im Jahr 2008 wurden sie dorthin abgegeben. Zeitgleich mit der Sicherung der Funde erfolgte die Unterschutzstellung des Grabhügels. Im Zuge dieses Verfahrens wurde die Grabkammer zugänglich gemacht; dieser Zustand ist noch heute aktuell.
Die Funde verteilen sich auf mehrere Bestattungen. Die Hauptbestattung war die eines etwa 30- bis 40-jähren Mannes, dessen Leichenbrand (Asche und Knochenreste) in einer reich verzierten, aus mehreren Teilen gefertigten Urne aus Bronzeblech beigesetzt wurde. Die Urne selbst fand sich in einem rund 0,5 m hohen Tongefäß; ob kultische Gründe für diese Art der Aufbewahrung verantwortlich waren oder ob man die kostbare Urne vor Schäden schützen wollte, lässt sich nicht beantworten.
Neben der Hauptbestattung fanden sich zwei Nebenbestattungen, die vom Material der Urnen deutlich bescheidener waren. Es handelte sich um Tongefäße, in denen jeweils der Leichenbrand einer 20 bis 30 Jahre alten Frau gefunden wurde.
Das Inventar des Grabes erwies sich als überaus reich, weil es neben der Urne der Hauptbestattung zahlreiche Bronzeobjekte enthielt. Darunter befanden sich u. a. ein Schwert, ein Messer, ein Rasiermesser, ein Tüllenbeil, zwei Schalen, Schmuck und eine gegossene Tasse. Aufsehenerregend waren aber zwei Nadeln aus Eisen, die zu dieser Zeit besonders wertvoll waren.
Die kostbare Ausstattung des Grabes und die beiden Nebenbestattungen – die Forschung sieht in ihnen Witwenopfer – deuten darauf hin, dass es sich hier um die Grablege einer hochrangigen Persönlichkeit gehandelt haben muss. In gewisser Weise spiegelt sich dies auch in der Bezeichnung des Grabhügels als „Königsgrab“ wider.
Bei der Datierung des Grabes ging man lange Zeit davon aus, dass es um 800 v. Chr., also in der späten Bronzezeit, angelegt wurde. Archäologische Untersuchungen im Jahr 2003 erbrachten Fundmaterial, welches sich für eine C14-Analyse eignete. Dabei kam man auf das Datum 829 v. Chr.; allerdings muss man bei dieser Methode hinsichtlich ihrer Genauigkeit doch einige Abstriche machen. Bei weiteren Untersuchungen in der Nähe des Grabhügels fand man mehrere Feuergruben, deren Inhalte ebenfalls C14-Analysen erlaubten. Hier erhielt man Daten, die zwischen 1101 und 904 v. Chr. liegen. Damit stellt sich die Frage, ob diese Gruben mit dem Grab in Verbindung stehen.
Im Schloss-Museum, das mit den ersten Räumen im Jahr 1998 eröffnet wurde, wird im Wesentlichen eindrucksvoll die Wohnkultur des märkischen Adels dargestellt, die während der Zeit der ehemaligen DDR weitgehend vernachlässigt, wenn nicht gar zerstört wurde. Ein Raum ist jedoch den Funden aus dem „Königsgrab“ von Seddin gewidmet. Schon das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin hatte dem jungen Museum Kopien von Funden zur Verfügung gestellt, sodass ein Besucher heute nicht zwangsläufig nach Brandenburg an der Havel fahren muss, um im dortigen Landesmuseum die Originale zu sehen.
Putlitzer Straße 16, 16928 Groß Pankow (Ortsteil Wolfshagen), Tel. 038789-61063, www.schlossmuseum-wolfshagen.com
Literatur
J. May – T. Hauptmann, „König Hinz“ kommt in die Jahre. Neues vom Königsgrab Seddin, Lkr. Prignitz, in: Archäologische Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e.V. – Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege – Archäologisches Landesmuseum und Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.), Archäologie in Berlin und Brandenburg 2003 (2005) 54–56; E Probst, Deutschland in der Bronzezeit (1999) 337. 341. 345 Abb. S. 351; H. Wüstemann, C 4 Seddin, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 437 f. Abb. S. 437.
Die am Niederrhein gelegene Samt-und Seidenstadt Krefeld ist heute eine moderne Großstadt mit mehr als 200.000 Einwohnern. Sie besitzt ein reichhaltiges Angebot an Museen unterschiedlicher Ausrichtung, die alle einen Besuch lohnen. Während Krefeld selbst eine mittelalterliche Gründung ist, kann ein Ortsteil, Gellep, auf eine lange Geschichte zurückblicken, die im 1. Jh. n. Chr. begann.
Nordrhein-Westfalen
Nicht nur aus den antiken Quellen war bekannt, dass im Dorf Gellep ein römisches Militärlager bestanden hatte, weil dessen Überreste erst im hohen und späten Mittelalter abgerissen wurden. Aber es sollte noch bis in die 1930er-Jahre dauern, bis die ersten archäologischen Untersuchungen erfolgten. Umfassendere Ausgrabungen wurden von 1964–1968 und von 1971–1974 durchgeführt, die letzten vor allem deshalb, weil der Krefelder Rheinhafen erweitert werden sollte. Im Gelände selbst haben sich praktisch keine sichtbaren Spuren erhalten.
Bei diesen Untersuchungen konnten viele Einzelheiten zur Kastellgeschichte geklärt und die wichtigsten Bauten des Lagers lokalisiert werden. So zeigte sich etwa, dass am Anfang ein Feldlager existierte, bei dem eine Schlacht während des Bataveraufstandes stattfand. Tacitus schilderte in seinen Historien (4, 33) ausführlich den Verlauf der Schlacht und machte deutlich, dass die Römer beinahe gänzlich aufgerieben worden wären, wenn nicht kurz vor der endgültigen Vernichtung Hilfe gekommen wäre. Reste dieser Schlacht fanden ihre Dokumentation in Gräbern mit Pferdeskeletten und Waffenteilen.
In den 70er-Jahren des 1. Jhs. n. Chr. wurde ein Standlager errichtet, in dem Hilfstruppen stationiert waren. Nur wenig später, in den 80er-Jahren des 1. Jhs., wurde die Anlage erweitert und nach einer Ausbauphase in der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. gegen dessen Ende nochmals erheblich vergrößert und in Stein ausgeführt.
In der Zeit vom 3. Jh. n. Chr. bis zum 5. Jh. kam es mehrfach zu Zerstörungen und Wiederherstellungen, die an dieser Stelle nicht alle dargestellt werden können. Wann das Kastell letztendlich aufgegeben wurde, ließ sich bislang nicht ermitteln.
Neben dem Kastell existierte auch eine Zivilsiedlung, der vicus. Ausgrabungen zeigten, dass es mehrere Vicuszonen gab, in denen Wohnbebauung, Thermen und verschiedene Kultstätten nachgewiesen werden konnten. Nach zweimaliger Zerstörung in den Jahren 260 und 275/6 wurde der vicus aufgeben. Allerdings sprechen Gräber des 4. Jhs. n. Chr. dafür, dass eine größere Zivilsiedlung bestanden haben könnte. Für das 5. Jh. ist ein vicus vor dem Kastell wieder gesichert.
Was die Ausgrabungen in Krefeld-Gellep auszeichnet, sind die Nekropolen. Von ihnen ist heute im Gelände allerdings nichts mehr zu sehen, weil große Grabmonumente, wie man sie aus Köln, Mainz oder Augsburg kennt, fehlen und es daher an Ort und Stelle keine Möglichkeit gibt, etwas zu rekonstruieren.
Die Gräberfelder entwickelten sich in einem Halbbogen um das Kastell herum. Nekropolen – so mag mancher Betrachter denken – kennen wir doch bereits aus vielen anderen Ausgrabungen. Aber kaum ein Friedhof beleuchtet die Bestattungssitten vom frühen 1. Jh. n. Chr. bis in das 7. Jh. hinein mit einer solchen Kontinuität. Die Anzahl der Gräber – es wurden bislang mehr als 6000 freigelegt – spiegelt aber auch die Geschichte des Ortes wider. Flüchtige Beisetzungen oder gar ein Massengrab, in dem die sterblichen Überreste von 14 Menschen, darunter Frauen und Kinder, aber auch von zwei Pferden gefunden wurden, dokumentieren etwa einen der ersten Frankeneinfälle des 3. Jhs. n. Chr.
Die „ordentlichen Bestattungen“ belegen den Wechsel von der vorher üblichen Brandbestattung zur Körperbestattung, der um die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. einsetzte. In sehr vielen dieser Gräber fanden sich Beigaben, deren Vorkommen mit dem Siegeszug des Christentums langsam zurückging.
Mit der dauerhaften Anwesenheit der Franken veränderte sich natürlich auch der Charakter der Nekropolen. Einige bedeutende Gräber konnten freigelegt werden, die den Übergang von der Antike zum Mittelalter dokumentieren.
Die Funde, die man in Krefeld-Gellep machte, fanden ihre Heimstatt im Museum Burg Linn.
Mit dem Museum Burg Linn verfügt die Stadt Krefeld über ein Museum, das nicht allein durch seine Sammlungsbestände zu einem Besuch einlädt. Die Anlage, eine Wasserburg, die bis auf das 12. Jh. zurückgeht, zeigt noch heute die Charakteristika einer mittelalterlichen Befestigung.
Die erhaltenen Gebäude gehören überwiegend in das 13. Jh., so die äußeren Mauern mit ihren Türmen, der Torzwinger und der Palas. Selbstverständlich erfuhr die Befestigung im Laufe der Zeit Veränderungen, die teilweise nur Details betrafen. Anfang des 18. Jhs. wurde die Burg zu einem großen Teil durch Feuer zerstört. Erhalten blieben die Bauten der Vorburg, die als Sitz des Amtmanns dienten. Im Jahr 1806 erwarb die Krefelder Fabrikantenfamilie de Greiff das Anwesen, was sich als Glücksfall erweisen sollte. Im Jahr 1836 ließ sie – ganz im Sinne der deutschen Romantik – um die Ruine herum einen englischen Landschaftspark anlegen, der noch heute existiert.
Der Weg zum Museum begann 1926, als die Stadt Krefeld die Burg erwarb und in der Vorburg ein Museum einrichtete, welches schließlich 1930 eröffnet wurde. Der Ruinenbestand wurde während des Zweiten Weltkrieges untersucht und erhielt in den 1950er-Jahren Schutzdächer, sodass die Räume für die Zwecke des Museums genutzt werden konnten. Im Jahr 1993 erfolgte eine Dachsanierung, bei der Steildächer aufgesetzt wurden; das Erscheinungsbild gewann damit wieder an Authentizität.
Das heutige Ausstellungsgebäude des Museums Burg Linn befindet sich nördlich des Burggeländes unmittelbar am Ortseingang Linn und nahm seinen Anfang als Bunker während des Zweiten Weltkrieges. Die Planer waren jedoch so weitsichtig, an eine zukünftige Nutzung zu denken, indem sie eine Nachnutzung als Museum bereits vorsahen. Im Laufe der Jahrzehnte veränderten sich natürlich die Nutzungsanforderungen, sodass zwischen 1986 und 1998 ein Foyer und eine Halle für Sonderausstellungen errichtet wurden.
Heute werden die Sammlungen auf vier Ebenen präsentiert. Im Erdgeschoss, der ersten Ebene, wird die Ur- und Frühgeschichte dargestellt. Daneben wird aber auch schon den archäologischen Funden aus römischer Zeit Platz eingeräumt.
Wesentliche Aspekte, die berücksichtigt werden, betreffen die „Schlacht von Gelduba“ während des Bataveraufstandes im Jahr 69 n. Chr. und die Entwicklung des Kastells, die im Jahr 70 n. Chr. begann. Weil heute vom römischen Lager in Gellep nichts mehr zu sehen ist, findet sich im Museum ein großes Landschaftsmodell. Es zeigt das Militärlager im Zustand der Jahre um 200 n. Chr. So kann sich der Besucher eine Vorstellung vom Lager und seiner Umgebung machen.
Besonders thematisiert wird die Rolle des römischen und mittelalterlichen Hafens Krefelds in einer eigenen Schiffshalle. Zentrales Ausstellungsstück ist dabei ein Lastkahn mit einer Länge von rund 16 m, der aus der Zeit Karls des Großen stammt (Abb. 25).
Abb. 25
Krefeld, Museumszentrum Burg Linn. In den umfangreichen Sammlungen befindet sich auch ein fränkischer Rheinkahn aus dem 9. Jh.
Das erste Obergeschoss, die zweite Ebene, ist vorrangig den Funden des riesigen Gräberfeldes von Krefeld-Gellep gewidmet. Die über 6000 Gräber, die wissenschaftlich untersucht werden konnten, stammen aus römischer und frühmittelalterlicher Zeit.
Ein absoluter Höhepunkt wird durch das Grab eines fränkischen Fürsten gebildet, das im Jahr 1962 freigelegt wurde. Dieses Grab ist eines der wenigen nicht ausgeraubten Adelsgräber des frühen Mittelalters im Rheinland und vermittelt daher mit seinen kostbaren Beigaben einen Eindruck von der Lebenswelt der fränkischen Oberschicht.
Aus den Ausgrabungen stammen aber auch viele andere Funde, die sich in der Ausstellung wiederfinden. So gibt es eine reiche Sammlung an Glas.
Die übrigen Etagen des Museums zeigen Funde, die über unseren Zeitrahmen hinausgehen. So wird etwa die Städtelandschaft des Niederrheins zum Ende des Mittelalters hin durch eine vor dem Zweiten Weltkrieg entstandene Modellsammlung präsentiert. Niederrheinische Keramik von 1680 bis 1850, volkskundliche Objekte und Materialien zur neueren Geschichte Krefelds runden die Sammlungen des Hauses ab.
Rheinbabenstraße 85, 47809 Krefeld, Tel. 02151-155390, www.archaeologie-krefeld.de
Literatur
Ch. Reichmann – R. Pierling, Krefeld-Gellep KR, in: H.-G. Horn (Hrsg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen (2002) 529–538 Abb. 452–456.
INHALT
Cover
Titel
Copyright
Vorwort
SCHLESWIG-HOLSTEIN
[01]Haithabu – eine frühmittelalterliche Handelsmetropole im hohen Norden Deutschlands mit Welterbestatus
[02]Das Danewerk – nicht nur die Römer bauten befestigte Grenzen
MECKLENBURG-VORPOMMERN
[03]Groß Raden – ein eindrucksvolles Freilichtmuseum
[04]Plate-Peckatel (Lkr. Ludwigslust-Parchim) – ein Grab mit einem besonderen Fund
[05]Das Tollensetal – Archäologie eines Schlachtfeldes aus der Bronzezeit
BRANDENBURG/BERLIN
[06]Seddin – ein Königsgrab?
[07]Vetschau – Slawenburg in Raddusch, der Zerstörung entkommen
BREMEN
[08]Bremen – die Domgrabung
HAMBURG
[09]Hamburg – Wandern auf den Spuren der Vorzeit
SACHSEN
[10]Dresden-Coschütz – die „Heidenschanze“
THÜRINGEN
[11]Großbodungen – Ein Schatzfund besonderer Art
[12]Oberdorla – Archäologisches Freilichtmuseum Opfermoor Vogtei
[13]Westgreußen – Die „Funkenburg“ eine germanische Siedlung
NIEDERSACHSEN
[14]Bramsche/Kalkriese – Eine Schicksalsstunde der Deutschen?
[15]Heeseberg – ein strategischer Punkt über Jahrtausende
[16]Northeim: Harzhornschlacht – Geheimoperation Schlachtfeldarchäologie
[17]Osterode – Die Lichtensteinhöhle
[18]Pestrup – nichts als Gräber
[19]Schöningen – Ausgrabung unter Extrembedingungen
SACHSEN-ANHALT
[20]Gommern – römischer Luxus für einen germanischen Fürsten im 3. Jh. n. Chr.
[21]Goseck – der älteste Monumentalbau in Europa mit astronomischem Bezug
[22]Nebra – Es begann mit einem Kriminalfall
NORDRHEIN-WESTFALEN
[23]Haltern am See – War das römische Lager das lange gesuchte Aliso?
[24]Köln – seit mehr als 2000 Jahren Stadt
[25]Krefeld – Gräber machen eine Stadt bekannt
[26]Mettmann (Neanderthal) – hier irrte Virchow
[27]Xanten – die einzige nicht überbaute römische Stadt Deutschlands
[28]Zülpich – Badeluxus in der Provinz
RHEINLAND-PFALZ
[29]Ingelheim – die Kaiserpfalz
[30]Mainz – Hauptstadt einer römischen Provinz
[31]Bad Neuenahr-Ahrweiler – vom Luxusanwesen zum Friedhof
[32]Trier – Residenz römischer Kaiser und älteste Stadt Deutschlands
HESSEN
[33]Bad Homburg – Die Saalburg
[34]Waldgirmes – Eine römische Stadt, die es eigentlich nicht geben dürfte
SAARLAND
[35]Bliesbruck-Reinheim – Parc Archéologique Européen/Europäischer Kulturpark
[36]Perl (Lkr. Merzig) – Villa Borg: Antike Erleben!
BADEN-WÜRTTEMBERG
[37]Aalen – Ein bedeutendes Kastell am Limes
[38]Badenweiler – ein Ort mit Badetradition
[39]Breisach – Kelten und Römer auf dem Münsterberg
[40]Ditzingen-Hirschlanden – die älteste freistehende Großskulptur Mitteleuropas
[41]Eberdingen-Hochdorf – ein Jahrhundertfund zur Geschichte und Kunst der Kelten
[42]Hechingen-Stein – Römisches Landhaus oder Raststätte?
[43]Herbertingen (Heuneburg) – die Stadt Pyrene des Herodot?
[44]Ladenburg/Lopodunum – die größte römische Stadt Baden-Württembergs?
[45]Osterburken – Die massive Front des UNESCO Weltkulturerbes am Limes
BAYERN
[46]Augsburg – mehr als 2000 Jahre Geschichte
[47]Faimingen – der größte römische Tempel Süddeutschlands
[48]Kempten – von der Keltensiedlung zur Römerstadt
[49]Manching – eine frühgeschichtliche Großstadt an der Donau
[50]Oberstimm – eines der ältesten Kastelle Raetiens
LANDESMUSEEN
GLOSSAR
ABBILDUNGSNACHWEIS
Norddeutschland
Schleswig-Holstein
1 Haitabu
2 Danewerk
Mecklenburg-Vorpommern
3 Groß-Raden
4 Plate-Peckatel
5 Tollensetal
Brandenburg/Berlin
6 Seddin
7 Vetschau
Bremen
8 Bremen
Hamburg
9 Hamburg
Sachsen
10 Dresden-Coschütz
Thüringen
11 Großbodungen
12 Oberdorla
13 Westgreußen
Niedersachsen
14 Bramsche/Kalkriese
15 Heeseberg
16 Northeim
17 Osterrode
18 Pestrup
19 Schöningen
Sachsen-Anhalt
20 Gommern
21 Goseck
22 Nebra
Nordrhein-Westfalen
23 Haltern am See
24 Köln
25 Krefeld
26 Mettmann
27 Xanten
28 Zülpich
Süddeutschland
Rheinland-Pfalz
29 Ingelheim
30 Mainz
31 Neuenahr-Ahrweiler
32 Trier
Hessen
33 Bad Homburg
34 Waldgirmes
Saarland
35 Bliesbruck-Reinheim
36 Perl
Baden-Württemberg
37 Aalen
38 Badenweiler
39 Breisach
40 Ditzingen-Hirschlanden
41 Eberdingen-Hochdorf
42 Hechingen-Stein
43 Herbertingen
44 Ladenburg
45 Osterburken
Bayern
46 Augsburg
47 Faimingen
48 Kempten
49 Manching
50 Oberstimm
In der idyllischen Landschaft der Sternberger Seen stößt der interessierte Besucher auf eine archäologische Besonderheit: die Rekonstruktion des slawischen Tempelortes am Groß Radener See. Damit entstand ein eindrucksvolles Museum, das z. B. durch die Ausstattung einzelner Gebäude Einblicke in das Leben eines slawischen Ortes vor dem Jahr 1000 gewährt.
Mecklenburg-Vorpommern
Etwa ein Kilometer nordöstlich des Dorfes Groß Raden, unweit von Sternberg, liegt ein Binnensee, der in der Literatur als Sternberger oder Groß Radener See bezeichnet wird. Sicherlich wäre der See heute einer von vielen in Mecklenburg-Vorpommern, hätte nicht schon im Jahr 1842 der Archivar und Leiter der Großherzoglichen Sammlungen in Schwerin, George Christian Friedrich Lisch (1801–1883), von einem Bodendenkmal, einem auf einer flachen Insel gelegenen slawischen Burgwall mit einem Durchmesser von 50 m, berichtet. Im Jahr 1905 entging der Wall nur knapp der Vernichtung und systematische archäologische Untersuchungen erfolgten erst zwischen 1973 und 1980. Dabei kamen erstaunliche Ergebnisse zum Vorschein, die schon 1983 dazu führen sollten, dass an dieser Stelle ein Freilichtmuseum errichtet wurde.
Bei den archäologischen Untersuchungen wurden nur etwa 50 Prozent der Siedlung – das entspricht rund 7000 m² oder etwa der Größe eines Fußballfeldes – ausgegraben. Die Bedingungen, die die Archäologen vorfanden, kann man als ideal bezeichnen, weil hier nie Ackerbau betrieben wurde und der feuchte Untergrund auch erwarten ließ, dass organisches Material zu finden sei.
Bei den Ausgrabungen zeigte sich vor allem auch eine Veränderung in der Landschaft: Als die slawische Siedlung entstand, gab es eine Halbinsel, der eine Insel vorgelagert war. Heute stellt sich die Situation anders dar. Der Bereich zwischen der Halbinsel und der Insel ist im Laufe der Jahrhunderte verlandet. Um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, musste man bei der Anlage des Museums mittels „Kanälen“ die Anmutung einer Insel schaffen.
Die Archäologen stellten bei ihren Ausgrabungen fest, dass zunächst im 9. Jh. eine Siedlung auf der Halbinsel entstand, die durch einen Graben und eine Palisade mit Wehrgang gesichert war. Der Zugang erfolgte über eine heute rekonstruierte Brücke, die zum einzigen Tor führte.
Innerhalb des so begrenzten Siedlungsgebietes vermuteten die Ausgräber 40 Häuser, die eng beieinander standen. Es handelte sich dabei um recht einfache Gebäude mit einer Grundfläche von 20 m², die aus Holz und einer Art Fachwerk errichtet waren. Exemplarisch sind einige dieser Häuser wieder errichtet worden.
Das Besondere an der Siedlung war aber, dass ihr ein Plan zugrunde lag. Nachgewiesen werden konnte dies, da man einen heute wieder vorhandenen Bohlenweg fand, der die Siedlung durchschnitt und zu einem Brückenbau führte, dessen Länge mit 100 m angegeben wird und der die Verbindung zur Insel darstellte. Zu beiden Seiten des Bohlenwegs standen die Häuser.
Eine Antwort auf die Frage, warum in dieser Phase eine Brücke zur Insel geschlagen wurde, lässt sich vermuten. Auf der Insel konnten nämlich Reste von Gebäuden nachgewiesen werden, die in der Forschung als Speicherbauten gedeutet werden.
Blickt man auf den Plan der Siedlung, so erkennt man im südwestlichen Teil Groß Radens ein Gebäude, dass innerhalb der Siedlung isoliert ist und zu dem ebenfalls ein Bohlenweg führte. Dieser 7 x 11 m große Bau war mit einigem Aufwand errichtet worden, weil seine Wände aus einer doppelten „Stabbohlenwand“ bestanden. Außerdem war er von Pfosten umgrenzt, die in regelmäßigen Abständen nachgewiesen werden konnten. Bei den äußeren Bohlen glaubt man, in deren oberen Abschlüssen stilisierte Menschendarstellungen erkennen zu können. An den Schmalseiten des Gebäudes ließen sich Lücken nachweisen, die auf jeweils einen Eingang hindeuten. Ob das Gebäude überdacht war, ließ sich bei den Ausgrabungen nicht eindeutig ermitteln. In der Rekonstruktion hat man sich dafür entschieden, ein Walmdach zu bauen.
Wie aber ist der Bau zu interpretieren? Weil man in der Nähe der Eingänge Pferdeschädel gefunden hatte, entstand die Vermutung, es handele sich um einen Tempel. Gestützt wird diese Vermutung durch Beschreibungen slawischer Tempel in mittelalterliche Quellen, wie etwa in der Gesta Danorum des Chronisten Saxo Grammaticus (ca. 1140–1220).
Interessante Einblicke in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Ortes bot ein kleiner Werkplatz, der von den Wohnhäusern getrennt angelegt war. Der Grund dafür konnte die Archäologie liefern: Man grub hier eine Reihe von Kuppelöfen aus, die zur Keramikherstellung und zum Backen von Brot dienten. Von ihnen ging eine latente Gefahr aus, die die ganze Siedlung hätte zerstören können. Oft genug sind im Mittelalter ganze Städte abgebrannt.
Weiter konnte in der Siedlung eine differenzierte Wirtschaft durch die Funde dokumentiert werden: Schmiede, Böttcher und andere Handwerke ließen sich beobachten.
Etwa um das Jahr 930 veränderte sich offenbar die Sicherheitslage in Groß Raden, denn die Insel erhielt einen Holz-Erde-Wall. Nur ein Zugang war vorhanden, den man aufgrund seiner Konstruktion als Tunneltor bezeichnet.
Nur wenige Jahre später, um 950, wurde die Siedlung einschließlich der Inselbebauung vollständig zerstört. In der Forschung denkt man daran, hier eine Verbindung mit einem Feldzug des späteren römisch-deutschen Kaisers Otto I. im Jahr 955 gegen die hier ansässigen Slawen zu ziehen. Allerdings – auch das legen die Befunde nahe – scheint ein ausreichendes Bevölkerungspotential in Groß Raden verblieben zu sein, da ein schneller Wiederaufbau erfolgte.
Wesentliche Veränderungen gegenüber der ersten Siedlungsphase bestanden in einer veränderten Wohnarchitektur. Die Häuser wurden größer und in Blockbauweise angelegt. Auf einen Wiederaufbau des Tempels verzichtete man, vielleicht weil die Einwohner des Ortes den Kult auf die Insel verlegten.
Die Insel erhielt einen neuen, größeren Kreiswall mit einem Innendurchmesser von 25 m und einer Höhe von mindestens 8 m. Entlang des Walls entstanden Gebäude, die bislang nicht gedeutet werden konnten. Wie bei seinem Vorgänger erfolgte der Zugang durch ein Tunneltor, das 2009 rekonstruiert wurde. (Abb. 3)
Abb. 3
Groß Raden, Freilichtmuseum (Slawische Siedlung). Blick auf die Insel mit dem Ringwall. Im Vordergrund die Brücke, die die Siedlung auf der Halbinsel mit der Befestigung verbindet.
In einer letzten Phase wurde der Wall nochmals verstärkt, doch reichte dies nicht aus, um die Siedlung Groß Raden im 10. Jh. vor dem endgültigen Untergang zu bewahren.
Archäologisches Freilichtmuseum Groß Raden, Kastanienallee, 19406 Groß Raden, Tel. 03847-2252, www.freilichtmuseum-gross-raden.de
Literatur
D. Jantzen, Das Archäologische Freilichtmuseum Groß Raden. Altslawischer Tempelort des 9. und 10. Jahrhunderts. Ein Führer durch das Freigelände ²(2012).
Im 19. Jh. war Plate-Pekatel Ort eines sonderbaren Fundes, der in der Forschung seit seiner Auffindung reichlich Anlass zur Deutung bietet. Aus einem bedeutenden Grabhügel der Bronzezeit kam ein merkwürdiges Objekt zum Vorschein, das die Frage „Kult- oder Tischgerät?“ aufwirft.
Mecklenburg-Vorpommern
Im 19. Jh. gab es in Peckatel vier Grabhügel, die in einer Niederung lagen. Sie erweckten das Interesse von George Christian Friedrich Lisch (1801–1883), der in den Jahren 1843 und 1845 zwei der Hügel ausgraben konnte. Der dritte Hügel wurde durch den Eisenbahnbau 1888 zerstört und der letzte fiel den Interessen des Eigentümers zum Opfer.
Glücklicherweise hatte Lisch die Hügel soweit aufgenommen, dass wir heute ihre Größe kennen. Sie hatten etwa einen Durchmesser von 30 m und ihre Höhe schwankte zwischen 1,5 und 3 m.
Der Hügel I war mit einer Steineinfassung aufwendiger konstruiert als Hügel II. Bei den Bestattungen in beiden Hügeln handelte es sich sowohl um Körper- als auch Brandbestattungen.
Interessant war aber aufgrund der Beigaben Hügel I. In ihm fand man zahlreiche Gegenstände aus Bronze. Dazu zählten ein Messer, ein Griffzungenschwert, ein Tüllenbeil und eine Fibel. Herausgehoben waren aber ein Armring aus Gold und ein seltsames Gefäß aus Bronze, das auf ein Gestell mit vier Rädern montiert war: ein Kesselwagen. Ein genauerer Blick auf diesen und seine Bestandteile zeigt, dass das Objekt selbst eine Höhe von 35,5 cm hat. Die schon erwähnten Räder haben einen Durchmesser von 10,7 cm und sind wie die Achsen gegossen. Diese sind über geschmiedete Gestänge mit einem Fußelement verbunden, das den eigentlichen Kessel aus getriebenem Bronzeblech mit einem Buckeldekor trägt. Vier tordierte Griffe sind am Gefäßrand angebracht. (Abb. 4)
Abb. 4
Schwerin, ehemals Museum für Vor- und Frühgeschichte. Kesselwagen aus Peckatel.
Gesichert ist somit, dass hier jemand beigesetzt worden war, der in seiner Heimat eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Aber wie war dieser Kesselwagen zu deuten? Diese Frage musste sich auch der Ausgräber gestellt haben, der den Fund zunächst als singulär betrachten musste. Inzwischen hat sich zwar der Denkmälerbestand etwas erweitert, doch einer präzisen Deutung entziehen die Kesselwagen sich weiterhin. In der Forschung finden sich zwei Deutungsvarianten: Einmal könnte es sich um Tischgerät gehandelt haben, weil die meisten dieser Objekte aus Gräbern geborgen wurden. Die andere Lesart sieht in diesen Gegenständen eher Kultgerät, wobei ein großer Bogen von Griechenland bis in den Nahen Osten geschlagen werden muss. Dabei stützt man sich auf Münzbilder aus dem griechischen Kranon oder verweist auf derartige Wagen im Tempel von Jerusalem. Aufgrund der Funde können wir heute den Grabhügel in die späte Bronzezeit datieren. Damit kommen wir in die Jahre von 1200 bis 1000 v. Chr.
Literatur
S. Hansen, Archäologische Funde aus Deutschland (2010) 50 f. Abb.; G. Rennebach, C 2 Peckatel, in: J. Herrmann (Hrsg.). Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 435 f. Abb. S. 436.
In der idyllischen Landschaft am Flüsschen Tollense stießen in den 1990er-Jahren Hobby-Archäologen auf Funde aus der Bronzezeit, deren nähere Untersuchung ein vorgeschichtliches Drama ans Tageslicht brachte. Seit 1996 werden nun archäologische Untersuchungen und begleitende Forschungen, durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert, durchgeführt. Sie belegen eindrucksvoll, dass das Leben in der Bronzezeit keineswegs immer friedlich war.
Mecklenburg-Vorpommern
Was führte dazu, dass an der Tollense so intensiv geforscht wird? Zu den ersten Entdeckungen gehörten eine Holzkeule und ein menschlicher Oberarmknochen, in dem eine Pfeilspitze steckte. Diese Funde erweckten das Interesse der Archäologen des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommerns und der Kollegen der Universität Greifswald.
Die ersten Ausgrabungen brachten Skelettreste von Menschen und Pferden in nicht korrekter anatomischer Lage ans Tageslicht. Darunter befand sich auch ein eingeschlagener Schädel. Diese Funde deuteten darauf hin, dass es sich um Opfer einer gewalttätigen Auseinandersetzung handelte. Zusätzliche Bedeutung besaß der Fund, weil man auch Material fand, das durch C14-Analysen in die Zeit von 1300 bis 1110 v. Chr. datiert werden konnte. Damit bot sich die Deutungsmöglichkeit, hier den Schauplatz einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung in der Bronzezeit zu sehen. Diese Interpretation verdichtete sich, als im Jahr 1999 eine zweite Holzkeule und weitere Skelettreste gefunden wurden.
Im Laufe der Jahre hat sich das Projekt inhaltlich entwickelt. Neben weiteren Ausgrabungen an verschiedenen Stellen, auch unter Wasser, erfolgten Begehungen, die Pfeilspitzen aus Bronze und Feuerstein zum Vorschein brachten. Daneben richtet sich das Interesse auf die Erforschung der bronzezeitlichen Landschaft und die Rekonstruktion der damaligen Bevölkerung durch naturwissenschaftliche Methoden wie Isotopenuntersuchungen, Paläogenetik sowie die Anthropologie.
Der Leser wird an dieser Stelle fragen, warum sich an der Tollense die organischen Funde so gut erhalten haben. Dies erklärt sich durch die geologischen Bedingungen. Im Laufe der letzten Jahrtausende sorgte der Anstieg des Meeresspiegels der Ostsee durch den daraus resultierenden Rückstau für die Anhebung des Wasserspiegels an den Flüssen des Hinterlandes. Dies trug zur Torfbildung entlang der Flüsse bei, die eine Schicht mit einer Stärke von teilweise mehr als 4 m ausbildete. Und der Torf ist es, der organische Materialien durch Luftabschluss und durch die im Boden befindlichen Gerbstoffe konserviert.
Hatte man schon zu Anfang der Untersuchungen erkannt, dass es sich hier um Opfer von Gewalt handelte, verdichtete sich mit der zunehmenden Zahl von Skelettfunden die Deutung dahingehend, dass nun von einem Schlachtfeld gesprochen werden kann (Abb. 5); man konnte die Skelettreste mehr als 100 Menschen zurechnen. Deren Alter lag zwischen 20 und 40 Jahren. Es handelte sich überwiegend um Männer. Hier gefundene Skelettreste von Frauen und älteren Kindern sprechen nicht zwangsläufig gegen eine Schlachtfeldtheorie, da sie als Beteiligte und Opfer durchaus in Frage kommen.
Abb. 5
Tollensetal, Blick über eine Ausgrabungsfläche. Im Vordergrund sind deutlich Skelettreste erkennbar.
Bei den bisherigen Untersuchungen kam man zu dem Ergebnis, dass der Fundort nicht unbedingt auch Tatort gewesen sein muss. Darauf deuten die ungeordneten und nicht im anatomischen Zusammenhang liegenden Skelettreste hin; die Leichen müssen vor ihrer endgültigen Ablagerung im Wasser getrieben und dort zerfallen sein. Die Fundsituation entspricht nicht der einer Begräbnisstätte, zumal keine Grabbeigaben gefunden wurden. Eine Opferstätte anzunehmen wäre spekulativ.
Das Tollenstal war noch für weitere Überraschungen gut. Im Uferprofil des Flusses konnten an einer neuen Fundstelle weitere Skelettreste unterhalb der Wasserlinie geborgen werden. Ein Fund inmitten der Knochen war außergewöhnlich; man entdeckte einen goldenen Spiralring. Ein ähnliches Stück war bereits im Vorjahr an anderer Stelle im Tollensetal gefunden worden.
Derartiger Schmuck stammt in Mecklenburg-Vorpommern sonst überwiegend aus Gräbern und Depotfunden.
Neben einem Oberschenkelknochen entdeckten die Archäologen an derselben Fundstelle zwei dunkel gefärbte, spiralförmig gewundene Ringe, deren Material als Zinn identifiziert werden konnte. Weil sich Gegenstände aus Zinn nur sehr schlecht im Boden erhalten, gibt es nur wenige Funde aus der Vorgeschichte.
Denken wir heute an Zinn, so fällt uns zunächst ein, dass dieses Material über viele Jahrhunderte hinweg in besseren Haushalten für Teller, Tassen und andere Gefäße genutzt wurde. Aber im Lauf der Menschheitsgeschichte kam dem Material eine ganz andere Bedeutung zu: Zinn war ein Rohstoff, ohne den die Bronzezeit nicht denkbar gewesen wäre; Bronze entsteht durch die Verbindung von Kupfer und Zinn, einem seltenen und daher kostbaren Rohstoff, der über weite Strecken gehandelt wurde.
Will man die Funde bewerten, so kann man der Interpretation der dort tätigen Archäologen folgen: „Der Nachweis eines Gruppenkonflikts der Bronzezeit von bislang ungeahntem Ausmaß verleiht den Fundstellen im Tollensetal überregionale Bedeutung. Mit dem Auftreten von Gold und Zinn bekommt die Deutung des Konflikts eine zusätzliche Dimension.“
Literatur
D. Jantzen – T. Terberger, Gewaltsamer Tod im Tollensetal vor 3200 Jahren, AiD 2011/4, 6–11.
Zur Zeit der ehemaligen DDR bestand ein großer Bedarf an einheimischen Energieträgern. Vorzugsweise wurde die im Tagebau gewonnene Braunkohle benötigt. Daher entstand auch der Tagebau Seese-Ost südlich von Lübbenau in der Lausitz, der jedoch nach den Ereignissen vom Herbst 1989 und der Wiedervereinigung Deutschlands eingestellt wurde. So entging die Slawenburg der endgültigen Vernichtung und erlebte sogar eine Wiederauferstehung.
Brandenburg • Berlin
Unweit von Vetschau hatte man schon im 19. Jh. eine Fundstelle entdeckt, die sich als slawische Wallburg erwies, von deren Typ bis heute in der Region rund 40 Anlagen nachgewiesen wurden. Rudolf Virchow, der große Mediziner, Jurist und Altertumsforscher des 19. Jhs., hatte 1880 die Anlage erstmals erwähnt und 1957 war sie unter Denkmalschutz gestellt worden. Als sich die Realisierung des Tagebaus Seese-Ost abzeichnete, begann man 1984 mit einer Rettungsgrabung, bei der die ganze Anlage untersucht werden konnte. Auf die Ausgräber kam allein aufgrund der zu bewegenden Erdmassen eine gewaltige Arbeit zu.
Im Lauf der archäologischen Untersuchungen ergab sich eine komplexe Baugeschichte, die sich in drei Phasen gliedern ließ. Vom Entwurf her handelte es sich immer um Kreisanlagen, die von einem Holz-Erde-Wall mit einem großen vorgelegten Graben umgeben waren. Für die früheste Befestigung, die auch als Vorbild für die Rekonstruktion diente, geht man von einem äußeren Durchmesser von 56 m und einem Inneren von etwa 36 m aus. Für den Wall wurde eine Höhe von etwa 7 m erschlossen. Das benötigte Holz wurde in der unmittelbaren Umgebung geschlagen, sodass eine Landschaft mit freiem Sichtfeld entstand. Das benötigte Erdmaterial konnte aus dem Grabenaushub gewonnen werden. (Abb. 7)
Abb. 7
Raddusch, slawische Befestigung. Der Nachbau wird heute als Museum genutzt.
Zur Burganlage gehörte auch eine „Vorburg“, die wohl eher Siedlungscharakter gehabt haben dürfte. Als man sie untersuchte, fand man allerdings keine verwertbaren Spuren, weil die Landwirtschaft im Laufe der Zeit alle Spuren vernichtet hatte.
In der Burg wurden auch zwei Toranlagen gefunden, die man aufgrund ihrer Bauform als Tunneltore bezeichnet. Ein Tor befand sich im Nordwesten. Der andere Zugang konnte im Osten nachgewiesen werden. An den Innenseiten des Walles waren Unterkünfte eingerichtet, die an Kasematten erinnern. Außerdem fanden die Ausgräber im Bereich des „Burghofes“ Spuren von Gebäuden, bei denen es sich sowohl um Pfostenbauten als auch um Blockbauten handelte, von denen einige Öfen aufwiesen. Der Wasserversorgung dienten vier Brunnen.
Allgemein geht man davon aus, dass diese slawischen Befestigungsanlagen als Fluchtburgen genutzt wurden. Da aber eine Innenbebauung nachgewiesen wurde, stellt sich die Frage, ob hier nicht die Angehörigen einer Oberschicht einen dauerhaften Wohnsitz besaßen. Diese Frage lässt sich aber nicht zweifelsfrei beantworten.
Die Datierung der Anlage von Raddusch wie auch die der slawischen Befestigungsanlagen in der Lausitz beläuft sich auf das 9. und 10. Jh. und reizt damit das in diesem Buch vorgesehene Zeitfenster aus. Als Grund für die umfangreichen Befestigungen wird gerne angeführt, in dieser Phase habe das junge Heilige Römische Reich Deutscher Nation zunehmend in Richtung Osten expandiert und die hier siedelnden Slawen massiv unter Druck gesetzt.
Nachdem der Tagebau Seese-Ost eingestellt worden war, kam für die Region die Frage auf, wie es wirtschaftlich weitergehen sollte. Tourismuskonzepte spielten dabei in den 1990er-Jahren eine bedeutende Rolle. So wurde ab 1992 die Idee entwickelt, in Raddusch die Slawenburg wieder aufzubauen. Damit sollte ein Ort entstehen, an dem die Archäologie der gesamten Region präsentiert werden konnte. Im Jahr 2003 wurde schließlich die Slawenburg als Museum eröffnet.
Bedingt durch die zusätzliche Nutzung entstand eine Idealrekonstruktion im äußeren Erscheinungsbild, die sich in den Dimensionen an der ersten Bauphase orientierte. Nach außen ist die Anlage mit einer Verkleidung aus Eichenholz und Lehm versehen, während das Wallinnere aus einer Ringkonstruktion aus Beton besteht, in der sich heute die Ausstellungsräume und die touristische Infrastruktur befinden.
Die ständige Ausstellung hat die Zielsetzung, die archäologischen Funde aus der Niederlausitz zu präsentieren. Sie umfasst dabei alle zeitlichen Perioden. Natürlich finden sich hier auch viele Funde, die in Raddusch gemacht wurden. Ein Stück, das besondere Aufmerksamkeit verdient, ist der „Götze von Raddusch“, die Darstellung eines slawischen Gottes; diese Bildnis wurde in einem der Brunnen geborgen und wird um die Mitte des 10. Jhs. datiert.
Im Umfeld des Museums, einem etwa 111 ha großen Freigelände, wurde versucht, die historische Landschaft nachzubilden, so wie sie sich im 9. oder 10. Jh. darstellte. Darüber hinaus errichtete man einen „Zeitsteg“, auf dem die Natur und die lokalen Kulturen in verschiedenen Zeitaltern dargestellt werden.
Slawenburg Raddusch, Zur Slawenburg 1, 03226 Vetschau, OT Raddusch, Tel 035433-55522, www.slawenburg-raddusch.de
Literatur
M. Ullrich, Slawenburg Raddusch – Eine Rettungsgrabung im Niederlausitzer Braunkohleabbaugebiet (2003); M. Ullrich, F 46 Raddusch, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 651 f.
Für den Besucher stellt sich die Freie und Hansestadt Hamburg als weltoffene Metropole, die viele Interessen bedient, dar. Wer aber nach archäologischen Spuren in der Stadt sucht, muss sich in die Peripherie begeben.
Hamburg
In den 1970er-Jahren kamen Wanderpfade aller Art in Mode. Dieser konnte und wollte sich das Helms-Museum nicht verschließen und errichtete in der Fischbeker Heide, im Stadtteil Hamburg-Neugraben gelegen, einen archäologischen Wanderpfad. Diese Gegend bot sich an, weil hier zahlreiche ur- und frühgeschichtliche Denkmäler zu besichtigen sind. Der Pfad, im Jahr 2002 nochmals überholt, ist mit Informationstafeln ausgestattet und weist insgesamt elf Besichtigungspunkte auf.
Bei diesen Besichtigungspunkten handelt es sich um Gräber, die vom Neolithikum über die Bronzezeit bis hin zur vorrömischen Eisenzeit reichen. (Abb. 9)
Abb. 9
Hamburg, Archäologischer Wanderpfad „Fischbeker Heide”. Der Wanderweg führt an verschiedenen Grabhügeln vorbei, so an diesem Hügel aus der Bronzezeit.
Bei einigen der Gräber konnte während der archäologischen Untersuchungen auch Keramik des frühen Mittelalters gefunden werden. Diese steht nicht mit den Bestattungen in Verbindung. Die Archäologen glauben vielmehr, dass hier alte heidnische Kulte weiter praktiziert wurden, als das Christentum schon zwangsweise durchgesetzt wurde.
Ein rekonstruierter Grabhügel, der nicht zum originalen Bodendenkmal gehört, mag den Besucher irritieren. Es handelt sich dabei um ein bronzezeitliches Grab aus Lüllau, das an seinem ursprünglichen Standort nicht erhalten werden konnte.
Ergänzende Information zu den archäologischen Funden am Wanderpfad erhält der Besucher durch eine kleine Ausstellung, die durch das Archäologische Museum Hamburg eingerichtet wurde.
Fischbeker Heideweg 43, 21149 Hamburg, Tel. 040-7026618, www.hamburg.de/info-fischbek/147470/start-info-fischbek.html
Literatur
B. Sielmann, Archäologischer Wanderpfad in der Fischbeker Heide (1975).
Auf einem Bergsporn oberhalb der Weißeritz, etwa 300 m nordwestlich des alten Dorfkerns von Coschütz, liegt eine gewaltige vorgeschichtliche Befestigungsanlage, die Heidenschanze, die nur knapp der vollständigen Zerstörung entging.
Sachsen
Schon im 18. Jh. hatte man auf dem Bergsporn die ersten Funde gemacht. Aber wirkliches Forschungsinteresse weckte die Heidenschanze erst im Jahr 1851 mit den ersten Ausgrabungen. Systematische Untersuchungen erfolgten in den 1930er- und 1950er-Jahren. (Abb. 10)
Abb. 10
Dresden, Ortsteil Coschütz. Blick auf die vorgeschichtliche Befestigung/Siedlung „Heidenschanze”.
Die Heidenschanze barg aber für die Archäologen einige Probleme, weil hier ein Steinbruch existierte, der erst 1954 geschlossen wurde. Durch dessen Ausbeutung ging ein Teil der Anlage, die einmal mindestens 4 ha groß gewesen sein dürfte, für die Forschung verloren.
Was ergaben die Forschungen? Schon bei den Ausgrabungen der 30er-Jahre zeigte sich, dass die Heidenschanze zunächst eine unbefestigte Siedlung der Lausitzer Kultur war und zwischen 1200–1000 v. Chr. existierte. Aber schon in dieser Phase errichteten die Bewohner eine Befestigung, die etwas vereinfacht gesagt aus einer etwa 2 m starken Konstruktion aus Holz, Erde und Steinen bestand.
Um das Jahr 1000 v. Chr. brannte diese Befestigung ab und wurde durch eine neue ersetzt, die ca. 20 m vor der älteren Anlage errichtet wurde. Sie war in den Maßen des Walles mächtiger und verfügte außerdem über zwei Gräben, die den Sporn abriegelten. Mit der neuen Befestigung etablierte sich hier auch eine neue Kultur, die Billendorfer Kultur, die von ca. 700–500 v. Chr. datiert wird.