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Rückentext

Der Weg des Krieges – der Weg des Irrtums?

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Nachwort

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Planetenroman

 

Band 26

 

Die Sirenen von Dhatabaar

 

Im Reich des Ewigen Kriegers – ein Terraner riskiert alles

 

Kurt Mahr

 

 

 

Im Jahr 453 Neuer Galaktischer Zeitrechnung befindet sich die Menschheit in einer Auseinandersetzung mit den Ewigen Kriegern, die über das Reich der Superintelligenz ESTARTU herrschen. Sie wollen die Menschen unterwerfen, indem sie ihnen die Philosophie des Ewigen Krieges aufzwingen.

Nicht nur die Menschen in der Milchstraße leisten Widerstand gegen die Krieger, sondern auch die Bewohner der zwölf Galaxien von ESTARTU, vor allem die sogenannten Gänger des Netzes. Zu ihnen zählen unter anderem Perry Rhodan und seine Mitstreiter. Ihr Ziel ist, die Macht der Ewigen Krieger zu brechen.

Zu den Gängern des Netzes gehört auch der terranische Telepath Fellmer Lloyd. Als er einen verzweifelten Hilferuf empfängt, eilt er in die Galaxis Dhatabaar. Dort muss er sich mit dem Ewigen Krieger Krovor messen ...

Der Weg des Krieges – der Weg des Irrtums?

 

Die Auseinandersetzung zwischen Kosmokraten und Chaotarchen ist die zwischen Ordnung und Chaos im Multiversum. Es geht in beiden Fällen um Fremdbestimmung, um gesteuerte Einwirkungen auf die Entwicklung des Lebens. Es nimmt von daher wenig wunder, dass sich die kosmische Menschheit von beiden Seiten abgewandt hat. Sie vertritt nun den Weg des »Lebens an sich«, den »Dritten Weg«. Was mehr verwundert, ist die Frage: Warum hat die Menschheit so lange für diese Entscheidung gebraucht?

Bereits in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung kamen die Galaktiker zum ersten Mal mit dem »Dritten Weg« in Verbindung. Gerade hatten die Terraner mit den Kosmokraten gebrochen. Der Kontakt erfolgte über die zwölf Galaxien der Mächtigkeitsballung der Superintelligenz ESTARTU. Die Botschaft war eindeutig: eigene Entwicklung abseits von den Wegen der beiden multiversalen »Hypermächte«. Und doch sollte es noch achthundert Jahre dauern, bis die führenden Köpfe der Menschheit den Hohen Mächten ganz die Unterstützung entzogen.

Warum war dem so? Ein wichtiger Grund liegt sicherlich darin, dass die erste Begegnung der Galaktiker mit dem »Dritten Weg« keine angenehme war. In ESTARTUS Abwesenheit war ihre Botschaft der Unabhängigkeit von ihren Stellvertretern pervertiert worden. Die Philosophie des »Permanenten Konflikts«, der Förderung der Unabhängigkeit durch den Krieg, hatte sich durchgesetzt. Und sie griff auch nach der Milchstraße.

Aus »freier Entwicklung abseits der Hohen Mächte« wurde plötzlich »mit Gewalt gesteuerte Entwicklung durch die Herrscher von ESTARTU«. Für ein Volk, das seinen Weg im Universum sucht und auf Eigenbestimmung aus ist, kann dies keine Alternative sein. Also ersetzten die Galaktiker den Abnabelungskampf gegen die Hohen Mächte durch die tatkräftige Auseinandersetzung mit einem Konzept, das sich zwar anders nannte, aber ebenso wirkte. Entsprechend gewählt war der Name des Widerstands: die »Group Organic Independence«.

Der Kampf gegen die »Statthalter« ESTARTUS, die zwölf »Ewigen Krieger« und die hinter ihnen stehenden Animateure, wurde sowohl im Machtbereich der verschollenen Superintelligenz als auch in der Milchstraße geführt. Unter Federführung der »Gänger des Netzes« konnten die Ewigen Krieger besiegt und ihre Perversionen von ESTARTUS Gedanken rückgängig gemacht werden.

Aber der Schaden war entstanden: Die erste ausführliche Begegnung der Terraner mit dem »Dritten Weg« hatte mindestens ebenso viel Gewalt und Bedrohung gebracht, wie es bislang den Chaotarchen gelungen war. Das Misstrauen gegenüber kosmischen Ideologien, die sich »seitwärts« des Zwiebelschalenmodells bewegten, war gesät – und würde noch Jahrhunderte später die Entscheidungen der Galaktiker beeinflussen.

(Aus: Hoschpians unautorisierte Chronik des 13. Jahrhunderts NGZ; Kapitel 3.1.2, Der Kriegerkult – ein falscher Vorbote der kosmischen Unabhängigkeit)

Kapitel 1

 

In den Marschen von Leuka hatte er ihn zum ersten Mal gehört – den Ruf, der sich ihm in die Seele brannte.

Helft mir! Ich bin Gilgid. Krovor hält mich gefangen, um mein Volk zu erpressen. Helft mir!

Er hatte den Ruf empfangen, während er gemächlich durch die Marschen kreuzte und mit weit offenen geistigen Sensoren den Gedankenströmen lauschte, die durch das All flossen. Der Ruf war nicht sonderlich laut gewesen – eher schwach und zum Teil von anderen Gedankengeräuschen überlagert, als käme er aus weiter Ferne. Aber es hatte in den Worten eine Dringlichkeit gelegen, die ihm ans Herz ging.

Es war die Stimme eines weiblichen Wesens, die er gehört hatte. Dessen war er so sicher, wie ein Telepath seiner Sache nur sein konnte. Die Bewusstseine denkender Wesen, ebenso wie ihre Münder, sprechen verschiedene Sprachen. Der Telepath versteht sie alle, solange sie nicht aus einer Mentalität hervorgehen, die der seinen so fremd ist, dass er den Gedankengängen nicht zu folgen vermag. Er erkennt auch Tonfälle und die Emotionen, die sich in den Gedankenworten spiegeln. Er kann Junge von Alten unterscheiden, männliche Wesen von weiblichen. Freilich legt er dabei seine eigenen Maßstäbe an. Er weiß nicht, wie die Wesen beschaffen sind, deren Gedanken er empfängt.

Zuerst maß er dem Ruf nicht viel Bedeutung bei. Das Universum war voller Not, vor allem hier im Reich der Ewigen Krieger. In jeder Stunde, die er lauschend verbrachte, empfing er Dutzende von Notschreien. Warum sollte ausgerechnet dieser eine ihn kümmern?

Aber während die Stunden verstrichen, ertappte er sich immer wieder dabei, wie er an Gilgid dachte. Gilgid, die Frau, die von Krovor gefangen gehalten wurde, damit dieser ihr Volk erpressen konnte. Helft mir! Die Worte hallten in seinem Bewusstsein.

Krovor war der Ewige Krieger, der über die Galaxis Dhatabaar herrschte. Dhatabaar war eine kleine Galaxis, ein Satellit des galaktischen Riesen Erendyra.

Er, der Telepath, befand sich in den Marschen von Leuka, auf der von Dhatabaar abgewandten Seite der Riesengalaxis. Das gab ihm zu denken. Telepathische Ströme hatten üblicherweise keine derart große Reichweite. Vom Zentrum der Sterneninsel Dhatabaar bis zu den Marschen von Leuka waren es gut zweihunderttausend Lichtjahre. Krovor würde die Gefangene nicht außerhalb der Grenzen seines Reiches untergebracht haben. Entweder war Gilgid eine ausgebildete Telepathin, oder sie hatte den Ruf in höchster Not ausgestoßen.

Zwanzig Stunden vergingen, und mit jeder Stunde wurde ihm deutlicher, dass er Gilgid nicht würde vergessen können. Er richtete den Kurs seines Schiffes ILLO auf den nächsten Knoten des Psionischen Netzes und setzte an der dortigen Informationsstelle die Nachricht ab:

Fellmer Lloyd in privater Angelegenheit auf dem Weg nach Medidoor.

 

Mit kräftiger Beschleunigung setzte die ILLO sich in Marsch. Wehmütig ruhte der Blick des Telepathen auf den leuchtenden Flächen der Marschen. Er würde sie so bald nicht wieder zu Gesicht bekommen, das wusste er.

Das, was man die Marschen von Leuka nannte, war ein mehrere Dutzend Lichtjahre weites Feld interstellarer Gasmassen. Es hatte sich unter dem Einfluss der Gravitation, die in diesem Abschnitt der Galaxis Erendyra herrschte, zu einem flachen, brettförmigen Gebilde geformt. Unter dem Feld – d. h. auf geringerer Höhe, vom Zentrum Erendyras aus gesehen – brannte Leuka mit verzehrender Glut. Leuka war ein hellblauer Gigant der Spektralklasse 01, wahrscheinlich das strahlungsintensivste Gestirn in ganz Erendyra.

Unter Leukas Einfluss hatten die ionisierten Gasmassen zu leuchten begonnen. Aus gehöriger Entfernung betrachtet, boten sie das Bild einer Ebene, durch die sich ein mächtiger Strom auf das Meer zuwälzte. Bahnen schwerer zu ionisierender und daher dunklerer Gase markierten der Verlauf des Stroms und seiner Verästelungen, die das Mündungsdelta bildeten. Die leuchtenden Flächen zu beiden Seiten der Ufer weckten selbst im Herzen dessen, der mit wenig Phantasie begabt war, Erinnerungen an weite grasige Felder. Mitunter weiteten sich die Bahnen der dunkleren Gasschichten und erweckten den Eindruck, der Strom träte über die Ufer.

Daher kam der Name: die Marschen von Leuka. Und am Rand der Marschen lag das System der Sonne Didoor, zu deren Planetenschar die Welt Medidoor gehörte, der Planet der Händler. Er war Fellmer Lloyds Ziel. Wenn überhaupt irgendwo zu erfahren war, was es mit Gilgid auf sich hatte, dann dort.

Von dem Ort, an dem Fellmer Lloyd die Schönheit der leukanischen Marschen bewundert hatte, bis nach Didoor waren es achtunddreißig Lichtjahre. Er hatte jedoch nicht die Absicht, die Welt der Händler auf herkömmlichem Weg anzufliegen. Er war ein Gänger des Netzes. Ihm standen andere Methoden der Fortbewegung zur Verfügung.

Die ILLO bewegte sich im Enerpsi-Modus. Rings um Fellmer Lloyd lag das Universum ausgebreitet, wie es sich den Augen des Psi-Reisenden darbot: voll greller, ständig bewegter Farben, Tausende von Jahren kosmischer Entwicklung in sekundenschnellen Bewegungsabläufen zusammenfassend, durchzogen von den grünlich leuchtenden Feldsträngen des Psionischen Netzes. Die Stränge des Netzes waren Verkehrswege: die blassen für Raumschiffe mit Enerpsi-Antrieb, die kräftig grünen für die, die den Abdruck des Einverständnisses erhalten hatten, für die Gänger des Netzes.

Medidoor lag im Einflussbereich eines Präferenzstrangs, der in smaragdenem Grün leuchtete. So viel wusste Fellmer Lloyd von seinen früheren Besuchen auf der Welt der Händler. Er fand eine planetenlose Doppelsonne, zwei annähernd gleich massive Sterne, die in geringem Abstand voneinander wie eine in Schwung versetzte Hantel rotierten, die sich ebenfalls innerhalb der Einflusssphäre des Stranges befand.

In unmittelbarer Nähe der Doppelsonne parkte er die ILLO. Es gab, so nahe an den rotierenden Sternzwillingen, keinen stabilen Orbit. Deshalb würde niemand auf die Idee kommen, hier nach einem verlassenen Raumschiff zu suchen. Es blieb dem Autopiloten der ILLO überlassen, dafür zu sorgen, dass das Schiff keiner der beiden Sonnen zu nahe kam. Fellmer Lloyd traf die üblichen Sicherheitsmaßnahmen. Falls ein unglücklicher Zufall bewirkte, dass sein Schiff doch gefunden wurde, war dafür gesorgt, dass niemand sich ihm bis auf eine Distanz von weniger als einer Zehntellichtsekunde nähern konnte. Die ILLO würde jede unbefugte Annäherung zurückweisen.

Der Mutant konzentrierte sich auf den vor ihm liegenden Abschnitt seiner Reise. Er trug die hellgraue Allzweckmontur der Netzgänger, die Netzkombination, deren wichtigster Bestandteil der Pikocomputer war, ein aus einer Batterie von Syntrons zusammengesetztes Computersystem.

Fellmer Lloyd schloss den Helm und aktivierte das Lebenserhaltungssystem. Das war unter den Gängern des Netzes Routine, wenn sie sich auf einen persönlichen Sprung vorbereiteten. Das Psionische Netz war im Allgemeinen ein zuverlässiges Verkehrsmedium. Aber hin und wieder gab es Unfälle. Der Netzgänger, der aus seinem Strang geschleudert wurde und im Vakuum des interstellaren Raums materialisierte, tat gut daran, das Schutzsystem der Netzkombination voll in Gang zu haben.

»Medidoor«, sagte Fellmer Lloyd. »Schon wieder?«, beschwerte sich der Syntron. »Halt den Mund und stell die Verbindung her!«, wies der Mutant ihn zurecht.

Syntrons waren eigenwillige Kreaturen, mit eigener Intelligenz ausgestattet. Natürlich hatten sie sich den Wünschen ihres Besitzers unterzuordnen; aber es kam durchaus vor, dass sie sich eine Zeit lang störrisch stellten. Gänger des Netzes waren gewöhnlich allein unterwegs. Der Syntron hatte nicht zuletzt die Aufgabe, ihnen als Gesprächspartner zu dienen.

»Also gut, wenn es unbedingt sein muss«, seufzte die perfekt nach der Sprechweise eines älteren unzufriedenen Mannes synthetisierte Stimme. »Koordinaten liegen vor. Der Orgo weiß Bescheid.«

Der Orgo war die organische Ausgabeeinheit des Syntrons, jenes Element also, das unmittelbar mit den Kontrollorganen des Psionischen Netzes korrespondierte.

Fellmer schloss die Augen und sah im Geist vor sich das bunte Weltall des Psi-Raums. Er spürte, wie die unheimliche Kraft des Psionischen Netzes ihn erfasste und davontrug.

Er war unterwegs.

 

Zu Füßen des Mutanten breitete sich die fruchtbare Ebene aus. Durch das Weinrot und Türkis der üppig wuchernden Vegetation schimmerte hier und da das Weiß oder das grelle Gelb eines Doori-Hauses. Doori nannten sich die eingeborenen Bewohner der Handelswelt. Medidoor besaß außerdem noch eine zahlenstarke Fremdbevölkerung, die sich aus den Angehörigen vieler Völker des Reiches der Zwölf Galaxien zusammensetzte.

Das scheint ein Naturgesetz von universaler Geltung zu sein: Der Handel zieht Fremde an, dachte Fellmer

Die Doori verachteten Ballungszentren wie Städte und Siedlungsgemeinschaften. Sie waren Individualisten, dabei jedoch keineswegs kontaktfeindlich. Sie waren im Gegenteil ein höchst geselliges Volk. Aber die eigenen vier Wände, meinten sie, müssten doch wenigstens fünf Gehminuten von den Wänden des Nachbarn entfernt sein. Aufgrund des Wohlstands, den sie sich durch Handel erworben hatten, und mithilfe der Technik, die sie für teures Geld auswärts einkauften, konnten sie sich eine dezentralisierte Lebensweise leisten. Städte, sagten sie abfällig, waren für Kranke und Schwache, die auf gegenseitige Hilfe angewiesen waren. Und natürlich für die Xa-Doori, die Fremden, die es nicht besser wussten, als hauteng nebeneinander zu wohnen. Die Stadt, die am Beginn aller Zivilisation gestanden hatte, war für die Doori das Symbol einer zu Ende gehenden, dekadenten Kulturepoche.

Für Fellmer Lloyd, der sich bereits zum dritten Mal auf Medidoor befand, sahen die Doori wie aufrecht gehende Pferde aus. Er war ein Mann der alten Schule. Vor vielen Jahren hatte er auf Terra gelernt, es sei ein Zeichen kosmosozialer Unreife, wenn ein Mensch seine extraterrestrischen Mitwesen als Echsenabkömmlinge oder Vogelähnliche bezeichnete. Der Mensch müsse sich von überkommenen, simplizistischen Vorstellungen abwenden und die Nachbarkreatur auf der Basis ihres eigenen Wesens, nicht anhand terranischer Vorbilder – noch dazu aus der Tierwelt! – charakterisieren.

Das, so erschien es Fellmer Lloyd, war eine hehre Philosophie. Nur ging sie völlig an den Gewohnheiten des Menschen vorbei. Der Homo sapiens hielt nichts davon, einem Zuhörer das Aussehen eines Topsiders bis auf die Stellung der Augen, die Form des Schädels und die Textur der Haut zu beschreiben, wenn er viel einfacher sagen konnte: »Siehst aus wie eine große, aufrecht gehende Eidechse.« Als kosmosozial unreif wollte er auf der anderen Seite auch nicht gelten. Also leistete er der vornehmen Philosophie gegenüber Lippendienste, indem er sich Ausdrücke wie lazertoid (echsenähnlich) oder ornithoid (von Vögeln abstammend) angewöhnte. Auf diese Weise wurde der beleidigende Vergleich mit Arten der Tierwelt umgangen. Denn die Sprachen, aus denen die Kunstausdrücke stammten, beherrschte kaum jemand mehr.

Die Doori also waren hippoid – wobei sich der Vergleich mit der terrestrischen Gattung Pferd allein auf die Form des Schädels bezog. Der Hinterkopf schloss bündig mit dem Nacken ab. Der vordere Teil des Schädels ragte weit nach vorne und war derart massiv, dass sich die im Übrigen schlank und grazil gebauten Doori einer den Bauch nach vorne schiebenden, die Schultern nach hinten ziehenden Steh- und Gehweise befleißigten, um den Gesamtkörper im Gleichgewicht zu halten. Sie waren für menschliche Begriffe langbeinig, besonders die weiblichen Wesen, die als Menni bezeichnet wurden, während sich die männlichen, Wonka beziehungsweise im Singular Wonak genannt, durch breite Schultern und kräftige Arme auszeichneten. An den Händen besaßen sie anstelle der Finger sensitive Hautlappen, die sie sehr differenziert zu gebrauchen wussten.

Ob die Doori eine Religion besaßen, hatte Fellmer Lloyd bisher nicht ermitteln können. Sie waren ein reiches, selbstbewusstes Händlervolk, und auf dem Boden des Reichtums und des Selbstbewusstseins wächst Religiosität nur mit Mühe. Eine gewisse Lockerheit der Sitten war dem Mutanten dagegen durchaus aufgefallen, und auch dies schrieb er dem Umstand zu, dass, wer keine Sorgen hat, leicht der Frivolität anheimfällt. Eheliche Bindungen gab es nicht; kurzfristige Allianzen waren an der Tagesordnung.

Vielleicht trug das Klima dazu bei. Bis zu den Polarzonen hinauf war es warm und feucht. Die Atmosphäre hatte einen geringeren Sauerstoffgehalt als die irdische, was zu weitverbreiteter Trägheit Anlass gab. Die Doori allerdings, meinte Fellmer Lloyd, neigten zur Überkompensation. Sie gaben sich träger, als anhand der verringerten Sauerstoffkonzentration zu vertreten war, und setzten die Energie, die sie auf diese Weise sparten, in gesteigerte Promiskuität um.

Fellmer Lloyd war am östlichen Hang der Berge gelandet. Er kannte die Gegend. Das nächste Doori-Haus stand zehn Kilometer entfernt. Eine der grellgelben Mauern, die er unten im Tal durch das bunte Laubwerk schimmern sah, gehörte zum Gäste- und Gesellschaftskomplex Naliki Wah, was Freude am Leben bedeutete. Der Mutant war dort bei einem seiner früheren Besuche untergekommen. Man würde ihn noch kennen.

 

Im Hauptgebäude des Naliki Wah suchte er zunächst einen der Händler auf, die dort ihre ständigen Kontore hatten. Er musste sich mit örtlich verwendbaren Finanzmitteln versehen. In der Vergangenheit hatte er bei Gelderwerbsgeschäften gute Erfahrungen mit Händlern aus dem Volk der Eptusad gemacht. Die Eptusad waren annähernd menschenähnlich, im Durchschnitt 1,50 Meter groß, mit haarlosem Schädel und großen, steil aufgerichteten Ohren. Ihre Heimatwelt war eine der wichtigsten Basen des Ewigen Kriegers Kalmer, der über Erendyra herrschte. Demzufolge bildeten die Eptusad, insgesamt sechs Milliarden, eine Gesellschaft, die ganz und gar im Bann des Kriegerkodex stand. Interessant war in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Welt Eptu noch vor wenigen Jahrhunderten, das heißt, bevor Kalmer sie zu einem seiner Hauptstützpunkte machte, die Heimat von mehr als zehn Milliarden Einwohnern gewesen war.

Das Kontor war leer, als Fellmer Lloyd eintrat. Aber die Tür hatte sich noch nicht hinter ihm geschlossen, da kam aus einem seitlich angeordneten Verschlag wieselflink der Eigentümer des Büros hervorgehuscht. Er wies auf einen Sessel, in dem der Kunde Platz nehmen sollte, und ließ sich ihm gegenüber nieder. »Gegrüßet seist du, wertes Kundenpotenzial«, sagte er mit heller Stimme auf Sothalk. »Zu welchem Vorteil kann ich dir verhelfen?«

Sothalk war die Sprache der Ewigen Krieger. Sie war die Lingua franca im Reich der Zwölf Galaxien, die Verkehrssprache. Einen einheimischen Kunden hätte der Eptusad auf Doori angesprochen. Aber es ließ sich leicht erkennen, dass Fellmer Lloyd kein Doori war.

»Ich brauche örtliche Zahlungsmittel«, antwortete der Mutant. »Ich möchte, dass du mir ein Konto einrichtest.«

»Ich bin Thusalfanq, der selbst das Unmögliche möglich macht«, erklärte der Kleine mit unüberhörbarem Stolz. »In welcher Höhe soll ich dir ein Konto einrichten, und was gedenkst du als Gegenwert zu bieten?«

Fellmer Lloyd griff in eine der zahlreichen Taschen der Netzkombination und brachte ein als Cabochon geschliffenes Stück blaues Mineral zum Vorschein.

»Das hier.«

Die ohnehin schon großen Augen des Eptusad wurden noch größer. Er schnalzte mit den Fingern, woraufhin an der Decke ein Licht aufflammte, das auf Fellmer Lloyds Hand zielte. Der Stein erwachte zum Leben. Er funkelte in leuchtendem Blau; er schien Blitze zu versprühen. Thusalfanq streckte eine sechsfingrige Hand aus, als wolle er seinem Kunden das kostbare Stück abnehmen. Im letzten Augenblick besann er sich jedoch eines Besseren. Er zog die Hand wieder zurück.

»Ich weiß mir deine Kundschaft zu schätzen«, sagte er. »Aber eines möchte ich doch wissen: Warum bist du ausgerechnet zu mir gekommen?«

»Ich habe früher schon mit Händlern von Eptu Geschäfte gemacht«, lächelte Fellmer Lloyd. »Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass sie ehrlich sind.«

Das Kompliment schien auf Thusalfanq wenig Eindruck zu machen.

»Du weißt, was das ist?«, fragte er und deutete auf den Stein, den der Telepath nach wie vor zwischen den Fingern hielt.

»Ich wäre ein Narr, wenn ich es mit mir herumtrüge und es nicht wüsste«, antwortete der Mutant. »Es ist ein Tanxit.«

»Reinsten Wassers«, begeisterte sich Thusalfanq. »Der Stein der Könige, nicht synthetisierbar und nur auf einem winzigen Planeten im Bereich der Zwölf Galaxien gefunden. Ein Narr, wer ihn so geschliffen hat! Er gehört facettiert und ...«

Fellmer Lloyd fiel dem Begeisterten ins Wort: »Oh, darum mache ich mir keine Sorge. Er ist groß genug. Wer ihn von mir erwirbt, wird ihm den Schliff angedeihen lassen, den er verdient. In der Zwischenzeit ist er als Cabochon leichter zu transportieren.«

»Weißt du, wie viele Händler versucht hätten, dir einzureden, es sei nur ein Sansamarit, gerade wegen des Schliffs?«, fragte Thusalfanq.

»Viele«, sagte der Telepath. »Deshalb bin ich zu dir gekommen.«

Er hatte bis jetzt darauf verzichtet, in den Gedanken des Eptusad zu forschen. Thusalfanq war ehrlich; daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Sie sprachen noch eine Zeit lang über den kostbaren Stein. Dann einigten sie sich darauf, dass der Händler dem Mutanten ein Konto mit dem sofort verfügbaren Betrag von einer Viertelmillion Gyarit einrichten würde. Das war mehr, als Fellmer Lloyd selbst bei unbedachter Lebensweise während eines Medidoor-Jahres ausgeben konnte. Dabei wollte er sich hier höchstens ein paar Tage aufhalten. Er machte sich deshalb keine Sorgen. Wenn seine Zeit um war, würde er zu Thusalfanq zurückkehren und von diesem für den Restbetrag Ware einhandeln, die er anderswo wiederum zum Erwerb von Geldmitteln verwenden konnte.

Er erhielt eine Debitmarke, die er überall auf Medidoor zum Bezahlen von Schulden verwenden konnte. Thusalfanq nahm dafür den Tanxit in Empfang. Er schien zu erwarten, dass sein Kunde sich jetzt verabschieden würde. Aber Fellmer Lloyd blieb beharrlich sitzen.

»Kann ich dir mit sonst noch etwas dienen?«, erkundigte sich der Eptusad.

»Durchaus. Ich suche Informationen. Vielleicht kannst du mir einen zuverlässigen Informationshändler nennen.«

Thusalfanq sah ihn erstaunt an. Eine Sekunde lang tauchte Fellmer Lloyd ins Bewusstsein des Händlers ein. Aber da fand er nur ehrliche Überraschung.

»Beim Register willst du dich nicht erkundigen?«, fragte Thusalfanq.

»Ich halte mich lieber an eine persönliche Empfehlung.«

»Du bist ein kluges Geschöpf«, sagte der Händler. »Wende dich an Nurimer und sag, dass Thusalfanq dich schickt. Du findest ihren Namen im Kommunikationsverzeichnis.«

 

An der Art und Weise, wie Fellmer Lloyd von Nurimer empfangen wurde, erkannte er, dass die Händlerin auf den kleinen Eptusad große Stücke halten musste.

Fellmer Lloyd hatte sich einen Mietwagen genommen und war zur vereinbarten Stunde vor Nurimers Haus erschienen. Das Haus lag am Hang desselben Bergzuges, auf dessen Flanke er am frühen Nachmittag materialisiert war. Haus und Anwesen sprachen vom Reichtum der Händlerin. Es war drei Stunden nach Sonnenuntergang, als Fellmer Lloyd sein Ziel erreichte. Unterwegs hatte er die unvergleichliche Sternenpracht der Riesengalaxis Erendyra bewundert. Aber die Sterne verblassten gegenüber der Lichterschau, die in dem weitläufigen Park veranstaltet wurde, der Nurimers Haus umgab. Auf Dutzenden von freien Flächen sprudelten Lichtfontänen. Über eine Felsterrasse ergoss sich ein Wasserfall in bunten Kaskaden.

Der Mietwagen hielt am Anfang des Fahrwegs, der mitten durch das Lichtwunder führte. Dienstfertige Roboter glitten eilends herbei, halfen dem Gast aus dem Fahrzeug und entlohnten den Autopiloten. Eine Plattform mit einem bequemen und kunstvoll verzierten Sessel kam herbeigeschwebt. Fellmer Lloyd wurde von den Robotern emporgehoben und nahm in dem Sessel Platz. Die Plattform setzte sich in Bewegung und glitt auf das hell erleuchtete Haus zu. Triumphale Musik erklang.

Die Plattform glitt über eine breite, sanft ansteigende Rampe in eine Vorhalle, in der Roboter, die nach dem Vorbild der Doori geformt waren, Spalier standen. Tausende von Lichtern spiegelten sich in den polierten Metallkörpern. Vor einem Portal hielt die Plattform kurz an. Ein Fanfarenstoß ertönte. Die beiden Flügel der hohen Pforte glitten beiseite, und Fellmer Lloyd wurde endlich eingelassen ins Empfangsgemach der Händlerin Nurimer.

Der Prunk, mit dem die Händlerin sich umgab, war sinnverwirrend. Der Raum war lang, seine rückwärtige Wand zu einem Halbrund ausgebildet. Scharen von Lampen schwebten in der Luft, von künstlichen Schwerefeldern gehalten. Dutzende farbenfrohe Teppiche bedeckten Boden und Wände. Statuen, die Gestalten aus der doorischen Mythologie darstellten, waren wahllos über den Raum verteilt. Hier und da erhoben sich kleine Tische, auf denen Gegenstände aus Edelsteinen oder seltenen Metallen ausgestellt waren.

Fellmer Lloyd war so verwirrt, dass er Nurimer erst bemerkte, als die schwebende Plattform die Hälfte des Raumes schon durchquert hatte.

Das Halbrund im Hintergrund des Raumes lag nicht zu gleicher Ebene wie der Rest des Gemachs. Drei flache Stufen führten zu einer Erhöhung, auf der ein von kostbaren Stoffen strotzender Diwan aufgestellt war. In diesem Möbelstück saß oder vielmehr rekelte sich Nurimer. Sie hatte die haarlose Schädelhaut mit Perlen und ähnlichen Ornamenten besetzt. Ihre Hautfarbe war ein tiefes, glänzendes Schwarz. Augen und Nüstern waren durch hellblaues, lumineszentes Make-up konturiert. Das Gewand, das die Händlerin trug, war kaum mehr als eine durchsichtige Hülle, und selbst diese hatte sie über dem Leib weit geöffnet.

Die Plattform senkte sich zu Boden und kam zur Ruhe. Fellmer Lloyd saß starr in seinem Sessel und blickte zu Nurimer hinauf. Alles, was er an Artigkeiten hatte sagen wollen, war vergessen. Er war so verblüfft, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Er hatte noch nie zuvor eine Doori in entkleidetem Zustand gesehen. Er hatte nicht gewusst, dass Menni vier Brüste besaßen.

 

Nurimer labte sich an seinem Staunen, das sie offenbar auf den überwältigenden Eindruck ihrer Erscheinung bezog.

»Nun, wie gefalle ich dir?«, fragte sie unverfroren.

Sie hatte eine tiefe, resonante Stimme, die den Mutanten eigentümlich berührte. Er begriff, dass er jetzt etwas sagen musste, wenn er nicht für einen ungehobelten Klotz gehalten werden wollte.

»Ich entbiete dir meinen Gruß, Nurimer«, brachte er mühsam hervor. »Ich bin Fellmer Lloyd, der mit dir einen Handel abschließen möchte. Du bist ... du bist die faszinierendste Menni, die mir je vor Augen gekommen ist.«

»Das will ich hören«, gurrte die Händlerin und bleckte das kräftige Gebiss. »So machst du dich bei mir beliebt.«

Wie durch Zauberei wuchsen neben dem Diwan und auf Fellmers Plattform zwei Tischchen in die Höhe. Darauf standen kristallene Kelche, die mit einer grellroten Flüssigkeit gefüllt waren. Der Mutant kannte das Standardgetränk der Doori, die Kaniyye. Er wusste, dass sie für menschliche Mägen bekömmlich war, aber auch, dass er sich höllisch in Acht nehmen musste, nicht zu viel von dem wohlschmeckenden Zeug zu trinken.

»Die Kaniyye soll uns zu freundlichen Handelspartnern machen«, zitierte Nurimer den ortsüblichen Trinkspruch und leerte ihren Kelch auf einen Zug.

Fellmer Lloyd tat ihr Bescheid, beschränkte sich jedoch auf zwei Schlucke. Selbst diese spürte er augenblicklich. Wie Feuer rannen sie ihm durch den Leib. Nurimer machte es sich noch um eine Nuance bequemer, wobei ihr die transparente Hülle vollends von der Schulter glitt.

»Sprich zu mir von dem Handel, den du mit mir machen willst«, forderte sie ihren Gast auf.

War es die Kaniyye? Er hatte Mühe, den Blick von ihrem glänzenden Körper zu wenden.

»Ich suche Informationen«, sagte er.

»Da bist du an die Richtige gekommen. Ich bin auf den Informationshandel spezialisiert. Möchtest du Informationen geradeheraus kaufen, oder willst du ein Termingeschäft tätigen?«

»Erkläre mir, bitte, den Unterschied.«

»Wenn du einen Kaufvertrag mit mir abschließt, erteilst du mir den Auftrag, die gewünschte Information zu beschaffen. Wahrscheinlich gelingt es mir, den Auftrag zu erfüllen. Aber selbst wenn ich keinen Erfolg habe, bist du mir den Kaufpreis schuldig. Beim Termingeschäft bezahlst du den Preis vorweg. Ich gehe auf dem Markt hausieren, ob die gesuchte Information dort irgendwo zu haben ist. Wenn ich sie bis zum vereinbarten Termin beschafft habe, gehört das Geld mir. Wenn nicht, bekommst du es zurück – abzüglich einer handelsüblichen Bearbeitungsgebühr natürlich.«

»Natürlich«, murmelte er und nahm aus lauter Verlegenheit noch einen Schluck Kaniyye. Die üppige Gestalt der Menni faszinierte ihn. Die vier Brüste wippten herausfordernd, als Nurimer sich zur Seite beugte und nach ihrem Kelch griff, der sich wieder gefüllt hatte.

Dann fuhr sie in ihrer Erklärung fort. »Der Preis hängt von der Art der Information ab, die du wünschst. Als Regel gilt: Terminpreise sind doppelt so hoch wie Kaufpreise. Gib mir eine Idee, wonach du suchst.«

»Ich will alles wissen, was mit einem Wesen namens Gilgid zu tun hat, das sich in Krovors Gefangenschaft befindet«, sagte Fellmer Lloyd.

»Krovor ist einfach«, antwortete Nurimer nachdenklich. »Aber wer ist Gilgid?«

»Eine ... eine Frau«, sagte Fellmer. Etwas anderes fiel ihm nicht ein. Er war selbst erstaunt, wie fest das Bild eines weiblichen Wesens namens Gilgid sich seinem Bewusstsein eingeprägt hatte.

Zwischen Nurimers großen, feuchten Augen war eine steile Falte entstanden. »Eine Frau«, murmelte sie. »Jagst du hinter Frauen her?«

Fellmer sortierte ihre Gedanken. Oh, mein Gott – sie ist eifersüchtig! »Gilgid befindet sich in Not«, antwortete er. »Ich habe sie nie gesehen; aber ich will ihr helfen. Was das Jagen anbelangt ...« Er ließ den Satz absichtlich unbeendet.

»Ja? Fahr fort«, drängte Nurimer.

Er hatte ihr Bewusstsein noch nicht losgelassen. Was sich in ihren Gedanken abspielte, jagte ihm Schauer über den Rücken. Er trank seinen Kelch leer und sah zu, wie er sich von selbst wieder füllte. Das Feuer der Kaniyye brannte in seinen Adern und in seinem Gehirn.

»Ich wüsste eine Jagd, die mir mehr Vergnügen machen würde«, sagte er. »Auf eine Menni, die so schön ist wie keine andere.«

Nurimer bleckte die Zähne.

»Darauf kommen wir noch zu sprechen«, sagte sie freundlich. »Zuerst das Geschäft.« Sie hob den Kopf und rief: »Persönliche Informationen, Klasse drei. Was ist die Tagesquote für Kauf und Termin?«

Aus der Höhe antwortete die Stimme eines Computers: »Kauf achthundert, Termin drei Tage zweitausend, sechs Tage achtzehnhundert, zehn Tage fünfzehnhundert.«

»Drei Tage Termin«, sagte Fellmer Lloyd, ohne Nurimers Frage abzuwarten.

»Hast du gehört?«, rief die Händlerin.

»Ich habe gehört«, antwortete die Computerstimme.

»Mach den Vertrag fertig und leg ihn in mein Büro.« Dann wandte Nurimer sich wieder ihrem Gast zu. Sie zeigte ihr starkes Gebiss von einem Ende des breiten Mundes bis zum anderen. »Und jetzt lass uns von noch Erfreulicherem reden«, schlug sie vor.

 

Als Fellmer Lloyd spät am nächsten Morgen ins Naliki Wah zurückkehrte, ging er auf wackligen Beinen. Ansonsten war er bester Laune. Die Nacht in Nurimers Haus war ein Erlebnis gewesen, das er so bald nicht vergessen würde. In Gedanken verloren, schritt er an der Reihe der Kontore vorbei, die den Korridor zur Hauptempfangshalle säumten. Thusalfanq stand unter der offenen Tür seiner Niederlassung und begrüßte den Nachdenklichen: »Nun, habe ich dir eine gute Empfehlung gegeben?«

»Oh ja, sehr gut«, antwortete Fellmer Lloyd. »Ich habe ein Termingeschäft abgeschlossen.«

»Und nicht nur das«, feixte Thusalfanq. »Du siehst aus, als wärest du die ganze Nacht nicht zur Ruhe gekommen. Nurimer hat das so an sich.«

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Fellmer Lloyd brüsker, als er eigentlich wollte, und ging weiter.

Später ärgerte er sich über sein Verhalten. Er hatte den Eptusad angefahren, weil ihn das schlechte Gewissen plagte. Und das Gewissen plagte ihn, weil in ihm noch immer etwas von der Moral der Alten steckte, die Transsexualität für etwas Verwerfliches hielten.

Es ging wie so oft in solchen Dingen: Die Moral war eine Sache, das alltägliche Leben eine andere. Transsexualität gab es, seitdem intelligente Wesen sich auf den Weg zu den Sternen gemacht hatten und anderen Geschöpfen begegnet waren.

Er nahm sich vor, Thusalfanq bei nächster Gelegenheit ein paar freundliche Worte zu sagen. Es tat ihm leid, dass er ihn so kurz angebunden behandelt hatte.

Den frühen Nachmittag verbrachte er im Naliki Wah. Er speiste ausgiebig und nahm an einigen der Vergnügungen teil, die für die Gäste des Unternehmens organisiert wurden. Wann er von Nurimer Antwort erhalten würde, wusste er nicht. Die Händlerin hatte drei Tage Zeit, von heute Morgen an gerechnet, die gewünschte Information zu beschaffen.

Später am Tag wurde er der organisierten Unterhaltung müde. Er nahm sich einen Mietwagen und unternahm eine Fahrt ins Blaue. Er flog das Tal entlang nach Süden, dem Meer zu. Er kam an dem Komplex vorbei, in dem die Doori ihren Gehirntrust, den Think Tank, untergebracht hatten, und hörte eine Zeit lang mit Vergnügen den Gedanken zu, die von dorther auf ihn einströmten. Die Doori handelten mit allem, auch mit Ideen. Um genau zu sein: Die Ideenbörse war eine überaus einträgliche Institution und übertraf, was den Umsatz anging, zum Beispiel die Edelmetallbörse bei Weitem.

Der Mutant hörte Gedanken, die sich mit der Erwärmung der Oberfläche eines bisher für die Besiedelung ungeeigneten Planeten befassten. Zwei Xa-Doori debattierten miteinander über die beste Methode, synthetische Kaniyye herzustellen, und eine Gruppe von Biochemikern beschäftigte sich mit der Frage, ob mit Aphrodisiaka dem Nachwuchsproblem des sexuell trägen Primitivvolks der Duwaba abgeholfen werden könnte.