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Pál Nagyiván

Am Pipalbaum

werden wir uns wiedersehen

Acht Erzählungen über Begegnungen in Nepal

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Verlag Neue Literatur

Jena · Plauen

2012

Bahandur in der Stadt

Nun war er doch angekommen!

Eines Tages war Bahandur gegangen, als es noch Nacht war. Er blieb nicht mehr am Pipalbaum stehen, war einfach weitergegangen. Hatte dann zwei Tage später den Bus erreicht und vom Restgeld ein Ticket nach Kathmandu gelöst. Was sollte er jetzt noch in dem Dorf? Jetzt, wo alle Kinder in der großen Stadt waren. Reis für die Maobadi anbauen? Die kamen sowieso und nahmen sich das, was sie brauchten, ohne jemanden zu fragen. Sollten sie doch von den anderen Bauern etwas stehlen.

Bahandur war abends in der großen, schmutzigen und staubigen Stadt angekommen. Dort nahm er den Mikrobus nach Kulisor. Seine Schwester hatte in Kulisor ein Haus. Ein guter Platz für die Nacht. Es war schon dunkel geworden und der kleine Schaffner des Mikrobuses quetschte seine Fahrgäste ohne Rücksicht in das Fahrzeug. Dieses war ein ausgebauter alter Bullie, in dem man ein paar zusätzliche Bänke eingesetzt hatte. »Wir sind doch kein Vieh!«, rief jemand und ein anderer fluchte und meinte anschließend, dass die Jugend keinen Respekt mehr habe.

»Der ist doch aus Indien!«, hörte Bahandur den ersten sagen. Der Mikrobus fuhr nicht lange, da wurde er auch schon von einer Kontrolle aufgehalten. Polizei in blauen Uniformen. Die Gewehre lässig um die Schulter gehängt.

»Los, raus, raus mit euch! In einer Reihe aufstellen!« Während die Polizisten die Gepäckstücke der Fahrgäste durchsuchten, gingen zwei von ihnen in den Mikrobus und leuchteten mit Lampen unter die Sitze.

»Wohin Alter?«, wurde Bahandur beim Kontrollposten von zwei jungen Polizisten gefragt. Sie wollten seine Papiere sehen.

Bahandur holte das abgegriffene, schon etwas schmutzige Dokument aus seinem Rucksack. Ein altes schwarz-weiß Foto, daneben sein Daumenabdruck. Und natürlich viele wichtige Stempel. Bahandur zeigte die Karte den Beamten.

»Aus Sangutar!«, lachte der eine und bemerkte dann abschließend: »Ist das noch in Nepal?«

Die Kontrolle war zu Ende und der Mikrobus konnte endlich weiterfahren. Es sollten jedoch noch zwei weitere Kontrollen folgen, dieses Mal die Armee. Die Nacht war gefährlich, selbst in Kathmandu. Die Nacht! Sie gehörte den Maobadi.

Bahandur hatte nur zwei Tage bei seiner Schwester gewohnt, dann fuhr er mit ihr nach Indrazok, dort wohnten seine Kinder jetzt in einem kleinen Zimmer. Seine Schwester und er hatten ein Tempo genommen. Die Schwester zahlte, da Bahandur kaum noch Geld hatte. Sie war reich. Lebte von den Mieteinnahmen ihres Hauses. Sie hatte acht Zimmer vermietet. Für Bahandurs Kinder war keines mehr frei. Das Tempo quälte sich durch die Menschenmassen, vorbei am Indra Tempel. Hier war das Gewühl am dichtesten. Vergeblich versuchte der Polizist mit seiner Trillerpfeife Ordnung zu schaffen in das Chaos der Fahrradrikschas, Tempos, Träger und sonstigen Menschen. Diese strömten von allen Seiten rufend, schubsend, hupend und klingelnd auf den Platz. Von dem Platz gingen strahlenförmig kleine Gassen aus. Die Häuser in diesen Gassen standen so eng, dass man meinte, sie würden sich gegenseitig berühren. Unten im Parterre waren meist kleine Läden. Silberschmiede und Kleidungsgeschäfte. Das Tempo hielt vor einem Hinterhof. Hier wohnten die Kinder. Das Holztreppenhaus war eng. Man musste einige Stockwerke hinauf. Die Kabel hingen teilweise lose an der Decke und waren mit Draht an den Holzbalken befestigt. Vor einer Tür standen viele kleine Schuhe. Seine Schwester sagte, hier wohne nun die Familie und ging wieder. Bahandur klopfte. Von den vier Kindern war nur die ältere Tochter da. Er betrat den kleinen Raum. Selbst Bahandur konnte in dem Zimmer kaum stehen. Der Raum war zur Hälfte von einem Bett ausgefüllt. Auf dem Boden lagen Kleidungsstücke, Schulhefte sowie andere Bücher. An den Wänden hingen Poster. Eines zeigte eine schöne Landschaft mit Bergen. Ein anderes einen Mann mit Bart in weißer Kleidung, der einer andächtigen Menge von Menschen predigte.

Bahandur setzte sich auf den Holzboden. Seine Tochter fragte: »Möchten Sie Tee essen?« Bahandur nickte nur und schlürfte den gereichten Milchtee.

Bahandur beschloss, in Indrazok zu bleiben. Er dachte über seine Kinder nach. Er hatte sieben Kinder. Die älteste Tochter war lange verheiratet. Er hatte ihr damals den Mann ausgesucht. Jemand aus dem Dorf. Sein Sohn war in Pokhara, arbeitete dort in einem Hotel. Die drittälteste Tochter war im Ausland verheiratet. Sie schickte zu wenig Geld. Und der Rest der Familie lebte jetzt hier, in Indrazok, Kathmandu. Drei Töchter: einundzwanzig, sechzehn und vierzehn Jahre alt. Der jüngste Sohn war acht. Warum musste die eine Tochter nähen lernen und die anderen beiden zur Schule gehen? Bestimmt würde Bahandur bald jemanden finden, der die Töchter heiraten würde. Er verstand nicht, warum Frauen zur Schule gehen mussten. Lesen, das war doch nur was für die Priester. Bahandur sah auf den Hof. Er rauchte weniger, seit er das Dorf verlassen hatte. Die Zigaretten in der Stadt waren teuer. Er hatte keinen eigenen Tabak. Meist rauchte er eine Zigarette, wenn die Kinder zur Schule gegangen waren. Er sah dann aus dem Fenster, beobachtete die Frauen, die im Hof Geschirr und Wäsche wuschen. Dann trank er noch eine Tasse Milchtee. Wenn er mit Rauchen und Trinken fertig war, war es Zeit zu gehen. Bahandur ging dann in die Tempel. Meist zum Dubar Square, dieser Platz mit den vielen Tempeln war nicht weit entfernt.

Er hatte sich geärgert, als er nach Hause kam. Es gab schon wieder kein Fleisch. Seine Tochter, die für den Haushalt sorgte, wenn sie vom Nähen zurückkam, sagte, die Familie müsse sparen. Man könne nicht jeden Tag Ziegenbockfleisch essen. Bahandur fragte sich, warum die Tochter, die im Ausland lebte, nicht mehr Geld schickte. Schließlich war doch das Essen das Schönste am Tag. Es gab noch mehr, das Bahandur ärgerte. Seine Töchter, sogar sein Sohn, gingen nicht mehr mit in die Tempel. Nicht einmal in ihrem Zimmer gab es eine kleine Statue. Statt dessen rannten seine Kinder in diese schmucklose Kirche. Eine Kirche ohne Götter, ohne Bilder, ohne Opfer. Der Gott war ein Buch. Ein Buch, das war nur was für Priester. Bahandur war keiner und konnte nicht lesen. Und in diesem Tempel, der keiner war, kamen alle Kasten zusammen. Man konnte sich nicht einmal auf einen Stuhl setzen. Vielleicht hatte dort schon ein Nerva oder sogar ein Damei gesessen. Bahandur wollte sich auf keinen Fall verunreinigen. Er mied diese Kirche wie eine ansteckende Krankheit.

Noch etwas war merkwürdig in der Stadt. Es war Bahandur schon beim Besuch der Schwester aufgefallen. Am Abend saßen die Menschen vor diesem Fernseher. Meistens sahen alle in dieses Ding und sprachen wenig miteinander. Nach einem harten Tag kam man im Dorf zusammen und redete miteinander. Wenn die Menschen in der Stadt keinen Fernseher hatten, besuchten sie Nachbarn, die ein Gerät besaßen. Oft verstand Bahandur nicht, was im Fernsehen gesagt wurde. Er fragte sich, warum im Fernsehen nicht immer Nepali gesprochen wurde. Obwohl Bahandur unter Menschen war, kam es ihm manchmal vor, als sei er alleine. Er überlegte, ob er noch einmal nach Indien gehen sollte. Aber als er das letzte Mal in Indien war, war er zwanzig Jahre jünger.

Es war noch jemand aus dem Dorf gekommen. Bahandurs Neffe. Er wohnte jetzt bei seiner Schwester. Der Neffe war krank. Irgendwie konnte er nicht mehr richtig gehen. Zog sein rechtes Bein nach, wie ein alter Mann. Bahandur hatte seinen Neffen besucht. Er lag jetzt im Bett und schaute ihn mit seinen großen braunen Augen an. Der Junge war im Gesicht ganz schmal geworden. Die Wangen waren eingefallen und die Backenknochen traten hervor. Bahandur schien es, als hätte die Haut an Farbe verloren. Sie sah ganz grau aus. Dem Jungen schien das Sprechen schwer zu fallen. Dabei war er noch keine achtzehn Jahre alt. Bahndur wusste, dass etwas geschehen musste. Er wusste, dass Menschen die so aussahen, nicht lange zu leben hatten.

Er kannte einen Mann, der ihm schon oft geholfen hatte, wenn er an Magenschmerzen litt. Bahandur machte sich auf den Weg, den Mann zu holen. Der Mann, der schon etwas gekrümmt ging, kam auch gleich mit. Er hatte eine dicke Hornbrille mit verkratzten Gläsern auf. Auf dem Kopf trug er ein rotes Topi. Bahandur betrat mit dem Mann zusammen das Zimmer des Kranken.

Der Mann sah jedoch nicht gleich nach dem Jungen, sondern blieb vor der Ganeschstatue stehen. Der Gott aus Gips befand sich in einer Zimmerecke auf einem kleinen Schrank. Davor einige Plastikblumen. Der Mann holte eine Räucherkerze aus seiner Tüte, steckte sie in Brand und stellte sie vor den Gott des Glücks. Dann kramte er einen kleinen, schwarzen Stein aus seiner Jacke, legte diesen neben den Gott und fing an etwas zu murmeln. Bahandur hatte inzwischen eine Tasse Milchtee geholt. Nun wandte sich der Mann dem Kranken zu. Er sah ihm in die Augen. Dann schlug er die Bettdecke zurück. Der Junge lag da mit freiem Oberkörper und man konnte sehen, wie abgemagert er war. Es schien, als seien die Rippen nur mit dünnem Transparentpapier bespannt. Der Mann roch nun an dem Kranken. Er beschnüffelte ihn vom Gesicht abwärts bis hin zum Bauchnabel. Dann fing er an, den Leib mit den Lippen zu berühren und am Bauch zu saugen. Dazu machte er glucksende Geräusche. Als er damit fertig war, hockte er sich neben das Bett und begann mit Beschwörungen. Unverständliche Worte, in denen immer wieder »Om« vorkam. Er stand wieder auf, griff in seine Tüte, nahm etwas Asche und streute sie auf den Kranken. Dann nahm er einen schmutzigen Becher und goss aus einer ebenso schmutzigen Flasche einen roten Saft. Diesen sollte der Kranke am Abschluss der Zeremonie trinken.

Bahandur fragte den Mann, ob er schon Reis gehabt habe. Der Mann verneinte. Bahandur und der Mann aßen zusammen Reis.

Der Mann sagte, er wisse nicht, ob er den Kranken heilen könnte. Vielleicht müsse Bahandur zu einem Sarki gehen, der habe mehr Macht. Der Junge sei verhext. Bahandur gab dem Mann 40 Rupien.

Bahandur war mit seinem Neffen doch zum Krankenhaus gegangen. Das Bir-Hospital. In der Nähe von Sundara. Ein mehr graues Gebäude hinter einer Mauer. Die Farbe blätterte schon an einigen Stellen ab, an anderen waren grün-schwarze Algenteppiche zu sehen. Innen gab es lange kahle Flure mit Neonlicht und vielen Menschen. Bahandur wusste erst gar nicht wohin. Er musste seinen Neffen stützen. Der 56-Jährige stützte den 17-Jährigen. Dieser konnte kaum noch gehen, schleppte sich eher durch die Gänge des Hospitals. Blutabnahme! Man hatte sie zur Blutabnahme geschickt. Allen Leuten musste erst einmal Blut abgenommen werden. Eine lange Schlange von kranken, stöhnenden Menschen hatte sich im Vorraum der Blutabnahme gebildet. Es ging nur langsam vorwärts. In dem kalten, kargen Warteraum, der von einer Neonlampe ausgeleuchtet wurde, gab es so gut wie keine Sitzgelegenheit. Bahandur und sein Neffe stellten sich an und warteten und warteten und warteten. In der Schlange vor ihnen stöhnte eine Frau: »Ich kann nicht mehr! Warum hilft mir keiner? Ich kann nicht mehr!« Niemand reagierte. Es kam kein Arzt, es kam keine Schwester. Die Frau jammerte noch einmal: »Ich kann nicht mehr!« Dann brach sie zusammen, lag einfach neben den Wartenden auf dem Boden, bis sich zwei aus der Reihe erbarmten und sie auf einen der wenigen Stühle setzten.

Ein Nepali in einem gelben Gewand, offensichtlich ein Priester, fing laut an zu rufen: »Wir sind doch keine Schweine! Ihr lasst uns hier einfach sterben! Nur die Reichen werden gut behandelt!« Der diensthabende Arzt kam aus seiner Pause zurück. Die Tür zur Blutabnahme öffnete sich und eine gelangweilte Stimme sagte: »Der Nächste bitte!«

Die Ärzte hatten Bahandur gesagt, sie könnten ihm und dem Neffen nicht weiterhelfen, nicht hier in Kathmandu. Sie würden den Neffen ein paar Tage zur Beobachtung behalten, aber sie müssten ein Computerbild vom Rücken des Kranken machen. Das koste viel Geld, und das alles würde sehr lange dauern. Vielleicht in der Klinik in Pokhara, dort würde man manchmal sogar Patienten umsonst oder billiger behandeln.

Neben dem Hospital an der Straße wuchs ein alter Pipalbaum. Er hatte schon lange dort gestanden, bereits bevor man das Hospital gebaut hatte. Dieser Baum war knorrig und zerfurcht. Der Stamm des Baumes war bunt vom Puder der Gläubigen und mit weißen Bändern umwickelt. Bahandur führte beim Vorbeigehen die Hand zur Stirn und dann zur Brust. Diese Geste bedeutet »Darsun garnu!«, ein Zeichen von Respekt und Ehrfurcht. Dann ging er auf einen kleinen Tempel zu, der sich auf der anderen Straßenseite befand. Er wartete, bis sich eine Lücke in dem fließenden Verkehr der hupenden Taxis, Tempos und Kleinbusse ergab. In dem kleinen Tempel gegenüber dem Hospital betete Bahandur für die Genesung des Kranken. Danach machte er sich auf, auf den Weg nach Indrazok.

Angekommen in dem Zimmer seiner Kinder sagte Bahandur, dass er Geld brauchte. 4 000 Rupien. Der älteren Tochter standen die Tränen in den Augen. Sie bat den Herrn Vater um Entschuldigung, aber das Geld würde von den Kindern für Miete und Essen verbraucht, auch müsse man eine Schulgebühr bezahlen sowie Hefte und Stifte kaufen. Bahandur erwiderte, dass der Unsinn mit der Schule nun ein Ende habe. Wenn er den Neffen in Pokhara in das Krankenhaus gebracht hätte, dann würde er sich darum kümmern, dass die Töchter endlich einen Mann bekämen. Den jüngsten Sohn würde er wieder mit zurück in das Dorf nehmen, dort sollte er eines Tages den Hof übernehmen. Weinend gab ihm die Tochter 3 000 Rupien.

Die Götter hatten das Schicksal des Neffen anders bestimmt. Die Ärzte in Pokhara hatten Bahandur das Geld für die Computerbilder abgenommen, nur um ihm zu sagen, dass sie seinem Neffen nicht mehr helfen könnten. So lag der Neffe noch eine Woche im Krankenhaus. Gelähmt! Mann hatte ihm einen Plastikschlauch in den Arm gelegt. Bahandur sah von Tag zu Tag, dass sein Neffe schwächer wurde und kaum noch sprach. Dann war er tot. Den Rest des Geldes hatte Bahandur für die Bestattungsfeierlichkeiten verbraucht und war dann zurückgefahren nach Kathmandu. Jetzt hatte er nicht viel mehr Geld in der Tasche als zu der Zeit, als er vom Dorf aufbrach.

In Kathmandu angekommen, suchte Bahandur erneut Indrazok auf. Er ging die Holztreppe in dem schiefen Treppenhaus hinauf. Die Tür vor dem Zimmer seiner Kinder wirkte verlassen. Wo sonst Schuhe standen, sah man nur noch den Holzboden. Bahandur klopfte. Nichts rührte sich. Er öffnete die Tür. Das Zimmer war leer.

Die letzte Nacht in Kathmandu schlief Bahandur wieder bei seiner Schwester. Er hatte sich auf das alte Sofa gelegt, während die Familie der Schwester vor dem Fernseher saß. Am nächsten Tag, sehr früh am Morgen, würde sein Bus fahren, zurück nach Debitar. Dort begann der lange Fußweg zurück in sein Dorf.

Maya und die Ziege

Maya war traurig! Während des Dashaifestes war Maya immer traurig. Obwohl die meisten Menschen um sie herum sich auf das Dashaifest freuten. Vor allem die Kinder. Da gab es für sie viele Geschenke und Süßigkeiten. Manche Kinder ließen um diese Zeit ihre Drachen in den blauen Himmel steigen. Aber für Maya war Dashai eine traurige Zeit. Wegen der Tiere und besonders wegen der Ziegen. Meist kaufte der Vater vor Dashai zwei Ziegen. Ein oder zwei Wochen vor dem Fest. Maya liebte es, wenn die Tiere meckernd im Hinterhof standen. Sie streichelte ihnen über den Kopf und spielte mit den Hörnern der Tiere, was diese gar nicht mochten. Dann lief sie an den Straßenrand und rupfte Gras, das sie ihr aus der Hand fraßen. So freundete sich Maya jeden Tag mehr mit den Ziegen an und gab ihnen sogar Namen. Vor dem Schlafen umarmte sie die Ziegen, was bei ihrem Vater meist ein Schimpfen auslöste. Er meinte, dass sie jetzt ganz nach »Kosie« stinken würde. So nennt man in Nepal einen jungen Ziegenbock, der eigentlich kein Bock mehr ist. Im Dorf nehmen die Leute zwei Steine und dann … Das Fleisch des Tieres soll so besser schmecken!

Die Freude, die Maya an ihren Ziegen hatte, fand jedes Jahr ein jähes Ende. Spätestens am neunten Tag des Dashaifestes. An diesem Tag wurde geschlachtet. Je näher der Tag kam, desto trauriger wurde Maya. Am Abend davor musste sie oft weinen und konnte kaum etwas essen. Sie suchte für die Ziegen dann besonders viel Gras und streichelte sie, sollten sie es doch am letzten Abend ihres Lebens besonders gut haben.