KAPITEL 1
Einleitung
Zugegeben, als der Paläo-Wahn losbrach, war ich ziemlich genervt davon. Da stand ich also und lobte bekannte Sportler, die bewiesen, dass eine vegane Ernährungsweise die sportliche Leistung nicht beeinträchtigt, sondern tatsächlich sogar erhöht. Dann kam diese neue Mode namens Paläo-Ernährung auf und die Bücherstapel dazu wuchsen in kürzester Zeit dermaßen an, dass man das Gefühl bekommen konnte, es sei eine Verschwörung gegen alles Vegane im Gange. Plötzlich war eine fleischbasierte, eiweißreiche Ernährung wieder angesagt, und freudig begrüßten die Leute diese unwahrscheinliche Lösung für eine langfristige Gewichtsreduzierung und beste Gesundheit. Manche hörte ich sogar sagen: »Ich war Veganer, aber jetzt bin ich auf Paläo umgeschwenkt.« Eine Zeit lang hatte ich das Gefühl, gerade mitzuerleben, wie fremde, fleischfressende Wesen sich in den Körpern von Veganern einnisten und von ihnen Besitz ergreifen – es war zum Haareraufen! Das heißt, bis ich entdeckte, wie viel Paläo und Vegan gemeinsam haben.
Ob es darum geht, gesund zu werden, abzunehmen oder ganz einfach sich natürlicher zu ernähren – kreative Paläo-Anhänger haben einen Kochstil entwickelt, der aufgrund des Gebrauchs von unbehandelten Lebensmitteln ernst zu nehmen ist. Wie alles Gute macht dieser Ernährungsstil andere neugierig – manche Paläo-Novizen steigen sofort hundertprozentig ein, andere bleiben bei ihren Essgewohnheiten, aber übernehmen Teile der Paläo-Philosophie. Wie so viele andere stellen Veganer fest, dass der Paläo-Ernährungsstil mit geringfügigen Anpassungen (wozu natürlich der Verzicht auf Fleisch gehört) die Qualität, die sie ohnehin schon auf ihren Tellern haben, noch erhöhen kann.
Stellen Sie sich einmal vor, sie lebten in der Altsteinzeit. Morgens treten Sie aus Ihrer Höhle heraus und schon stehen Sie vor der Aufgabe, etwas Nahrhaftes auf den Tisch zu bekommen, und zwar dalli! Ist heute Jagen oder Sammeln angesagt? Keine Frage – denn selbst wenn Sie ein Tier aufspüren, wäre es alles andere als ein Spaziergang, es zu fangen und zu erlegen. Doch was ist mit Sammeln? Darin sind Sie Experte. Pflanzen mit essbaren Blättern, Gräser, Beeren, Nüsse: alles vorhanden. Um Ihre Sippe zu ernähren, müssen Sie es nur pflücken oder auflesen.
Wenn die Höhlenmenschen nur eine Ahnung von heute hätten! Viele ihrer Ernährungsgewohnheiten, die von ihrer Umgebung und ihrer Zeit bestimmt waren, entsprechen exakt den Ernährungsgewohnheiten der modernen Paläo-Anhänger, die ohne sie nicht leben wollen. Selbstverständlich bieten sich heute viel mehr Wahlmöglichkeiten, als sie unsere altsteinzeitlichen Verwandten besaßen. Grob gesagt lauten die Grundprinzipien der modernen Paläo-Ernährung:
GO
Unverfälschte, unbehandelte Lebensmittel
Mageres Fleisch (von grasgefütterten oder freilaufenden Tieren), Fisch und Meeresfrüchte
Nahrungsmittel mit wenig Kohlenhydraten und einem hohen Anteil von Ballaststoffen und Kalium
Gesunde Fette
NO-GO
Kein Getreide, keine Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Milchprodukte, kein zugesetztes Salz, kein raffinierter Zucker, keine raffinierten Öle
Wir alle wissen, dass es verarbeiteten Lebensmitteln an Nährstoffen fehlt. Woran es ihnen nicht fehlt, sind Zusatz- und Konservierungsstoffe, und zwar eine ganze Menge davon. Paläo-Vertreter haben also recht, dass behandelte Nahrungsmittel eine faule Sache sind. Veganer mögen auch bezüglich Fleisch dieser Meinung sein, aber Paläos können ihren Standpunkt behaupten, denn eine Ernährung, die unter anderem auf magerem Fleisch, gesunden Fetten und wenig Kohlenhydraten basiert, nützt bekanntlich, wenn man in kurzer Zeit ein paar Pfund verlieren möchte. Machen wir uns nichts vor, darum geht es vielen Leuten.
Ein paar Sätze zum F-Wort. Fette sind ganz sicher notwendig, allerdings werden wir heute von einem Transfettsäuren-Wahnsinn konfrontiert, das sind ungesättigte Fettsäuren wie sie Margarine und andere raffinierte Pflanzenfette und -öle aufweisen. Und wenn Herzen reden könnten, würden sie uns zurufen, endlich auf das Zeug zu verzichten! Was Omega-Fettsäuren angeht, so bedeutet Paläo eine Reduzierung unseres Verzehrs an Omega-6-Fettsäuren, besonders durch Öle, in denen sie enthalten sind, etwa Maiskeimöl und Färberdistelöl. Dagegen kommen mehr Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt von Omega-3-Fettsäuren auf den Tisch, etwa Fisch. Auf diese Weise bringen wir die Menge dieser Fette in ein gesundes Verhältnis, wie es bei den Menschen der Altsteinzeit mutmaßlich der Fall war. Es ist ganz einfach: Zu viele Omega-6-Fettsäuren leisten chronischen Krankheiten Vorschub, wogegen Omega-3-Fettsäuren genau diese Krankheiten unterdrücken. Veganern liefern Nüsse und Samen Omega-3-Fettsäuren, besonders Chiasamen, Leinsamen und Walnüsse; sie sind daher nicht gezwungen, für diese essentiellen Fettsäuren zu Fischöl zu greifen.
Richten wir unseren Blick auf Getreide, Hülsenfrüchte und Kartoffeln – das sind die möglichen Tricks für Veganer, die sich für Paläo interessieren. Zweifellos handelt es sich dabei um natürliche Nahrungsmittel, so dass man annehmen könnte, sie seien in der Paläo-Küche hochwillkommen. Weit gefehlt, denn weil es landwirtschaftlich angebaute Produkte sind und sie manchen Menschen Verdauungsschwierigkeiten bereiten, werden sie in der Regel abgelehnt. Das heißt natürlich nicht, dass Paläo-Anhänger kein Interesse an ballaststoff- und kaliumreichen Nahrungsmitteln haben, etwa Artischocken, Bananen und Brokkoli, um nur ein paar zu nennen. Schließlich helfen Ballaststoffe bei der Regulierung des Cholesterin- und Blutzuckerspiegels, und auch Kalium ist nicht gerade eine Nullnummer. Versuchen Sie doch einmal, ohne genug von dem Zeug im Tank Ihre Nieren am Laufen zu halten oder Ihre Muskeln und Nerven in Schwung zu bringen.
Das führt uns zu den Lebensmitteln mit zugesetzten Salzen und raffiniertem Zucker. Den meisten von uns muss man keine Gründe nennen, diese Teufelchen aus unserer Ernährung fernzuhalten oder zumindest ihren Verzehr weitgehend einzuschränken. Zu viel Natrium im Körper ist für viele Menschen eine tickende Zeitbombe. Tafelsalz vom Speiseplan zu verbannen und gleichzeitig die Menge an Nahrungsmitteln mit hohem Kaliumgehalt zu erhöhen, helfen bei ihrer Entschärfung; im anderen Fall gerät der Säurehaushalt des Körpers aus dem Gleichgewicht und alle möglichen Störungen und Krankheiten können sich in ihm breitmachen. Raffinierter Zucker, der keinerlei Vitamine, Mineralstoffe oder Ballaststoffe enthält und auf den wir gut und gerne verzichten können, ist eine weitere Ursache von Krankheiten.
Die Paläo-Ernährung unterstützt wie andere eiweißreiche Ernährungsweisen auch einen schnellen Abnehmerfolg, einer der Hauptgründe für ihre Popularität. Zudem ist es gesundheitsfördernd, auf behandelte Nahrungsmittel – einschließlich raffinierter Kohlenhydrate, die zur Fettleibigkeit beitragen – zu verzichten und nur vollwertige, nährstoffreiche Lebensmittel, so wie sie uns die Natur bietet, zu verzehren. Zu diesen Vorteilen gehören ein verbesserter Insulinwert, ein besserer Säure-Basen-Haushalt und ein gesundes Elektrolytgleichgewicht.
Auch sehr aktive Menschen, einschließlich Profi-Sportler, können von einer Paläo-Ernährungsweise profitieren. In der Tat loben einige bekannte Sportler die Auswirkungen einer paläo-orientierten Ernährung mit viel Eiweiß, gesunden Fetten und wenig Kohlenhydraten. Bei anstrengenden Aktivitäten nutzt der Körper nach der Ernährungsumstellung recht schnell statt der Kohlenhydrate das Fett als Hauptenergielieferanten, um seinen Glukosevorrat so weit wie möglich zu erhalten. Richtig gut daran ist, dass die sportliche Leistung gleich bleibt – oder sich sogar verbessert. Allerdings gibt es auch viele pflanzenverschlingende Sportler, die mit einer Ernährung, die zu 60 bis 80 Prozent sogenannte komplexe Kohlenhydrate enthält, hervorragende Leistungen erzielen. Beispielsweise wissen wir von kenianischen Marathonläufern, dass ihre Ernährungsweise in diese Kategorie fällt.
Die Prinzipien der Paläo-Ernährung sind nicht so streng, wie Sie vielleicht denken, und ihre Anhänger passen sie an die eigenen Bedürfnisse indivduell an. Drei beliebte Paläo-Versionen stelle ich Ihnen mit einer von mir zusammengestellten Liste bemerkenswerter Ausnahmen und Empfehlungen vor. Sie müssen die jeweilige Auswahl weder analysieren noch bewerten; ich möchte Ihnen bloß eine Ahnung davon vermitteln, wie verschieden die Interpretationen eines Konzepts ausfallen können.
VERSION 1:
Schwerpunkt weniger auf magerem Fleisch, sondern vielmehr auf Fleisch von grasgefütterten Tieren aus Freilandhaltung sowie Fleisch und Fisch aus Jagd bzw. Wildfang
Verhältnismäßig begrenzte Verzehrmenge von Obst und Nüssen für Leute, die abnehmen möchten
Genuss von stärkehaltigen Gemüsen wie Yams und Süßkartoffeln, allerdings eingeschränkt bei drohender Gewichtszunahme
VERSION 2:
Betonung pflanzenbasierter Nahrung als Hauptbestandteil der Ernährung
Genuss von tierischen Fetten wie Butter, Schmalz und Talg
Mäßiger Genuss von Milchprodukten
VERSION 3:
Rohes Obst und Gemüse, gekochtes Gemüse, Fleisch und Fisch (alles in gleichen Portionen)
Nicht mehr als vier oder fünf Portionen Frucht pro Tag
Gelegentlich Käse oder ungesüßter Joghurt
Obwohl viele Paläo-Anhänger kleine Tricks begrüßen, sind Getreide und Hülsenfrüchte offensichtlich so tabu, dass sie es auf keine einzige Liste geschafft haben. Manche Paläos nehmen geringe Mengen Getreide zu sich, die meisten jedoch verzichten komplett darauf, und zwar weil sie überzeugt davon sind, dass bestimmte gesundheitliche Probleme zumindest teilweise auf den Verzehr von konventionell angebauten Lebensmitteln zurückzuführen sind. Auf jeden Fall aber öffnet die paläo-eigene Schummeltoleranz Veganern die Tür zu dieser Ernährungsweise.
Gemeinsam ist den verschiedenen Paläo-Versionen die Idee des Schummelns und Tricksens, was nichts anderes bedeutet, als dass man Nahrungsmittel isst, die eigentlich nicht als paläo gelten. Die Verfasser von Büchern zur Paläo-Ernährung sind sich darüber im Klaren, dass es für viele Menschen extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist, einer strikten Paläo-Ernährung zu folgen. Daher ermuntern sie zu ein bisschen Schummelei, je nach persönlichen Bedürfnissen und Vorlieben. Manche Autoren erlauben einen Anteil von 15 bis 20 Prozent.
Dennoch betonen sie, wie wichtig es ist, dass solche Anpassungen an die individuellen Bedürfnisse die Ausnahme bleiben und vor allem dazu dienen, auf den Geschmack der Nahrungsmittel, die man am meisten vermisst, nicht gänzlich verzichten zu müssen – statt sich womöglich völlig von Paläo abzuwenden und so nicht mehr von seinen Vorteilen zu profitieren. Das möglicherweise an einen Entzug grenzende Gefühl, dass einem etwas fehlt, soll dadurch abgemildert werden. Nach einer Weile haben einige gar nicht mehr das Bedürfnis zu schummeln. Paläo-Autoren ermuntern ihre Leser, sich keinen Perfektionsstress zu machen, auf Kurs zu bleiben und eine Erfolgsrate von 80 Prozent zu akzeptieren. Schließlich wohnt dem modernen Paläo-Lebensstil eine Unzahl von Belastungen, Ablenkungen und logistischen Herausforderungen inne. Bei 20 Prozent Trickserei bleibt einiger Spielraum – den Veganer für Getreide und Hülsenfrüchte nutzen können.
Wie sieht so etwas ganz praktisch aus? Gehen wir von drei Mahlzeiten täglich aus (Frühstück, Mittagessen, Abendessen), dann sind das 21 Mahlzeiten pro Woche, was bei einem 20-Prozent-Spielraum bedeutet, dass Sie bei vier Mahlzeiten schummeln dürfen. Das heißt, viermal die Woche können zu Ihrem Mittag- oder Abendessen Getreide und Hülsenfrüchte gehören, die Sie ansonsten nicht essen. Alternativ könnten Schummel-Nahrungsmittel 20 Prozent jeder oder vieler Ihrer Mahlzeiten ausmachen.
Typische Paläo-Schummeleien sind ein Stück Pizza oder ein Milchshake, eher untypisch sind dagegen regelrechte Gelage, bei denen nicht nur Nahrungsmittel, die nicht zum üblichen Paläo-Spektrum gehören, verspeist werden, sondern auch Alkohol fließt. Was auch immer unsere altsteinzeitlichen Vorfahren zur Abstumpfung unternommen haben, so mag ich nicht glauben, dass sie ihre beschränkten Ressourcen verschwendet haben, um sich volllaufen zu lassen.
Wenn Sie gelegentlich ein Glas Wein genießen, werden Ihnen die meisten Paläos sogar zuprosten. Der Konsum von Wein, ob Sie ihn trinken oder zum Kochen benutzen, ist in einem vernünftigen Maße durchaus in Ordnung, und viele Studien sehen eine Verbindung zwischen maßvollem Weingenuss und einer guten Herzgesundheit. Für Frauen ist es allerdings wichtig zu wissen, dass Alkoholkonsum regelmäßig mit einem höheren Brustkrebsrisiko in Zusammenhang gebracht wird.
Wenngleich die paläotypischen Tricks es uns ermöglichen, dass wir uns selbst gegenüber nachsichtig sind und uns etwas gönnen, sollten wir unsere kleinen Ernährungssünden mit Bedacht auswählen. Was hinsichtlich der Flexibilität für die Paläo-Ernährung gilt, kann auch für eine vegane Ernährungsweise gelten. Die meisten Veganer dürften es in die Kategorie Schummelei einordnen, wenn sie eine köstliche Süßspeise (zum Beispiel ein Stück Geburtstagskuchen) nicht ablehnen oder eine andere Leckerei, die sie, egal warum, üblicherweise nicht essen. Die Entscheidung, was vernünftig ist, muss jeder selbst treffen.
Meiner Ansicht nach ist der Genuss von Getreide und Hülsenfrüchten eine akzeptable Schummelei für Veganer, die Paläo-Prinzipien berücksichtigen wollen. Ich würde sogar sagen, dass diese Nahrungsmittel erwünschte Schummeleien sind, denn sie enthalten Ballaststoffe, Vitamine aus dem B-Komplex und weitere nützliche Inhaltsstoffe. Beispielsweise sind Bohnen eine gute Quelle für Eiweiß, Eisen, Kalzium, Kalium und Magnesium, sie erhöhen nicht den Blutzuckerwert und unterstützen die Behandlung von Diabetes.
Paläo-Anhänger lehnen Getreide und Hülsenfrüchte hauptsächlich wegen ihres hohen Gehalts an Lektinen ab, Proteine, die sich an Zellmembranen binden können. Sie übersehen dabei allerdings, dass die Giftigkeit von Lektinen durch Einweichen, Fermentieren und Keimen erheblich reduziert und durch korrektes Kochen zerstört wird. Wenn Sie also getrocknete Bohnen über mehrere Stunden einweichen, wechseln Sie öfter das Wasser, und kochen Sie die Bohnen, bis sie gar sind; so werden die Lektine inaktiviert und gleichzeitig können sich die Nährstoffe entfalten.
In einigen Paläo-Varianten werden Erbsen, Quinoa und Wasserreis empfohlen – warum entwickeln Sie also nicht Ihre eigene Version, die Ihre Lieblingsgetreide und -hülsenfrüchte mit einschließt? Sie könnten auch Kakao genießen, eine gesunde Leckerei, die für Paläos wie für Veganer geeignet ist. Und warum sollten Sie hier schon aufhören? Wenn Sie Kakao mit Früchten und Nüssen kombinieren, sind Sie auf dem richtigen paläo-veganen Weg. Früchte bereichern Ihren Speiseplan ungemein. Ob Sie sie allein essen oder zusammen mit anderen Nahrungsmitteln, beides hilft, das Verlangen nach Süßspeisen zu zügeln, denn ein Leckermäulchen lässt sich relativ leicht zufriedenstellen, wenn man zugesetzten Zucker durch die natürliche Süße von Früchten ersetzt. Wenn Sie mögen, können Sie zu einigen Gerichten Datteln hinzugeben, das stillt ebenfalls das Verlangen nach etwas Süßem. Denken Sie aber daran, dass Datteln, wie alle anderen Trockenfrüchte, einen hohen Zucker- und Kaloriengehalt aufweisen. Betreiben Sie nicht gerade ernsthaft Sport, sollten Sie Trockenfrüchte nur in Maßen zu sich nehmen.
Veganer mögen glauben, dass für sie kein Platz im Paläo-Universum ist, doch keine Sorge – es gibt einen Weg! Es stimmt natürlich, im Mittelpunkt der üblichen Paläo-Ernährung stehen Fleisch und Fisch, dennoch bestehen viele Gemeinsamkeiten zum veganen Ernährungsstil. Beispielsweise basieren beide auf dem Wissen, dass der Körper Kalzium aus pflanzlichen Quellen leichter aufnehmen kann als aus Milch, auch wenn die Abneigung Milchprodukten gegenüber in der Regel unterschiedliche Gründe hat.
Veganer dürften sich auch über die Paläo-Prinzipien für die Bestückung der Speisekammer freuen, das heißt über die Forderung nach frischen wie auch haltbaren Nahrungsmitteln, die frei sind von Zusatz- und Konservierungsstoffen, Antibiotika- und Pestizidrückständen. Zudem bevorzugen Paläo-Anhänger, wann immer es möglich ist, den Einkauf bei lokalen Produzenten, und dem können wir uns alle anschließen. Verfasser von Paläo-Kochbüchern legen uns ans Herz, beim Kauf von Lebensmitteln alle unsere Sinne zu nutzen, das heißt, die Produkte anzufassen, an ihnen zu riechen und zuzulassen, dass wir in der Obst- und Gemüseabteilung von ansprechenden Farben angezogen werden. Welcher Veganer wollte es anders haben?
Also paläo und vegan. Beide Ernährungskonzepte betonen die positiven Auswirkungen des Verzehrs von frischem Obst und Gemüse, warnen vor verarbeiteten Nahrungsmitteln und unterstützen ganz allgemein Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden. Beide verfolgen das Ziel, Menschen bei der Gestaltung eines für sie selbst funktionierenden Ernährungsplans zu unterstützen. Und mein Ziel ist es, Ihnen zu zeigen, wie Sie das Paläo-Konzept übernehmen, ohne Ihre veganen Ernährungsprinzipien aufzugeben. Von ganzem Herzen hoffe ich, dass die Rezepte und Informationen in diesem Buch Sie auf dieser Reise hilfreich begleiten.
KAPITEL 2
Wie ernähre ich mich paläo-vegan?
Dem Paläo- und dem veganen Ernährungsansatz ist gemeinsam, dass beide verarbeitete Lebensmittel vermeiden und sich auf solche konzentrieren, die »Mutter Natur« für unsere optimale Ernährung vermutlich vorgesehen hat. Wenn wir die wenigen Punkte, in denen sich die beiden Ernährungsgewohnheiten voneinander unterscheiden, einmal außen vor lassen, so öffnet sich unser Blick auf eine Fülle an Obst, Gemüse und anderen Nahrungsmitteln, die ein köstliches Ensemble auf dem paläo-veganen Teller bilden. Sehen wir es uns genauer an.
Seit Menschengedenken essen wir Nüsse und Samen. Da sie sich problemlos lagern lassen, dienten sie in vergangenen Zeiten häufig als eine Quelle für die Versorgung mit Nährstoffen während des Winters. Als Jäger und Sammler ernährten sich unsere Vorfahren höchstwahrscheinlich von dem, was in ihrer Nähe verfügbar war, und sie deckten ihren Eiweißbedarf durch diese kleinen, aber gehaltvollen Happen, die sie gesammelt hatten.
Wegen ihres hohen Fettgehalts genießen Nüsse und Samen häufig einen schlechten Ruf. Doch in ihrer unendlichen Weisheit hat Mutter Natur sie in harte Schalen eingeschlossen, die erst zeitaufwendig geknackt werden müssen. Diese Öffnungsprozedur entschleunigt den Verzehr und wirkt einer übermäßigen Kalorienaufnahme entgegen – außer natürlich, Sie befreien die Kerlchen alle auf einmal von ihren Schalen und schaufeln sie dann in sich hinein!
Ohne Frage war Obst Bestandteil des altsteinzeitlichen Speiseplans. Bei archäologischen Ausgrabungen in Nordisrael fand man Überreste von Feigen, Oliven, Birnen und Pflaumen. Noch viel ältere Spuren von Trauben fanden sich in Tennessee (USA), und Überbleibsel aus anderen urgeschichtlichen Stätten bestätigen den frühen Verzehr von Früchten, so dass wir mit einiger Berechtigung annehmen können, dass ein Mensch der Altsteinzeit sich dort, wo es keine Früchte in Hülle und Fülle gab, nicht niedergelassen hätte. Heutzutage können Paläo-Anhänger auf eine ziemlich umfangreiche Liste bevorzugter Obstsorten zurückgreifen, an deren Spitze die dunklen Beeren stehen.
Grüne Gemüse sind die Kraftwerke veganer Ernährung. Die Paläo-Ernährung folgt diesem Beispiel und schließt eine große Bandbreite dieser essentiellen Lebensmittel mit ein. Zudem legen beide Ernährungskonzepte Wert auf Nahrungsmittel, die reich an Antioxidantien sind, das heißt in pflanzlicher Nahrung vorkommende chemische Verbindungen, die Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes vorbeugen helfen. Antioxidantien bekämpfen Entzündungen und oxidativen Stress, der zu einer Vielzahl von degenerativen, chronischen Erkrankungen führen kann. Der einfachste Weg, seinen Körperhaushalt mit diesen heilsamen Verbindungen aufzufüllen, ist der Verzehr von buntem Gemüse, denn Antioxidantien wie Anthocyanidine, Carotinoide, Catechine und Flavone sind für das farbenfrohe Äußere von Pflanzen verantwortlich.
Genau wie wir uns von unseren Vorfahren unterscheiden, so unterscheiden sich auch unsere heutigen von den alten Gemüsesorten, denn spätestens seit der Jungsteinzeit wurden Gemüse in gewisser Weise »genetisch« verändert. Damit meine ich nichts anderes, als dass die frühen Menschen durch Auslese die Keimlinge der wohlschmeckendsten Wildpflanzen züchteten und kombinierten. So nimmt man beispielsweise an, dass die verschiedenen Kohlsorten, etwa Brokkoli, Rosenkohl, Weißkohl, Grünkohl und Kohlrabi, sich alle aus einer urgeschichtlichen Pflanze entwickelt haben.
Unsere altsteinzeitlichen Vorfahren zerstampften vermutlich keine Oliven oder andere Nahrungsmittel, um daraus Öl zu gewinnen. Wahrscheinlicher ist, dass die Menschen im Nahen Osten, der Wiege der Zivilisation und wo es schon lange Oliven in Hülle und Fülle gab, Olivenvorräte anlegten und sie als ganze Frucht aßen.
Alle pflanzliche Nahrung enthält einen gewissen Fettanteil, mag er auch noch so winzig sein. Paläos und Veganer sind sich einig, dass diese natürlich vorkommenden Fette gesund sind. Geht es jedoch um ausgelassene, extrahierte und zugesetzte Fette, so unterscheiden sich ihre Empfehlungen hinsichtlich Art und Menge erheblich voneinander. Noch dazu zeigen sich zwischen den verschiedenen Paläo-Konzepten bemerkenswerte Widersprüche. Beispielsweise zählen manche Autoren auch Butter, Schmalz und sogar Talg zu den gesunden Fetten. Natürlich haben solche Fette in meinem paläo-veganen Ansatz nichts zu suchen; ich bleibe bei meiner veganen Ausrichtung, ohne deshalb auf nahrhafte Fette und Öle zu verzichten.
Wir alle achten auf unser Gewicht, also ist es klug, unsere Kalorienaufnahme im Blick zu behalten. Vielleicht hatten unsere altsteinzeitlichen Ahnen so viel Bewegung, dass sie sich eine Ernährung mit einem hohen Fettanteil erlauben konnten, doch die meisten von uns – außer vielleicht Marathonläufer und Sumoringer – sollten einen großen Bogen um Nussbutterbällchen machen! Fette, einschließlich Öle, enthalten 9 Kalorien pro Gramm, Proteine und Kohlenhydrate hingegen jeweils nur 4 Kalorien. Die Zugabe von Öl kann die Kalorienmenge schneller erhöhen als Sie eine mit ordentlich Butter bestrichene Kartoffel verputzen können. Ein einziger Esslöffel Butter sind etwa 14 Gramm, das sind 102 Kalorien. Um ohne Fettzugabe den Geschmack zu erhöhen, verzichten Sie auf die Butter und geben Sie auf eine gebackene Kartoffel stattdessen gehackte Frühlingszwiebeln und Tomaten, Mandelblättchen oder gedünstete Brokkoliröschen.
Wenn Sie auf zusätzliches Fett verzichten, können Sie Berge von Obst und Gemüse essen, ohne sich große Sorgen um Kalorien machen zu müssen. Sie können auch unverarbeitete, ungesalzene Nüsse und Samen genießen, besonders wenn Sie sie vorher knacken müssen. Die Zeit, die Sie für das Entfernen der Schalen brauchen, gibt Ihrem Gehirn genau die 15 bis 20 Minuten, die es benötigt, um das Signal zu empfangen, dass sich Ihr Magen füllt. Außerdem werden Sie weniger essen müssen, denn ganze Nüsse und Samen sind vollgepackt mit Nährstoffen, was sie zu echten Hungerknackern macht.
Üblicherweise hat die Paläo-Ernährung einiges gemeinsam mit einer rohkostbasierten veganen Ernährung, die den Akzent auf unverarbeitete, natürliche Nahrungsmittel setzt. Für all diese Ernährungsweisen konnte nachgewiesen werden, dass sie vor Krebs, Herzkrankheiten und Diabetes schützen und bei Diäten helfen.
Wenn Sie den Rohkost-vegan-Ansatz verfolgen, können Sie bestimmte Lebensmittel zu einem Smoothie zusammenmixen, sie aufkeimen lassen oder dörren. Es überrascht nicht, dass Rohkost-Enthusiasten verarbeitete Lebensmittel zurückweisen – abgesehen vom gelegentlichen Gebrauch von extrahierten Ölen, Essig, Tamari Sojasauce und ein paar wenigen natürlichen Süßstoffen – und sich für ihren Speiseplan vornehmlich auf frische Lebensmittel und Nüsse stützen. Zum Beispiel können Weizenkörner eingeweicht und dann zu Vollkornbrot und anderen Vollkornleckereien verarbeitet werden oder fermentiert, um rohen Nusskäse herzustellen. Man kann jedoch auch komplett auf Getreide verzichten.
Die rohkostbasierte vegane Ernährung lehnt raffinierte Kohlenhydrate ab und erhöht die Aufnahme von sekundären Pflanzenstoffen, genauso wie es in der üblichen Paläo-Ernährung der Fall ist. Tendenziell ist sie arm an Natrium und schädlichen Fetten. Weiterhin ist sie völlig frei von den gefährlichen Stoffen, die bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln bei hohen Temperaturen entstehen. Diese Nebenprodukte tragen Namen wie Advanced Glycation Endproducts (AGEs), heterocyclische aromatische Amine (HAA) oder polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).