Gillian Flynn
Broken House – Düstere Ahnung
Aus dem Amerikanischen von Christine Strüh
FISCHER E-Books
Gillian Flynnist mit ihrem dritten Buch ›Gone Girl‹ eine weltweite Sensation gelungen: Das Buch stand monatelang auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste, wurde mehr als 3 Millionen mal verkauft und in 40 Sprachen übersetzt. Die 20th Century Fox verfilmte den Stoff prominent mit Ben Affleck und Rosamunde Pike. Auch die beiden Vorgänger-Bände ›Cry Baby‹ (erhielt gleich zwei ›British Dagger Awards) und ›Dark Places‹ waren große Erfolge und wurden ebenfalls verfilmt.
Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Chicago.
Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de
Von der Mega-Bestsellerautorin Gillian Flynn (›Gone Girl‹), die für diese Story den Edgar Award für die beste Kurzgeschichte 2015 gewonnen hat.
Die junge Nerdy hatte es bislang nicht leicht im Leben und bestreitet ihren Lebensunterhalt mit Wahrsagerei und sexuellen Dienstleistungen. Sie verdient nicht schlecht – meistens erzählt sie den Leuten genau das, was sie hören wollen. Bis sie Susan Burke trifft. Susan lebt in Carterhook Manor, einem alten viktorianischen Haus aus dem Jahr 1893, zusammen mit ihrem Mann, ihrem Sohn und ihrem Stiefsohn Miles. Susan ist völlig verängstigt, denn sie ist davon überzeugt, dass ein böser Geist von Haus und Stiefsohn Besitz ergriffen hat. Nerdy soll kommen und das Haus davon befreien. Die junge Frau glaubt weder an Geister noch an sonstige übernatürliche Dinge, aber hier bietet sich die Chance, sehr viel Geld zu verdienen. Aber als sie das Haus zum ersten Mal betritt und auch Miles trifft, fühlt sie es auch: Hier spukt kein Geist, hier lauert etwas Anderes. Etwas absolut Böses. Etwas, das töten will.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2015
unter dem Titel ›The Grownup‹ bei Broadway Books,
an imprint of the Crown Publishing Group, a division of Random House, New York.
© 2015 by Gillian Flynn
Für die deutsche Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2015
Covergestaltung: Hafen Werbeagentur, Hamburg
Coverabbildung: CSA Images / Getty Images
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403823-0
Mit den handjobs hörte ich nicht deshalb auf, weil ich dafür kein Talent hatte, sondern weil ich die Beste war.
Drei Jahre lang konnte man bei mir den besten handjob im Großraum New York kriegen. Der Trick ist, dass man nicht zu viel darüber nachdenken darf. Sobald man anfängt, sich Sorgen um die Technik zu machen oder Rhythmus und Druck zu analysieren, geht das Wesentliche des Vorgangs verloren. Natürlich muss man sich mental auf die Sache einstellen, aber dann sollte man das Denken abschalten und vertrauensvoll dem Körper die Kontrolle überlassen.
Vom Prinzip her ist es das Gleiche wie das richtige Schwingen eines Golfschlägers.
Ich besorgte es den Männern sechs Tage die Woche, acht Stunden pro Tag, mit einer Mittagspause zum Lunch, und ich war immer voll ausgebucht. Jedes Jahr nahm ich zwei Wochen Urlaub, und ich arbeitete nie an Feiertagen, denn Feiertags-handjobs sind für alle Beteiligten eine deprimierende Angelegenheit. In drei Jahren ergibt das eine Summe von etwa 23546 handjobs. Also, hört nicht auf das Miststück Shardelle, die behauptet, ich hätte aufgehört, weil ich nicht talentiert bin.
Ich habe aufgehört, weil es nach 23546 handjobs kein Wunder ist, wenn man Bekanntschaft mit dem Karpaltunnelsyndrom macht.
Ich bin auf ehrliche Weise zu meinem Beruf gekommen. Noch treffender könnte man sagen, auf natürliche Weise. Mit Ehrlichkeit hatte ich in meinem Leben nie viel am Hut. Ich bin in New York bei einer einäugigen Mutter aufgewachsen (so wird die Anfangszeile meiner Memoiren lauten), und sie war keine feine Dame. Zwar hatte sie weder Drogen- noch Alkoholprobleme, dafür aber definitiv ein Arbeitsproblem. Sie war die faulste Schlampe, die mir je über den Weg gelaufen ist. Zweimal die Woche machten wir uns zum Betteln auf den Weg nach Downtown, aber weil meine Mom ungern aufrecht war, wollte sie die Sache strategisch angehen. In möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld einfahren, dann schnellstens wieder nach Hause, auf unserer kaputten, fleckigen Matratze Zebra Cakes essen und halbdokumentarische Gerichtssendungen glotzen. (Das ist meine vorherrschende Kindheitserinnerung: Flecken. Welche Farbe das Auge meiner Mom hatte, weiß ich nicht, aber ich könnte euch erzählen, dass der Fleck auf dem Flokati intensiv suppig braun war, während die Flecken an der Zimmerdecke dunkelorange und die an der Wand katerpissgelb leuchteten.)
Für unsere Bettelausflüge staffierten wir uns entsprechend aus. Mom trug ein hübsches verwaschenes Baumwollkleid, fadenscheinig, aber schreiend anständig. Mich steckte sie in irgendwas, aus dem ich gerade herausgewachsen war. Dann setzten wir uns auf eine Bank und wählten die richtigen Leute zum Anbetteln aus. Was ziemlich einfach ist. Erste Wahl ist ein Kirchenbus von außerhalb. Innerstädtische Kirchenleute schicken einen einfach zur Kirche, aber die von anderswo helfen normalerweise, vor allem einer einäugigen Frau mit einem dickbäuchigen Kind. Zweite Wahl sind Frauen in Zweiergruppen. Einzelfrauen können zu schnell abhauen, und an ein Rudel kommt man schlecht ran. Dritte Wahl ist eine Frau mit einem offenen Gesicht. Man kennt das ja: Die gleiche Art Frau, die man nach dem Weg oder der Uhrzeit fragen würde, fragen wir nach Geld. Auch jüngere Männer mit Bärten oder Gitarren sind nicht übel. Aber von Männern in Anzügen sollte man sich fernhalten; das Klischee trifft hundertprozentig zu, sie sind allesamt Arschlöcher. Das Gleiche gilt für die mit Daumenringen. Keine Ahnung, warum das so ist, aber Männer mit Daumenringen helfen nie.
Und diejenigen, die wir auswählten? Bei uns hießen sie nicht Zielpersonen oder Beute oder Opfer. Wir nannten sie Tonys, nach meinem Dad, der Tony hieß und nie nein sagen konnte (obwohl er zu meiner Mom vermutlich mindestens einmal nein gesagt hat, nämlich als sie ihn gebeten hat, bei ihr zu bleiben).
Wenn man einen Tony angehalten hat, weiß man normalerweise innerhalb von zwei Sekunden, wie man ihn am besten anbettelt. Manche wollen, dass es schnell vorbei ist, wie ein Überfall. Bei ihnen kommt man umgehend zur Sache. »Wir-brauchen-dringend-was-zu-essen-haben-Sie-vielleicht-ein-bisschen-Kleingeld-für-uns?« Andere möchten in unserem Unglück schwelgen. Sie geben nur Geld, wenn sie als Gegenleistung etwas bekommen, wodurch sie sich besser fühlen, und je trauriger die Geschichte, desto besser fühlt es sich für sie an, dass sie helfen, und desto mehr Geld kriegt man von ihnen. Ich mache ihnen keinen Vorwurf. Wenn man ins Theater geht, möchte man doch auch unterhalten werden.
Meine Mom ist auf einer Farm im Süden des Staats New York aufgewachsen. Ihre Mutter ist bei der Geburt gestorben, ihr Daddy hat Soja angebaut und sich um seine Tochter gekümmert, wenn er von der Arbeit nicht zu erschöpft war. Eine Weile ist Mom in New York aufs College gegangen, aber dann hat ihr Daddy Krebs bekommen, er musste die Farm verkaufen, das Geld reichte vorn und hinten nicht mehr, und Mom musste das Studium hinschmeißen. Drei Jahre arbeitete sie als Kellnerin, aber dann hat sie ihr kleines Mädchen gekriegt, der Daddy des kleinen Mädchens hat sie sitzenlassen, und sie war von jetzt auf gleich … eine von denen. Bedürftig. Und nicht stolz …
Ihr könnt es euch wahrscheinlich vorstellen. Das war nur