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Impressum:
© by Verlag Kern GmbH
© Inhaltliche Rechte beim Autor
1. Auflage 2015
Autor: Hans-Jürgen Ferdinand
Cover/Layout/Satz: www.winkler-layout.de
Bildquellen Cover: Das Urteil des Paris von Peter Paul Rubens, 1632 - 1636, National Gallery (London)
Carolus Magnus, Mosaik von Hermann Allmers, 1899,
Denkmal Karls des Großen in Rechtenfleth
Lektorat: Evelyne Kern
Sprache: deutsch, broschiert
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN: 9783957161741
ISBN E-Book: 9783957161949
www.verlag-kern.de
Hans-Jürgen Ferdinand
Karl und die Frauen
Die Begierden Karls des Großen
Historischer Roman
Cover
Impressum
Titel
Vorwort
Karl und die Frauen
Weitere Werke von Hans-Jürgen Ferdinand
Wetti, ein Mönch des Klosters Reichenau am Bodensee, der bereits im Jahre 824 verstorben ist, gilt als der Verfasser des sogenannten Reichenauer Traumgesichts, eine Jenseitsvision, die scharfe Kritik an kaum ins Jenseits abberufenen Zeitgenossen übte. Auch an Karls des Großen ausschweifendem Sexualleben wurde heftig Kritik geübt.
Der Mönch Wetti hatte nach Karls Tod eine Vision: Ein Engel führte ihn durch den Himmel und in die Hölle hinab, da sah er im Fegefeuer einen Fürsten, der einst das Zepter über das Frankenreich geschwungen hatte.
Des Kaisers Geschlechtsteile wurden durch die Bisse eines Tieres zerfleischt, welches ihn ansonsten an keiner anderen Stelle verletzte. Der Mönch Wetti wunderte sich über die Maßen, dass ein Mensch, der so Großes für die Verteidigung des katholischen Glaubens geleistet hat, die Qualen einer so grausamen und hässlichen Strafe erleiden müsse. Der Engel aber sprach: „Dieser Fürst hat viel Lobwürdiges getan und Gott sehr Wohlgefälliges, doch den Lockungen des Fleisches hat er nie widerstehen können …“
Es gilt nicht, über Karls animalische Triebhaftigkeit die Nase zu rümpfen, sondern seine im Zeichen des Kreuzes vollzogene Zwangschristianisierung der Nachbarvölker zu verurteilen … und hier im Besonderen sein an den Sachsen ausgeübtes Blutbad anno 782 in Verden an der Aller.
Die Verblendung der katholischen Kirche bezüglich der menschlichen Sexualität wird hier sehr deutlich – aber leider hält sie bis in unsere doch weitgehend aufgeklärte Zeit offensichtlich noch an.
Ich habe die stille Hoffnung, dass der Leser in der Sexualunterdrückung durch die Kirche sehr deutlich erkennt, was damit bezweckt wird: Nämlich nichts anderes als sich die Hörig Haltung des Menschen zu erleichtern, was nicht selten bei Menschen eine seelische Kastration auslöst.
Die bedeutendste negative Leistung des Christentums war die Problematisierung der Sexualität – und das kranke, so leibfeindliche Gehirn des Apostels Paulus hat hierzu einen schändlichen Beitrag geleistet.
Wir brauchen eine Geisteshaltung, die in der Sexualität kein Problem, sondern ein Vergnügen sieht. Den meisten Menschen fehlt dazu leider die Sicherheit – und oft auch die Liebe.
Karl schickte seinen Leibdiener in die Frauengemächer und bat Deliah zu sich in seine Schlafkammer. Das arabische Mädchen war ein Geschenk des Kalifen Harun al-Raschid, das eine arabische Delegation erst vor wenigen Monaten dem Frankenkönig zum Geschenk machte.
Als das arabische Mädchen sich mit einem kurzen Kopfnicken vorstellte, sah Karl ihr tief in die Augen. Deliah beugte sich über den König, der mit den Händen hinter dem Kopf verschränkt, sich auf dem Ruhebett ausgestreckt hatte. Wie ein Vorhang fiel ihr schwarzes Haar um sein Gesicht. Deliah hatte Kopftuch und Schleier abgelegt, lächelnd neigte sie sich tiefer und ließ ihre Lippen auf seinen Mund sinken. Karl glaubte die junge Araberin zu trinken, spürte ihre Zunge, so nah war ihr Atem. Er umschlang ihre Schultern, sie wühlte ihre Finger in ihr Haar, und der Kuss dauerte an. Karl zog ihren Körper halb auf sich, dabei glitten ihre festen Brüste über sein Hemd. Deliah rieb sie hin und her, und für einen Moment drückte sie ihren Schenkel auf seine harte Mitte. Gleich löste sie sich von seinem Mund, schöpfte tief Atem und ließ die Zungenspitze zwischen weißen Zahnreihen spielen, als wolle sie den Genuss herauszögern, und dann küsste sie ihn umso heftiger.
Karl kannte in seiner Begierde nur ein Ziel. Er zerrte an den geschlungenen Falten ihres seidigen Obergewandes. Sie half ihm, rollte sich auf den Rücken und lag entblößt bis zur Hüfte da. Sanft saugte er sich an einer der Knospen fest und benachteiligte die andere nicht. Seine Hand glitt tief in den Bund der Pluderhosen: kein Haar, die Wölbung zwischen den Schenkeln war glatt wie Samt. Kaum gerieten seine Fingerkuppen in die Nähe des Verstecks, wimmerte Deliah, ihr Schoß zitterte; dann wurde sie ungeduldig, winkelte die Beine an, streifte mit seiner Hilfe ihre Hose unter den Rundungen weg, streifte sie allein weiter, während Karl auch seine Kleider runterriss.
„Cha-biib“ lud sie ihn in arabischer Sprache ein, bot Platz zwischen den Schenkeln. Karl sank nach vorn, spürte ihren Griff um den Schaft und wie sie die Kuppe in ihr Tor führte. Er drang weiter – er hatte Deliah so plötzlich ersehnt – und glaubte, eine warme Wunderwelt nehme ihn auf.
Deliah umschloss seine Hüften mit den Beinen, ihre Fersen begannen seinen Hinterbacken den Rhythmus zu diktieren, schneller forderte sie, und nie gehorchte Karl einem Befehl mit solch lustvoller Leidenschaft. Aus dem Keuchen wurde lautes Stöhnen; Deliah warf den Kopf hin und her und kündigte aufschreiend ihren Sieg an. Karl fühlte, dass er ihrem Glück nun folgen musste. So darfst du es nicht! Und doch war der Ausbruch nicht mehr aufzuhalten, fast gewaltsam riss er den Dorn aus dem Kelch, kniete vor ihr, und der Saft schoss in Stößen über ihren Bauch, den Nabel hinauf bis zu beiden Hügeln. „Oh, mein Gott, oh, Deliah!“, stöhnte Karl.
„Karla, anta cha-biib. Anta Karla!“, hauchte Deliah.
Eine Weile lagen sie atemlos nebeneinander. Deliah rollte sich zu ihm, halb stützte sie sich auf, und sprach schnell einige Sätze auf Arabisch, bis Karl grinste und einfach ihren Klang nachahmte, bis auch sie lachte. Seufzend setzte er hinzu: „Schon gut, es ergeht uns beiden gleich.“
Ja und nein hatte sie von ihm gelernt; seine holprigen Sprachbrocken halfen zwar etwas, genügten aber nicht. Gerne hätte der König von sich selbst erzählt und würde so vieles von ihr wissen wollen.
„Meine kleine cha-biib. Mit Worten können wir uns nicht verständigen. Und doch verstehen wir uns heute auch ohne sie.“
*
Bereits in aller Frühe legten die flachen, breiten Boote mit viel Geschrei, aufgezogenen Fahnen und Wimpeln, bunten Segeln und extra für diesen Zweck ausgerüsteten Ruderern an der Mauer von Regensburg ab. Gut zwei Dutzend der kleinen Flussboote des Königs verließen auf ihrem Weg nach Frankfurt die alte Römerfestung Regensburg und ruderten stromaufwärts, wo sie bei dem Gut Kelheim in die Altmühl einbogen. Der Schiffskonvoi des Frankenkönigs folgte immer neuen Flusswindungen, vermied tote Wasserarme, die nur im Sumpf und Wasserdickicht endeten und erreichte nach fünf Tagen über die Königshöfe Essing, Riedenburg, Töging und Beilngries die Bischofsstadt Eichstätt.
Ein Großteil der königlichen Leibgarde und auch Teile des Trosses waren an den Rändern der Donau und Altmühl auf alten Treidelpfaden entlang geritten und hatten meist mit Blickkontakt zu der Bootsarmada die Sicherheit des Königs gewährleistet. Als die Boote die Felsengruppe der sogenannten Zwölf Apostel bei Solnhofen erreichten, begann es tüchtig zu regnen. Obwohl Karl nicht anlegen, sondern weiterrudern ließ, erreichten die Boote erst am Nachmittag den Königshof Treuchtlingen, der schon im nächsten Jahr zu einer Anlandestelle ausgebaut werden sollte.
„Das wird ein kalter Winter, Karl“, sagte Alkuin, als die Boote am Anlande Platz ankamen, wo der Inhalt ausgeladen wurde, um ihn dort mit mehreren Ochsen- und Pferdegespannen zu dem nur wenige Meilen entfernten Königsgut Weißenburg, einem Anlandeplatz des Mainnebenflusses Rezat-Rednitz zu schaffen.
Alkuin saß fröstelnd mit lächerlichen Fingerhandschuhen, an denen überall die Spitzen fehlten, neben Karl.
„Ich werde jetzt viel häufiger die Zeichen der Natur notieren“, sagte Alkuin geheimnisvoll.
„Und auch du, mein König, solltest wie einst König Salomon rechtzeitig wissen, wie die Sterne stehen.“
„Mein lieber Alkuin“, meinte Karl lächelnd, „glaubst du wirklich, dein König weiß nichts vom Moos an der Nordwestseite der Bäume, vom Weg der Ameisen im Herbst, vom frühen Vogelflug, von schwarzen Flecken in der Sonne oder von Nebelringen um den Mond? Das alles kennt doch jeder Knabe, der nicht in Städten oder wie du, Alkuin, in Bücherstuben aufgewachsen ist.“
„Du neigst dazu, mich immer häufiger falsch oder nicht richtig zu verstehen“, beschwerte sich Alkuin.
„Stell dich nicht so zimperlich an!“, knurrte Karl. „Was ist in letzter Zeit nur los mit dir?“
„Ach, es geht mir alles zu langsam“, sagte Alkuin mit einem tiefen Seufzer. Er starrte in die bereits kalt und eisig wirkenden Wasserwellen neben dem schnell stromaufwärts gleitenden Königsboot, das sich nun anschickte an einer hölzernen Kaimauer festzumachen.
„Karl, du wolltest doch den Gottesstaat aufbauen, ein Reich Christi auf Erden, das würdig ist, neben Gott dem Allmächtigen im Himmel zu bestehen!“
„Wer sagt, dass ich das nicht mehr will?“
„Ja, nein, ich weiß es nicht. Aber mir scheint, du kümmerst dich um alles Mögliche, nur nicht darum, das aufzurichten, was weder Päpste noch die Kaiser von Konstantinopel geschafft haben.“
„Zunächst bin ich König der Franken“, sagte der König, der Alkuins Besserwisserei in der letzten Zeit als ziemlich nörgelnd und ungerecht empfand.
„Ein König ohne Hauptstadt, ohne Residenz und ohne respektable Pfalz, das bist du Karl“, moserte Alkuin weiter.
„Was soll ich? Mich in Römermauern einnisten wie die Agilolfinger in Regensburg und fast alle unsere Bischöfe in irgendeinem römischen Trümmerhaufen?“
„Was wirfst du den Bischöfen vor?“, fragte Alkuin verständnislos. „Du weißt genau, dass sie nach alter kanonischer Weisung ihren Sitz nicht auf dem Land, sondern nur in den Städten haben dürfen. Und weil ihr Franken nun einmal keine Städte habt, müssen die Bischöfe sich notgedrungen mit römischen Ruinen abfinden.“
„Ja, ja, ich weiß“, antwortete Karl abwehrend. „Eine Bischofsstadt muss eine natürliche Schutzanlage und eine günstige Verkehrsanlage haben. Sie soll eine befestigte Siedlung als sicherer Platz des Heiligtums im Domus Dei sein! Na und? Gab es nicht auch Wander- und Missionsbischöfe wie den heiligen Bonifatius? Nein, Alkuin, du bist mir zu geschickt in manchen Dingen. Du suchst dir Regeln und stellst Gesetze auf, die sehr gut klingen, bis man dahinter kommt, dass es sie gar nicht gibt“, sagte Karl und grinste dabei.
„Willst du mich etwa einen Lügner nennen?“, fragte Alkuin erzürnt.
„Nein, mein Freund“, sagte der Frankenkönig nachdenklich. Er hüllte sich in einen schweren Mantel und sah dem Fall der Tropfen von den Rudern der Schiffsknechte nach. „Du bist für mich der ehrlichste und wahrhaftigste Mann, den ich kenne. Alkuin, du weißt, ich schätze und verehre dich, doch deine Wahrheiten haben leider viel zu oft nichts mit der Wirklichkeit zu tun.“
Karls Amtmann Heribert von Weißenburg, mit dem er erst vor Wochen an gleicher Stelle ein Kanalprojekt zwischen Altmühl und Rezat-Rednitz erörtert hatte, war mit seinen Männern zur Stelle, um den Transport der Schiffsgüter von Treuchtlingen nach Weißenburg zu organisieren. Die notwendigen Boote lagen zur Einschiffung nun auch in Weißenburg bereit, um den König und sein Gefolge aufzunehmen und die Rednitz aufwärts über die Königsgüter Forchheim und Hallstadt zum Main und dann weiter über Würzburg nach Frankfurt zu transportieren. Mehrfach begegneten der flussabwärts strebenden königlichen Flotte flache Handelsboote, die mit Flachs, Getreide, Pelzen, Häuten oder anderen Handelsgüter beladen waren. Sie beschleunigten ihre Fahrt mit Stangen und Rudern.
„Das Kanalprojekt ist eine Investition, die sich rechnen wird“, raunte der König versonnen Alkuin zu.
Von allen Seiten des Fränkischen Reichs strömten viele, die Rang und Namen hatten, nach Frankfurt, um hier aufgrund einer ganz persönlichen Einladung mit König Karl und den Eliten des fränkischen Judentums anstehende Veränderungen im Bildungswesen, Kulturaustausch sowie im Handwerk, Handel und Finanzwesen zu beraten.
Es waren edle Männer der fränkischen Reichsaristokratie dabei, die von der aquitanischen und neustrischen Atlantikküste, der Ile de France, die Rhone hinaufzogen, dann die Vogesen und den Pfälzer Wald durchquerten und schließlich der Nahe entlang nach Frankfurt hinüberbogen. Andere waren über Basel rheinabwärts oder von Nijmwegen rheinaufwärts nach Frankfurt gekommen. Thüringer und Sachsen kamen die Lahn herunter und nahmen jenen Weg, den König Karl häufig auch zur Bekämpfung der Sachsenstämme genommen hatte.
Viele begegneten sich in Frankfurt zum ersten Mal, für andere waren einige Jahre vergangen, seit sie sich zum letzten Mal gesehen und nunmehr Gelegenheit hatten, Erinnerungen an gemeinsame Kriegszüge auszutauschen.
Die meisten der Angereisten machten kein Hehl daraus, dass sie lieber nach Regensburg, nach Worms oder Mainz gekommen wären, denn die kleine Königspfalz zu Frankfurt hatte kaum Bequemlichkeiten zu bieten. Sie hatte keine ausreichende Maraue für Reiterspiele wie Worms oder Kostheim bei Mainz und nicht einmal genügend Häuser, in denen die Gäste untergebracht werden konnten. Wie in Mainz lebten in Frankfurt neben den Ureinwohnern ein halbes Dutzend friesischer Händler, die hier im Rhein-Main-Gebiet überwiegend Getreide und Wein einkauften. Besonders nach Ernten kauften sie alles auf, um es später, wenn Mangel herrschte, viel teurer wieder zu verkaufen. Das Getreide wurde meist von weit her auf Lastkähnen über den Main nach Frankfurt transportiert. Die Friesen handeln nicht nur mit Getreide und Wein, auch mit Salz und Holz und sogar Eisen, wenn sie es kaufen können. Alle Waren liefern sie über den Rhein nach Norden, wo sie die besten Preise erzielen können. Die Häuser der Friesen und ihre Warenlager liegen aus Sicherheitsgründen meist im Immunitätsgebiet eines Domes wie in Mainz oder sie genießen den besonderen Schutz eines Pfalzgrafen wie hier in Frankfurt.
Die meisten angereisten Grafen, Kirchenfürsten und jüdische Gäste mussten wie bei einem Feldzug durch fremde Lande auch hier in Frankfurt in meist bunten Zelten wohnen und schlafen. Und nicht einmal für die anstehenden Versammlungen gab es einen Saal, der groß genug für alle gewesen wäre. Ein düsterer Herbstmonat war angebrochen. Die Sonne versteckte sich schon seit Tagen hinter Wolken oder dichtem grauen Nebel und es war empfindlich kalt geworden. Draußen kam plötzlich starker Wind auf. Der Wind rauschte durch die blattlosen Bäume und Zweige und rüttelte an Fensterläden, Türen und allem, was nicht festgezurrt war. Die Rauchsäulen vieler Öfen und Kamine durchbrachen mühsam die in Dunst und Nebel gehüllte Landschaft rund um die Königspfalz.
Die recht kleine Pfalz Frankfurt unmittelbar am Main und auch ihr näheres Umfeld boten in diesen Tagen trotz solch widriger Witterungsbedingungen ein buntes Bild mit den vielen farbigen Zelten, flatternden Fahnen und Wimpeln. Während der König, die Kanzlei, die Hofkapelle und einige wenige ausgesuchte Berater in der Pfalz ihre Unterkunft fanden, schlugen all die anderen zu dieser Versammlung geladenen Gäste ihre Zelte in einem Umkreis von bis zu sechs römischen Meilen auf.
Der fränkische König hatte hier in Frankfurt eine ganze Reihe von Sachthemen zu beraten, Personalentscheidungen für die Besetzung diverser Ministerien zu treffen, vor allem jedoch die Eliten des fränkischen Judentums vorherrschend in Reformbemühungen des Bildungswesens, eines Kulturaustauschs mit fremden Völkern, der Medizin, in Handwerk, Handel und in ein ausgewogenes Finanz- und Steuerwesen einzubinden.
Um solch mannigfaltigen Aufgaben gerecht zu werden, waren verschiedene kleinere Verhandlungsräume im Pfalzgebäude hergerichtet worden. Inmitten des Pfalzhofs hingegen war ein großes rechteckiges Zelt aufgebaut worden, das gut zwölf Dutzend Menschen und damit allen Teilnehmern der anberaumten Versammlung Platz für besondere Verlautbarungen des Königs, Prassereien, aber auch ausreichend Platz für die anstehenden Beratungen eines größeren Personenkreises bot. Wie von Alkuin empfohlen, vergingen die ersten Tage damit, dass bestimmte Themenbereiche Fachausschüssen anvertraut wurden, um sie in kleineren, sachkundigen Zirkeln abzuhandeln.
Nach des Tages geistiger Mühsal hatte der Pfalzgraf Grimald den König und einen Kreis seiner engsten Berater, Notare, des geistlichen und weltlichen Adels in der Königsaula zu einem Gastmahl geladen. Neben einigen edlen Damen, meist Ehefrauen der Grafen, nahm auch Adalind an der Seite des Königs als seine Tischdame Platz. Adalind war die 16-jährige Schwester seines Jugendfreundes, des Grafen Cancor, und vom Frankenkönig geschätzt und liebgewonnen. Sie war in Abwesenheit von Königin Fastrada mehrfach bei Jagdausritten an der Seite des Frankenkönigs gesehen worden.
Draußen hatte plötzlich ein heftiger Hagelschauer eingesetzt und recht heftiger Wind drückte mit der Warmluft auch viel Rauch aus den im Erdgeschoss befindlichen Feuerstellen in den Speisesaal. Der Geruch verbrannten Buchenholzes überdeckte für eine Weile den Geruch der vielen, in Holzschalen dampfenden Gerstensuppen sowie der in ehernen Schüsseln vor Fett triefenden Lamm- und Wildschweinbraten, die von einem Dutzend eilfertiger Diener des Küchenpersonals herangeschafft wurden. Es herrschte plötzlich eine rege Betriebsamkeit, es schepperte und klirrte, Stühle, Bänke und Tische knarrten, bisweilen fiel auch etwas vom Tisch, wenn sich Hände nach den mit schaumlosen Dünnbier, Honigmet, mit Wein gefüllten Krügen oder den noch warmen Brotlaiben reckten.
Der Pfalzgraf als Gastgeber wartete mit den erlesensten Weinen auf, einige der Geistlichen ließen sich Fruchtsäfte in ihre Trinkkrüge aus Ton oder Kupfer füllen.
Zwei Jagdhunde hatten vom Innenhof über die steilen, für sie beschwerlichen Holzstiegen ebenfalls den Weg in den Speisesaal und zu ihren Hundeführern gefunden, um hier knurrend oder kratzend ihren Anteil am Braten oder wenigstens an den weggeworfenen Knochen einzufordern.
Ein Stimmengewirr erfüllte den Raum so sehr, dass man selbst mit seinem unmittelbaren Tischnachbarn nur schwer ein vernünftiges Gespräch führen konnte. So ging das eine ganze Weile weiter, das Bedienungspersonal hatte zwischenzeitlich schon die meisten Holzschalen für die anfänglich servierte Gerstensuppe vom Tisch getragen, den starken Trinkern nachgeschüttet und einige große, mit Gewürzkräutern garnierte Holzschalen mit Geflügelfleisch von Tauben, Hühnern, Fasanen, Wachteln und Schnepfen reihum auf die Tische gestellt. Auch gesottenes Gemüse wie Möhren, Weißkohl und Brechbohnen wurde gereicht. In kleinen Tonschalen wurden noch verschiedene schmackhafte Tunken und Gewürze wie Salz, Pfeffer, Muskat, Safran, aber auch heimische Gewürzkräuter wie Rosmarin, Petersilie, Mauskraut, Knoblauch und Dill bereitgestellt. Auf besonderen Wunsch einiger Kleriker hatte die Küche gebratene Forellen mit Mus aus gepfefferten Früchten aufgetragen.
Bei Tisch entwickelte Karl einen robusten Appetit, er folgte in der Wahl der Speisen mehr seinem eigenen Geschmack als dem Rat der Ärzte. Sie waren ihm verhasst, weil sie ihm rieten, dem von ihm besonders geschätzten Braten zu entsagen und stattdessen gesottenes Fleisch zu genießen. Wenn der König mal wieder an Rheuma und Gicht litt und die Schmerzen in seinen Gelenken einsetzten, haderte er mit seinen Essgewohnheiten. Er wusste zu gut, dass ein Gichtbrüchiger Fleisch vom Spieß zu Mittag und zu Abend eigentlich meiden musste wie der Teufel das Weihwasser. Die Ärzte waren wie erwähnt mit ihren Verboten und die Geistlichen mit ihren Geboten, wenigstens die Fastenzeit einzuhalten. Karl pflegte sich in der Regel freizukaufen, indem er eine größere Summe für die kirchliche Armenpflege spendete. Enthaltsamkeit schade seiner Gesundheit, meinte er. Außerdem tränke er Bier und Wein nur in Maßen. Die Ärzte warf er einfach hinaus, wenn sie ihm mit Vorhaltungen kamen. Auch das Fasten, wie es die Geistlichkeit an bestimmten Feiertagen vorschrieb, unterließ Karl. Der übermäßige Genuss von Bier und Wein war ihm zuwider. Immer wieder hatte Karl gegen die Trunksucht gewettert und gemahnt, dass die Gastmähler nicht in Exzessen und Trunksucht ausarten sollten. Karl konnte sich mit diesen Forderungen selbst beim Klerus nicht durchsetzen, dem nur schwer beizubringen war, dass die Trunksucht ein Laster sei.
Und so war es auch dieses Mal. Einige der Gäste erwiderten des Königs Gutenachtgruß zur späten Stunde nicht einmal mehr, weil ihr Kopf trunken von zu viel Met oder Wein auf die Tischplatte gefallen oder unter den Tisch gerutscht war. König Karl erhob sich, nahm Adalind an seine Hand, nickte mit würdevoller Geste gegen den anhaltenden Lärm und verschwand, gefolgt von einem Leibdiener durch einen zweigeteilten Vorhang in seine Privatgemächer.
Der Leibdiener reichte dem König im Vorraum ein Öllicht, bevor er mit Adalind seine Schlafkammer aufsuchte. Als er das Öllicht in eine Halterung an der Wand gestellt hatte und die Flamme zur Ruhe kam, tauchte Adalind ihr Gesicht in weiches, gelbliches Licht; ihre Wimpern warfen lange Schatten auf ihre perfekten schneeweißen Wangen.
„Schön, dass du mich noch einmal sehen wolltest“, sagte sie mit freudigem Lächeln.
Karl machte einen Schritt auf sie zu und zog sie an sich. Sie hob den Kopf, sah ihm in die Augen und presste ihre Lippen auf seinen Mund. Dann legte sie die Arme um seinen Hals. Karl presste sie an sich, drückte ihr die Luft ab und küsste sie. Ihre Zunge war flinker als seine, schlängelte sich schamlos vor, spielte mit seinen Zähnen.
Er ließ die Hände abwärts gleiten, fahrig, fiebrig vor Ungeduld, über ihre Brüste, umfasste ihre Taille und zog sie fester an sich, damit sie an seiner Erektion im Beinkleid wusste, wie es um ihn stand und was er wollte. Sie lachte, ein kleiner atemloser Laut, krallte die Linke in sein schulterlanges Haar und tastete mit der Rechten nach dem Saum seines Übergewands.
Karl spürte einen herrlichen, leichten Schwindel. Ihre Verwegenheit berauschte ihn. Er streifte ihr das sittsame Tuch von ihrem Kopf, und der silberne Stirnreif rollte ein kleines Stück und glitzerte im Schein der Lampe auf dem Boden.
Mit ungeschickten Fingern löste er ihre Haare, während ihre warme, schmale Hand einen Weg in seinen Hosenbund fand. Er kniff die Augen zu und stöhnte leise, riss sich mit einer Hand die kurze Jacke herunter, warf sie auf den Boden. Dann rissen sich beide die Kleider vom Leib und stürzten in den Bettkasten.
Mit all ihren übersteigerten Sinnen nahm Adalind die Berührung seiner hungrigen Lippen wahr, seine Zunge, die an ihr emporwanderte und an Stellen verweilte, von denen sie niemals geahnt hatte, dass sie sie derart erregen konnten. Auf dem Fußrücken, in der Kniekehle, an den Hüften und dann wieder tiefer … bis Adalind schrie. Ihr Hirn war ein zuckendes Kaleidoskop wirrer Bilder, während die Lust sie wie glühender Honig durchfloss, in die kleinsten Winkel drang und sie in Flammen setzte.
Als Karl in sie eindrang, ging die Leidenschaft mit ihm durch. Es lag nichts Sanftes mehr in seinen Bewegungen, nur noch wilder, ungebändigter Instinkt, den sie ebenso heftig erwiderte. Sich an ihr zu sättigen war für ihn nur natürlich, und Adalind wünschte nur eines: seinen Heißhunger zu stillen. Sie gab sich ihm weiter ganz hin und ließ sich vom Rausch der Sinne fortreißen.
*
Zwei Tage vor Weihnachten, in der Dämmerung eines Frühwintertages kam Fastrada mit ihren Leibdienerinnen und einem stattlichen Gefolge berittener Krieger und Bediensteter von der Bodenseeinsel Mainau zurück an den Hof in Regensburg.
Es war eisig kalt geworden. Auf den winkeligen Schindeldächern der Pfalz hatte sich glitzernder, weißer Reif gebildet und die Bäume waren mit silbernem Filigran überzogen. Noch hatten keine Schneefälle die Straßen versperrt und auch die Donau war noch nicht zugefroren. In der Kemenate der Königin war alles für ihre Ankunft vorbereitet worden. Eine der Hofdamen hatte ein Kaminfeuer entfacht, das heimelige Wärme ausstrahlte. Wenn es der Königin nach einem Bad gelüstete, so stand auch der Zuber mit warmem Wasser schon bereit. Wegen der Kälte hatte man die rundbogigen Fenster des königlichen Gemachs bis auf zwei mit Brettern und Teppichen abgedichtet, die beiden freigelassenen Öffnungen waren mit beinahe durchsichtigen, auf Rahmen gespannten Tierhäuten verschlossen.
Der König und die Kinder gingen der Königin entgegen und begrüßten sie sehr herzlich.
„Ich hoffe, mein teures Eheweib, die Wochen auf der Mainau haben deinem Körper und deiner Seele gut getan“, sagte der König, umarmte Fastrada und küsste sie links und rechts auf die Wange.
„Jedenfalls machst du einen prächtigen Eindruck auf mich“, schob der König noch rasch ein Kompliment hinterher.
„Ja, Karl, ich habe mich gut erholt und freue mich wieder auf dich und die Kinder“, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. Karl reichte Fastrada galant die Hand und führte sie in die Königshalle, wo auch die übrigen Großen des Reichs der Königin ihre Aufwartung machten.
Zu Ehren der Königin wurde gezecht und geschmaust.
Schon sehr früh zog sich Fastrada in ihre Privatgemächer zurück, was jeder der anwesenden Gäste nach der mehrtägigen und anstrengenden Reise gut nachempfinden konnte. Von einem heimlichen Verlangen getrieben folgte der König seinem Weib schon bald in die gemeinsame Schlafkammer.
Fastrada schickte ihre Dienerin hinaus und umarmte Karl leidenschaftlich und bedeckte ihn mit feuchten Küssen. Ihre Augen glänzten unternehmungslustig, und sie bleckte verheißungsvoll ihre Zähne, als wolle sie ihren Gatten nach einer langen Abstinenz förmlich auffressen.
Sie füllte aus einem Krug zwei Becher mit rotem Wein. Dann entnahm sie einem Leinensäckchen eine Prise Pulver und streute es in beide Becher. „Das ist ein Liebesgewürz; ein fahrender Händler hat es mir über Umwege in aller Heimlichkeit verkauft. Es soll besonders auf Männer wirken.“
Karl blickte Fastrada misstrauisch an. „Willst du mich vergiften?“
„Nein, du kannst sicher sein, dass es unser beider Gesundheit nicht schadet. Ich möchte nur, dass du dich später noch an mich erinnerst, wenn du alt bist und die Frauen gar nicht mehr zählen kannst, die du im Bett gehabt hast.“
Fastrada hob den Becher und lächelte Karl geheimnisvoll zu. Auch der König trank und sah seine feurige junge Frau lange an. Sie hielt seinem Blick stand und ihre Lippen öffneten sich verheißungsvoll. Karl konnte diese Schlacht nicht gewinnen, ihr Bann war einfach stärker als sein Misstrauen. Der Wein schmeckte metallisch bitter, doch er leerte seinen Becher ganz im Bann dieser dämonischen Frau. Es war der Moment, wo des Königs animalische Triebhaftigkeit seinen Verstand vollends ausschalten konnte. Karl war selbst dann noch ohne Argwohn, als eine brennende Übelkeit in ihm aufstieg, die dann aber ebenso schnell verschwand und einer geballten Hitze Platz machte, die sich vom Magen in Karl Unterleib ausbreitete und sengend wie eine Fackel in sein ausgeprägtes Geschlecht fuhr.
Stöhnend riss er zuerst seiner Frau und dann sich selbst die Kleider vom Leib. Er zog Fastrada an sich, fetzte ihr mit seinen beiden wuchtigen Händen die Unterkleider vom Körper, fasst sie an den Gesäßbacken, schob sie auf die Tischkante und rammte ihr sein entflammtes Glied so heftig in ihren Schoß, dass Fastrada erschreckt aufschrie. Der Tisch rutschte seitwärts weg und beide fielen unsanft auf den Fußboden, ohne aber in ihrem leidenschaftlichen Spiel nachzulassen. Fast zur gleichen Zeit entluden sich dann beide mit gewaltigen Lustschreien und anschließender Ermattung ihrer Körper.
*
Von Regensburg aus trat der König mit kleinem Gefolge zu einer Reise nach Passau an, wo Bischof Waltrich dem König und seinem Gefolge einen gebührenden Empfang bereitete und mit ihm und seinen Beratern in den Tagen des königlichen Aufenthalts die politischen Belange seines Bistums und die an ihn ganz persönlich gestellten politischen Herausforderungen unterschiedlichster Reformen besprach. Unter anderem hatte Bischof Waltrich auf Anordnung des König alle im Bistum ansässigen Bootsbauer und Zimmerleute aufgeboten, die nach Plänen eines venezianischen Konstrukteurs zwei bewegliche Schiffsbrücken bauen sollten, die auf Schiffen donauabwärts transportiert werden konnten und ein wiederholtes Überqueren des Flusses erleichtern sollten. Offensichtlich bereitete der König mit diesem Unterfangen militärische Vorstöße gegen die Awaren und andere slawische Völker des Ostens vor.
An einem späten Nachmittag hatte Bischof Waltrich im Gästehaus des Bistums zu einer Tauffeier für das zweite Kind seiner Schwester geladen und auch den König und seine Berater zu der Schmauserei gebeten.
„Das ist der richtige Bistums- und Klosterwein“, sagte Angilbert in seiner ironischen, oft verletzenden Art. „Er ist so sauer, dass man seinen Genuss zu den schweren Bußen rechnen kann und so himmlischen Lohn erwirbt.“
Bischof Waltrich, der sich ob dieser Schelte angegriffen fühlte, strich lächelnd seinen gepflegten Bart. „Nun, mein verehrter Angilbert, dann trinkt noch einige Becher, denn ich glaube, dass auch ihr viel abzubüßen habt.“
In Angilberts Augen glänzte die reinste Unschuld.
„Ich? Aber in der Nähe unseres erlauchten Königs, in der ich mich ständig bewege, kann man gar nicht sündigen, da geht es ohnehin schon zu wie in einem Kloster“, entgegnete er ohne rot zu werden. „Fragt nur unseren König, er wird es gerne bestätigen“, fügte er noch lachend hinzu.
König Karl hatte plötzlich genug von dem Gelaber. Er konnte die dummen Reden nicht mehr hören, konnte den fetten Speisegeruch nicht mehr ertragen, er musste einfach hinaus ins Freie. Eine himbeerrote Sonne war gerade dabei sich hinter bunten Wolkentüchern zur Ruhe zu begeben. Die Vögel sangen ihr träges Schlaflied, und in der Ferne bellte ein Hund mit einem anderen um die Wette. Karl ging den Weg hinunter zur Donau, die bei Passau gut achthundert Fuß breit war. Er setzte sich ans Ufer und starrte eine Weile, in seinen Gedanken verloren, auf das träge dahinfließende Wasser, das vor langer Zeit die Grenze zwischen dem römischen Weltreich und den Völkern der Germanen und Slawen gebildet hatte.
Nach einigen Tagen intensiver Gespräche ging es von Passau wieder zurück nach Regensburg, wo sich der König gleich am ersten Abend mit seiner Familie beschäftigen wollte. Er genoss es, in der heimeligen Wärme der Pfalzgemächer mit seiner Frau Fastrada zu scherzen, ihr gemeinsames Kind, die fast zweijährige Hiltrud im Arm zu halten oder den Schularbeiten seiner schon größeren Töchter Rotrud, Berta und Gisla beizuwohnen. Es war da noch so manches, was Karl von den Mönchen und Priestern als den Hauslehrern seiner Kinder auch lernen konnte. Da machte es sich gut, dass zufällig Bischof Atto von Freising beim König zu Gast war, um mit ihm kirchenrechtliche Themen zu erörtern.
Nach einem gemeinsamen Abendessen stellte sich Karl ans Fenster, sah auf das dunkle Band der Donau, die wie ein schwarzer Schnitt eine von Sturmböen geschüttelte, mit Baumreihen und Gebäuden bestandene Landschaft zerteilte. Von hier aus konnte er sehen, wie das gegenüberliegende Ufer des Flusses und die alte Römerbrücke immer mehr in die dunklen Schatten des Abends eintauchten. Eine ganze Weile stand Karl hier und ging seinen Gedanken nach, die doch immer wieder und ungewollt Fragen nach seiner Regierungsverantwortung aufwarfen.
Er wandte sich wieder seinen lärmenden Kindern zu. Weit mehr als vier Stunden lang erzählte er ihnen und auch Bischof Atto von Freising, der wie zufällig den Raum betreten hatte, die Geschichten von Griechen und Römer, von den Karthagern unter ihrem großen Feldherrn Hannibal, der es gewagt hatte, im Winter mit seinem Heer und seinen Kriegselefanten die Alpen zu überqueren. Er erzählte von den Hunnen, Vandalen und den Ostgoten unter ihrem großen König Theoderich. Karl erzählte seinen Kindern die Geschichte der Langobarden, Bayern, Alemannen, Friesen und Sachsen und er konnte seinen Kindern die Herkunft der Burgunden ebenso erklären wie die der Angeln und Sachsen, die von Skandinavien aus die britische Insel erobert hatten.
„Bereits damals hatten sich die Stämme der Franken in zwei große Gruppen gespalten“, erklärte der König seinen Kindern die Anfänge des Frankenreichs. „Auf den Katalaunischen Feldern unweit der Marne standen sich diese zwei Gruppen von Franken anno 451 im Kampf der Römer unter Aetius gegen die Hunnen unter Attila jeweils als deren Verbündete feindlich gegenüber. Aus der Gruppe der Franken, die auf der Seite der Römer gestritten hatten, ging der Stammvater Merowech hervor, der dann das fränkische Königsgeschlecht der Merowinger begründete.“
„Vater, in welchem Jahr nach Christi Geburt trat der mächtige Merowinger König Chlodwig in Erscheinung?“, fragte Karls älteste Tochter Rotrud, die ihrem Vater vor Spannung förmlich an den Lippen klebte.
„Mein Kind, das war anno 486, als Chlodwig das Frankenreich begründete. Zuvor hatte er verschiedene Gaukönige an Rhein, Mosel und Main unterworfen und die Franken geeint“, antwortete Karl, dem sich die Taten der Merowinger-Könige und auch die seiner unmittelbaren Vorfahren mit den entsprechenden Jahreszahlen seit Kindheitstagen unauslöschlich eingeprägt hatten.
„Nach einem Sieg anno 507 bei Vouillé südlich von Tours über den Westgotenkönig Alarich gehörte ihm fast ganz Gallien. Durch diese Siege machte der Merowinger König Chlodwig das Frankenreich zu einem der mächtigsten Nachfolgereiche des in der Völkerwanderung untergegangenen Weströmischen Reichs“, erzählte Karl seinen Kindern voller Stolz und man merkte ihm an, dass er von der Lebensleistung dieses fränkischen Herrschers sehr beeindruckt war.
„Die Söhne Chlodwigs eroberten weitere Gebiete bis zur Donau und vertrieben die Ostgoten aus der Provence. Ebenso kamen in dieser Zeit Alemannen, Bayern und Teile Rätiens unter die Kontrolle der Merowinger. Während des 6. und 7. Jahrhunderts nach der Geburt unseres Herrn verlagerte sich dann allmählich die Macht von den Merowingern auf ihre mächtig gewordenen Gefolgsleute. Als um die Mitte des 6. Jahrhunderts die erste Expansionsphase vorüber war, mussten die Merowinger-Könige ihre Gefolgsleute belohnen und auch die Kirche, die ein mächtiger Eckpfeiler ihrer Macht war, durch die Zusicherung eigener Ländereien und Einkünfte beschenken. Auf diese Weise verkleinerten sich die Güter der Merowinger-Könige, und allmählich ging ihre Macht an jene Familien über, denen ihre königliche Gunst und einflussreiche Hofämter, wie das des Majordomus, zugutegekommen waren. Arnulf von Metz und Pippin der Ältere standen solchen mächtigen Familien vor und bekleideten wichtige Ämter unter den Merowinger-Königen. Durch eine politische Heirat ihrer Kinder Ansegiesel und Begga verschmolzen Macht und Einfluss der Arnulfinger und Pippiniden, aus denen dann die Karolinger hervorgingen, die nach meinem Großvater Karl Martell benannt wurden.“
„Dann sind das unsere Vorfahren und gleichzeitig die Begründer deiner heutigen Herrschermacht, Vater“, folgerte Karls Tochter Rotrud.