Aus dem Englischen
von Alfred Brieger, Alfred W. Fred,
Kim Landgraf, Rudolf Lothar,
Max Meyerfeld, Wilhelm Schölermann,
Frieda Uhl und Paul Wertheimer
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Sämtliche Texte dieser Ausgabe (mit Ausnahme der »Sätze und Lehren zum Gebrauch für die Jugend«) wurden der Edition Oscar Wilde: Werke in zwei Bänden. Hrsg. und eingeleitet von Arnold Zweig. Berlin: Th. Knaur Nachf. o. J. [1930] entnommen. Orthografie und Interpunktion wurden den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
© 2013 Anaconda Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
ISBN 978-3-7306-9053-6
V002
www.anacondaverlag.de
Das Bildnis des Dorian Gray
(übersetzt von Alfred W. Fred)
Lord Artur Saviles Verbrechen und andere Geschichten
(übersetzt von Frieda Uhl)
Deutungen
(übersetzt von Paul Wertheimer)
Der Kritiker als Künstler (Teil I und II)
Der Verfall der Lüge
Feder, Pinsel und Gift
Die Wahrheit der Masken
Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus
(übersetzt von Paul Wertheimer)
Sätze und Lehren zum Gebrauch für die Jugend
(übersetzt von Kim Landgraf)
Märchen
Das Granatapfelhaus
(übersetzt von Frieda Uhl)
Der glückliche Prinz und andere Märchen
(übersetzt von Rudolf Lothar)
Gedichte in Prosa
(übersetzt von Rudolf Lothar)
Lady Windermeres Fächer
(übersetzt von Alfred Brieger)
Epistola in carcere et Vinculis (De Profundis)
(übersetzt von Max Meyerfeld)
Aus dem Gefängnis
(übersetzt von Max Meyerfeld)
Die Ballade vom Zuchthaus in Reading
(übersetzt von Wilhelm Schölermann)
Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.
Kunst offenbaren, den Künstler verbergen, ist das Ziel der Kunst.
Kritiker ist, wer seinen Eindruck von schönen Dingen in einer anderen Form oder in einem anderen Stoff wiederzugeben vermag.
Die höchste wie die niedrigste Form der Kritik ist eine Art Selbstbekenntnis.
Wer in schönen Dingen einen hässlichen Sinn entdeckt, ist verderbt, ohne liebenswürdig zu sein – was ein Fehler ist.
Wer in schönen Dingen einen schönen Sinn entdeckt, hat Kultur. Aus ihm kann noch etwas werden.
Das sind die Auserwählten, denen schöne Dinge einzig Schönheit bedeuten.
Es gibt weder moralische noch unmoralische Bücher. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Sonst nichts.
Die Abneigung des 19. Jahrhunderts gegen den Realismus ist die Wut Calibans, der seine eigene Fratze im Spiegel sieht.
Die Abneigung des 19. Jahrhunderts gegen die Romantik ist die Wut Calibans, der sein Gesicht nicht im Spiegel sieht.
Das sittliche Dasein des Menschen gibt dem Künstler einen Stoff neben vielen anderen; die Sittlichkeit in der Kunst besteht jedoch im vollendeten Gebrauch unvollkommener Mittel.
Der Künstler hat niemals das Bedürfnis, etwas zu beweisen. Sogar das Wahre kann bewiesen werden.
Der Künstler hat keinerlei ethische Neigungen. Ethische Neigungen beim Künstler sind unverzeihliche Manieriertheit.
Es gibt nichts Krankhaftes in der Kunst. Der Künstler vermag alles auszudrücken.
Gedanken und Sprache sind für den Künstler Werkzeuge.
Laster und Tugend sind für den Künstler Stoffe.
Vom Gesichtspunkt der Form aus ist die Musik die höchste aller Künste. Vom Gesichtspunkt des Gefühls ist die Kunst des Schauspielers die höchste.
Alle Kunst ist zugleich Oberfläche und Symbol.
Wer unter die Oberfläche gräbt, tut es auf eigene Gefahr.
Wer das Symbol herausliest, tut es auf eigene Gefahr.
In Wahrheit ist der Betrachter, nicht aber das Leben ein Spiegel.
Gegensätze in den Urteilen über ein Kunstwerk beweisen seine Neuheit, Vielfältigkeit und Lebenskraft.
Wenn die Kritiker untereinander uneinig sind, ist der Künstler mit sich einig gewesen.
Man kann einem Menschen verzeihen, dass er etwas Nützliches schafft, solang er nicht verlangt, dass man seine Arbeit bewundert. Die einzige Entschuldigung für den, der etwas Nutzloses tut, liegt darin, dass man seine Schöpfung inbrünstig bewundert.
Alle Kunst ist gänzlich nutzlos.
Oscar Wilde
Das Atelier war erfüllt von starkem Rosenduft, und wenn der leichte Sommerwind die Bäume im Garten draußen bewegte, drang durch die offene Tür der schwere Geruch des Flieders oder der zartere Duft der Rotdornblüten.
Lord Henry Wotton lag auf einem Diwan mit persischen Satteltaschen und rauchte, wie gewöhnlich, unzählige Zigaretten. Von seiner Ecke aus konnte er gerade noch den Schimmer der honigsüßen und honigfarbenen Goldregenblüten sehen, deren zitternde Zweige kaum noch die Last ihrer flammenden Schönheit zu tragen schienen; dann und wann grüßten auch durch die langen Seidenvorhänge, die vor das große Fenster gezogen waren, fantastische Schatten vorbeifliegender Vögel. Das gab einen Augenblick eine japanische Stimmung und ließ den Liegenden an die Maler von Tokio denken mit den, wie aus blassem Bernstein geschnitzten Gesichtern, die mit den Mitteln einer Kunst, die nur unbeweglich sein kann, die Empfindung von Schnelligkeit und Bewegung hervorzubringen suchen. Das dumpfe Summen der Bienen, die ihren Weg durch das hohe, ungemähte Gras suchten oder mit zäher Beharrlichkeit um die goldbestäubten Trichter des wuchernden Geißblatts kreisten, ließ die Stille noch drückender erscheinen. Das dumpfe Brausen Londons wirkte wie die Basstöne einer fernen Orgel.
In der Mitte des Raumes lehnte auf einer aufrechten Staffelei das lebensgroße Bild eines ganz außerordentlich schönen Jünglings, und vor der Staffelei saß, ein paar Schritte weit entfernt, der Maler Basil Hallward, dessen plötzliches Verschwinden vor einigen Jahren so viel Aufsehen gemacht und zu so vielen merkwürdigen Vermutungen Anlass gegeben hat.
Während der Maler die graziöse und anmutige Gestalt ansah, die seine Kunst so kunstvoll gespiegelt hatte, schien ein heiteres Lächeln über sein Gesicht zu gehen und dort zu verweilen. Plötzlich aber fuhr er auf, schloss die Augen und presste die Finger auf die Lider, als fürchte er, aus einem seltsamen Traum zu erwachen, und suche, ihn im Gehirn festzuhalten.
»Es ist Ihr bestes Werk, Basil, das beste, was Sie je gemacht haben«, sagte Lord Henry matt. »Sie müssen es nächstes Jahr unbedingt in die Grosvenor-Galerie schicken. Die Academy ist zu groß und zu gewöhnlich. Immer, wenn ich hingegangen bin, waren entweder so viel Leute da, dass ich die Bilder nicht sehen konnte, was schlimm, oder so viel Bilder, dass ich die Leute nicht sehen konnte, was noch schlimmer war. Die Grosvenor-Galerie ist der einzig richtige Platz.«
»Ich glaube nicht, dass ich es überhaupt ausstellen werde«, antwortete der Maler und warf den Kopf in jener merkwürdigen Weise zurück, über die schon seine Freunde in Oxford gelacht hatten. »Nein – will es nicht ausstellen.«
Lord Henry zog die Augenbrauen hoch und sah den anderen durch die dünnen blauen Rauchwolken, die in fantastischen Wirbeln von der starken, opiumhaltigen Zigarette aufstiegen, erstaunt an.
»Überhaupt nicht ausstellen? Ja warum, mein Lieber? Haben Sie irgendeinen Grund dafür? Was für Käuze ihr Maler doch seid! Ihr tut alles Erdenkliche, euch einen Namen zu machen – habt ihr ihn dann endlich, scheint ihr nur das eine Bedürfnis zu haben, ihn wieder loszuwerden. Das ist sehr dumm von Ihnen, denn es gibt nur eine Sache auf der Welt, die peinlicher ist, als in aller Mund zu sein, und das ist: in niemandes Mund zu sein. Ein Bild wie das da gäbe Ihnen eine Stellung weit über allen jungen Leuten in England und würde die alten rasend machen, soweit alte Leute überhaupt noch einer Empfindung fähig sind.«
»Ich weiß, dass Sie über mich lachen werden, aber ich kann es nicht ausstellen. Wirklich nicht. Es ist zu viel von mir selbst darin.«
Lord Henry streckte sich auf dem Diwan und lachte.
»Ich habe ja gewusst, dass Sie lachen würden; es bleibt aber doch wahr.«
»Zu viel von Ihnen selbst? Auf mein Wort, Basil, ich hätte nie gedacht, dass Sie so eitel sind! Ich kann wirklich keine Ähnlichkeit entdecken zwischen Ihnen mit Ihrem rauen, strengen Gesicht und dem kohlschwarzen Haar und diesem jungen Adonis, der aussieht, als wäre er aus Elfenbein und Rosenblättern erschaffen. Mein lieber Basil, er ist ein Narziss, während Sie … Natürlich haben Sie ein geistvolles Gesicht und so weiter. Aber die Schönheit, die wirkliche Schönheit hört da auf, wo der geistvolle Ausdruck anfängt. Geist ist an sich eine Art Übermaß und zerstört die Harmonie jedes Gesichts. Sobald man sich hinsetzt, um zu denken, wird man nur Nase oder nur Stirn oder sonst etwas Gräuliches. Sehen Sie sich doch einmal alle die Leute an, die in gelehrten Berufen etwas geleistet haben. Sie sind alle ausgesprochen hässlich. Natürlich mit Ausnahme der Geistlichen. Aber die Geistlichen denken eben nicht. Ein Bischof sagt mit achtzig Jahren noch dasselbe, was er als achtzehnjähriger Bursch gesagt hat, und infolgedessen sieht er entzückend aus. Ihr geheimnisvoller junger Freund, dessen Namen Sie mir nie verraten haben, dessen Bild mich aber bezaubert, denkt niemals. Davon bin ich ganz überzeugt. Er ist so ein hirnloses, schönes Geschöpf, wie wir sie im Winter immer um uns haben sollten, wenn es keine Blumen zum Ansehen gibt, und im Sommer, wenn wir etwas brauchen, unseren Geist abzukühlen. Geben Sie sich keinen Illusionen hin, Basil: Sie sehen ihm ganz und gar nicht ähnlich.«
»Sie haben mich nicht verstanden, Henry«, antwortete der Künstler. »Natürlich sehe ich ihm nicht ähnlich – das weiß ich selbst. In Wirklichkeit wäre es mir gar nicht recht, wenn ich ihm ähnlich sähe. Sie brauchen gar nicht die Achseln zu zucken. Es gibt eine besondere Tragik der physischen und geistigen Vornehmheit, die dem Schicksal der Könige gleicht, deren Irrwegen in der Weltgeschichte man immer wieder nachspürt. Es ist besser, sich von seinen Nebenmenschen nicht allzu sehr zu unterscheiden. Die Hässlichen und die Dummen haben’s am besten in dieser Welt. Sie können ruhig dasitzen und das Spiel begaffen. Sie wissen nichts von Siegen, aber auch Niederlagen bleiben ihnen erspart. Sie leben dahin, wie wir alle es sollten: ungestört, gleichgültig und ohne Missbehagen. Sie bringen anderen kein Unheil, empfangen kein Unheil von fremder Hand. Wir anderen müssen alle bezahlen: Sie für Ihren Stand und Reichtum, ich für meinen Geist, so viel ich davon habe, für meine Kunst, so viel sie wert ist, Dorian Gray für seine schöne Erscheinung, wir alle müssen für die Geschenke der Götter leiden, furchtbar leiden …«
»Dorian Gray? Heißt er so?«, fragte Lord Henry, durch das Atelier auf Basil Hallward zugehend.
»Ja, so heißt er. Ich wollte Ihnen eigentlich seinen Namen nicht nennen …«
»Aber warum nicht?«
»Ich kann Ihnen das nicht so genau erklären. Wenn ich einen Menschen sehr, sehr lieb habe, verrate ich seinen Namen keiner Seele. Das käme mir vor, als lieferte ich einen Teil von ihm aus. In mir wächst immer mehr die Vorliebe für alles Geheimnisvolle. Das scheint noch die einzige Art zu sein, wie man unser modernes Leben rätselhaft und wunderbar gestalten kann. Die gewöhnlichste Begebenheit wird entzückend, wenn man sie vor anderen verbirgt. Ich sage auch nie, wohin ich reise, wenn ich einmal wegfahre. Wenn ich’s täte, wäre mein ganzes Vergnügen hin. Das mag eine alberne Gewohnheit sein, aber sie bringt doch ein wenig Romantik ins Leben. Sie halten mich jetzt wohl für sehr töricht?«
»Nicht im Geringsten«, antwortete Lord Henry. »Nicht im Mindesten, mein lieber Basil. Sie scheinen zu vergessen, dass ich verheiratet bin, und dass der Hauptreiz der Ehe ja darin liegt, dass beide Teile gezwungen sind, ein Leben der Täuschung und Verstellung zu führen. Ich weiß nie, wo meine Frau ist; meine Frau weiß nie, was ich mache. Wenn wir uns treffen – und wir treffen uns gelegentlich, wenn wir zu demselben Diner geladen sind oder einmal gleichzeitig zum Herzog aufs Land fahren –, erzählen wir uns die albernsten Geschichten mit dem ernsthaftesten Gesicht. Meine Frau kann das glänzend – ohne Frage weit besser als ich. Sie verwickelt sich nie in Widersprüche, was bei mir beständig vorkommt. Wenn sie mich aber dabei ertappt, macht sie mir nie eine Szene. Manchmal wünschte ich, sie tät es – aber sie lacht mich nur aus.«
»Ich hasse die Art, wie Sie über Ihre Ehe sprechen, Henry«, sagte Basil und ging auf die Tür zu, die in den Garten führte. »Ich glaube, Sie sind in Wirklichkeit ein sehr guter Ehemann und schämen sich dessen bloß. Sie sind überhaupt ein absonderlicher Mensch: Sie sagen nie etwas Moralisches und tun nie etwas Unmoralisches. Ihr Zynismus ist nichts als Pose.«
»Natürlichkeit ist nichts als Pose. Und zwar die ärgerlichste, die ich kenne«, rief Lord Henry lachend aus.
Die beiden jungen Männer gingen nun zusammen in den Garten hinaus und ließen sich auf einer langen Bambusbank nieder, die im Schatten eines hohen Lorbeerbusches stand. Die Sonnenlichter tanzten über die glatten Blätter. Im Grase zitterten weiße Gänseblümchen.
Nach einer Weile zog Lord Henry die Uhr und sagte leise: »Ich muss leider fort, Basil. Aber bevor ich gehe, müssen Sie mir noch die Frage beantworten, die ich vorhin an Sie gerichtet habe.«
»Was war das?«, sagte der Maler, die Augen fest zur Erde gerichtet.
»Sie wissen es sehr gut.«
»Ich weiß es nicht, Henry.«
»Gut, ich will also nochmals fragen: Erklären Sie mir, warum Sie Dorian Grays Bild nicht ausstellen wollen. Ich möchte aber den wirklichen Grund wissen.«
»Ich habe Ihnen den wirklichen Grund gesagt.«
»Nein, das haben Sie nicht getan! Sie haben gesagt, weil zu viel von Ihnen selbst darin ist. Das ist kindisch.«
»Henry«, sagte Basil Hallward und sah Lord Henry gerade in die Augen. »Jedes Porträt, das mit Empfindung gemalt ist, ist ein Bildnis des Künstlers, nicht der Person, die es darstellt. Diese ist nur der Anlass, die Gelegenheit. Nicht sie wird vom Maler enthüllt – der Maler offenbart auf der farbigen Leinwand sich selbst. Ich will also dies Bild nicht ausstellen, weil ich fürchte, ich habe darin das Geheimnis meiner eigenen Seele gezeigt.«
Lord Henry lachte. »Und was ist das?«, fragte er.
»Ich will es Ihnen sagen«, antwortete Hallward; in sein Gesicht aber trat ein Ausdruck peinlicher Verlegenheit.
»Ich bin gespannt, Basil«, fuhr sein Begleiter fort und sah ihn dabei an.
»Es ist nicht viel, Henry, und Sie verstehen es wohl kaum. Vielleicht glauben Sie mir nicht einmal.«
Lord Henry lächelte und betrachtete ein Gänseblümchen mit rosa angehauchten Blättern, das er, sich zum Gras bückend, gepflückt hatte. »Ich werde Sie gewiss verstehen«, erwiderte er, den Blick aufmerksam auf das kleine goldene, weiß gefiederte Rund der Blume gerichtet. »Und glauben? – Ich kann alles glauben, vorausgesetzt, dass es recht unwahrscheinlich ist.«
Der Wind schüttelte ein paar Blüten von den Bäumen und die schweren, vielgesternten Trauben der Fliederbüsche bewegten sich hin und her in der schwülen Luft. Eine Grille begann an der Gartenmauer zu zirpen und wie ein blauer Faden huschte eine lange, dünne Libelle auf ihren braunen Schleierflügeln vorbei. Lord Henry glaubte Basil Hallwards Herz pochen zu hören und war neugierig, was wohl kommen mochte.
»Die Geschichte ist sehr einfach«, sagte der Maler nach einer Weile. »Vor zwei Monaten war ich auf einem der Massenempfänge bei Lady Brandon. Sie wissen, wir armen Künstler müssen uns von Zeit zu Zeit in der Gesellschaft zeigen, um das Publikum daran zu erinnern, dass wir keine Wilden sind. Sie haben einmal zu mir gesagt: Im schwarzen Frack und weißer Krawatte kann selbst ein Börsenmensch zivilisiert aussehen. Nun denn, ich war etwa zehn Minuten da und sprach mit pompösen, aufgeputzten Witwen und langweiligen Mitgliedern der Academy, da merkte ich plötzlich, dass jemand mich anblickte. Ich wendete mich halb um und sah Dorian Gray zum ersten Mal. Ich spürte, wie ich blass wurde, als sich unsere Blicke begegneten. Ein merkwürdiges Angstgefühl überkam mich. Ich wusste, ich stand einem Menschen Aug in Auge gegenüber, dessen Persönlichkeit so stark auf mich wirkte, dass sie, wenn ich sie gewähren ließe, mich völlig in Besitz nehmen würde – mein ganzes Wesen, meine Seele, ja selbst meine Kunst. Ich hatte keinerlei Bedürfnis nach äußeren Einflüssen auf mein Leben. Sie wissen ja selbst, Henry, wie eigenwillig ich von Haus aus bin. Ich bin immer mein eigener Herr gewesen; war es wenigstens, bis ich Dorian Gray traf. Dann – aber ich weiß nicht, wie ich Ihnen das begreiflich machen soll. Irgendetwas schien mir zu sagen, dass ich an einem bedeutsamen Wendepunkt meines Lebens stand. Ich hatte das sonderbare Empfinden, dass das Schicksal die ausgesuchtesten Freuden und die ausgesuchtesten Schmerzen für mich bereithalte. Mich schauderte und ich wollte hinausgehen. Nicht das Gewissen hat mich dazu getrieben, sondern eine Art Feigheit. Ich bilde mir nichts darauf ein, diese Flucht versucht zu haben.«
»In Wirklichkeit sind Gewissen und Feigheit dieselbe Sache. Gewissen ist der Name, unter dem die Firma eingetragen ist – sonst gar nichts.«
»Ich glaube das nicht, Henry, und Sie glauben es auch nicht! … Einerlei nun, aus welchem Grund es geschah – es mag auch Stolz dabei gewesen sein, denn ich war früher sehr stolz –, ich eilte der Tür zu. Natürlich rannte ich Lady Brandon direkt in die Arme. ›Sie wollen doch nicht schon gehen, Mr. Hallward?‹, kreischte sie auf. Sie erinnern sich ihrer schrillen Stimme.«
»Ja, sie ist ein Pfau in allem, bis auf die Schönheit«, sagte Lord Henry, das Gänseblümchen mit seinen langen nervösen Fingern zerpflückend.
»Ich konnte sie nicht loswerden. Sie schleifte mich zu den königlichen Hoheiten hin, zu Leuten mit den höchsten Orden und zu ältlichen Damen mit gigantischen Diademen und Papageiennasen. Sie nannte mich ihren teuersten Freund. Ich hatte sie vorher nur ein einziges Mal gesehen, aber sie hatte sich in den Kopf gesetzt, aus mir den Löwen der Saison zu machen. Ich glaube, damals hatte gerade ein Bild von mir Erfolg gehabt; wenigstens hatten die Zeitungen allerhand Geschwätz darüber gebracht, und das ist ja im neunzehnten Jahrhundert der Maßstab für unsere Unsterblichkeit … Plötzlich fand ich mich dem jungen Mann gegenüber, dessen Äußeres mich so sonderbar erregt hatte. Wir standen ganz nahe beieinander, berührten uns förmlich. Unsere Blicke trafen sich wiederum. Es war leichtsinnig von mir, aber ich bat Lady Brandon, mich ihm vorzustellen. Vielleicht war es doch nicht leichtsinnig, sondern einfach unvermeidlich. Wir hätten, auch ohne uns zu kennen, miteinander gesprochen. Gewiss. Dorian hat es mir nachher gesagt. Auch er fühlte, dass unsere Bekanntschaft Schicksalsbestimmung war.«
»Und wie hat Lady Brandon Ihnen den wunderbaren Jüngling beschrieben?«, fragte der Freund. »Ich weiß, es ist ihre Eigenart, von jedem ihrer Gäste eine kleine Charakteristik zu geben. Ich erinnere mich, wie sie mich einmal zu einem wild aussehenden alten Herrn mit hochrotem Gesicht brachte, dessen Brust mit Orden und Bändern behängt war, und mir in einem tragischen Flüsterton, der für alle Anwesenden hörbar war, die erstaunlichsten Einzelheiten über ihn ins Ohr zischelte. Ich lief einfach davon, denn ich entdecke meine Leute gerne selbst. Lady Brandon behandelt ihre Gäste genau, wie ein Auktionator seine Waren. Sie erklärt sie einem so lange, bis nichts mehr von ihnen übrig bleibt, oder sie sagt alles – bis auf das, was man wissen will.«
»Die arme Lady Brandon! Sie urteilen sehr hart über sie, Henry«, sagte Hallward zerstreut.
»Mein lieber Freund, sie wollte einen Salon gründen und hat es nur zu einem Restaurant gebracht. Wie könnte ich sie da bewundern? Aber sagen Sie endlich, was sie über Dorian Gray erzählt hat.«
»Ach, irgendwas wie ›Entzückender Junge – seine arme Mutter und ich waren unzertrennlich, kann mich absolut nicht erinnern, was er treibt – fürchte fast – gar nichts – o doch, er spielt Klavier – oder ist es Violine, lieber Mr. Gray?‹ Wir mussten beide lachen und wurden sogleich Freunde.«
»Lachen ist kein schlechter Anfang für eine Freundschaft, und es ist gewiss ihr schönstes Ende«, sagte der junge Lord und pflückte noch ein Gänseblümchen.
Hallward schüttelte den Kopf. »Sie haben keine Ahnung, was Freundschaft ist, Henry«, sagte er ganz leise. »Ebenso wenig, was Feindschaft ist. Sie haben gerne; mit anderen Worten: Wir sind Ihnen alle gleichgültig.«
»Wie furchtbar ungerecht von Ihnen!«, rief Lord Henry, schob seinen Hut zurück und sah zu den kleinen Wolken hinauf, die wie wirre Knäuel glänzend weißer Seide über die türkisblaue Halbkugel des Himmels zogen. »Ja, furchtbar ungerecht ist das von Ihnen. Ich mache große Unterschiede zwischen Menschen: zu Freunden wähle ich hübsche, zu Bekannten gutmütige, anständige und zu Feinden kluge. Man kann nämlich nicht vorsichtig genug in der Wahl seiner Feinde sein. Ich habe keinen einzigen, der ein Narr ist. Es sind sämtlich Leute von einer gewissen geistigen Höhe und darum schätzen sie mich auch alle. Bin ich sehr eingebildet? Ich glaube, ja.«
»Ich glaube auch, Henry. Aber nach Ihrer Einteilung käme ich lediglich unter die Bekanntschaften?«
»Mein lieber, alter Basil, Sie sind sicher mehr, weit mehr als eine Bekanntschaft.«
»Und weit weniger als ein Freund! Wohl eine Art Bruder?«
»Ach, Bruder! Bleiben Sie mir mit Brüdern gewogen! Mein ältester will nicht sterben und meine jüngeren tun offenbar auch nichts anderes.«
»Henry!«, rief Basil mit gerunzelter Stirne.
»Mein lieber Freund, ich meine das natürlich nicht ganz so ernst. Aber ich kann mir nicht helfen, ich verabscheue meine Verwandten. Ich vermute, das kommt daher, dass keiner von uns seine eigenen Fehler bei einem anderen vertragen kann. Ich halte es da durchaus mit den englischen Demokraten und ihrer Wut auf das, was sie die Laster der herrschenden Stände nennen. Die Massen fühlen, dass Trunksucht, Stumpfsinn und Unsittlichkeit ihre Spezialität sein sollten, und dass ihre Vorrechte verletzt werden, wenn sich einer von uns blamiert. Als der arme Southwark damals seinen Scheidungsprozess hatte, war ihre Entrüstung geradezu prachtvoll. Und trotzdem lebt meiner Meinung nach nicht der zehnte Teil des Proletariats anständig.«
»Ich stimme nicht einer einzigen Ihrer Bemerkungen bei, und, was mehr ist, Henry, ich fühle, dass Sie selbst an sie nicht glauben!«
Lord Henry strich sich den spitzen braunen Bart und stieß mit dem Ebenholzstock, an dem eine kleine Quaste hing, gegen die Kappe seines Lackstiefels.
»Wie englisch Sie sind, Basil! Sie machen heute zum zweiten Mal diesen Einwurf. Wenn man einem richtigen Engländer eine Idee mitteilt, was ja immer unbesonnen ist, fällt es ihm nicht im Traum ein, zu überlegen, ob die Idee richtig oder falsch ist. Das Einzige, was ihm von Belang scheint, ist, ob der Sprecher glaubt, was er sagt oder nicht. Aber der Wert eines Gedankens hat nicht das Geringste mit der Ehrlichkeit dessen, der ihn ausspricht, zu schaffen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Idee um so geistreicher sein, je unaufrichtiger der Mann ist. Dann haben nämlich weder seine Mängel, noch seine Wünsche, noch seine Vorurteile auf sie abgefärbt. Indes, ich habe nicht die Absicht, politische, soziale oder philosophische Diskussionen mit Ihnen zu führen. Mir sind Menschen lieber als Grundsätze und grundsatzlose Menschen überhaupt das Liebste auf der Welt. Erzählen Sie mir mehr von Dorian Gray. Wie oft sehen Sie ihn?«
»Jeden Tag. Ich wäre unglücklich, wenn ich ihn einen Tag nicht sähe. Er ist für mich einfach notwendig.«
»Merkwürdig! ... Ich habe immer geglaubt, Sie kümmerten sich nie um etwas anderes als um Ihre Kunst.«
»Meine Kunst und er – das ist jetzt nur eins«, sagte der Maler ernsthaft. »Manchmal glaube ich, Henry, dass es nur zwei wichtige Epochen in der Weltgeschichte gibt. Die erste ist die Einführung einer neuen künstlerischen Technik und die zweite die Erscheinung eines neuen Kunsttypus. Was die Erfindung der Ölmalerei für die Venezianer war, das war das Gesicht des Antinous für die spätgriechische Plastik, und das wird das Gesicht Dorian Grays eines Tages für mich sein. Das, worauf es ankommt, ist nicht, dass ich ihn male, zeichne, skizziere. Natürlich habe ich das alles getan, aber er ist weit mehr für mich als ein Modell oder ein Mensch, der mir sitzt. Ich will gewiss nicht behaupten, dass ich unzufrieden mit dem bin, was ich nach ihm gemacht habe, oder dass seine Schönheit von einer Art ist, die die Kunst nicht ausdrücken kann. Es gibt überhaupt nichts, was die Kunst nicht ausdrücken kann, und ich weiß: was ich geschaffen habe, seitdem ich Dorian Gray kenne, ist gut, ja, das Beste, was mir je gelungen ist. Aber auf irgendeine sonderbare Weise – ich glaube nicht, dass Sie das verstehen werden – hat mir seine Persönlichkeit eine vollständig neue Art der Kunst, einen durchaus neuen Stil offenbart. Ich sehe jetzt die Dinge ganz anders, ich empfinde sie anders, ich kann das Leben auf eine Art neu schaffen, die mir früher verschlossen war. ›Ein Traum von Form in den Tagen des Denkens‹ – wer hat das doch gesagt? Ich weiß nicht mehr, aber es ist genau das, was Dorian Gray für mich bedeutet. Was die bloße Anwesenheit dieses Knaben – denn für mich ist er kaum mehr als ein Knabe, wenn er auch schon über die zwanzig hinaus ist – für mich bedeutet, können Sie sich gar nicht vorstellen. Ohne selbst eine Ahnung davon zu haben, enthüllt er mir die Linien einer neuen Schule, einer Schule, in der die ganze Leidenschaft der Romantik enthalten ist und die ganze Vollkommenheit des griechischen Geistes. Die Harmonie von Seele und Leib – wie viel ist das doch! Wir in unserem Wahnsinn haben die beiden voneinander getrennt und haben einen Realismus erfunden, der gemein, und einen Idealismus, der leer ist. Henry, wenn Sie wüssten, was mir Dorian Gray ist! Erinnern Sie sich der Landschaft, die ich einmal gemalt habe, und für die mir Agnew eine so ungeheure Summe angeboten hat, und die ich doch nie weggeben wollte? Es ist sicher eine der besten Sachen, die ich je gemacht habe. Und warum ist sie das? Weil, während ich sie gemalt habe, Dorian Gray neben mir saß. Irgendein feiner Strom ging von ihm zu mir, und zum ersten Mal in meinem Leben entdeckte ich in dem simpeln Hügelland, das ich malte, das Wunder, nach dem ich immer gesucht hatte und das ich nie herausbringen konnte.«
»Basil, das ist ja eine ganz außerordentliche Geschichte! ... Ich muss Dorian Gray kennenlernen.«
Hallward sprang von der Bank auf und ging im Garten hin und her. Erst nach einer Weile kam er zurück.
»Henry«, sagte er, »Dorian Gray ist für mich einfach ein künstlerisches Motiv. Möglich, dass Sie gar nichts an ihm finden – ich finde alles in ihm. Er ist nie mehr in meiner Arbeit gegenwärtig, als wenn sie in Wirklichkeit auch nicht einen Schatten von ihm enthält. Er ist für mich, wie ich Ihnen schon gesagt habe, die Anregung zu einem neuen Stil. Ich finde ihn in gewissen Linien wieder, in der Lieblichkeit und Zartheit gewisser Farben. Das ist alles.«
»Wenn das alles ist, warum wollen Sie dann sein Bild nicht ausstellen?«, fragte Lord Henry.
»Weil ich, ohne es zu wollen, den Ausdruck all dieser ganz merkwürdigen Künstlervergötterung hineingelegt habe. Natürlich habe ich Dorian nie etwas davon gesagt. Er hat von alledem keine Ahnung und soll auch nie etwas davon erfahren. Aber die Welt könnte es erraten; und ich will meine Seele ihren oberflächlichen, gierigen Blicken nicht entblößen. Mein Herz sollen sie nie unter ihr Mikroskop legen dürfen ... Es ist zu viel von mir selbst in dem Bild, Henry – zu viel von mir selbst.«
»Dichter nehmen’s nicht so genau wie Sie. Die wissen, dass Leidenschaft für den Absatz ihrer Bücher sehr günstig ist. Ein gebrochenes Herz verhilft heutzutage zu einer ganzen Reihe von Auflagen.«
»Ich finde das abscheulich von Ihren Dichtern!«, rief Hallward aus. »Ein Künstler soll Schönes schaffen, aber er soll nichts von seinem eigenen Leben hineinbringen. Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen aus der Kunst eine Art Autobiografie machen wollen. Wir haben einfach den klaren Begriff der Schönheit verloren. Später einmal will ich der Welt zeigen, was sie ist, und deshalb soll sie mein Bild des Dorian Gray niemals sehen.«
»Ich glaube, Sie haben unrecht, Basil, aber ich will mit Ihnen nicht streiten. Nur die geistig leeren Menschen streiten überhaupt! ... Sagen Sie, liebt Dorian Gray Sie sehr?«
Der Maler dachte einige Augenblicke nach, dann nach einer Weile sagte er: »Er hat mich gern. Ja, sicher, er hat mich gern. Natürlich schmeichle ich ihm fürchterlich. Ich empfinde eine ganz sonderbare Lust, ihm Dinge zu sagen, die mir später leidtun. In der Regel ist er auch entzückend zu mir und wir sitzen im Atelier und plaudern von tausend Dingen. Dann und wann ist er allerdings gräulich rücksichtslos und scheint große Freude daran zu finden, mich zu kränken. Dann, Henry, habe ich das Gefühl, dass ich meine Seele jemandem ausgeliefert habe, der sie behandelt wie eine Blume, die man ins Knopfloch steckt, ein Schmuckstück, mit dem man seine Eitelkeit befriedigt, einen Zierrat für einen kurzen Sommertag.«
»Sommertage, Basil, dauern im Gegenteil lange«, murmelte Lord Henry. »Aber vielleicht werden Sie seiner früher müde, als er Ihrer. Es ist sehr traurig, doch ohne Zweifel: Das Genie überdauert die Schönheit. Das erklärt auch, warum wir uns so viel Mühe geben, uns zu überbilden. In dem wilden Existenzkampf, den wir führen, wollen wir etwas Dauerhaftes haben, und so füllen wir unser Gehirn mit Plunder und Tatsachen an, in der dummen Hoffnung, auf diese Art unseren Platz zu behaupten. Der durch und durch gebildete Mann – das ist das moderne Ideal. Und das Gehirn dieses durch und durch gebildeten Mannes ist etwas Fürchterliches. Es gleicht einem Kuriositätenladen voll lauter absonderlicher, verstaubter Gegenstände, die alle über ihren wahren Wert ausgezeichnet sind ... Immerhin, ich glaube, Sie werden früher müde werden als er. Eines Tages werden Sie Ihren Freund anschauen und finden, dass er etwas verzeichnet ist, oder Sie werden seine Farbe nicht mögen oder irgendetwas Ähnliches. Sie werden ihm dann in Ihrem Herzen bittere Vorwürfe machen und ganz ernsthaft davon überzeugt sein, dass er sich sehr schlecht gegen Sie benommen hat. Wenn er Sie dann das nächste Mal besucht, werden Sie völlig kühl und gleichgültig gegen ihn sein. Aber das wird sehr schade sein, denn es wird Sie selbst sehr verändern. Was Sie mir da erzählt haben, ist ein richtiger Roman. Man könnte es einen Kunstroman nennen. Das Schlimme beim Erleben von Romanen ist nur, dass man nachher so ganz unromantisch zurückbleibt.«
»Henry, bitte, sprechen Sie nicht so. Solang ich lebe, wird mich die Persönlichkeit Dorian Grays beherrschen. Sie können nicht empfinden, was ich empfinde – Sie verändern sich zu oft.«
»Ja, mein lieber Basil, das ist aber gerade der Grund, warum ich es empfinden kann. Treue Menschen kennen nur die alltägliche Seite der Liebe – die Treulosen allein begreifen die Tragödien der Liebe.« Bei diesen Worten zündete Lord Henry an einem zierlichen silbernen Büchschen ein Wachskerzchen an und begann eine Zigarette zu rauchen, mit selbstbewusster, zufriedener Art, als hätte er den Sinn der ganzen Welt in einem Satz zusammengefasst.
Man hörte ein leises Rascheln, das von den zwitschernden Sperlingen in den grünen, wie lackiert aussehenden Efeublättern kam, und blaue Wolkenschatten jagten einander über das Gras wie Schwalben. Wie hübsch war es doch in dem Garten! Und wie entzückend waren doch die Gefühlsregungen anderer Leute – viel entzückender als ihre Gedanken, wie es Lord Henry schien. Die eigene Seele und die Leidenschaften eines Freundes – das waren eigentlich die fesselnden Dinge des Lebens. Er stellte sich mit geheimem Vergnügen das langweilige Frühstück vor, das er durch seinen langen Besuch bei Basil Hallward versäumt hatte. Wenn er zu seiner Tante gegangen wäre, hätte er dort sicherlich Lord Goodbody getroffen und das ganze Gespräch hätte von Volksernährung und der Notwendigkeit von Musterwohnungen gehandelt. Jeder Stand hätte die Wichtigkeit gerade jener Tugenden gepredigt, die auszuüben in seinem eigenen Leben keine Notwendigkeit vorlag. Der Reiche hätte vom Wert der Sparsamkeit gesprochen und der Müßige rnit ungemeiner Beredsamkeit über die Würde der Arbeit. Es war reizend, all dem entgangen zu sein.
Als Lord Henry an seine Tante dachte, fiel ihm etwas ein. Er wendete sich Basil zu und sagte: »Lieber Freund, eben erinnere ich mich.«
»Woran erinnern Sie sich, Henry?«
»Wo ich den Namen Dorian Grays schon gehört habe.«
»Wo war das?«, fragte Hallward, die Stirn leicht runzelnd.
»Sehen Sie mich nicht so böse an, Basil. Es war bei meiner Tante, Lady Agatha. Sie erzählte mir, sie habe einen wundervollen jungen Menschen entdeckt, der ihr im East End helfen wolle, und er heiße Dorian Gray. Ich muss zugeben, sie hat mir nie etwas darüber gesagt, dass er so hübsch ist. Frauen haben kein Verständnis für Schönheit; wenigstens anständige Frauen nicht. Sie sagte mir, dass er ein sehr, sehr wertvoller Mensch sei und einen prachtvollen Charakter habe. Ich stellte mir sofort ein Wesen mit Brille, dünnem Haar und grässlichen Sommersprossen vor, das auf ungeheuren Füßen herumstapft. Ich wünsche jetzt, ich hätte damals gewusst, dass es Ihr Freund ist.«
»Ich bin froh, dass Sie es nicht gewusst haben, Henry.«
»Warum?«
»Ich will nicht, dass Sie ihn kennenlernen.«
»Sie wollen nicht, dass ich ihn kennenlerne?«
»Nein!«
»Mr. Dorian Gray ist im Atelier, gnädiger Herr«, meldete der Diener, der eben in den Garten heraustrat.
»Jetzt müssen Sie mich vorstellen!«, rief Lord Henry lächelnd. Der Maler wendete sich seinem Diener zu, der blinzelnd in der Sonne dastand: »Bitten Sie Mr. Gray, zu warten, Parker, ich komme sofort.« Der Mann verbeugte sich und ging ins Haus zurück.
Dann sah Basil Lord Henry ins Gesicht.
»Dorian Gray ist mein teuerster Freund«, sagte er. »Er hat eine schlichte, schöne Seele. Ihre Tante hatte durchaus recht mit dem, was sie über ihn gesagt hat ... Verderben Sie ihn mir nicht. Bemühen Sie sich nicht, Einfluss auf ihn zu bekommen, denn Ihr Einfluss wäre verderblich für ihn. Die Welt ist groß, und es gibt eine Menge köstlicher Geschöpfe auf ihr – nehmen Sie mir nicht den einzigen Menschen, der meiner Kunst ihren besonderen Reiz bietet. Mein künstlerisches Dasein hängt von ihm ab. Denken Sie daran, Henry, ich vertraue Ihnen.« Er sprach sehr langsam, die Worte schienen sich aus ihm gegen seinen Willen loszuringen.
»Was für Unsinn Sie reden!«, sagte Lord Henry lächelnd, nahm Hallward beim Arm und zog ihn fast ins Haus hinein.
Als sie eintraten, sahen sie Dorian Gray. Er saß am Klavier, den Rücken ihnen zugekehrt und blätterte in einem Bande von Schumanns »Waldszenen«.
»Sie müssen mir die Noten leihen, Basil!«, rief er aus. »Ich muss diese Musik lernen, sie ist einfach entzückend.«
»Dorian, das hängt ganz davon ab, wie Sie mir heute sitzen.«
»Es langweilt mich aber, Ihnen zu sitzen, und ich will gar kein lebensgroßes Bild von mir haben«, antwortete der Jüngling und schwang sich in dem Klaviersessel auf eine eigensinnige, ausgelassene Weise herum. Als er aber Lord Henry erblickte, stieg ein schwaches Rot einen Augenblick in seine Wangen und er fuhr auf. »Ich bitte um Entschuldigung, Basil, ich wusste nicht, dass Sie Besuch haben.«
»Das ist Lord Henry Wotton, Dorian, ein alter Freund von Oxford her. Ich habe ihm gerade erzählt, wie wunderbar Sie sitzen, und jetzt haben Sie mir alles verdorben.«
»Mir haben Sie das Vergnügen, Sie kennenzulernen, nicht verdorben, Mr. Gray«, sagte Lord Henry, ging auf ihn zu und gab ihm die Hand. »Meine Tante hat oft von Ihnen gesprochen. Sie sind einer ihrer Lieblinge und, wie ich fürchte, eines ihrer Opfer.«
»Ich stehe jetzt auf Lady Agathas schwarzer Liste«, antwortete Dorian mit einem komisch reuigen Blick. »Ich hatte ihr versprochen, sie letzten Dienstag nach einem Klub in Whitechapel zu begleiten, und habe dann die ganze Geschichte vergessen. Wir sollten dort miteinander vierhändig spielen – drei Stücke, wenn ich mich recht erinnere. Sie wird mir sicher schwere Vorwürfe machen, wenn sie mich das nächste Mal sieht. Ich habe direkt Angst, sie zu besuchen!«
»Ich werde Sie schon mit meiner Tante versöhnen. Sie ist Ihnen sehr zugetan, und ich glaube auch, es schadet nichts, dass Sie nicht da waren. Das Publikum hat vermutlich trotzdem gemeint, es sei vierhändig gespielt worden. Wenn sich Tante Agatha ans Klavier setzt, macht sie Lärm für zwei Personen.«
»Sie sprechen sehr schlecht von ihr und machen mir auch gerade kein Kompliment«, antwortete Dorian lachend.
Lord Henry sah ihn an. Ja, er war wirklich wunderbar schön, mit seinen fein geschwungenen dunkelroten Lippen, den offenen blauen Augen und dem welligen goldblonden Haar. In seinem Gesicht war ein Ausdruck, der sofort Vertrauen erweckte. Alle Aufrichtigkeit der Jugend lag darin und alle leidenschaftliche Reinheit der Jugend. Man fühlte, dass er bisher von der Welt noch unberührt war. Es war kein Wunder, dass ihn Basil Hallward anbetete.
»Sie sind viel zu reizend, um sich der Wohltätigkeit zu widmen, Mr. Gray – viel zu reizend!«, sagte Lord Henry, warf sich auf den Diwan und öffnete seine Zigarettendose.
Der Maler hatte inzwischen eifrig seine Farben gemischt und seine Pinsel zurechtgelegt. Er sah verärgert aus, und als er die letzte Bemerkung Lord Henrys hörte, blickte er zu ihm hin, zögerte einen Augenblick und sagte dann: »Henry, ich möchte das Bild heute fertig malen. Werden Sie es sehr grob von mir finden, wenn ich Sie bitte, uns jetzt allein zu lassen?«
Lord Henry lächelte und sah Dorian Gray an. »Soll ich gehen, Mr. Gray?«
»Bitte, bleiben Sie, Lord Henry, Basil hat heute einen schlechten Tag, und ich kann ihn nicht leiden, wenn er so ist. Außerdem möchte ich von Ihnen erfahren, warum ich mich nicht der Wohltätigkeit widmen soll.«
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen soll, Mr. Gray. Es ist eine so langweilige Sache, dass man nur ernsthaft darüber reden könnte. Aber jetzt, nachdem Sie mich gebeten haben, dazubleiben, gehe ich auf keinen Fall. Sie haben doch nichts dagegen, Basil? Sie haben mir so oft gesagt, dass es Ihnen angenehm ist, wenn die, die Ihnen sitzen, mit jemand plaudern können.«
Hallward biss sich auf die Lippe. »Wenn Dorian es wünscht, müssen Sie natürlich dableiben. Dorians Launen sind Gesetze für jedermann, außer für ihn selbst.«
Lord Henry nahm seinen Hut und seine Handschuhe. »Sie drängen mich ja sehr, lieber Basil, aber ich fürchte doch, ich muss gehen. Ich habe eine Verabredung mit einem Herrn im Orleansklub. Adieu, Mr. Gray! Kommen Sie doch gelegentlich einmal nachmittags zu mir in die Curzon Street. Um fünf Uhr treffen Sie mich fast täglich. Schreiben Sie mir, bitte, wann Sie kommen. Es würde mir sehr leidtun, Sie zu verfehlen.«
»Basil«, rief Dorian Gray. »Wenn Lord Henry Wotton geht, dann gehe ich auch. Sie sprechen ja nie ein Wort, wenn Sie malen, und es ist furchtbar langweilig, auf einem Podium zu stehen und immer freundlich auszusehen. Bitten Sie ihn, dazubleiben, ich bestehe darauf.«
»Bleiben Sie Dorian und mir zuliebe«, sagte Basil, die Augen fest auf sein Bild gerichtet. »Er hat ganz recht, ich spreche nie ein Wort, während ich arbeite, höre auch nie zu, und es muss sehr langweilig für die unglücklichen Menschen sein, die mir sitzen. Ich bitte Sie, dazubleiben.«
»Was wird aber aus meiner Verabredung im Orleansklub?«
Der Maler lachte. »Ich glaube, damit wird es keine Schwierigkeit haben. Setzen Sie sich nur wieder hin, Henry. Und jetzt, Dorian, gehen Sie aufs Podium. Bewegen Sie sich nicht zu viel und geben Sie auch nicht zu viel acht auf das, was Lord Henry sagt. Er hat einen sehr bösen Einfluss auf alle seine Freunde, mich allein ausgenommen.«
Dorian Gray bestieg mit der Miene eines jungen griechischen Märtyrers das Podium und schnitt, zu Lord Henry gewandt, eine komische Grimasse. Er hatte zu diesem Mann, der so ganz anders war als Basil, eine schnelle Neigung gefasst. Die beiden bildeten einen entzückend scharfen Gegensatz. Und dann hatte er ein so schönes Organ.
Ein paar Augenblicke später sagte Dorian: »Lord Henry, haben Sie wirklich einen so bösen Einfluss? Ist es so arg, wie Basil sagt?«
»Es gibt keinen guten Einfluss, Mr. Gray. Jeder Einfluss ist unmoralisch – unmoralisch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus.«
»Warum?«
»Weil jemanden beeinflussen so viel ist wie anderen die eigene Seele leihen. Er denkt dann nicht mehr seine eigenen Gedanken, verzehrt sich nicht mehr an seinen eigenen Leidenschaften. Seine Tugenden sind gar nicht seine Tugenden. Seine Sünden – wenn es überhaupt so etwas wie Sünden gibt – sind nur geborgt. Er wird ein Echo für die Töne eines anderen, ein Schauspieler, der eine Rolle spielt, die nicht für ihn geschrieben ist. Der Sinn des Daseins ist: Selbstentwicklung. Die eigene Persönlichkeit voll zum Ausdruck zu bringen – das ist die Aufgabe, die jeder von uns hier zu lösen hat. Heutzutage hat jeder Angst vor sich. Die Menschen haben ihre heiligste Pflicht vergessen, die Pflicht gegen sich selbst. Natürlich sind sie mildtätig. Sie nähren den Hungernden, bekleiden den Bettler – ihre eigenen Seelen aber darben und sind entblößt. Der Mut ist unserem Geschlecht abhandengekommen. Vielleicht haben wir auch nie welchen besessen. Die Angst vor der Gesellschaft, die Grundlage jeder Sittlichkeit, und die Furcht vor Gott, das Geheimnis jeder Religion – das sind die zwei Kräfte, die uns beherrschen. Und doch …«
»Dorian, seien Sie bitte einmal brav und drehen Sie den Kopf eine Spur nach rechts«, sagte der Maler, in sein Werk vertieft; doch er hatte bemerkt, dass in des Jünglings Gesicht ein Ausdruck getreten war, den er vordem nie darin gesehen hatte.
»Und doch«, fuhr Lord Henry mit seiner tiefen musikalischen Stimme fort, während er die Hand in einer anmutigen Art, die er schon in der Schule gehabt hatte, bewegte. »Wenn nur die Menschen ihr eigenes Leben voll bis auf den letzten Rest leben würden, jedem Gefühl Gestalt, jedem Gedanken Ausdruck, jedem Traum Wirklichkeit geben wollten – ich bin überzeugt davon, dann käme in die Welt eine solche Summe von neuer Freude und Lust, dass wir alle die seelischen Krankheiten des Mittelalters vergäßen und zum hellenischen Ideal zurückkehrten. Ja, wir kämen vielleicht zu etwas Feinerem, Reicherem als dem Griechentum. Aber selbst der Tapferste unter uns hat Angst – vor sich selbst. Die Selbstverleugnung, die unser Leben zerstört, ist ein tragischer Überrest der Selbstverstümmelung der Wilden. Wir büßen für unsere Entsagungen. Jeder Trieb, den wir zu unterdrücken suchen, schwelt im Innern weiter und vergiftet uns. Der Körper sündigt nur einmal und ist dann mit der Sünde fertig, denn Tat ist immer Reinigung. Nichts bleibt dann zurück als die Erinnerung an eine Lust oder die Wollust der Reue. Die einzige Art, eine Versuchung zu bestehen, ist, ihr nachzugeben. Widerstehen Sie ihr, so erkrankt Ihre Seele vor Sehnsucht nach der Erfüllung, die sie sich selber verweigert hat, vor Gier nach dem, was nur die ungeheuerlichen Gesetze der Seele ungeheuerlich und ungesetzmäßig gemacht haben. Es ist gesagt worden, dass die großen Ereignisse der Welt im Gehirn vor sich gehen. Im Gehirn und nur im Gehirn werden auch die großen Sünden der Welt begangen. Sie, Mr. Gray, selbst Sie in Ihrer rosenroten Jugend, in Ihrer Jugendblüte, die wie weiße Rosen ist, selbst Sie haben schon Leidenschaften erlebt, die Ihnen Angst eingejagt haben, Gedanken gedacht, die Sie mit Schrecken erfüllt haben, wachend und schlafend Träume geträumt, deren bloße Erinnerung Ihre Wangen schamrot werden ließe …«
»Hören Sie auf!«, stammelte Dorian Gray. »Hören Sie auf, Sie machen mich ganz wirr. Ich weiß nicht, was ich zu alldem sagen soll. Es gibt eine Antwort, aber ich kann sie nicht finden. Sagen Sie nichts mehr! Lassen Sie mich nachdenken. Oder vielmehr, lassen Sie mich versuchen, nicht nachzudenken.«
Etwa zehn Minuten stand er bewegungslos, mit halb offenen Lippen und seltsam leuchtenden Augen da. Er war sich dumpf bewusst, dass ganz neue Einflüsse in ihm arbeiteten. Und doch schien es, als kämen sie in Wirklichkeit aus seinem eigenen Innern. Die wenigen Sätze, die Basils Freund zu ihm gesprochen hatte – ohne Zweifel zufällig hingeworfene Worte voll eigenwilliger Paradoxie – hatten eine geheime Saite seiner Seele berührt, die vordem nie getönt hatte, die er aber nun zittern, in seltsamen Schwingungen schwingen fühlte.
Bisher hatte ihn nur die Musik so aufgewühlt. Die Musik hatte ihn schon oft in Aufruhr gebracht. Aber Musik konnte man nicht mit dem Verstand erfassen … Sie schafft keine neue Welt, schafft eher ein neues Chaos in uns. Wie schrecklich die Worte sind! Wie klar, wie wirklich, wie grausam! Man kann ihnen nicht entrinnen. Und doch, welch tiefer Zauber steckt in ihnen! Sie scheinen die Kraft zu haben, formlosen Dingen plastische Gestalt zu geben, und sie besitzen eine eigene Musik, so süß wie die der Geige oder der Flöte. Einfache Worte vermögen das! Aber gibt es irgendetwas so Wirkliches wie Worte?
Es hatte in seiner Knabenzeit Dinge gegeben, die unbegreiflich gewesen waren. Jetzt erst verstand er sie. Plötzlich bekam das Leben lodernde Farben. Nun schien es ihm, als sei er mitten durch Flammen gewandert. Warum hatte er es bisher nie gewusst?
Lord Henry beobachtete ihn mit einem feinen Lächeln. Er kannte genau den psychologischen Moment, in dem man kein Wort sagen durfte. Dieser junge Mensch interessierte ihn sehr. Die schnelle Wirkung seiner Worte hatte ihn in Erstaunen gesetzt; nun entsann er sich eines Buches, das er mit sechzehn Jahren gelesen und das ihm viel bis dahin Unbekanntes enthüllt hatte, und fragte sich, ob Dorian Gray wohl eine ähnliche Erfahrung erlebe. Er hatte auf gut Glück einen Pfeil abgeschossen. Hatte er ins Ziel getroffen? … Wie bezaubernd war doch dieser Jüngling!
Inzwischen malte Hallward mit jenem wunderbar breiten Strich weiter, der das Zeichen aller wahren Feinheit und Vollkommenheit ist; denn die können der Kunst nur aus der Kraft werden. Er merkte die wortlose Stille gar nicht.
»Basil, das Stehen macht mich müde!«, rief Dorian plötzlich aus. »Ich muss hinaus in den Garten und mich hinsetzen. Die Luft hier ist unerträglich drückend.«
»Lieber, es tut mir wirklich leid, dass ich Sie so plage. Wenn ich male, kann ich an sonst nichts denken. Aber Sie haben nie besser gesessen – Sie waren ganz ruhig. Und ich habe endlich den Ausdruck herausgebracht, den ich gesucht habe: die halb offenen Lippen und den Glanz in den Augen. Ich weiß nicht, was Ihnen Henry erzählt hat, aber sicher hat er Ihnen einen prachtvollen Ausdruck gegeben. Ich vermute, er hat Ihnen Komplimente gemacht. Sie dürfen ihm aber kein Wort glauben.«
»Nein, er hat mir nicht das geringste Kompliment gemacht. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich wirklich kein Wort von dem glaube, was er gesagt hat.«
»Sie wissen selbst, dass Sie jedes Wort davon glauben«, erwiderte Lord Henry, der ihn mit seinen weichen, träumerischen Augen ansah. »Wir wollen zusammen in den Garten gehen, es ist furchtbar heiß hier im Atelier. Basil, lassen Sie uns irgendetwas recht Kaltes zu trinken geben, irgendwas mit Erdbeeren.«
»Sofort, Henry. Bitte, klingeln Sie doch mal, und wenn Parker kommt, will ich ihm sagen, was Sie wünschen. Ich muss den Hintergrund hier noch fertigmachen; ich komme später nach. Halten Sie mir aber Dorian nicht zu lange fest. Ich war nie in besserer Stimmung zum Malen als heute. Dies Porträt wird mein Meisterwerk. Schon jetzt, wie es da steht, ist es mein Meisterwerk.«