Cover

CLIVE CUSSLER

&

Dirk Cussler

UNTERDRUCK

Ein Dirk-Pitt-Roman

Deutsch von Michael Kubiak

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Poseidon’s Arrow« bei Putnam’s Sons, New York.
© der Originalausgabe 2012 by Sandecker, RLLLP
By arrangement with
Peter Lampack Agency, Inc.
551 Fifth Avenue, Suite 1613
New York, NY 10176-0187 USA
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Blanvalet Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Joern Rauser
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-10961-5
V002
www.blanvalet.de

PROLOG
BARBARIGO

OKTOBER 1943
INDISCHER OZEAN

Von der wogenden See reflektiert, erschien das Licht des Halbmondes wie ein Streifen brennenden Quecksilbers. Leutnant Alberto Conti erinnerten die funkelnden Wellen an ein Aquarell von Monet, ausgestellt in einem dunklen Raum. Die silbrige Gischt warf das Mondlicht zum Himmel zurück und erhellte weit im Norden eine Wolkenbank. Es waren die Vorboten eines Unwetters, das sich gut fünfzig Meilen entfernt über der fruchtbaren Küste Südafrikas entlud.

Indem er sein Kinn vor der feuchten Brise einzog, die ihm ins Gesicht wehte, wandte er sich zu einem jungen Seemann um, der neben ihm im Kommandoturm des italienischen Unterseebootes Barbarigo stand.

»Romantischer Abend, nicht wahr, Catalano?«

Der Seemann sah ihn fragend an. »Das Wetter ist sehr angenehm, Tenente, wenn Sie das meinen.« Obgleich ebenso erschöpft wie die restliche Mannschaft, bewahrte der Seemann in der Anwesenheit von Offizieren eine stramme Haltung. Es war ein Ausdruck jugendlicher Ehrfurcht, dachte Conti, die sich im Laufe der Zeit gewiss verflüchtigen würde.

»Nein, den Mondschein«, sagte Conti. »Ich wette, er strahlt heute Nacht auch über Neapel und bringt das Kopfsteinpflaster der Gassen zum Glänzen. Es würde mich nicht wundern, wenn in diesem Moment ein attraktiver Offizier der Wehrmacht mit Ihrer Verlobten über die Piazza del Plebiscito flaniert.«

Der junge Seemann spuckte über den Rand des Kommandoturms, dann sah er den Offizier mit glühenden Augen an.

»Meine Lisetta würde eher von der Gaiola-Brücke springen, als sich mit einem deutschen Schwein einlassen. Wegen ihr mache ich mir keine Sorgen, denn sie hat, solange ich weg bin, immer einen Totschläger in der Handtasche. Und sie weiß auch, wie man damit umgeht.«

Conti lachte herzhaft. »Wenn wir alle unsere Frauen auf diese Art und Weise bewaffneten, würden weder die Deutschen noch die Alliierten es wagen, auch nur einen Fuß in unser Land zu setzen.«

Nach Wochen auf See und nach Monaten fern seiner Heimat konnte Catalano über diese Bemerkung nicht lachen. Er suchte den Horizont ab, dann deutete er mit einem Kopfnicken auf den dunklen aufgetauchten Bug, mit dem das Unterseeboot durch die Wellen pflügte.

»Tenente, weshalb sind wir dazu verdonnert worden, für die Deutschen Transportdienste zu übernehmen, anstatt Handelsschiffe zu jagen, wofür die Barbarigo doch eigentlich gebaut wurde?«

»Wir sind zurzeit allesamt Marionetten des Führers, fürchte ich«, erwiderte Conti und schüttelte den Kopf. Wie die meisten seiner Landsleute hatte er keine Ahnung, dass in Rom Kräfte am Werk waren, die in wenigen Tagen Mussolini aus dem Amt jagen und mit den Alliierten einen Waffenstillstand schließen würden. »Kaum zu glauben, dass wir 1939 eine größere U-Boot-Flotte hatten als die Deutschen und jetzt unsere Einsatzbefehle von der deutschen Kriegsmarine erhalten«, fügte er hinzu. »Manchmal fällt es wirklich schwer, die Welt zu verstehen.«

»Ich finde das nicht richtig.«

Conti ließ den Blick über das großflächige Vorderdeck des Unterseeboots gleiten. »Ich vermute, dass die Barbarigo für die jüngsten bewaffneten Konvois zu langsam ist, darum taugen wir nur noch für den Frachtdienst. Zumindest können wir uns damit trösten, dass dieses Schiff aus der Zeit vor seiner neuen Verwendung eine stolze Abschussquote vorweisen kann.«

1938 vom Stapel gelaufen, hatte die Barbarigo zu Beginn des Krieges ein halbes Dutzend Schiffe der Alliierten im Atlantik versenkt. Mit ihrer Wasserverdrängung von über eintausend Tonnen war sie viel größer als die gefürchteten Typ-VII-U-Boote der deutschen Verbände, die in Rudeltaktik operierten. Als die Verluste an deutschen Oberwasserschiffen jedoch zunahmen, verfügte Admiral Dönitz, dass mehrere der großen italienischen sommergibili zu Frachtschiffen umgebaut wurden. Nachdem ihre Torpedos, das Deckgeschütz und sogar eine der Toiletten entfernt worden waren, hatte man die Barbarigo als Frachtschiff nach Singapur geschickt, beladen mit Quecksilber, Stahl und 20-mm-Geschützen für die Japaner.

»Unsere Rückfracht wird als höchst kriegswichtig eingestuft, aus diesem Grund muss jemand das Maultier spielen, nehme ich an«, sagte Conti. Aber tief in seinem Innern ärgerte er sich über den Frachtdienst. Wie in jedem U-Boot-Fahrer steckte auch in ihm ein Jäger, beseelt von dem Wunsch, den Feind zu belauern. Nun jedoch bedeutete jede Feindberührung für die Barbarigo den sicheren Tod. Ihrer Waffen beraubt und sich mit lediglich zwölf Knoten dahinschleppend, war das Unterseeboot eher eine lahme Ente als ein gefürchteter Angreifer.

Als eine schaumgekrönte Welle gegen den Bug schwappte, warf Conti einen Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr.

»Sonnenaufgang in weniger als einer Stunde.«

Indem er den unausgesprochenen Befehl ausführte, setzte Catalano ein Fernglas an die Augen und suchte den Horizont nach anderen Schiffen ab. Der Leutnant folgte seinem Beispiel, ließ den Blick rund um den Kommandoturm wandern und kontrollierte den Ozean und den Luftraum über ihnen. Seine Gedanken wanderten nach Casoria, einer kleinen Stadt nördlich von Neapel, wo seine Frau und sein kleiner Sohn auf ihn warteten. Ein Weingarten gedieh hinter ihrem bescheidenen Bauernhaus, und plötzlich sehnte er sich nach den verträumten Sommernachmittagen, an denen er mit seinem Sohn zwischen den Rebstöcken Fangen gespielt hatte.

Dann hörte er es.

Über dem Dröhnen der beiden Dieselmotoren des U-Boots nahm er noch ein anderes Geräusch wahr. Eine Art höherfrequentes Summen. Er straffte sich und vergeudete keine Zeit mit der Suche nach seiner Herkunft.

»Die Luke schließen!«, rief er.

Sofort ließ er die Turmleiter ins Boot hinab. Das Alarmtauchsignal ertönte einen kurzen Moment später und trieb die Angehörigen der Mannschaft eilends auf ihre jeweiligen Positionen. Im Maschinenraum rastete eine wuchtige Kupplung ein, stoppte die Dieselmotoren und schaltete auf den Antrieb durch eine Reihe batteriebetriebener Elektromotoren um. Meerwasser spülte bereits über das Vorderdeck, während Catalano die Luke des Kommandoturms verschloss und dann in die Zentrale hinabstieg.

Normalerweise vollendete eine gut ausgebildete U-Boot-Crew ein Alarmtauchmanöver in weniger als einer Minute. Aber da dieses Boot als Frachtschiff unterwegs und bis unters Dach beladen war, gab es nur wenig, was dieses Exemplar der italienischen U-Boot-Flotte schnell zustande brachte. Mit quälender Trägheit tauchend, befand es sich fast zwei Minuten, nachdem Conti das sich nähernde Flugzeug entdeckt hatte, endlich vollständig unterhalb der Meeresoberfläche.

Catalanos Stiefel klapperten und klirrten auf der Stahlleiter, während er sich geradezu in den Kontrollraum fallen ließ. Dort suchte er sofort seine während des Alarmtauchmanövers vorgeschriebene Position auf. Das Rattern der Dieselmotoren war verstummt, als sich der elektrische Antrieb einschaltete, und die Mannschaft bewahrte die herrschende Stille, indem sich die Männer nur noch im Flüsterton miteinander verständigten. Der Steuermann der Barbarigo, ein Mann mit rundem Engelsgesicht namens De Julio, rieb sich den Schlaf aus den Augen, während er Conti fragte, ob sie gesichtet worden seien.

»Das konnte ich nicht feststellen. Ich habe das Flugzeug gar nicht gesehen. Aber der Mond steht am Himmel, und die See ist relativ ruhig. Ich bin davon überzeugt, dass wir zu sehen sind.«

»Wir werden es sicher bald erfahren.«

Der Kapitän trat ans Steuer und warf einen Blick auf den Tiefenmesser. »Bringen Sie uns auf zwanzig Meter runter und geben Sie volles rechtes Seitenruder.«

Der Erste Steuermann des U-Boots nickte, während er den Befehl wiederholte, konzentrierte sich auf die Anzeigeinstrumente und packte das große stählerne Steuerrad mit festem Griff. Stille senkte sich auf den Kontrollraum herab, während die Männer darauf warteten, was das Schicksal für sie bereithielt.

Gut dreihundert Meter über ihnen warf ein schwerfälliges englisches Flugboot vom Typ Consolidated PBY »Catalina« zwei Wasserbomben ab, die rotierend wie ein Paar Kreisel ins Meer stürzten. Die Maschine war noch nicht mit Radar ausgerüstet, vielmehr war es der Heckschütze des RAF-Flugzeugs gewesen, der die weiße Heckwelle der Barbarigo auf der kabbeligen Wasseroberfläche entdeckt hatte. Begeistert über seinen Fund, drückte er die Nase gegen das Plexiglasfenster und verfolgte mit großen Augen, wie die beiden Bomben ins Meer eintauchten. Sekunden später schossen zwei Wassersäulen senkrecht in die Luft.

»Ein wenig zu spät«, sagte der Copilot.

»Hatte ich mir schon gedacht.« Der Pilot, ein hochgewachsener Londoner mit einem sorgfältig gestutzten Schnurrbart, legte die Catalina so lässig in eine scharfe Kurve, als schenke er sich eine Tasse Tee ein.

Das Abwerfen der Bomben hatte etwas von einem Ratespiel, da das Unterseeboot bereits außer Sicht verschwunden und nur noch seine Heckwelle zu sehen war. Das Flugzeug musste also schnellstens zuschlagen. Die aus der Luft abgeworfenen Sprengladungen explodierten in einer vorher festgelegten Wassertiefe von nur fünfundzwanzig Fuß. Wenn dem U-Boot genug Zeit geblieben war, wäre es längst tiefer abgesunken.

Der Pilot startete einen weiteren Anflug und orientierte sich nun an einer Markierungsboje, die sie vor dem ersten Angriff abgeworfen hatten. Während er sich nach den Resten der verlaufenden Heckwelle des U-Boots richtete, berechnete er im Kopf seinen weiteren unsichtbaren Kurs, dann lenkte er die dickbäuchige Catalina dicht an der Boje vorbei.

»Wir nähern uns«, meldete er dem Bombenschützen. »Klink aus, wenn du ein Ziel siehst.«

Der Bombenschütze der achtköpfigen Flugzeugbesatzung sichtete das Unterseeboot, legte einen Schalter um und gab das zweite Paar Wasserbomben frei, das unter den Tragflächen der Catalina befestigt war.

»Wasserbomben ausgeklinkt. Diesmal genau im Ziel, würde ich meinen, Captain.«

»Wir sollten zur Sicherheit noch einen dritten Versuch machen und dann zusehen, ob wir irgendwo in der Nähe ein Oberwasserschiff anfunken können«, erwiderte der Pilot und legte die Maschine bereits für eine scharfe Wende auf die Seite.

Beide Explosionen ließen die Schotten der Barbarigo vibrieren. Die Deckenbeleuchtung flackerte, und der Druckkörper ächzte, aber kein Wasserschwall ergoss sich ins Innere. Für einen kurzen Moment schien der betäubende Explosionsknall, der in den Ohren jedes Besatzungsmitglieds ähnlich nachhallte wie die Glocken des Petersdoms, die einzige Folge des Angriffs zu sein. Doch dann wurde das Glockenläuten von einem metallischen Klirren übertönt, das vom Heck ausging und von einem schrillen Jaulen abgelöst wurde.

Der Kapitän spürte, wie sich die Trimmung des U-Boots leicht veränderte. »Irgendwelche Schäden an Bug und Heck oder am Rumpf?«, rief er. »Aktuelle Tauchtiefe?«

»Zwölf Meter, Tenente«, antwortete der Steuermann.

Niemand im Kontrollraum sagte ein Wort. Eine Kakophonie von Zisch- und Knarrlauten lief durch das Schiffsinnere, während das U-Boot tiefer sank. Doch es war das Geräusch, das sie nicht hörten, das in ihren Ohren nachhallte – das laute Klatschen und Klicken eines Wasserbombenpaars, das direkt neben dem getauchten U-Boot explodierte.

Die Catalina hatte es beim letzten Überflug aus weiterer Entfernung abgeworfen, da der Pilot einen nördlichen Kurs angenommen hatte, während die Barbarigo nach Süden abgeschwenkt war. Die letzten dumpfen Explosionen hatten das Unterseeboot kaum erschüttert, während es tiefer sank und außer Reichweite der Wasserbomben gelangte. Die Anspannung entlud sich in einem kollektiven Aufatmen, als die Mannschaftsangehörigen feststellten, dass sie vorläufig in Sicherheit waren. Die einzige Gefahr, die ihnen jetzt noch drohte, wäre ein Oberwasserschiff der Alliierten, das Kurs auf ihre gegenwärtige Position nahm, um sie erneut anzugreifen.

Ihre Erleichterung erhielt jedoch durch einen lauten Ruf des Steuermanns einen abrupten Dämpfer.

»Capitano, wir verlieren an Geschwindigkeit!«

Conti kam heran und kontrollierte eine Batterie von Anzeigeinstrumenten in der Nähe des Steuerstandes.

»Die Elektromotoren sind unversehrt und in Betrieb«, meldete der junge Seemann stirnrunzelnd. »Aber die Antriebswelle dreht sich nicht.«

»Sala soll sich sofort bei mir melden.«

»Jawohl, Capitano.« Ein Seemann in der Nähe des Periskops machte Anstalten, den Chefingenieur der Barbarigo zu holen. Er war gerade zwei Schritte weit gekommen, als der Offizier im Verbindungsgang zum Schiffsheck erschien.

Wie ein Bulldozer schob Chefingenieur Eduardo Sala seine massige Gestalt mit stampfenden Schritten vorwärts. Er kam auf den Kapitän zu und starrte ihn aus harten dunklen Augen an.

»Gut, dass Sie schon da sind«, sagte der Kapitän. »Wie ist unser derzeitiger Betriebszustand?«

»Der Druckkörper ist unversehrt, Signore. Wir haben ein Leck an der Dichtung der Hauptantriebswelle, das wir zurzeit verschließen, zumindest so gut es geht. Außerdem muss ich einen Verletzten melden – Ingenieur Parma ist bei dem Bombenangriff gestürzt und hat sich das Handgelenk gebrochen.«

»Zur Kenntnis genommen, aber was ist mit dem Antrieb? Sind die Elektromotoren außer Betrieb?«

»Nein, Signore. Ich habe die Hauptmotoren stillgelegt.«

»Sind Sie verrückt, Sala? Wir werden angegriffen, und Sie schalten die Motoren aus?«

»Sie sind jetzt bedeutungslos«, sagte der Chefingenieur ruhig.

»Was soll das heißen?«, fragte Conti und wunderte sich, dass der Ingenieur ausweichend antwortete.

»Es ist die Schraube«, sagte Sala. »Ein Flügel wurde durch die Wasserbombe verbogen oder verdreht. Sie ist gegen den Rumpf geschlagen und abgebrochen.«

»Einer der Flügel?«, fragte Conti.

»Nein … die ganze Schraube.«

Die Worte hingen in der Luft wie der Klang einer Totenglocke. Ohne ihren einzigen Propeller würde die Barbarigo von den Wellen hin und her geworfen werden – wie ein Korken. Ihr Heimathafen Bordeaux schien plötzlich genauso weit entfernt zu sein wie der Mond.

»Was können wir tun?«, wollte der Kapitän wissen.

Der vierschrötige Ingenieur schüttelte den Kopf.

»Nichts anderes als beten«, sagte er leise. »Beten, dass die See uns gnädig ist.«

TEIL I
POSEIDON’S
ARROW

1

JUNI 2014
MOJAVE-WÜSTE, KALIFORNIEN

Es war ein Mythos, entschied der Mann, nichts als ein Ammenmärchen. Oft hatte er gehört, dass die kochende Tageshitze in der Wüste nachts in eisige Kälte umschlug. Das traf jedoch, wie er bezeugen konnte, nicht auf die hochgelegene Wüste von Südkalifornien zu. Schweiß tränkte die Ärmel seines dünnen schwarzen Pullovers und sammelte sich in einer kleinen Pfütze auf seinem Steißbein. Die Temperatur bewegte sich noch immer bei mindestens dreißig Grad Celsius. Er warf einen Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr und holte sich die Bestätigung, dass es in der Tat zwei Uhr morgens war.

Im Grunde machte ihm die Hitze nichts aus. Er war in Mittelamerika geboren worden und hatte sein ganzes Leben lang in den Dschungeln dieser Region gelebt und als Guerillero gekämpft. Aber die Wüste war etwas Neues für ihn, und mit einer solchen nächtlichen Hitze hatte er nicht gerechnet.

Er blickte über das staubige Gelände auf eine Ansammlung leuchtender Straßenlampen. Sie markierten die Einfahrt zu einem ausgedehnten Bergwerksgelände, das sich über die ganze Hügellandschaft vor ihnen erstreckte.

»Eduardo müsste die Position gegenüber dem Wachhaus bald erreicht haben«, sagte er zu dem bärtigen Mann, der neben ihm lag – ausgestreckt in einer Sandkuhle.

Er war von seinen Kampfstiefeln bis hinauf zu der dünnen Mütze, die er sich tief in die Stirn gezogen hatte, ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet. Schweiß glänzte auf seinem Gesicht, als er den Kopf hob und aus einer Wasserflasche trank.

»Ich wünschte, er würde sich beeilen. Hier gibt es Klapperschlangen.«

Eine Minute später meldete sich das tragbare Sprechfunkgerät an seinem Gürtel mit einem zweifachen kurzen Rauschen.

»Das ist er. Los geht’s.«

Die Männer erhoben sich und luden sich leichte Rucksäcke auf die Schultern. Lichter der Bergwerksgebäude verteilten sich auf dem Berghang vor ihnen und erhellten die Wüste mit ihrem fahlen Schein. Sie marschierten ein kurzes Stück bis zu einem Maschendrahtzaun, der den gesamten Komplex umgab. Der größere Mann ging auf die Knie hinunter und suchte in seinem Rucksack nach einer Drahtzange.

»Pablo, ich glaube, wir kommen auch ohne Werkzeug auf die andere Seite«, flüsterte sein Partner und deutete auf ein ausgetrocknetes Bachbett, das unter dem Zaun verlief.

Der sandige Untergrund war in der Mitte des Bachbettes noch nicht festgebacken, also konnte er einiges von dem losen Geröll mit dem Fuß beiseiteschieben. Pablo half ihm, indem auch er Sand und Geröll aus dem Weg räumte, bis sie ein kleines Loch unter dem Zaun gegraben hatten. Sie schoben die Rucksäcke hindurch und folgten ihnen.

Eine Kombination leiser rumpelnder Geräusche – das mechanische Getöse eines Tagebaus, der rund um die Uhr in Betrieb war – erfüllte die Luft. Die beiden Männer hielten ausreichend Distanz zu dem Wachhaus, das rechts von ihnen stand, und bewegten sich über den sanft geneigten Berghang hinauf, und zwar in Richtung der eigentlichen Grube. Nach einem Fußmarsch von zehn Minuten erreichten sie eine Gruppe älterer Gebäude, zwischen denen kreuz und quer lange Förderbänder verliefen. Ein Schaufelbagger am hinteren Ende lud haufenweise Erz auf eines der Förderbänder, das einen auf Stelzen ruhenden Sammel- und Einfülltrichter belieferte.

Das Ziel der beiden Männer war eine zweite Gebäudegruppe etwas weiter oben auf dem Berghang. Die Fördergrube versperrte ihnen den Weg und zwang sie, in den Verarbeitungsbereich auszuweichen, wo das Erz zertrümmert und zermahlen wurde. Sie hielten sich im Schatten und huschten an der Eingrenzung entlang, dann nutzten sie die Deckung eines großen Lagerhauses, an dessen Rückseite sie weiterschlichen. Sie erreichten eine ungeschützte Fläche zwischen den Bauten, überquerten sie eilig und liefen geduckt an einem halb im Sand vergrabenen Bunker zu ihrer Linken vorbei. Plötzlich wurde in der Mitte des Gebäudes vor ihnen eine Tür aufgestoßen. Die beiden Männer trennten sich. Juan wich seitlich aus und suchte hinter dem Bunker Deckung, während Pablo zur Gebäudeseite hinüberspurtete.

Er schaffte es nicht.

Ein hellgelber Lichtstrahl flammte auf und blendete ihn.

»Keine Bewegung, oder du bedauerst, noch einen Schritt gemacht zu haben«, sagte eine tiefe, raue Stimme.

Pablo stoppte sofort. Er tat es jedoch auf eine übertriebene Weise, zog gleichzeitig eine kleine Automatic aus dem Halfter an seiner linken Hüfte und versteckte sie in seiner behandschuhten Hand.

Der übergewichtige Wachmann kam langsam näher und hielt seine Taschenlampe auf Pablos Augen gerichtet. Der Wächter konnte erkennen, dass der Eindringling groß – über einen Meter achtzig – und athletisch gebaut war. Seine kaffeefarbene Haut war glatt und weich im Gegensatz zu den schwarzen Augen, die heimtückisch glühten. Ein hellerer Hautstreifen zog sich von seinem Kinn über seinen linken Unterkiefer, das vernarbte Andenken an ein früheres Messerduell.

Der Wachmann sah genug, um zu begreifen, dass er keineswegs einen zufällig eingedrungenen Störenfried vor sich hatte, und blieb in sicherer Entfernung stehen, eine .357er Magnum in der Hand.

»Wie wäre es, wenn du jetzt die Hände auf deinen Kopf legst und mir verrätst, wohin dein Freund verschwunden ist?«

Das Rumpeln eines Förderbandes in der Nähe übertönte Juans Schritte, als er vom Bunker herübersprintete und ein Messer in die Nierengegend des Wachmanns stieß. Das Gesicht des Wächters erstarrte für einen kurzen Moment im Schock, ehe sich sein gesamter Körper anspannte. Reflexartig gab er noch einen Schuss ab, und eine Kugel pfiff hoch über Pablos Kopf hinweg in die Nacht. Dann brach der Wachmann zusammen, wobei sein Körper, als er auf dem sandigen Boden aufschlug, eine Staubwolke hochwirbeln ließ.

Pablo brachte in Erwartung weiterer Wächter, die ihrem Kollegen vielleicht zu Hilfe kamen, seine Pistole in Anschlag, aber nichts geschah. Der Schuss war im Rumpeln der Förderbänder und Stampfen des Gesteinsbrechers untergegangen. Ein kurzer Funkkontakt mit Eduardo bestätigte, dass sich am Vordereingang ebenfalls nichts rührte. Niemand in der gesamten Anlage hatte etwas von ihrer Anwesenheit bemerkt.

Juan wischte das Messer am Hemd des Toten ab. »Wie hat er uns entdeckt?«

Pablo schaute zum Bunker. Zum ersten Mal bemerkte er das rotweiße Schild mit der Aufschrift ACHTUNG: EXPLOSIONSGEFÄHRLICHE STOFFE. »In dem Bunker wird der Sprengstoff gelagert. Offenbar stand er unter besonderer Bewachung.«

Verdammtes Pech, fluchte er halblaut. Das Sprengstofflager war auf seiner Karte nicht eingezeichnet. Nun war ihre gesamte Operation gefährdet.

»Sollen wir ihn in die Luft jagen?«, fragte Juan.

Sie hatten den Auftrag, die Anlage außer Betrieb zu setzen und es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Das war jedoch plötzlich unmöglich geworden. Der Sprengstoff im Bunker könnte durchaus nützlich sein, aber vom eigentlichen Ziel war er zu weit entfernt.

»Das lassen wir.«

»Soll der Wachmann hier liegen bleiben?«, wollte Juan wissen.

Pablo schüttelte den Kopf. Er schnallte das Halfter des Mannes ab, dann zog er ihm die Schuhe aus. Nun filzte er die Kleidung des Wächters und förderte seine Brieftasche und eine halbvolle Zigarettenpackung zu Tage. Er verstaute alles zusammen mit der .357er Magnum in seinem Rucksack. Eine langsam größer werdende Pfütze Blut tränkte den Untergrund um seine Füße. Er kickte lockeren Sand über das Blut, dann ergriff er einen Arm des Wächters. Juan bückte sich nach dem anderen Arm, und sie schleiften die Leiche des Wachmanns in die Dunkelheit.

Nach dreißig Metern erreichten sie ein erhöhtes, auf Stelzen ruhendes Förderband, auf dem melonengroße Gesteinsbrocken vorbeiwirbelten. Mit vereinten Kräften hievten sie den Toten mühsam auf das Förderband. Pablo verfolgte, wie der Tote von dem Band mitgenommen und in die Höhe transportiert wurde und in einen großen stählernen Trichter stürzte.

Das Erz, ein gemischtes Fluorcarbonat, bekannt als Bastnäsit, hatte bereits den ersten Gesteinsbrecher und die Sortieranlage durchlaufen. Die Leiche des Wächters geriet in die zweite Phase der Pulverisierung, in deren Verlauf das Erz in baseballgroße Stücke zerschlagen wurde. Eine dritte Zerkleinerungsphase zerstampfte die Steine zu feinem Grieß. Wenn jemand das grobe braune Pulver, das sich auf dem letzten Förderband auftürmte, eingehender untersucht hätte, hätte er einen seltsamen rötlichen Schimmer wahrgenommen, der auf die sterblichen Überreste des Wächters hinwies.

Obgleich das Zertrümmern und Zermahlen wichtige Abschnitte im Produktionsablauf des Tagebaus darstellten, waren sie weniger bedeutsam als das, was im zweiten Gebäudekomplex ein Stück bergauf geschah. Pablo blickte zu den Lichtern der Gebäudegruppe in der Ferne, wo das zermahlene Erz mit Laugen versetzt wurde, die es in die Mineralien aufspaltete, die in ihm enthalten waren. Da sie in diesem Bereich keine Fahrzeuge in Bewegung beobachten konnten, machten er und Juan sich mit zügigem Tempo auf den Weg.

Die Männer mussten die offene Grube an ihrem östlichen Rand passieren und suchten durch einen Sprung in einem offenen Kanal Deckung, als ein Kipplaster vorbeigerumpelt kam. Kurz darauf meldete sich Eduardo per Funk und warnte sie, dass sich ein Sicherheitswächter mit einem Pick-up-Truck auf Kontrollfahrt über das Gelände befand. Sie suchten den Schutz einer Abraumhalde auf und verharrten dort reglos fast zwanzig Minuten lang, bis sich die Rücklichter des Pick-ups in Richtung Haupttor entfernten.

Sie hielten auf die beiden größten Gebäude des oberen Komplexes zu, dann schwenkten sie nach rechts und näherten sich einem kleinen Schuppen, der vor einem hoch aufragenden Propangastank stand. Juan holte die Drahtzange hervor und schnitt eine Öffnung in den Maschendrahtzaun, der den Tank und den Schuppen sicherte. Pablo schlüpfte hindurch, umkreiste den massigen Tank und ging vor seinem Einfüllventil auf die Knie hinunter. Nachdem er eine kleine Plastiksprengstoffladung aus dem Rucksack geangelt hatte, drückte er eine Zündkapsel hinein und klebte die Ladung unter das Ventil. Er stellte den Zeitzünder auf zwanzig Minuten, aktivierte ihn und schlängelte sich durch den Zaun wieder nach draußen.

In ein paar Schritten Entfernung verstreute Pablo die Schuhe, die Pistole und das Halfter des Wächters auf dem Boden. Dann folgte die Brieftasche, immer noch mit seinem Geld gefüllt, dann die zerknautschte Zigarettenpackung. Es hatte zwar wenig Aussicht auf Erfolg, aber eine oberflächliche Überprüfung führte vielleicht zu dem Ergebnis, dass der Wächter in der Nähe eines undichten Gastanks mit offenem Feuer hantiert hatte – und durch die Explosion regelrecht verdampft worden war.

Die beiden Männer huschten zum nächsten Gebäude, einer Wellblechhalle, in der Dutzende von mechanisch betriebenen und mit Auswaschlaugen gefüllte Wannen standen. Eine kleine Gruppe von Arbeitern, die als Nachtwache eingeteilt waren, beaufsichtigten die Wannen.

Die beiden Eindringlinge unternahmen keinen Versuch, in das Gebäude einzudringen; stattdessen galt ihr Interesse einem geräumigen Schuppen an einer Seitenwand der Halle, in der chemische Grundstoffe gelagert wurden. In weniger als einer Minute brachte Pablo eine zweite mit Zeitzünder versehene Sprengladung an einer Palette voller Fässer mit der Aufschrift SCHWEFELSÄURE an und verschwand gleich darauf wieder in der Dunkelheit.

Sie gelangten zu einer zweiten Extraktionshalle etwa einhundert Meter entfernt und warteten, während die Zeitzünder die Sekunden vertickten. Auf der Rückseite der Halle fand Pablo den Absperrhahn der Hauptwasserleitung. Er verfolgte auf seiner Armbanduhr den Lauf des Sekundenzeigers bis kurz vor der Zündung der Sprengladungen, drehte den Absperrhahn zu und unterbrach die Wasserversorgung des Gebäudes.

Ein paar Sekunden später explodierte der Propangastank mit einem Donnern, das von den umliegenden Hügeln widerhallte. Die Nacht wurde zum Tag, als der blaue Explosionsblitz die Landschaft erhellte. Der obere Teil des Gastanks hob wie eine Atlas-Rakete ab und stieg senkrecht in den Himmel, ehe er als Feuerball in die offene Fördergrube in der Nähe stürzte. Brennende Trümmer flogen in alle Richtungen und prasselten auf Gebäude, Fahrzeuge und Produktionsanlagen in einem Umkreis von einhundert Metern herab.

Der Trümmerregen fiel noch hernieder, als die zweite Sprengladung einen Berg mit Schwefelsäure gefüllter Fässer in die erste Extraktionshalle wuchtete. Schreiende Arbeiter ergriffen die Flucht, als die einzelnen Fässer wie Mörsergranaten die Laugenwannen zertrümmerten und einen Tsunami aus giftigen Chemikalien entfesselten. Qualm wallte auf, als die Türen aus den Rahmen gesprengt wurden und die Männer herausgetaumelt kamen.

Juan und Pablo lagen in einem Graben nicht weit von dem zweiten Gebäude und wichen so gut es ging den vereinzelten Trümmern aus, die sich bis zu ihnen verirrten. Dabei beobachteten sie eine Tür. Beim Dröhnen der Explosionen streckten ein paar neugierige Arbeiter die Köpfe heraus, um nachzuschauen, was der Lärm zu bedeuten hatte. Als sie die Rauchwolken und die Flammen im Bereich der Extraktionsanlage erblickten, alarmierten sie ihre Kollegen und rannten dann zu dem anderen Gebäude hinüber, um zu helfen. Pablo zählte sechs Personen, die nacheinander herauskamen, erhob sich und startete in Richtung Tür.

»Bleib hier und gib mir Deckung.«

Während er die Hand nach der Türklinke ausstreckte, wurde sie auf der anderen Seite heruntergedrückt. Er wich mit einem Satz zurück, als eine Frau im Laborkittel herausstürmte. Den Blick auf die nahen Qualmwolken gerichtet, bemerkte sie ihn gar nicht hinter der Tür, während sie in heller Aufregung ihren Kollegen folgte.

Pablo schlüpfte durch die Tür und kam in einen hell erleuchteten Raum, in dem ebenfalls Dutzende weiterer Extraktionswannen standen. Er wandte sich nach links und ging zum hinteren Ende des Gebäudes, dessen Wand von einer Reihe unterschiedlich hoher Vorratstanks verdeckt wurde. Er studierte die Schilder, die Auskunft über ihren jeweiligen Inhalt gaben, und näherte sich dann einem der größeren Behälter. KEROSIN verkündete dessen Schild. Er zog den Ablassschlauch von seinem Messingabsperrhahn ab und öffnete den Hahn. Ein sprudelnder Strahl der feuergefährlichen Flüssigkeit ergoss sich auf den Fußboden und füllte die Halle schnell mit ihren Verdunstungsgasen.

Pablo riss einige Laborkittel von einer Garderobenstange und eilte dann im Gebäude hin und her, um sämtliche Abflussgitter im Fußboden zu verstopfen. Das dünnflüssige Benzin breitete sich schnell aus und bedeckte schon bald den gesamten Hallenboden. Der Brandstifter kehrte zur Tür zurück, dann holte er ein Feuerzeug aus der Hosentasche. Als ein Kerosinrinnsal seine Füße beinahe schon erreicht hatte, bückte er sich, zündete es an und verließ eilends die Halle.

Dank eines niedrigen Verdunstungsgrades und eines hohen Flammpunkts explodierte das Kerosin nicht, sondern entzündete sich zu einem Flammenmeer. Als Brandmelder überall in der Halle reagierten, wurden die Sprinklerdüsen an der Hallendecke aktiviert – aber nur für eine Sekunde, da die Wasserleitungen trocken blieben. Ungehindert breitete sich das Feuer aus.

Pablo drehte sich nicht um, als er zu seinem Partner im Abflussgraben zurückkehrte.

Juan schaute hoch und schüttelte den Kopf. »Eduardo meldet, dass der Wächter vom Haupttor hierher unterwegs ist.«

Sirenen heulten, und Alarmsignale hallten über das Gelände. Aber noch hatte niemand den Rauch bemerkt, der vom Dach des benachbarten Gebäudes aufstieg. Um drei Uhr nachts war niemand darauf vorbereitet, mehrere Brände gleichzeitig bekämpfen zu müssen, und die nächste städtische Berufsfeuerwehr war dreißig Meilen weit entfernt.

Pablo vergeudete keine Zeit damit, das Feuer zu beobachten. Er nickte seinem Partner zu, dann nahm er im Laufschritt Kurs nach Osten. Juan hatte Mühe, sein Tempo zu halten. Sie überquerten die Schotterstraße zum Haupttor, kurz bevor sich von dort ein Fahrzeug näherte. Das Gelände jenseits der Straße war hügelig und ging dann in eine ebene Wüste über. Sie mussten sich in den Sand werfen, als der erste Wagen des Sicherheitsdienstes vorbeiröhrte. Nach einem kurzen Sprint wurden sie von einem weiteren Maschendrahtzaun gestoppt. Sie schnitten eine Öffnung hinein, die gerade groß genug war, um einen von ihnen hindurchschlüpfen zu lassen, während der andere das Drahtgeflecht hochhielt.

Nach einem zügigen Marsch von vierzig Minuten, in denen sie eine Strecke von zwei Meilen überwanden und ihren gesamten Wasservorrat aufbrauchten, erreichten sie den Highway. Parallel dazu bewegten sie sich ein kurzes Stück nach Osten, bis sie einen schwarzen viertürigen Pick-up-Truck sichteten, der unweit eines Durchlasses parkte und für einen flüchtigen Beobachter nicht zu erkennen war. Eduardo, der Dritte in ihrem Bunde, der hinter dem Lenkrad saß, trug im Gegensatz zu ihnen ein verwaschenes Polohemd und rauchte eine Zigarette.

Die beiden Männer nahmen die Rucksäcke von den Schultern, zogen die schwarzen Mützen und Pullover aus und ersetzten sie durch T-Shirts und Baseballmützen.

Jetzt drehte sich Pablo zum ersten Mal um und blickte zum Bergwerksgelände zurück. Wallende Qualmwolken standen über dem Komplex und wurden von den lodernden orangefarbenen Flammen mehrerer Brandherde erleuchtet. Die Feuerlöschausrüstung des Bergwerks war beklagenswert unzureichend und konnte gegen die zahlreichen Brände nur wenig ausrichten. Allem Anschein nach breitete sich die Feuersbrunst immer weiter aus.

Pablo gestattete sich ein zufriedenes Grinsen. Abgesehen von dem plötzlichen Auftauchen des Wachmanns, war alles nach Plan verlaufen. Von den beiden wichtigsten Extraktionsanlagen, dem Herz des gesamten Komplexes, wäre bald nur noch ein Haufen Brandschutt übrig. Da er kein Erz mehr verarbeiten konnte, wäre der Betrieb für mindestens ein Jahr, wenn nicht gar zwei, stillgelegt. Und wenn sie Glück hatten, würde die Katastrophe als unglücklicher Unfall betrachtet werden.

Juan folgte seinem Blick und betrachtete das lodernde Inferno mit sichtlicher Genugtuung. »Sieht fast so aus, als hätten wir den gesamten Bundesstaat angezündet.«

Die fernen Flammen flackerten in den Augen des großen Mannes, als er sich zu Juan umwandte.

»Nein, mein Freund«, sagte er mit einem gemeinen Grinsen. »Wir haben sogar die ganze Welt in Brand gesetzt.«