Wassergrab
Kriminalroman
ISBN 978-3-8412-0669-5
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Oktober 2013
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Die Originalausgabe erschien 2013 bei Aufbau, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
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Für Michael T. Fetzer
Inhaltsübersicht
Cover
Impressum
November
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Dezember
Kapitel 22
Kleines Glossar jenischer Begriffe
Abkürzungen
Danksagung
Informationen zum Buch
Informationen zur Autorin
Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne ...
Umzüge aber waren das Schlimmste. Verreisen, Taschen packen, irgendwohin fortzufahren, um diese Taschen wieder auszupacken – kein Wunder, dass sein letzter Urlaub Jahre zurücklag. Nie würde er sich freiwillig auf eine Reise begeben, und er verstand sie nicht, seine Kolleginnen und Kollegen, die das Jahr für Jahr aufs Neue taten. Manche sogar mehrmals.
Ein fast unmerklicher Schauer fuhr durch seinen Körper wie über ein Xylophon; wenn er noch länger so vor der Türe stehenbliebe, hätte es sich bald ausgetropft, und sein Mantel wäre trocken. Behutsam hob er einen Fuß, der Boden machte schmatz. Ein halber Blick zurück durch den langen Flur, dann drückte er die Klinke.
Imogen war schon da. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch, in sich gedrängt, kompakt wie eine Kröte. Die braunen Haare locker ums Gesicht. Der Grüntee dampfend in der Tasse. Ihre Finger prasselten als Flageolett-Glissando über die Tastatur. Ihre Stirn lag gewellt, ihre Zunge ruhte im Mundwinkel, ein Zeichen, dass sie in Konzentration gefangen war und damit meilenweit entfernt.
Er drehte sich um und streifte seinen Mantel ab. Sorgfältig hängte er ihn an die Garderobe. Mit der flachen Hand strich er die Ärmel glatt. Letzte Tropfen glitten über den Saum und fielen in die Geräuschlosigkeit. Am Boden standen in einer Plastikschuhschale ein paar kleine weiße Gummistiefel, modisch verziert mit pinkfarbenen Kätzchen. Imogen trug demnach ihre Büro-Shape-ups. Als er sich umdrehte und auf die Kisten und Ordner und Akten und Mappen, über die Stapel auf und neben seinem Tisch blickte, schwang sich ein kurzer hoher Ton in seinem rechten Ohr zu einem Pfeifen. Und verschwand. Wie auf ein Zeichen hin schaute Imogen über den Rand ihrer Schreibbrille.
»Dann bist du jetzt also da. Willkommen im neuen Büro, Leandro Scheu.«
Unendlich langsam bewegte er sein Gesicht zu ihr hin. »Dann bin ich jetzt also da, ja.«
Sie schaute schon nicht mehr. Stirnfalten, Zunge, Finger, alles am rechten Platz, tippte sie weiter an ihrem Bericht. Jeder Anschlag saß. Wie ein gut einstudiertes Fingerspitzenkonzert. Auf ihren Lippen die Spuren eines Lächelns.
Draußen trommelte der Regen. In seinem Kopf prasselten leere Worthülsen zu Boden. Was hätte man nicht alles darauf antworten können, wenn man wortgewandt wäre! Wenn man schlagfertig wäre und locker. Aber das war man nicht, nicht, wenn man Leo Scheu hieß, und nicht im Umgang mit den Kollegen. Die rechten Worte fand man offenbar stets nur mit denjenigen, denen man im Leben kein zweites Mal begegnen würde. Nun, das stimmte so auch nicht. Ehrlicher wäre, und das wusste Scheu, es war ihm zutiefst präsent und unangenehm, ehrlicher wäre, sich einzugestehen, dass einem die rechten Worte immer da fehlten, wo man in freundschaftliche Beziehung hätte treten sollen. Oder können. Wollen. Müssen. In Sachen Beziehungssabotageakte hätte Scheu einen Bestseller mit integriertem 12-Punkte-Plan verfassen können. Na ja, schreiben war auch nicht so seins.
Er fuhr sich mit beiden Händen zwei-, dreimal durchs Haar und wandte sich dem Einrichten seines neuen Arbeitsplatzes zu.
»Wo keine Hoffnung ist, ist Schicksalsergebenheit«, murmelte er ungehört. Wie immer hatte Imogen ihre Ohren abgeschottet, die Menschen redeten ohnehin meistens aneinander vorbei, so unklug war Imogens Verhalten demnach nicht. Dennoch stimmte es Scheu moros, dass auch sie keinen Sinn für Zwischentöne zeigte, und dass er ausgerechnet zu ihr ins Büro wechseln musste, war schon ein Schlag ins Gesicht. Deutlicher hätte es Meier nicht ausdrücken können. Ich mag dich nicht, ich will dich nicht, ich ekle dich hinaus.
Imogens Büro war dafür bekannt, im Sommer das heißeste und im Winter das kälteste zu sein. Kam hinzu, dass Imogen selber offenbar temperaturunempfindlich war, ihr Fenster stand sommers wie winters offen, Regen oder Sonnenschein. Eine Amphibie eben, an dieser Frau perlte alles ab.
Zurückgelassen hatte Scheu sein eigenes Büro: klein, fein. Und still. Ein Büro, in dem er ungehindert denken, wirken, kombinieren konnte. In dem seinen Worten, die er gerne vor sich hin murmelte, keine Hindernisse im Weg standen, in dem er sich sicher fühlte beim Bilden von Sätzen, sicher und stark, und seine Einvernahmen, das wusste er, waren gerade wegen dieser Sicherheit und Stärke seine Kernkompetenz. Seine Stimme, die stets ruhig blieb, nie Ungehaltenheit oder Gereiztheit zeigte, seine väterlich wirkende Fürsorglichkeit und schließlich die Fähigkeit, sich ganz in die Geschichte seines Gegenübers einzugeben, ohne Werturteil und ohne den Zwang, unbedingt Erfolg haben zu müssen – das alles löste den meisten Tätern die Zunge und befreite sie von einem Gewicht, einem moralischen Dilemma, von dem Scheu nur erahnen konnte, wie schwer es lastete. Aber da hatte er sich unbeobachtet fühlen dürfen in seinem Einerbüro … wie sollte das in einem Zweierbüro funktionieren? Eingekeilt zwischen fremden Möbeln und einer wasserundurchlässigen Berufskollegin mit Fingern, die über den rund sechzig Tasten, die man für den täglichen Gebrauch benötigte, nur so auf und ab sausten. Vorsichtig linste er hinter einer Kiste hervor, sie benutzte tatsächlich alle zehn.
»Bringt René noch mein Holzregal, wie ich es angeordnet habe? René – von der Logistik?« Auch darauf antwortete sie nicht. Vermutlich würden sich seine Befürchtungen bewahrheiten.
Alles hier war elegant und weiß. Ein Sonntagsbüro. Wie die anderen Büros, die mittlerweile mit diesem modernen Modulsystem aufgemöbelt worden waren. Scheu vermisste jetzt schon seinen altgedienten Holzrollladenschrank. Die Beamtengarnitur der 1960er-Jahre. Oder noch älter. Egal wie alt. Alt ist nicht immer schlecht. Alt heißt auch altbewährt.
Scheu stapelte die grauen Bundesordner, einen nach dem anderen, zu einem schiefen Turm. Alterprobt. Einzelne Aktentheks und Mäppchen sichtete er grob und verteilte sie im Schrank, auf dem Boden, auf dem Tisch … von alters her gut … rechts vom Computerbildschirm, altmeisterlich, links vom Computerbildschirm. Altehrwürdig, er seufzte das Wort. Mitte vierzig darf man das. Dann blätterte er gedankenverloren in der obersten Mappe und ließ sie an einer bestimmten Stelle offen liegen. Mit der Handkante fuhr er den Falz entlang, bis sich die Seiten ergaben. Er schaltete seinen Computer ein, blickte prüfend auf die Kabel, schob die Maus ein paar Mal hin und her und stieg mit dem Kopf ins Flimmern des Bildschirms hinein.
»Hm, alles da«, murmelte er. Es beruhigte ihn, die eigene Stimme zu hören. Und er wäre auch nicht im Traum dazu bereit, diese Eigenheit aufzugeben. Seine Idee war es nicht gewesen, das Büro zu wechseln. Ausgerechnet zu Imogen Kant, dieser Streberin, die machte einem doch das Leben schwer. Dabei hätte er gar nicht zu sagen gewusst, womit. Allein, dass sie da war, genügte, diese kleine Person, die immer so viel Kompetenz ausstrahlte, dass es beinahe wie Großmannssucht aussah.
Vermutlich wollte Dienstchef Meier, dass er von ihr lerne. Von ihr, die sie einwandfreie Rapporte verfasste, die sie die besten Zahlen vorzuweisen hatte, die sie auf der internen Statistik – Scheu war überzeugt, dass Meier insgeheim eine führte – seit Jahren Platz eins für sich beanspruchte und deren Qualifikationsgespräche ein Plauderstündchen mit dem Chef waren, weil sie ihre Zielvereinbarungen jedes Mal übersprang wie eine Hochsprungweltrekordhalterin. Ganz im Gegensatz zu ihm. Ermittler Leo Scheu, der nun auf der »Watch list« stand, sich neu bewähren und in sechs Monaten noch einmal antraben musste zwecks Standortbestimmung, weil irgendein idiotischer Nadelstreifenanzugfatzke, Verteidiger oder Richter, Meier rückte mit dieser Auskunft nicht heraus, sich schriftlich darüber beschwert hatte, dass seine Rapporte nicht genügten, dass sie »uneindeutig abgefasst« seien, mit »Wiederholungen«, die »läppisch« wirkten, und in einer »zuweilen fast infantilen Sprache«, so dass man »damit nicht arbeiten« könne. »Vermehrt«, wie es hieß, und Scheu wusste, dass das stimmte.
Die Namen seiner Deutschlehrer konnte er noch immer von der ersten bis zur neunten Klasse verzögerungslos herunterbeten. Sie hatten sich ihm eingraviert mit Feststellungen wie »Das einfache Aneinanderreihen von Wörtern lernt heute doch jedes Kind« oder »Großes schreiben wir groß und Kleines klein«. Alles, was er nach neun Jahren Volksschule in dieser Hinsicht noch besaß, war eine einfache Gebrauchssprache, die er in Anwesenheit derer, die er insgeheim schätzte, lieber für sich behielt. Teambildungsanlässe waren der reinste Horror für ihn. Supervisionen eine Qual. Wann immer er das Wort ergreifen und über sich und seine Gefühle sprechen sollte, wurde ihm brandheiß, und der Hals schnürte eng. Mit Worten etwas darzustellen, ob mündlich oder schriftlich, empfand Scheu als sein größtes Manko, und er verdrängte den Gedanken daran regelmäßig und schnell.
So hatte er denn auch beinahe vergessen, dass ihm Dienstchef Meier durchaus auch Lob entgegenbrachte, für solide Einvernahmen, für seine Fähigkeit, sich innerlich vorzubereiten, und überhaupt für seine Genauigkeit, seine Gründlichkeit, mit der er jedem neuen Fall begegnete. Dranblieb. Nicht aufgab. Und dabei noch nicht einmal verbissen wirkte, sondern »zugänglich und entspannt«, so hatte Meier das genannt. »Dir schlüpft nichts durch die Maschen, Leo, du hast eine phänomenale Kombinationsgabe, kannst Fäden zuordnen, die in der Luft herumschwirren«, alles harte Faktoren, die »zählen in einem Ermittlerleben«. Und erst die weichen! Sein Verhalten gegenüber jedermann, das klar und höflich war, sein Auftreten im Großen und im Kleinen – Scheu wusste nicht, was damit gemeint war, er hatte längst auf Durchzug geschaltet –, »nur die Rapporte, Mensch«. Ja, die Rapporte, »die müssen einwandfrei sein, wie stehen wir denn sonst da als Dienstabteilung«.
Wie stehe ich jetzt da? Dass sein Büro für Theophil Lutz benötigt wurde, weil der nach einer längeren Auszeit wieder zurückgekehrt war, konnte nur ein Vorwand sein.
Wie hatte Imogen noch gleich gesagt? »Dann bist du jetzt also da« – Begrüßungsphrase eines Cerberus.
Mit einem vernehmbaren Seufzer wandte er sich seinen Notizen im Mäppchen zu, den hingekritzelten Worten, aus denen er einen Bericht machen sollte. Was, gemäß Meier und wie ihm das Fräulein gegenüber noch immer rhythmisch tippend bewies, für gewisse Menschen offenbar keine Kunst war.
Ohne dass ein Klopfen vorausgegangen wäre, sprang die Tür auf, und im Rahmen erschien das rosige Gesicht Windlins. Er war der Jüngste im Team und noch nicht allzu lange beim Dienst »Leib und Leben«. Seine Stimme hatte in ihrer Lebendigkeit stets etwas von kindlicher Neugier mitschwingen. »Habt ihr schon gehört, wir sammeln für Meier. Er feiert ja demnächst seinen Sechzigsten.« Windlin wedelte mit einer übergroßen Karte und ließ mit der anderen Hand den Inhalt einer Kartonbox rascheln und klappern.
Imogen war nicht nur Amphibie, sie war offenbar auch Mäuschen: Augenscheinlich besaß sie die Gabe des lautlosen Handelns. Die Tasche auf den Schoß, geöffnet und beide Hände drin, und schon reichte sie Windlin fünfzig Franken. »Genügt, oder?«
»Sicher, klar! Und du? Gibst du Meier auch etwas? Wir sammeln für eine Privatführung im Zoo und dann noch für einen Gutschein vom Transa. Spezialist für Outdoor-Ausrüstungen. Es machen alle mit.«
Scheu zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche und griff mit zwei Fingern hinein. Da waren ein Hunderter und zwei Fünfziger. So Großes hatte er nicht geben wollen. Aber Kleingeld zu geben ging auch nicht. »Ich habe grad nichts da. Muss noch auf die Bank heute«, sagte er in den Beutel hinein.
»Macht nichts, ich leih dir was«, sagte Imogen und hielt Windlin einen zweiten Fünfziger hin, »den kannst du mir später zurückgeben, Leo.«
»Ah. Danke vielmals.« Scheu verzog das Gesicht.
»Bist jetzt also hier, Leo? Gut angekommen? Schon eingelebt?«
Scheu schaute Windlin entgeistert an.
»Ich sehe schon, du hast zu tun.« Und als er sich zum Gehen wandte, rief ihm Scheu hinterher: »Wenn du René siehst, sag ihm, ich brauche mein Holzregal!«
Ein Windhauch erfasste Scheus Mantelkragen, als die Tür ins Schloß fiel. Er war noch immer fleckig und nass. Draußen regnete es seit Tagen.
Als sich Scheu wieder seinem Bildschirm zuwandte, blieb sein Blick kurz auf Imogens Gesicht haften, die ihn anstarrte. Er schluckte. Mit einer unsicheren Bewegung versuchte er das wellige schwarze Haar aus seiner gerunzelten Stirn zu streichen.
»Musst noch den Bericht schreiben? Brandschatzung in Binz, ja? Till Schmassmann ist ganz schön sauer, dass der Blick dermaßen übertrieben hat«, sagte sie.
»M-hm.«
»Hast du gut gemacht, übrigens.« Dann, nach einer Fuge der Stille: »Wir haben letzte Woche beim Kegelabend darüber gesprochen. Wirklich beeindruckend. Ich staune jetzt noch, dass der Typ gestanden hat. Und so zügig.« Wieder flüsterte der Hauch eines Lächelns auf ihren Lippen. Ihre Oberlippe war breiter und flacher als die untere. Das wirkte beruhigend.
Er würde schon mit ihr zurechtkommen. Irgendwie. Wenn er Schritt für Schritt vorginge. Wenn er ihre Triumphe ausblendete. Sich all das Weiß im Zimmer braun vorstellte. Den Kunststoff als Holz. Oder diesem Büro überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkte. Wenn er, so wie immer, einfach das tat, was als Nächstes anstand.
Diesen Bericht verfassen zum Beispiel. Das Klingeln in seinem Ohr ignorierte er, als er seine Finger auf den Tasten platzierte. Mit vieren kam er ganz gut voran, wer sagt denn, dass es fürs Maschineschreiben zehn braucht. Und durch den Bildschirm hindurchsehen konnte diese Imogen auch nicht.
Sein eigenes kleines Tippkonzert folgte zwar einem deutlich langsameren Rhythmus, aber es klang doch flüssig, es klang sogar gut. Wenn er sich anstrengte, könnte ihm dieser Bericht bis heute Abend gelingen.
Keine zwei Zeilen und es klopfte. Imogen tippte ungerührt weiter. Scheu schnaufte laut auf und rief dann zur Türe hin: »René! Ja, endlich!«
Die Tür öffnete sich zögerlich. Herein trat eine schlanke Frau mit langen Haaren. Verdutzt schaute Scheu. Und brauchte einen Moment. Man ist ja nicht allein im eigenen Büro, vermutlich eine Besucherin für Imogen. Eine Freundin … Ein Pausenschwatz. Die Frau stand da, unschlüssig, weder draußen noch drinnen, eine Damenledertasche mit matt polierten Goldgriffen am Ellenbogengelenk. Und dann passierte alles gleichzeitig: Imogens Telefon klingelte, die Frau sagte irgendetwas an Scheu gerichtet, und schon sprang Imogen von ihrem Stuhl auf mit einem fröhlichen »Komme gleich« in den Hörer hinein und schlängelte sich neben der Fremden zur Tür hinaus.
In all den Jahren, in denen Leo Scheu bei der Kantonspolizei Zürich in Diensten stand, war es noch nie vorgekommen, dass eine Fremde unangemeldet in seinem Büro erschien. Fremde kamen nur, wenn sie vorbestellt waren, und dann wurden sie unten beim Empfang abgeholt und von Scheu selbst nach oben begleitet. Irgendjemand muss diese Frau – ohne mir vorher telefonisch Bescheid zu geben! – hierhergeführt haben. Der junge Windlin vielleicht. Einen kurzen Moment war Scheu in Versuchung, sein neues Telefon auf Funktionstüchtigkeit zu überprüfen, dann aber stand er lieber auf, wie sich das gehörte, und sagte, was er in dieser Situation für angemessen hielt: »Ja, bitte?«
»Sie sind Leandro Scheu, Ermittler bei der Kantonspolizei Zürich?«
»Der bin ich«, antwortete er, irritiert ob des heiseren Timbres, des ungewöhnlichen Akzents. Ein fremder Takt, der in ihrer Sprechweise mitschwang, obwohl ihr Deutsch grammatikalisch einwandfrei schien. Wenigstens für seine Ohren.
»Oh«, machte sie und dann noch einmal: »Oh. Ich bin so froh, dass ich Sie gefunden habe.«
»Wer hat Sie, Entschuldigung, hereingelassen?«
Sie überhörte seine Frage, oder sie wollte sie nicht beantworten. Stattdessen sagte sie den einen Satz, der auf Scheu wie ein Déjà-vu wirkte: »Dann bin ich ja nun angekommen«, und blickte ihn mit ernsten Augen an. »Bitte helfen Sie mir. Ich will meine Mutter wiederfinden.«
Scheu tat langsam einen Schritt hinter seinem Schreibtisch hervor. Das klang nun nicht nach einem Kapitalverbrechen. Das klang viel eher nach einer Vermisstensache. Dennoch, er wusste nicht, weshalb, zog er der Frau einen Stuhl heran und bat sie, sich doch bitte erst einmal hinzusetzen. Erst jetzt bemerkte er, dass sie ein grünes Seidenfoulard in ihren Händen umkrampft hielt. Vermutlich hatte sie es zum Schutz gegen den Regen getragen. Ihr Haar war zimtfarben, und nur an den Spitzen zapften Wassertropfen. Es sah aus wie verkochte Spargeln. Sie hatte lange schmale Hände mit langen schmalen Fingern und konisch zulaufenden Nägeln. Die Ringe, der eine milchig-grün besteint, der andere milchig-gelb, mussten Spezialanfertigungen sein. Wie sonst sollten sie an den beinahe glatten Fingergliedern halten, deren Knöchel keinerlei Verbreiterung bildeten? Er schätzte sie auf Mitte dreißig. Aber vielleicht war sie auch schon etwas älter und wusste ihr Alter zu kaschieren, manche Frauen waren meisterlich darin. Bei genauerem Hinsehen zerfächerten feine Haarrisslinien die blasse Haut um ihre Augen. Und auch um den Mund, der ein schmaler, ungeschminkter war, hatten sich diese Zeichnungen festgesetzt. Sie wirkte sanft und zerbrechlich. Verloren wie eine Elfe. Mit Schrecken merkte Scheu, dass er sie taxierte.
Sie lächelte kurz auf, ein Blitzen in ihren Augen, und Scheu spürte sie, er spürte sie ganz eindeutig: die zitternde Unversehrtheit, die Angst vor der Entdeckung eines Bruches, einer Beschädigung, die das vormalige Ganzsein irreparabel in Stücke sprengen würde. Er hatte diese Empfindung schon öfter gehabt, sie kam mit seinem Beruf. Sie war gefangen in dem Moment, der Nichtwissen von Wissen trennte. Dann zum Beispiel, wenn er einer Familie den gewaltsamen Tod eines Angehörigen beizubringen hatte. Oder dann, wenn er eine Mutter darüber aufklärte, dass ihr Sohn nicht der brave Junge war, den sie sich in ihrer Liebe ausgemalt hatte, sondern ein gemeiner Schläger. Scheu nannte diesen Zustand den Ruhepol des Nichtwissens, und es widerstrebte ihm jedes Mal, wenn er derjenige war, der Aufruhr in diese Ruhe bringen musste. In seinen Blick legte er dabei jeweils so viel Mitgefühl, wie ihm gestattet war, um dem harten Aufprall wenigstens ein bisschen die Wucht zu nehmen. Man musste dabei den Menschen Pausen gewähren. Stille zulassen. Aushalten. Nur ungern erinnerte er sich, wie Lutz in solchen Situationen mit vielen Worten versucht hatte, die Atmosphäre zu dominieren. Worte, die ja doch nie das eine zu sagen vermochten, es würde alles wieder gut, weil es das eben nie wieder werden würde, und nichts anderes aber wollte gehört sein, weil nichts anderes erträglich war. Außer eben Stille.
Diese Stille stand hier wie eine dritte Person im Raum. Nur dass nicht er sie aufgeboten hatte, sondern diese Frau hatte sie mit sich hereingetragen wie einen Schatten. Oder eine Erkältung, die einem im Nacken hockt.
Scheu räusperte sich. »Sie suchen also Ihre Mutter, habe ich das richtig verstanden?«
»Meine Mutter ist seit 1974 verschwunden. Sie war eine Zürcherin, sie stammt aus dem Seefeldquartier – warten Sie!« Das Tuch flatterte zu Boden, als die Frau beide Hände in einer Geste der Beschwichtigung hob. »Ich habe die Adresse im Kopf, sie wohnte damals an der Dufourstrasse …«
1974? Das war ja nun schon einige Jahre her, du meine Güte. Scheu räusperte sich etwas energischer und unterbrach die fremde Frau. »Sie sind aber nicht hier geboren, oder?«
»Doch. Doch doch doch, eben doch. Ich bin zwar adoptiert, aber gebürtige Schweizerin. Ich bin aus Rīga angeflogen. Aber ich stamme aus Schweden. Meine Eltern sind Schweden-Letten. Es ist alles ein bisschen kompliziert.«
Jemand auf dem Flur lachte, ein Zweiter stimmte ein. Scheu fiel auf, wie die Tür einen Spaltbreit geöffnet wurde. Seine Miene verdüsterte sich. Er durchmaß das Zimmer mit wenigen Schritten und schob die Türe sachte mit dem Fuß zu. Da hatte sich wohl einer einen Bubenstreich erlaubt. Eine Verwirrte zu ihm zu führen, das sah ihnen ähnlich. Ein Einstandspräsent. Vermutlich war beim Kegelabend nicht nur sein Binzer Ermittlungserfolg durchgehechelt worden, sondern seine nur knapp genügende Mitarbeiterbeurteilung ebenfalls. Wie nett, dass man ihm seinen ersten Arbeitstag in der Zweierzelle mit einem Klischee versüßen wollte: Polizeibeamter und geheimnisvolle Schöne – also wirklich.
Aber diese Fremde war nun einmal da, saß steif vor ihm, die Hände nun wieder im Schoß in ein Tuch gefaltet, die Augen flehend. Unter ihrem rechten fleckte braune Wimperntusche. Vielleicht, überlegte Scheu, war sie vom Regen in der Schweiz überrascht worden?
Der Binzer Bericht musste noch einmal warten.
Er würde dieses Gespräch schon hinauszuzögern wissen; hatte man sich ein Scherzlein mit ihm erlaubt? Nun, dann sollte man auch die Pointe dazu haben. Aber dann, wenn er sie für gekommen hielt. Sollten die anderen ruhig den Flur auf und ab laufen, bis sie Kamelfüße hatten. So schnell würde er dieses Scherzlein nicht aus der Hand geben. Zumal es für die Frau, die ihm da gegenübersaß, kein Scherzlein war, sondern … Scheu blickte in bittere, kühle Augen.
Aufmunternd probierte er: »Gemäß Klimatabelle regnet es im November in der Schweiz im Durchschnitt zehn Tage. Das heißt, wenn man es genau nimmt, dürfte es jetzt gar nicht mehr regnen.«
Ihre Schultern strafften sich, ihr Rücken wurde steif.
»Aber das Wetter hält sich nicht an Klimatabellen«, fuhr er fort und schloss dabei das Fenster, an dem kleine glitzernde Tropfen klebten.
Dann setzte er sich ihr aus einem plötzlichen Trotz heraus – war es das fehlende Holz, waren es Imogens Stiefelchen, Windlins Pappkarton? – schräg gegenüber auf seinen Stuhl, stützte die Handflächen auf den Oberschenkeln ab und sagte nicht ohne Güte: »Erzählen Sie. Es wird schon nicht die Sintflut sein.«
In dieser Nacht schlief Leo Scheu schlecht. Ihm träumte, er schaukle in einem Boot auf weiter See durch eine opake Dunkelheit, ganz ohne Stern. Er wusste, dass er träumte, und beobachtete sich selbst im Traum. Kein Land in Sicht. Nur er, ganz allein. Und als er endlich doch etwas neben sich auszumachen schien, ein fremdes Wesen mit ihm im Boot, und danach griff, schlüpfte es ihm zwischen den Händen durch, versank und verschwand lautlos im Schwarz des Meeres …
Er wachte auf. Langsam, zusammen mit den heimlichen Geräuschen der Nacht, fand das Bewusstsein zu ihm zurück. Draußen nieselte es, was der Dunkelheit einen fahlen Schleier verlieh. Scheu setzte sich in seinem Bett auf. Einer nach dem anderen glitten seine Füße auf den Boden. Er stützte sein Gesicht in beide Hände.
Dann drehte er den Kopf nach links, da war sein Bücherregal. Rechts lag seine Lesebrille auf dem Nachttisch. Daneben das Buch, das er gestern angefangen hatte. Keine Ahnung mehr, wovon es handelte, er war unkonzentriert gewesen. Das Wasserglas, die PET-Flasche.
Seine Zehen versanken im Flor des Bettläufers, ein Geschenk seiner letzten Beziehung, damals bestürzend dankbar entgegengenommen, dieses Zeichen eines möglichen gemeinsamen Lebens, kurz bevor es in die Brüche ging. Wie die wenigen anderen davor. Scheu war wohl zu überschwänglich gewesen, man hatte sich halt nicht zurückhalten können und gleich von Familie und Vertrautheit geschwafelt. Dabei war die Frau eine kürzlich Geschiedene. Man hätte sich nicht so aufdrängen sollen in seiner Dankbarkeit. Frauen wollten ohnedies keine dankbaren Männer, wenigstens keine, die das so zeigten wie er, Scheu.
Der Parkettboden war kühl und vertraut unter seinen Füßen. Scheu ging leise durch die drei Zimmer seiner Wohnung, schritt sie ab wie einen Tatort. Wann hatte er diesen Impuls zur Familiengründung in sich zum letzten Mal gespürt? Wann hatte er ihn gemeuchelt, gemordet, umgebracht? Und verscharrt?
Er wusste, dass man ihm allgemein Gentleman-Manieren nachsagte, alte Schule, er wusste, dass man das auch lachhaft finden konnte, sogar grotesk. Aber er konnte nun einmal nichts dafür, dass er in diesem steten Widerspruch lebte von zu viel und dann wiederum zu wenig Nähe. Seine Beziehungslosigkeit stand seinem Wunsch nach Geborgenheit diametral gegenüber, und er, Scheu, um die rechte Balance ringend, auf dem Drahtseil, das zwischen den beiden gespannt war.
Bei der Balkontüre blieb er stehen und schaute auf den Hürstwald hinaus. Um die Tannenwipfel hing der feuchte Nebel, der dem Winter gewohnheitsmäßig vorausging. Kein Ast rührte sich, die zurückgebliebenen Vögel, sie schliefen.
In Scheus Ohren flimmerte der Tinnitus fast schon wie ein Wiegenlied. Scheu beschloss, eine Weile wach zu bleiben. Ihm ging eine Idee im Kopf herum. Zuerst fand er eine CD mit der Musik des schwedischen Pianisten Jan Johansson. Er suchte weiter. Dann hielt er sie in Händen, die unscheinbare Disc des Komponisten Arvo Pärt. Enttäuscht stellte er fest, dass Pärt Este, nicht Lette war. Aber genau diese Musik mit den lang gestrichenen Bogen wollte er jetzt hören. Spiegel im Spiegel, komponiert für Violine und Klavier. Scheu legte die Scheibe ein und lauschte den ersten drei Anschlägen. Dann lehnte er sich zurück.
Eigentlich hätte er so zur Ruhe finden wollen. Aber etwas in ihm stachelte ihn an, der Hahn mit Adrenalin war aufgedreht und tröpfelte Stress in seine Bahnen. Als hätten das auch die Finger mit den milchig besteinten Ringen sein können, die langen, ewig schmalen, auf der Tastatur. Dem Hahnknauf zum Adrenalin.
Scheu streckte sich und zog ein Akkordeon heran. Arvo Pärts Dreiklänge waren wie eine Einladung zum Vergessengehen. Schwer seufzte der Blasebalg, und Scheu suchte sich seinen Einstieg.
Manchmal dauerte es fast eine Minute, bis er den nächsten Ton anschlug, der sich etwas ungelenk, aber ehrlich in die Harmonien mischte.
Er hielt seine Augen geschlossen. Und so bemerkte Scheu nicht, wann er dann doch wieder eingeschlafen war.
Als er aufwachte, war von der Nacht nur mehr ihr nieseliger Schleier übrig. Die Sicht auf den Wald war verhangen. Die Regentröpfchen mussten winzig sein, erst ihre Anzahl machte sie stark. Scheu rieb sich die Ohren aus. Da das Geräusch andauerte, realisierte er, dass es das Telefon war, das nach ihm rief.
»Mmh«, machte er in den Hörer hinein.
»Leo? Koni Meier am Apparat. Ein Hölderlin, Detektiv der Stadtpolizei Zürich, hat angerufen. Du hast ein Tötungsdelikt. Eine weibliche Leiche mit eingeschlagenem Hinterkopf, soweit man das feststellen konnte.«
Scheu kratzte seine Stimme im Hals zusammen. Unwillkürlich dachte er an die Lettin, klickte das Bild aber weg, klickte sich durch das Stereoskop seiner Kindheit, einen kleinen Plastikfernseher, durch den man 3-D-Dias reihum klicken konnte; das letzte Bild war immer weiß. Dann erkundigte er sich nach dem Brandtour-Offizier, der den Einsatz vor Ort leitete.
»Tschäppat. Das Rösslispiel ist schon am Laufen. Sie sind alle aufgeboten, die Kriminaltechnik ist vor Ort.«
»Bin schon unterwegs.«
Bevor er die Tür zur Wohnung hinter sich verschloss, erinnerte er sich an etwas. Er ging noch einmal zurück und versorgte das Akkordeon an seinem Platz auf einem tiefen Bord neben drei gerahmten Fotografien. Die Bilder zeigten Menschen mit Wohnwagen. Auf einem, das hirschbraun verfärbt war, war ein Mann mit einem Akkordeon im Arm zu sehen. Schräg über dem Rahmen hingen drei geflochtene Armbändchen aus Leder. Scheu berührte sie kurz, zögerte, dann machte er sich auf den Weg.
Knapp nach sieben war der Berufsverkehr schon dicht. Mit seinen Fingern tippte Scheu aufs Lenkrad und schlug einen Takt zum quietschenden Gesang der Scheibenwischer. In seinem Hirn öffnete sich ein leerer Raum, eine weiße Kammer, in die er alle Eindrücke würde aufnehmen können, die seiner warteten.
Er fand sich in provozierend unvorsichtigem Morgenverkehr wieder – bei diesem Wetter! Von Rechtsvortritt schien keiner eine Ahnung zu haben, und das rechtzeitige Anhalten vor Fußgängerstreifen war den Zürchern einfach nicht gegeben. Diese kurze Fahrt in die Innenstadt strengte ihn über Gebühr an, und er war froh, als er den Blinker setzen und von oben her in eine Seitenstraße, seine Zielgerade, abbiegen konnte. Da sah er sie alle. Dienstchef Koni Meier, der, wie er selber auch, Pikett hatte, die uniformierte Patrouille der Stadtpolizei, darunter wohl dieser Detektiv Hölderlin, weiters Brandtour-Offizier Georges Tschäppat, Brandtour-Staatsanwalt Robert Schoop, die zwei Ärztinnen vom Institut für Rechtsmedizin, Dr. Isa Glättli und Dr. Marina di Angelo, die Mitarbeiter des Kriminalfotodienstes sowie drei oder vier Personen, die er nicht auf Anhieb zuzuordnen wusste.
In einer Ecke drückte sich eine Handvoll Arbeiter in orangeblauer Schutzkleidung und gelben Helmen herum und schaute mutlos auf den Boden. Scheu lenkte seinen Wagen vorsichtig aufs Trottoir und parkte ihn parallel zum Schulhaus Wolfbach in einem Parkfeld. Als er ausstieg, trampte er prompt in eine Pfütze.
Dienstchef Meier winkte ihn zu sich heran, blickte von ihm zu Brandtour-Offizier Tschäppat und sagte dann: »Leo, dein Fall.«
Schwang in seiner Stimme eine leise Aufforderung mit? War dies der Fall, mit dem er, Leandro Scheu, sich zu beweisen hätte? Der in ein Zweierbüro degradierte Ermittler mit seiner gnädig hingeworfenen Chance?
»Was macht das Bestattungsamt hier?«, fragte Scheu unwirsch, als er den dunklen Wagen ganz unten Ecke Kantonsschulstrasse/ Heimstrasse stehen sah.
»Detektiv Hölderlin von der Stadtpolizei war übereifrig«, sagte Meier, »kümmere dich nicht drum. Die pfeifen wir zurück. Die brauchen gar nicht alles mitzubekommen; ich mach das. Schau dir lieber dieses Schlamassel an.«
»Und was machen die von der Wasserschutzpolizei hier?« Seine Stimme überschlug sich fast, Scheu war es nicht gewohnt, den starken Mann zu mimen.
»Die haben wir gerufen«, sagte jemand mit Entschuldigung im Ton. Scheu drehte sich um und sah einem der Arbeiter ins Gesicht. »Also unsere Zentrale. Ich habe gesagt, sie sollen den Toni Müller anrufen. Weil ich den kenne. Seit Jahren schon.«
Dann mischte sich ein zweiter Arbeiter ein: »Das machen wir immer so, wenn irgendetwas da unten ist. Wir von der Stadtentwässerung informieren zuerst den Toni Müller von der Wasserschutzpolizei der Stadt Zürich.«
»Und Sie beide sind?«, fragte Scheu ohne Umweg.
»Cavelti, Andrin. Kanalinspektor.«
»Fellini, Giuseppe. Mit dem Regisseur nicht verwandt. Aber aus derselben Heimatstadt. Rimini. In Italien. In der Schweiz seit 1967. Eingebürgert seit 1982. Seit 1989 Betriebsmitarbeiter Kanalisation.«
Hoppla. Scheu erkundigte sich nun etwas behutsamer: »Wurden Sie schon einvernommen?«
»Der Mann dort drüben hat unsere Personalien aufgenommen. Wir haben die Frau, also die Tote, gefunden. Wir zwei und natürlich unsere Kollegen dort …«
»… Gheorghe Codreanu und Mladen Cebić …«
»… wir hatten Frühschicht …«
»… der Kanal wird ja saniert …«
»… weil der Boden auskolkt …«
»Was für ein Kanal?«
»Wir waren eigentlich auf einem anderen Abschnitt eingeteilt. Aber weil eine Mieterin angerufen hatte …«
»… von der Kindertagesstätte …«
»… und sich schon mehrfach darüber beschwert hatte, dass ein Schachtdeckel nicht richtig schließe …«
»Was für ein Kanal?«
»… das ist für die Kinder beim Spielen im Hof gefährlich …«
»… man kann darüber stolpern …«
»… so sind wir eben hier noch vorbeigekommen …«
»… dann haben wir die Tote gesehen …«
»… wir haben sie nicht angefasst …«
Dienstchef Meier zupfte Scheu jetzt ungeduldig am Ärmel. »Hast du keinen Schirm dabei? Keinen Hut oder so? Egal. Dort unten brauchst du den ohnehin nicht. Dort ist es nämlich trockener als hier. Komm mit. Wir haben eine Kanalleiche. Sieht eindeutig nach einem Tötungsdelikt aus, was ich höre. Hier drüben, komm, komm. Sie liegt da unten im Wolfbachkanal.«
Scheu ließ sich von Meier durch die Menge der Herumstehenden und Wartenden leiten bis in den Hof hinter das Schulhaus Wolfbach, wo er vor einem geöffneten Kanaleinstieg stehenblieb. Der Deckel lag zur Seite geschoben. Zwei Männer in weißen Mondanzügen suchten nach verwertbaren Spuren. Einer war mit Ausmessen und dem Anfertigen von Skizzen beschäftigt.
Bevor Scheu einen genaueren Augenschein nahm, drehte er sich noch einmal zu Meier um und sagte: »Könntest du das Zelt holen lassen? Ich will nicht, dass wir hier Gaffer haben, dort vorne bei der Mauer stehen schon ein paar Punks herum.«
Dann trat er dicht an den offenen Schacht heran.
Er starrte hinunter in ein rundes Loch von zirka sechzig Zentimetern Durchmesser, vielleicht drei Meter tief. Oder etwas tiefer. Die Dunkelheit verschluckte seinen Blick, so dass er nicht viel erkennen konnte. Aber zwei Füße sah er. Der eine steckte noch im Schuh. In ungesundem Winkel. »Haben wir kein Licht?«
»Es gab einen Kurzen. Die neuen Lampen sind schon unterwegs.«
Detektiv Hölderlin von der Stadtpolizei trat hinzu. »Sieht übel aus. Gehst du runter?«, fragte er, als wäre Scheu ein alter Kumpel.
»Waren Sie drin?«
»Nur ganz kurz. Eine Frau, Bauchlage, ihr Hinterkopf ist eingedellt. Ach ja, und wir haben Rattenfraß.«
»Leo, wir können sie auch raufholen lassen«, meinte Meier.
Scheu blies die Backen auf und nickte langsam, dann sagte er: »Ich gehe runter.«
»Warten Sie« – jetzt siezte ihn der Detektiv wieder –, »Sie bekommen eine Schutzausrüstung verpasst. Die lassen niemanden ohne runter. Und machen Sie sich auf etwas gefasst.«
Meier fügte an: »Wir haben die Stiefel schon für dich geordert. Neununddreißig, das ist doch deine Größe, stimmt’s?«
Als der Wagen der Stadtentwässerung vorfuhr, brachte er eine Auswahl an Kleidungsstücken und weitere Betriebsmitarbeiter mit. Leo Scheu zog sich einen orange-blauen Overall über, schlüpfte Finger für Finger in die ausgepuderten Latexhandschuhe und stieg in Stiefel, deren Schaft ihm bis an seine Hüfte ragte. Ein Mann reichte ihm einen gelben Schutzhelm, ein zweiter eine Taschenlampe. Geredet wurde nicht viel und wenn, dann in Satzfetzen. Scheu hörte, wie ein Betriebsmitarbeiter sagte, das sei schon etwas anderes als damals, als die Nachtbuben sämtliche Schachtdeckel in die Limmat geworfen hätten und er und die Kollegen morgens um vier mit Ersatz hatten ausrücken müssen.
»Wie viel wiegt so ein Deckel?«, erkundigte sich Scheu.
»Neunzig Kilogramm. Den hebt man nicht ohne Hilfsmittel«, kam die Antwort mit stolz geschwellter Brust, »manche sind schon über hundertjährig.«
Als sich Scheu anschickte einzusteigen, wurde er von Cavelti zurückgehalten. »Es gibt keinen Zutritt zur Kanalisation ohne Begleitung durch Fachpersonal.«
»Entschuldigung?«, fragte Scheu jetzt fast ungeduldig.
»Und einen Selbstretter brauchen Sie. Hier! Einmal am Gurt festmachen, bitte.« Cavelti drückte Scheu eine Büchse in die Hand zusammen mit einem Ledergurt. »Sobald man sich horizontal verschiebt in der Kanalisation, muss man das mitnehmen. Diese Büchse ist plombiert. Wenn man sie braucht, hier am Bügel einmal aufreißen, dann kommt ein Sack raus, da ist die Alkalipatrone drin.«
Scheus Gesicht zeigte Unglaube.
»Jeder Bergmann im deutschen Bergbau hat so eine Büchse mit, wenn er ins Loch runtersteigt!«, beharrte Cavelti. »Die gibt für eine gute Dreiviertelstunde Sauerstoff. Sie ist ein reines Fluchtgerät, verstehen Sie? Wenn das Mehrstoff-Messgerät etwas detektiert, wenn es da unten also piept, dann heißt es für Sie: nichts wie raus!«
»Ist es jetzt gut?«, kam es schärfer über Scheus Lippen, als dieser gewollt hatte.
»Moment noch«, meinte Cavelti unbeirrt, und zu zwei Betriebsmitarbeitern sagte er: »Ihr geht da rüber, und öffnet das nächste Loch, und nehmt den Triopan mit!«
Scheu sah noch, wie die Arbeiter mit einer Spitzhacke und einem Warndreieck abzogen, um den nächsten Schachtdeckel, etwa hundert Meter weiter, als Sicherheitsausstieg zu öffnen.
»So. Jetzt dann gleich. Wir nehmen Sie ins Sandwich«, sagte Cavelti abschließend und ging voraus.
Scheu beugte sich über das Loch und schaute Cavelti zu, wie dieser sich die senkrecht in den Schacht gelassenen eisernen Einstiegsbügel entlang nach unten hangelte. Dann war er an der Reihe. Er setzte sich auf den regennassen Boden und tastete mit dem Fuß nach dem obersten Einstiegsbügel. Bügel um Bügel ging es in die Tiefe.
Als sein Kopf über den Tellerrand des Horizonts abtauchte, tauchte er gleichsam in eine neue Geräuschkulisse ein. Das Rauschen der feuchten Autoräder auf nassem Asphalt verebbte, dafür traten bunte Tröpfel- und Rinngeräusche an dessen Stelle und nahmen den Raum für sich ein.
Unten angekommen, platzierte Scheu je einen Fuß auf einem der Bankette, schmalen Stege, die links und rechts der Schmutzrinne entlang der Seitenwandung angebracht waren. Zwischen seinen Beinen purzelte Zürichs Abwasser. Der Wolfbachkanal erreichte an dieser Stelle etwa einen Meter achtzig an Höhe und hatte die Form eines umgestülpten Eis. Die breiten Steinquader dämmten jegliche Geräusche, die von einem Oben oder Außen hätten hereindringen wollen. Hier unten war eine eigene Welt.
Nur der Leichengeruch war das, was er immer war. Penetrant und unverkennbar.
Zeit, sachlich zu werden. Sich einen Überblick zu verschaffen. Ermittler zu sein. Professionell. Mit dem Lichtkegel seiner Funzel fuhr Scheu den Körper der Frau ab. Klein, nicht mehr als eins sechzig. Nicht dick. Nicht dünn. Nicht nackt. Sie lag schräg auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht. Unwillkürlich zuckte der Leuchtstrahl in eine andere Richtung. Scheu hielt den Atem an. Detektiv Hölderlin hatte mit dem Rattenfraß recht gehabt. Dennoch, allzu lange konnte die Frau hier noch nicht gelegen haben, dafür waren die Verwesungsspuren zu gering. Dann schaute er wieder hin. Scheinbar gefasst. Er wusste, dass man der inneren Bilder nur dann Herr werden konnte, wenn man sie in Details, in Arme, Beine, Hände, Füße, Finger, Zehen, Nägel, splittete und in noch kleinere Einheiten, die man sachlich irgendwo im Innern verwahrte, auf dass sie einen nicht unerwartet heimsuchten als Gespenster.
Arme, Beine, Hände und Füße der Frau lagen wie nicht zugehörig zu ihrem Körper, fast so, als könnte man sie abschrauben und neu ansetzen. Sie schien mit Wucht aufgeschlagen zu sein, mehr hinuntergeworfen als hinuntergelassen. Zum Verschwinden liegengelassen in einem feuchten Stadtkanal, ein Grab im dunklen ewigen Nass. Soweit Scheu das feststellen konnte, waren die Hände der Frau leer, keinen Henkel einer Damenhandtasche hielten sie, nichts. Ihre Haare waren tiefschwarz, kleine Kiesel klebten darin, vermischt mit Blut und dem Unrat, den das Wasser herangeschoben hatte. Einzelne Strähnen bewegten sich mit der sanften Strömung, so als trügen sie noch einen Hauch Leben in sich.
Die Kleidung der Toten bestand aus einem Rock und einem Pullover, zerschlissenen Strümpfen, einem Kurzmantel, Farbe Blau. Ein weißes Stück bestickter Stoff, ein Schuh, das waren die Utensilien, die auf dem Steg lagen, der zweite Schuh haftete noch am Fuß, der aufgedunsen war. Das war auf den ersten Blick alles.
Noch einmal richtete Scheu seine Lampe auf den Kopf der Frau, diesmal vorbereitet. Dennoch war es erneut wie ein Schlag. Das Gesicht oder das, was davon übrig war, reflektierte blutverkrustet. Der hintere Teil des Kopfes war einwärts gewölbt. An einzelnen Stellen löste sich die Haut ab. Die Augen der Frau, groß, schräg über hohen breiten Wangenknochen, starrten tot an die Kanalwandung. Hämatome an Hals und – jetzt sah es Scheu – an einem Handgelenk, das aus dem Mantel lugte. Scheus Brustkorb hob und senkte sich. Und wieder zündete er horizontal in den Schacht, ins Leere, verschaffte sich einen Moment lang Luft und fragte, an keinen der beiden Männer gewandt: »Wo kommt man da hin?«
»Da geht’s runter ins Niederdorf, unter der Staatskellerei durch zur Kantorei, dann weiter bis in den großen Limmatkanal.«
»Und da?«
»Da geht’s rauf. In Richtung Dolder. Bis in den Wald beim Adlisberg. Dort fließt der Wolfbach noch frei als Bach.«
»Das ist ein Bach?«
»Wir haben es hier mit einem Mischwasserkanal zu tun. Das, was da vorne, da und da, von den Seitenanschlüssen herunterfließt, kommt von den Straßendolen. Das ist der Novemberregen.«
»Hat es hier immer nur so wenig fließend Wasser?«
»Zwanzig bis dreißig Zentimeter. Das ist normal. Dieses Jahr wohl ein bisschen mehr, bei dem November! Da. Das ist alles Rattendreck, sehen Sie. Der bleibt oft liegen. Bei einem heftigen Gewitter kann es aber auch etwas mehr Wasser sein. Besonders im Niederdorf gehen öfter mal die Deckel hoch.«
Scheu leuchtete Cavelti ins Gesicht. Dieser verzog es zu einer Grimasse.
»Das war aber in den letzten Tagen nicht der Fall. Es nieselt ja bloß.«
Scheu drehte sich um und leuchtete nun den Betriebsmitarbeiter an, der hinter ihm stand. Ein dünner, altersloser Mann. Der blinzelte, blieb aber stumm.
Noch einmal betrachtete Scheu die tote Frau.
»Wie lange sie wohl schon hier liegt …«, sagte Cavelti.
Scheu seufzte. Dann zog er sich die Bügel zurück nach oben, gerade so weit, dass er über den Schachtrand hinausblicken konnte. Dienstchef Meier stand noch immer da.
»Was ist?«, fragte er.
»Was meinst du, sollten wir im Diensthundezentrum anrufen?«
»Du willst doch nicht etwa einen Hund da runterlassen mit seiner superfeinen Nase?«
»Ich überlege noch.«
»Wo? Da unten?«
»Haben die von der Wasserschutzpolizei den Kran dabei? Oder rufen wir besser die Feuerwehr an. Ich will jetzt noch einmal runter, ein Stück weit den Kanal entlang.«
»Wir haben hier übrigens schon etwas gefunden, Leo. Einen Pflasterstein. Mit Blut dran und Haaren.«
»Gut. Gut so. Eintüten. Ich komme gleich. Ich verschiebe mich nur noch ein paar Schritte horizontal.«
Damit tauchte Scheu zum zweiten Mal ab.
»Wo soll’s also langgehen?«
Scheu glaubte in Caveltis Stimme Besorgnis zu erkennen. Es schien, als hätte er plötzlich genug. Als wollte er sofort nach draußen und am besten gleich nach Hause. Verständlich. Bei jedem der rund ein Dutzend Tötungsdelikte, die der Kanton Zürich pro Jahr zu verzeichnen hatte, war es eine besondere Herausforderung, mit der Leiche konfrontiert zu werden. Selbst manche Ermittler konnten das nicht. Und wenn sich schon er, Scheu, konzentrieren musste, um die Nerven zu behalten und aufnahmefähig zu bleiben, so bedeutete die unmittelbare Nähe einer Frau mit einem Mantsch als Kopf für sie, die Kanalarbeiter, bestimmt eine noch viel größere Belastung.
Er wäre ja gerne alleine gegangen, aber das hätte Kanalinspektor Cavelti nie zugelassen. Versöhnlich sagte Scheu: »Nur ein paar Meter weiter da runter.«
Cavelti stieg kurz nach oben und erteilte seiner Mannschaft Instruktionen. Dann setzten sich die drei Männer im Kanal, Scheu im Sandwich, bachabwärts in Bewegung.
Wortlos leuchteten die Männer den Kanal ab. Die Innenwandung. Die Schmutzrinne. Die Anschlüsse, die auf beiden Seiten unterschiedlich hoch und voneinander entfernt angebracht waren. Die Rattenkötel.
Harfenspiel. Die Bewegung des Wassers klang wie Harfenspiel, hin und wieder unterbrochen von einer Spülung, die oben, in der Welt der Ordnung und Normalität, gezogen wurde. Dann rutschte ein Häufchen Fäkalien, Papier oder anderes herunter, blieb auf dem Bankett liegen oder mischte sich in den Fluss des Wolfbachs und ließ Wasserwellchen mit kleinen Kieseln über sich trudeln.
Scheu fühlte sich seltsam geborgen hier unten.
In regelmäßigem Abstand wurden die Schachtdeckel gehoben, die Tag-Mannschaft ging mit. »Unsere Lebensversicherung. Irgendeiner muss ja Alarm schlagen können, wenn was ist.«
Aber es war nichts. Nichts außer drei Männern, die Schritt für Schritt in einer Röhre abwärtswateten.
»Wie alt ist dieser Kanal?«
»So ganz genau lässt sich das nicht sagen«, antwortete Cavelti, »etwas weiter vorne findet sich aber in die Wand gemeißelt die Jahreszahl 1864.« Und wie zum Plaudern aufgelegt oder einfach um das Erinnerungsbild der toten Frau abzuwehren, berichtete er: »In der Stadt Zürich haben wir eintausend Kilometer öffentliches Kanalnetz. Die ganzen Kilometer privater Anschlüsse nicht mitgerechnet. Zwei Drittel des öffentlichen Kanalnetzes sind unbegehbar. Der Durchmesser liegt dort bei zweihundertfünfzig bis eintausend Millimeter. Ein Drittel aber ist begehbar, weil größer als tausend.«
Scheu konzentrierte sich auf den Boden, der hier glitschig und beinahe spiegelglatt war. Cavelti bemerkte es und sagte: »Obacht!«, seine Stimme wohlmeinend. Dann fuhr er mit seinem Bericht fort: »Wir prüfen den Zustand des Netzes in Intervallen. Wenn der Boden auskolkt, wenn sich also die Sohle durch die stete Wasserströmung so wie hier vertieft, müssen wir sanieren. Sie glauben ja nicht, was wir bei dieser Arbeit nicht schon alles gefunden haben! Portemonnaies, Taschen, ganze Registrierkassen sogar. Weggeworfene Hehlerware. Einmal einen Fuchs, der lebte noch. Der musste dann abgeschossen werden. Das dumme Tier. War hinabgefallen und kam nicht mehr heraus.«
Vermutlich hatte diese Erinnerung Cavelti zu dem Bild, das er vermeiden wollte, zurückgeführt, denn der Kanalinspektor verstummte abrupt.
Sanft fragte Scheu: »Ist Ihnen bekannt, ob man bei der Frau eine Tasche gefunden hat?« Das Bild zu leugnen, wusste er jedenfalls, nützte nichts.
»Wir haben keine gesehen. Das hat uns der andere Polizist auch schon gefragt. Wir haben das alles schon gesagt.«
»Wem?«
»Einem Herrn Lutz.«
»Der ist auch hier?«
»Ihm haben wir alles schon gesagt.« Und ungesagt: Da gibt’s nichts mehr zu sagen.
»Hoppla, was ist denn hier plötzlich?«, fragte Scheu, als sie nach einigen Metern stummen Vorantastens zu einem Streckenabschnitt gelangten, dessen Decke wie angehoben war.
»Hier sind’s über vier Meter. Wir wissen nicht, weshalb man das damals so hoch gebaut hat.«
»Was befindet sich da oben?«
»Die Staatskellerei.«
Wortlos gingen sie weiter. Das Bächlein platschte und leckte an den Ufern, als wär’s unterwegs im Walde. Jetzt, wo die Leiche mit ihrem Überangebot von süßlich faulendem Geruch mehrere Biegungen zurücklag, empfand Scheu fast so etwas wie Gewöhnung. Die steten Geräusche, die verlässliche Dunkelheit, die Kötel der Nagetiere, die eine oder andere unbeirrbare Spinne, der Lichtkegel, der die nächsten Schritte vorgab. Der Mann vor ihm und der Mann hinter ihm. Alles schien folgerichtig und in der dick abgewandeten Stille fast wie ein Platz im Universum, an dem das Gesetz von Ursache und Wirkung noch stimmte. Ein Platz, an dem eins und eins zwei ergab und nichts verwirrend war, nichts irreführend. Es ging entweder nach unten, in Richtung Limmatkanal, oder es ging nach oben, zum Wolfbachtobel im Wald. Die Steinquader waren aus gutem altem Jurakalk geschlagen, die Rinne im Fundament holperig ausgekolkt oder bereits saniert und gerundet. Wenn man achtgab, rutschte man nicht aus. Scheu gab acht.