Nr. 2717
Vothantar Zhy
Das Tribunal greift nach Arkon – Admiral Tekener geht in den Einsatz
Susan Schwartz
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Kommentar
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PERRY RHODAN – die Serie
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine aufregende, wechselvolle Geschichte erlebt: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – haben nicht nur seit Jahrtausenden die eigene Galaxis erkundet, sie sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen – und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Im Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das nach alter Zeitrechnung dem Anfang des sechsten Jahrtausends entspricht, gehört die Erde zur Liga Freier Terraner. Tausende von Sonnensystemen, auf deren Welten Menschen siedeln, haben sich zu diesem Sternenstaat zusammengeschlossen.
Doch Unruhe ist über die Galaxis gekommen: Auf der einen Seite droht Krieg zwischen den Tefrodern und den Blues, auf der anderen reklamiert das ominöse Atopische Tribunal die Rechtshoheit über alle Welten der Milchstraße. Ihre ersten Repräsentanten sind die Onryonen, die die Auslieferung Perry Rhodans und Imperator Bostichs fordern – sie sollen wegen zahlreicher Verbrechen vor Gericht gestellt werden. Das schlimmste Verbrechen liege allerdings in der Zukunft und wird als »Weltenbrand« umschrieben.
Noch gelingt es den beiden Unsterblichen, sich ihren Häschern zu entziehen, aber wie lange kann das gut gehen? Nach dem Solsystem gerät nun auch das Zentrum des arkonidischen Imperiums ins Fadenkreuz der Häscher. Eine verzweifelte Hoffnung wird dabei umschrieben mit dem Kodewort VOTHANTAR ZHY ...
Monkey – Der Lordadmiral der USO wird angefordert.
Gaumarol da Bostich – Der Imperator gerät ins Fadenkreuz zahlreicher Jäger.
Ronald Tekener – Der Smiler ist mit ganzem Herzen bei der Sache.
Yscrou da Scadgasd – Die Kommandantin von Vothantar Zhy nimmt ihre Aufgabe sehr ernst.
Arkon-System
Sie trafen sich an einem unauffälligen Ort, in einer mehrstöckigen, gut besuchten Bar, wie es viele gab im System. Auf den Planeten, auf Raumstationen, in Vergnügungsvierteln und außerhalb davon. Diese Bar unterschied sich in nichts von allen anderen. Es gab automatische Mixer, die man an den Tisch rufen konnte, oder man konnte sich selbst etwas an einem Terminal zusammenstellen; es gab Theken mit organischem Bedienpersonal, es gab verschwiegene Separees, Barhocker und Tische. Das Gedränge war groß, die Musik laut, die Tanzflächen voll.
Niemandem fielen die beiden Personen auf, die sich an einen Zweiertisch gesetzt hatten, sie unterschieden sich nicht von allen anderen. Saßen da und unterhielten sich, schauten sich ab und zu nach den Gästen um, womöglich, um den restlichen Abend anders zu gestalten. Wie gut zwei Drittel aller anderen Besucher.
Trotzdem gab es einen Unterschied. Sie hießen Gemian Ocary und Vloster Shyogh, und sie waren Jaj.
Jäger im Auftrag des Atopischen Tribunals, die sich in similierter Gestalt in das Arkon-System eingeschlichen hatten, mit einem besonderen Auftrag.
»Hast du die Zielperson ausgemacht?«, erkundigte sich Ocary.
Shyogh bestätigte mit einer kleinen Fingergeste. »Und du?«
»Ebenfalls. Dann müssen wir jetzt unseren Zeitplan abstimmen.«
»Einverstanden. Das ist demnach unser letztes Treffen. Wir gehen exakt nach Plan vor, jeder für sich, und werden keinerlei Kontakt dieser Art mehr zueinander aufnehmen. Egal, was kommt. Wir spielen unsere Rollen, wir geben uns als die aus, die wir sein sollen. Ohne Ausweg. Versagt einer, muss der andere allein zum Ziel kommen.«
»So lautet der Auftrag, und so werden wir ihn ausführen. Aber ich sehe nach meinen bisherigen Recherchen keinerlei Prognose, dass einer von uns scheitern könnte. Die Zielpersonen sind ... vergleichsweise simpel. Es sollten keinerlei Schwierigkeiten auftreten, dass wir ganz darin aufgehen.«
»Also, lass uns den Ablauf besprechen.«
Sie bestellten bei einem gerade vorbeischwebenden Automaten etwas zu trinken und vertieften sich ins Gespräch. Es wurden keinerlei Aufzeichnungen gemacht, alles musste im Gedächtnis verankert werden. Aber das stellte kein Hindernis dar, sie hatten nie anders gearbeitet. Eine phänomenale Erinnerung war unerlässlich für die Arbeit eines Jaj, für seine ganze Existenz.
Nachdem sie sich in sämtlichen Punkten einig waren, trennten sie sich.
*
Gemian Ocary wusste, dass seine Zielperson eine geheime Wettleidenschaft hatte, der sie nahezu regelmäßig nachging. Immer wenn er die eine oder andere Tonta abzweigen konnte. Stunden, die »nicht auffielen«, die sich zwischendrin befanden – zwischen Arbeit, Freizeit und den Wegen von der einen zur anderen. Gut und geschickt arrangiert, niemand wusste davon. Eine hervorragende Voraussetzung, diskret vorzugehen.
Ocary hatte die Zielperson lange beobachtet. Sich Gestik, Augenaufschlag, unbewusste Körperhaltungen zu eigen gemacht, damit kein Fehler passieren konnte. Die Similierung musste perfekt sein, nur so konnte es funktionieren. Die Reihenfolge war: Beobachten, Speichern, Ableiten, Üben. Anpassen und dann, als letzter Punkt auf der Liste, das Ersetzen.
Sie hatten eine bestimmte Anzahl Pragos vereinbart, bis die Übernahme erfolgen sollte. Sie würden selbst nicht wissen, ob es funktioniert hatte oder nicht, wenn sie einander begegneten. Ihre Fähigkeit, andere Jaj zu erkennen, wurde aktiv unterdrückt, damit alles »echt« blieb. Das war unerlässlich, wenn auf Feindesgebiet operiert wurde.
Genau deswegen durften sie keinerlei Kontakt mehr zueinander aufnehmen. Sie mussten ihr wahres Selbst voreinander verbergen, nur dann war die Similierung perfekt. Nur dann konnte keine Gefahr für den Auftrag bestehen.
Den Onryonen waren die Gestaltwandler verhasst. Weil sie sie fürchteten.
Die Jaj hatten dafür Verständnis. Und profitierten davon. Denn gerade deswegen waren sie im Gefüge des Atopischen Tribunals unentbehrlich. Sie arbeiteten allein, unabhängig, und sie benötigten keine Maske. Sie waren die Maske.
Gemian Ocary verfolgte die Zielperson, ohne dass sie misstrauisch werden konnte, denn er benutzte nie die gleiche Tarnidentität. Da er sich immer in derselben Völkergruppe hielt, war es kaum ein Aufwand, das Aussehen ein wenig zu verändern, das Outfit leicht zu differieren.
Nachdem er die Zielperson fertig studiert hatte und sicher war, ohne Übergang an ihre Stelle treten zu können, trat er in Aktion.
Er wartete den Moment ab, sobald die Zielperson von ihrem heimlichen Hobby zurück in das bescheidene kleine Leben kehrte. Der heimliche Weg war einsam und still, niemand sonst war dort unterwegs. Es sollte so schnell gehen, dass nicht einmal die Zielperson begriffe, was mit ihr geschah, weil sie zu dem Zeitpunkt bereits tot wäre.
Ocary wartete in der Deckung, bis die Zielperson an ihm vorüberging. Dann trat er hinaus, hinter ihren Rücken, in einer similierten Gestalt, die bei Weitem kräftiger war. Große, schwere und muskulöse Hände schossen nach vorn, und in dem Moment, in dem die Zielperson durch diese Bewegung einen zarten Windhauch im Nacken spürte, waren die mächtigen Hände auch schon an ihrem Hals und brachen ihr in einem Sekundenbruchteil das Genick.
Ein sanfter, schmerzloser, unwissender Tod. Darauf kam es Ocary stets an. Er tötete nicht mit Freude, sondern weil es Bestandteil des Auftrags war. Er selbst fühlte überhaupt nichts dabei. Es war seine Aufgabe, das zu tun.
Leben wurde gegeben, Leben wurde genommen. Aber er würde keinesfalls grausam dabei sein. Die Zielperson sollte nicht wissen, welches Schicksal ihr blühte. Es mochte Jäger geben, die anders vorgingen, aber das interessierte Ocary nicht.
Niemand redete einem Jaj in seine Arbeitsweise hinein, auch kein anderer Jaj. Über diese Dinge sprachen sie nie untereinander. Das war das äußere Leben; doch innerhalb des Volkes, wenn sie zu Hause waren, das war etwas ganz anderes. Dann waren sie ganz sie selbst und alles andere vergessen.
*
Vloster Shyogh heftete sich der Zielperson an die Fersen. Studierte jeden einzelnen Moment ihres Lebens, sämtliche Eigenheiten, das gesamte Gebaren. Analysierte, stellte sich vor, wie es war, so zu sein. Schätzte ab, wie viel Körpermasse vonnöten war und wie die Intervalle geplant werden mussten, damit niemandem die 36-Stunden-Frist auffiel. Plante alle für ihn vorstellbaren Eventualitäten ein – und das waren eine Menge –, die eintreten und den Ablauf der Frist stören konnten. Plante, was dann zu tun wäre, welche Alternativen es gab. So, wie der Hauptplan notfalls beschleunigt werden musste, um zum Erfolg zu führen.
Hundert Prozent Erfolg, etwas anderes kam für Shyogh nicht infrage. Er machte sich mit dem sozialen Umfeld der Zielperson vertraut, denn je geselliger, desto problematischer. Das waren unberechenbare Faktoren, die auf ein Minimum reduziert werden mussten. Wichtig war die Konzentration auf die Arbeit, nicht zu viel Spaß nebenbei. Sollte von der privaten Unternehmungslust zu viel vorhanden sein, musste diese langsam reduziert werden. Die Arbeit musste zum höchsten Ziel werden.
Shyogh nahm deshalb bereits vorab Einfluss, indem er kleine Intrigen streute, für mehr Verantwortung, eine glorreichere Zukunft sorgte. So etwas konnte schnell gehen, etwa indem jemand aus der Abteilung flog, der zuvor gute Chancen auf einen besseren Posten gehabt hatte.
Das klang nach langer Vorbereitungszeit, war es aber nicht. Shyogh war Profi. In wenigen Wochen konnte eine Menge passieren, eine Firmenneugründung oder der Verkauf einer alteingesessenen Firma bis zur Insolvenz eines hoffnungslos überschuldeten Unternehmens, das innerhalb eines Tages an den Forderungen der Gläubiger scheitern konnte.
Dem Jaj ging es allerdings nicht um eine Firma, sondern um die überschaubare Abteilung der Zielperson, was alles bedeutend vereinfachte.
Erst wenn er das komplette Umfeld durchforstet hatte, wandte er sich der Zielperson selbst zu. Und dann ging alles sehr schnell, weil er rund um die Uhr dranblieb. Ab und zu eine kleine Erholungsphase, wenn die Zielperson schlief; aber nie genauso lange. Schließlich offenbarte sich auch im Schlaf einiges.
Nach Ablauf der veranschlagten Zeit kannte Shyogh die Zielperson in- und auswendig. Dann galt es nur noch, die letzte Prüfung zu absolvieren.
Den geeigneten Moment überließ er keineswegs dem Zufall. Eine Begegnung in der Wohnung der Zielperson, wenn sie mindestens zwei Tontas für sich hatte, ohne dass jemand anwesend war, vorbeikam oder anrief. Das genügte vollauf.
Die Zielperson trat ins Bad, um zu duschen – und stand sich selbst gegenüber.
Im Spiegel. Nur mit dem Unterschied, dass das Spiegelbild heraustrat und ihr direkt gegenüberstand.
»Ist das ein Scherz?«
Das Echo kam nur um einen winzigen Lidschlag versetzt: »Ist das ein Scherz?«
Die Zielperson wunderte sich noch immer, hielt es für einen holografischen Streich und machte Verrenkungen und schnitt Grimassen. Je schneller und fließender die Bewegungen wurden, desto synchroner folgte das Spiegelbild, bis alles hundertprozentig passte.
Die Zielperson hielt inne, mit geweiteten Augen, die nunmehr deutlich ihre Angst ausdrückten.
»Das ist nicht witzig«, erklang es im Zweiton.
Alles passte perfekt. Die letzte Probe war bestanden.
»Hör auf damit! Wer bist du?« Nur eine Stimme diesmal, denn es sollte eine Antwort erfolgen.
»Ich bin du.«
»Was ... was redest du da?«
In einem Film hätte das Spiegelbild sich als das Ich aus der Zukunft präsentiert, das seinem früheren Ich eine Warnung aussprechen musste.
Aber so harmlos war das Leben nicht.
Der Zeitpunkt zur Handlung war gekommen. In dem Fall jedoch nicht synchron.
Shyogh trat mit einem schnellen Schritt auf die Zielperson zu, seine Hand schoss nach vorn, griff zielsicher zu und zertrümmerte den Kehlkopf mit einem kräftigen, geübten Daumendruck, der niemals fehlging. Die Zielperson, völlig unvorbereitet und nicht zur Abwehr solcher Angriffe ausgebildet, hatte nicht einmal mehr mit einem Muskel zucken können.
*
Shyogh und Ocary, jeder für sich, waren zufrieden mit dem ersten Abschnitt des Plans, der soeben erfolgreich beendet worden war.
Eine Leiche würde natürlich niemals gefunden werden, beide Körper würden auf diskrete Weise vollständig »entsorgt«.
Der Tod der Zielpersonen war die Grundvoraussetzung zur Ausführung des Auftrags, der von den Jaj aus diesem Grund aufwendig und minutiös vorgeplant worden war.
Damit war der Anfang getan.
Der Auftrag lautete schlicht:
Arkon muss fallen.
Die Perle Arkons,
24. August 1514 NGZ
»Hallo, alter Freund, da bin ich wieder einmal.« Tormanac da Hozarius hob grüßend die Hand, als er eines seiner Privatgemächer im obersten Stockwerk des tausend Meter hohen Kristallpalastes betrat.
Ghlesduul lag ruhend da, ungewöhnlich für einen stämmigen Naat mit drei Metern Körperlänge und einer Kraft, die geradezu halutische Ausmaße aufwies. Doch es hatte sich viel verändert in diesen Tagen. Sie beide hatten sich verändert ...
»Es ist schön hier oben, doch ab und zu vermisse ich doch meinen Wohnsitz auf Krysaon mit dem Blick auf die herrliche Bucht von Lokolom. Und mein Khasurn dort ist überschaubar, im Gegensatz zu dem Ungetüm hier. Vor allem entwickelt es sich mehr und mehr zu einem Geisterhaus.«
Drei hochbegabte junge Leute aus den Bereichen Verwaltung, Wissenschaft und Raumfahrt hatten soeben den Dienst quittiert. Sie waren nicht die Ersten und würden nicht die Letzten sein.
Anlass für Tormanac, einmal wieder Zwiesprache mit seinem alten Freund und Begleiter, manchmal auch Leibwächter, aus glücklicheren Tagen zu halten. Immer mehr Arkoniden verließen die Träge Welt, wie sie die Realität nannten, und begaben sich mit den Mental-Dilatationshauben in die Messingwelt. Das geschah überall im System, der Kristallpalast war davon nicht ausgenommen.
Tormanac hatte erst vor Kurzem die Chefin der Öffentlichkeitsarbeit aus seinem Büro dazu befragt, die er bisher für sehr verlässlich und unerschütterlich gehalten hatte. Auch sie hatte eines Morgens verkündet, fortan nicht mehr zu kommen, und Tormanac hatte wissen wollen, warum sie sich in eine Scheinwelt flüchtete.
»Aber so ist das gar nicht«, hatte sie geantwortet. »Das hat nichts mit Dekadenz oder Realitätsflucht zu tun. Das Kristallimperium versorgt und schützt sein Volk, wir alle können in Schönheit und Luxus leben. Dadurch verschieben sich unsere Prioritäten: Wir können uns mehr auf das Geistige konzentrieren. Was unsere Pflicht sein sollte. Durch das Messingträumen erleben wir schon allein die Künste viel intensiver, beispielsweise können wir das philosophische Gesamtwerk des großen Flavan da Vesa in wenigen Tagen durcharbeiten. Wir können aber auch ohne Lebensgefahr die höchsten Gipfel erklimmen und in die tiefsten Tiefen tauchen.«
»Hört sich nach einem ereignisreichen Leben an«, bemerkte der Vize-Imperator.
»Genau so ist es.« Die Arkonidin registrierte seine Ironie nicht. »Mit jedem Tag, den ich hier in der Trägen Welt verbringe, versäume ich zehn wunderbare Tage in der Messingwelt.«
»Und wer wird die Dinge hier am Laufen halten?«
»Keiner von uns verlässt die reale Welt für immer.«
Wenn es nur so wäre. Tormanac lächelte jetzt kurz in Erinnerung daran. Bisher war kein einziger Messingträumer auch nur für eine Stunde an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt.
»Vielleicht sollten wir es ihnen gleichtun, alter Freund«, sagte er zu Ghlesduul, seinem Ratgeber, ja seinem Extrasinn.
Der Naat war maßgeblich an seiner Ausbildung beteiligt gewesen, hatte ihm auch danach noch viele Denksportaufgaben gegeben, als Tormanac schon längst an Bostichs Seite gestanden hatte. Als enger Berater und Vertrauter, den niemand einzuschätzen gewusst hatte, da er keinem Geheimdienst oder einer sonstigen Organisation angehört hatte. Sein Lebenslauf hatte keinen Makel aufgewiesen, aber das musste nichts besagen.
»Dort drüben ginge es uns beiden sicher viel besser. Vielleicht hätte ich da keine Pausen mehr ...«
Aber das konnte er nicht tun, denn er trug die Verantwortung für das Kristallimperium. Seit 14 Jahren, seit der Ernennung zum Zarlt von Zalit, war er der Vizeimperator. Und das war nicht nur ein phänomenal klingender Titel, denn seit dieser Zeit weilte Imperator Bostich fast nur noch auf Aurora in seiner Eigenschaft als Erster Vorsitzender des Neuen Galaktikums. Er war dort so sehr eingebunden, dass er nicht mehr genug Zeit für sein eigenes Reich aufbrachte und alles seinem Stellvertreter überließ.
Es lag deshalb nahe, dass er Tormanac, dem er seit vielen Jahrzehnten das uneingeschränkte Vertrauen schenkte, zu seinem Stellvertreter ernannt hatte. Mit allen Konsequenzen, was vollumfängliche Machtbefugnisse bedeutete. Faktisch regierte Tormanac seither das Kristallimperium.
Keine schlechte Karriere ..., dachte der Arkonide und ließ seine Gedanken weiter abschweifen.
*
Alter Adel war nicht alles, denn die Zugehörigkeit lediglich zur mittleren Stufe hatte dem hochbegabten jungen Tormanac seinerzeit den Zugang zur Paragetha-Akademie verweigert. Doch die Galaktonautische Akademie bot ebenfalls eine exzellente Ausbildung, sodass der junge Mann als einer der wenigen anschließend zur ARK SUMMIA zugelassen wurde.
Alle drei akademischen Grade bis zum Tai-Laktroten hatte er mit Bravour bestanden, sodass die Aktivierung seines Extrasinns in der Paraphysikalischen Klinik nur der krönende Abschluss hätte sein sollen. Damit wäre er dem Hochadel gleichgestellt gewesen, und alle Bereiche für eine Karriere bis ganz nach oben hätten ihm offengestanden. Man hätte ihn vermutlich mit Angeboten überschüttet; bereits nach Abschluss des Ersten Grades waren die ersten Stellen an ihn herangetreten.
Doch dann der Schock, gefolgt von einem lebenslangen Trauma: Die Aktivierung des Extrasinns war fehlgeschlagen.
Eine unvorstellbare Katastrophe, die vor allem der Kelch da Hozarius als Schande empfand, obwohl Tormanac nichts dafür konnte und es nicht bewusst herbeigeführt hatte.
Damit es nicht offenbar wurde – und sie ihn loswurde –, kontaktierte die Familie daraufhin Shallowain den Hund, und so ging Tormanac bei ihm »in die Lehre«.
Eine Entscheidung, für die er seiner Familie heute noch dankbar war, trotz aller Verbitterung wegen ihres sonstigen Verhaltens ihm gegenüber.
Die Beziehung zu Shallowain war sogar enger gewesen als später zu Ghlesduul. Doch Shallowain war längst in der Vergangenheit versunken, eine zusehends verblassende Erinnerung. Nachdem Tormanac ihn gerächt hatte, hatte er diesen Teil seiner Vergangenheit abgeschlossen.
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Sein Extrasinn funktionierte nicht, und dennoch hatte Tormanac die höchste überhaupt mögliche Zinne erklommen. Was vor allem für den Verstand Imperator Bostichs sprach, der sich offensichtlich wenig um Traditionen scherte. Insofern passten sie beide hervorragend zusammen. Scharfsinn, gepaart mit überragender Intelligenz, und der Wille, Großes zu vollbringen.
Die heutigen Hozarius' wollten sich gern wieder auf die Familienbande besinnen, da Tormanac faktisch der Patriarch seines Khasurn war. Aber daran zeigte er kein Interesse und gewährte auch keinerlei gesonderte Privilegien. Obwohl er den Familiensitz ab und zu in sentimentaler Stimmung vermisste, hielt er sich dort seit Jahrzehnten nicht mehr auf, nicht einmal zu einem kurzen Besuch. Er überließ die Führung einem anderen Verwandten, der, wie es sich traditionell gehörte, verheiratet war und Erben gezeugt hatte.
Diese Lebensweise hatte Tormanac sich ohnehin nie als Ziel vorgestellt. Sein Weg war eindeutig der bessere gewesen – er war regierender Vizeimperator mit uneingeschränkten Machtbefugnissen. Was interessierten ihn Handelsbeziehungen oder sonstige Aktivitäten einer Familie von vielen innerhalb des Imperiums, wenn er über alle entscheiden konnte?
Und er hatte eine Menge getan. Das Auffälligste davon war der militärische Bereich. Mit seinem Flaggschiff THANTUR LOK XIII befehligte Tormanac die Raumflotte, deren fünfzigtausend Einheiten – davon vierzigtausend sofort einsatzbereit – er mit einer Robotarmada aufgestockt hatte. Einhundertzwanzigtausend Raumer der EPPRIK-Klasse, schwer bewaffnet, sehr schnell – und völlig unbemannt.
Tormanac war sich bewusst, dass das einige Verwunderung innerhalb des Imperiums hervorgerufen hatte und sicherlich seitens der Terraner mit einer gewissen Besorgnis beobachtet wurde. So sollte es auch sein.
Bostich hatte sich bei einem ihrer Gespräche nicht weiter dazu geäußert; er ahnte sicher, dass sein Vizeimperator diese Entscheidung nicht rückgängig gemacht hätte. Tormanac tat nie etwas ohne Grund.
Außer in den Pausen.
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