Inhaltsverzeichnis

Erster Theil
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
XXII
Zweiter Theil
XXIII
XXIV
XXV
XXVI
XXVII
Dritter Theil
I
Vierter Theil
II
III
IV
V
VI
Fünfter Theil
VII
VIII
IX
X
XI
XII

Erster Theil

Inhaltsverzeichnis

I

Inhaltsverzeichnis

Wer bist du? und warum kann man dich ohne Schmerz nicht lieben? Es muß ein entsetzliches, von Menschen bisher nicht gekanntes Geheimniß in dir seyn. Keinenfalls bist du aus dem nämlichen Stoffe geformt und mit dem nämlichen Leben beseelt als wir! Du bist ein Engel oder ein Teufel, aber kein menschliches Geschöpf. Warum verbirgst du uns deine Natur und deinen Ursprung? Warum wohnst du unter uns, die wir dir weder genügen, noch dich verstehen können? Wenn du von Gott kommst, so sage es und wir werden dich anbeten. Wenn du aus der Hölle kommst ... du aus der Hölle! Du, so schön und so rein! Haben die bösen Geister diesen himmlischen Blick, diese harmonische Stimme und diese Worte, die die Seele erheben und sie zu Gottes Throne tragen! Und dennoch, Lelia, ist etwas Höllisches in dir. Dein bitteres Lächeln straft die himmlischen Versprechungen deines Blickes Lügen. Zuweilen sind deine Worte trostlos wie der Atheismus: es giebt Augenblicke, wo du an Gott und an dich selbst zweifeln lassen könntest. Warum, Lelia, warum bist du so? Was machst du aus deinem Glauben, was machst du aus deiner Seele, wenn du die Liebe leugnest? O Himmel! und du könntest eine solche Lästerung aussprechen! Aber wer bist du denn, wenn du so denkst, wie du sprichst?

II

Inhaltsverzeichnis

Lelia, ich fürchte mich vor dir. Je öfter ich dich sehe, je weniger errathe ich dich. Du stoßest mich hinaus auf ein Meer von Unruhe und Zweifeln. Du scheinst mit meiner Angst zu spielen. Du erhebst mich bis zum Himmel und trittst mich unter die Füße. Du nimmst mich mit in die strahlenden Wolken und stürzest mich wieder in das dunkle Chaos! Meine schwache Vernunft unterliegt solchen Proben. Schone meiner, Lelia!

Gestern, wie wir die Berge besuchten, warst du so groß, so erhaben, daß ich hätte vor dir knien und deine Fußspur küssen können. Als Christus in einer goldenen Wolke verklärt wurde und den Augen seiner Apostel in einer leuchtenden Flüssigkeit zu schwimmen schien, warfen sie sich nieder und riefen: Herr, du bist wahrlich Gottes Sohn! Und als dann die Wolke zerrann und der Prophet mit seinen Jüngern den Berg hinunter ging, fragten sie sich gewiß voll Unruhe. Ist dieser Mensch, der mit uns geht, der wie wir redet, der mit uns essen wird, der nämliche, den wir eben in einem Feuerschleier und strahlend vom Geiste des Herrn gesehen haben? — So geht es mir mit dir, Lelia! Jeden Augenblick verklärst du dich vor mir und enthüllst dich wieder deiner Gottheit, um meines Gleichen zu werden, und ich frage mich dann mit Schrecken, ob du nicht eine himmlische Macht seyst, irgend ein neuer Prophet, das noch einmal unter menschlicher Gestalt zu Fleisch gewordene Wort, und ob du so handelst, Um unsern Glauben zu versuchen und die wahren Gläubigen zu erkennen!

Aber Christus! dieser große personifizirte Gedanke, dieses erhabene Vorbild der unsterblichen Seele, war stets über der menschlichen Natur, die er angezogen hatte. Er hatte gut Mensch werden, er konnte sich nie so verbergen, daß er nicht immer der erste unter den Menschen gewesen wäre. Wenn du aber, Lelia — und das erschreckt mich so — von deiner Höhe herabsteigst, so bleibst du nicht einmal uns gleich, sondern sinkst noch tiefer und scheinst uns nur noch, durch die Verkehrtheit deines Herzens beherrschen zu wollen. Woher rührt z. B. der tiefe, glühende, unauslöschliche Haß, den du gegen das Menschengeschlecht hegst? Kann man Gott lieben, wie du es thust, und doch so grausam seine Werke verachten? Wie läßt sich diese Mischung von erhabenem Glauben und verhärteter Gottlosigkeit vereinigen, dieser Aufschwung zum Himmel und dieses Bündniß mit der Hölle? Noch einmal, woher kommst du, Lelia? Welche Sendung des Heils oder der Rache erfüllst du auf Erden?

Gestern, wie die Sonne hinter dem Gletscher unterging, in rothbläuliche Dünste eingehüllt, wie die laue Luft eines schönen Winterabends dein Haar bewegte und die melancholischen Töne der Kirchenglocke in dem Echo der Thäler wiederhallten, warst du, Lelia, wahrlich die Tochter des Himmels. Die weichen Strahlen der untergehenden Sonne erstarben auf dir und umgaben dich mit einem magischen Glänze. Deine Augen, die du gegen das blaue Gewölbe gerichtet hattest, an welchem sich kaum einige furchtsame Sternchen zeigten, glänzten von einem heiligen Feuer. Ich hörte das geheimnißvolle Murmeln der Bäche, ich betrachtete das wellenförmige Wiegen der leicht bewegten Tannen, ich sog den lieblichen Wohlgeruch der Veilchen ein, die am ersten lauen Tage, bei dem ersten bleichen Sonnenstrahl ihre azurnen Kelche öffnen. Aber du dachtest an das Alles nicht; weder Blumen noch Wälder oder Bäche konnten deine Blicke fesseln. Kein irdischer Gegenstand weckte deine Gefühle; du warst ganz des Himmels. Und als ich dir das bezaubernde Schauspiel zeigte, was sich zu unsern Füßen ausbreitete, erhobst du die Hand gegen das ätherische Gewölbe und riefest: Betrachte das! O Lelia! du seufztest nach deinem Vaterlande, nicht wahr? Du fragtest Gott, warum er dich so lange hier vergäße, und warum er dir nicht deine weißen Flügel wiedergäbe, damit du zu ihm eilen könntest?

Aber ach! als die kälter werdende Luft uns nöthigte, zur Stadt zurückzukehren; als ich, angezogen durch den Ton der Glocken, dich bat, mit mir in die Kirche zum Abendgebet zu treten, warum verließest du mich nicht, Lelia? Warum ließest du, was dir gewiß ein Leichtes gewesen wäre, nicht eine Wolke herabkommen, um mir dein Gesicht zu verschleiern? Ach! warum habe ich dich so sehen müssen, empor gerichtet, mit gerunzelter Stirn, stolzem Blicke und kaltem Herzen? Warum knietest du nicht nieder auf den Marmor, der weniger kalt war als du? Warum kreuztest du die Hände nicht über den Busen, der durch die Gegenwart Gottes von Rührung oder Furcht hätte erfüllt seyn sollen? Warum diese stolze Ruhe und diese scheinbare Verachtung der Gebräuche unserer Kirche? Verehrst du nicht den wahren Gott, Lelia? Kommst du aus den heißen Gegenden, wo man dem Brama opfert, oder von den Ufern der großen Flüsse, wo der Mensch eher den bösen Geist als den guten anfleht? Denn wir kennen weder deinen Ursprung noch das Klima, welches dich gebar. Niemand weiß es, und das Geheimniß, welches uns umgiebt, macht uns abergläubig wider unsern Willen! Du gefühllos! Du gottlos! O! das kann nicht seyn! Aber sage mir im Namen des Himmels, was wird denn, in solchen schrecklichen Stunden, aus dieser Seele, dieser großen Seele und ihrer Begeisterung, deren Feuer uns über Alles hinausführt, was wir je gefühlt haben? An was dachtest du gestern, was hattest du aus dir selbst gemacht, als du stumm und eisig im Tempel warst, aufrecht wie der Pharisäer, Gott messend, ohne zu zittern, taub für die heiligen Gesänge, gefühllos für den Weihrauch, für die Seufzer der Orgel, für alle Poesie des heiligen Ortes? Und wie schön war die Kirche, erfüllt von Wohlgerüchen und helligen Harmonien! Wie die Flamme der silbernen Lampen weiß und matt in den Wolken erschien, die sich aus dem Benzoe entwickelt hatten, während die Räucherpfannen ihre Wohlgerüche in schönen Spirallinien zur Decke sandten! Wie der Tabernakel strahlte in der Beleuchtung der Wachskerzen! Und wie der Priester, dieser große schöne irländische Priester mit seinem schwarzen Haare, seinem majestätischen Wuchse, seinem strengen Blicke und seiner sonoren Stimme langsam die Altarstufen herabkam, sein langer Sammetmantel über die Teppiche nachschleppte; wie er seine volle Stimme erhob, traurig und durchdringend, gleich den Stürmen, die in seinem Vaterlande hausen; wie er, indem er uns die blitzende Monstranz vorhielt, das in seinem Munde so mächtige Wort: Adoremus! aussprach, da, Lelia, fühlte ich mich von einem heiligen Schrecken ergriffen, warf mich auf die Knie und schlug an meine Brust.

Aber der Gedanke an dich ist so mit mir verschmolzen, daß ich mich fast in demselben Augenblicke nach dir umsah, um diese begeisternde Bewegung mit dir zu theilen, oder vielleicht auch, was mir Gott verzeihen möge, um die Hälfte meiner demüthigen Anbetung an dich zu richten.

Aber du, du standest unbeweglich! du hast nicht das Knie gebeugt! Du hast nicht die Augen niedergeschlagen! Dein stolzer Blick heftete sich kalt und forschend auf den Priester, auf die Hostie, auf die hingeworfene Menge; nichts von Allem rührte dich. Du allein verweigertest dem Herrn dein Gebet. Wärest du eine noch erhabenere Gewalt? Lelia, Gott möge es mir verzeihen, einen Augenblick glaubte ich es und wollte ihm meine Huldigung entziehen, um sie an dich zu wenden. Ich fühlte mich durch die dir inwohnende Macht geblendet und unterjocht. Ach! ich muß gestehen, dich nie so schön gesehen zu haben. Bleich, wie die Marmorstatuen, die bei den Gräbern wachen, hattest du nichts Irdisches mehr. Deine Augen blitzten von einem düstern Feuer, und deine schöne Stirn, aus der du das schwarze Haar gestrichen hattest, erhob sich voll Stolz und Geist über das Volk, über den Priester, ja über Gott selbst. Diese Tiefe der Gottlosigkeit war erschreckend, und Alles erschien klein, wenn man dich so mit dem Blicke den Raum zwischen uns und dem Himmel messen sah. Hatte dich Milton vielleicht gesehen, wie er die zerschmetterte Stirn seines empörten Engels so edel und schön malt? Soll ich dir alle meine Schrecken sagen? Es schien mir, daß in dem Augenblicke, wo der Priester, das Symbol des Glaubens über unsern gebeugten Häuptern erhebend, dich vor sich erblickte, emporgerichtet, wie er selbst, dich allein mit ihm über Alle erhaben, er seinen tiefen und ernsten Blick vor deinem Auge niederschlug. Es schien mir, als ob der Priester erblasse, als ob seine zitternde Hand nicht länger den Kelch halten könne und als ob ihm die Stimme versage. War es ein Traum meiner aufgeregten Phantasie, oder erstickte wirklich der Unwille das Wort des Dieners des Herrn, als er dich der durch seinen Mund ergangenen Ermahnung nicht folgen sah? Oder hatte er, gleich mir auf befremdende Weise befangen, etwas Uebernatürliches in dir zu sehen geglaubt, eine Macht des Abgrundes eher eine Offenbarung des Himmels?

III

Inhaltsverzeichnis

Was geht das dich an, junger Dichter? Warum willst du wissen, was ich bin und von wannen ich komme? Ich bin wie du im Thale der Thränen geboren, und alle Unglückliche, die auf der Erde herumkriechen, sind meine Brüder. Ist sie denn so groß, diese Erde, die ein Gedanke umarmt und die eine Schwalbe in einigen Tagen umkreiset? Was kann es Befremdendes und Geheimnißvolles in einem menschlichen Wesen geben? Welchen großen Einfluß kann ein Sonnenstrahl haben, ob er mehr oder weniger senkrecht auf unsere Köpfe fällt? Und die ganze Erde ist ihm nicht zu vergleichen, sie ist sehr kalt, sehr blaß und sehr klein. Frage den Wind, wie viel Stunden er gebraucht, um sie von einem Pole zum andern umzustürzen.

Wäre ich an dem entgegengesetzten Ende der Welt geboren, so würde immer noch wenig Unterschied zwischen dir und mir seyn. Beide zum Leiden verdammt, beide schwach, unvollkommen, selbst durch alle unsere Genüsse verletzt, in steter Unruhe, begierig nach einem namenlosen Glück, stets außer uns, das ist unser gemeinschaftliches Schicksal, dadurch sind wir Brüder und Gefährten auf dieser Erde der Verbannung und der Knechtschaft.

Du frägst, ob ich ein Wesen anderer Natur sey als du? Glaubst du, daß ich nicht leide! Ich habe Menschen gesehen, die unglücklicher als ich waren durch ihre Lage, weniger durch ihren Charakter. Nicht alle Menschen leiden in gleichem Grade. In den Augen des großen Urhebers unsers Elendes sind diese Verschiedenheiten der Organisation ohne Zweifel von keinem Belange. Wir, auf unserm beschränkten Gesichtspunkte, verbringen die Hälfte unsers Lebens damit, uns einander zu Prüfen und die Schattirungen zu berechnen, denen das Unglück unterliegt. Was ist aber alles dieses vor Gott? Etwa, was vor unserm Auge der Unterschied zwischen den Stengeln der Kräuter seyn dürfte.

Deshalb bete ich nicht zu Gott. Was sollte ich ihn bitten? Daß er meine Bestimmung ändere? Er würde lachen. Daß er mir die Kraft verleihe, gegen meine Leiden zu kämpfen? Er hat sie in mich gelegt, es ist meine Sache, mich ihrer zu bedienen.

Du frägst, ob ich den bösen Geist anbete? Der böse Geist und der gute sind nur ein Geist, nämlich Gott; das ist der unbekannte, geheimnißvolle Wille, der über unserm Willen ist. Das Gute und das Böse sind Unterscheidungen, die wir selbst geschaffen haben, Gott kennt sie so wenig als Glück und Unglück. Fordere also weder vom Himmel noch von der Hölle das Geheimniß meiner Bestimmung. Ich könnte dir vorwerfen, daß du mich bald zu hoch, bald zu niedrig stellst. Dichter, suche in mir nicht diese tiefen Geheimnisse; meine Seele ist die Schwester der deinigen, du betrübst, du erschreckst sie, wenn du sie so ergründest. Nimm sie, wie sie ist, als eine Seele, die leidet und erwartet. Wenn du sie so strenge verhören willst, so wird sie sich in sich selbst zurückziehen und nicht mehr wagen, sich dir zu eröffnen.

IV

Inhaltsverzeichnis

Ich habe die Schärfe meiner Besorgnisse um dich zu freimüthig ausgesprochen, Lelia; ich habe die hohe Schamhaftigkeit deiner Seele verletzt. Das kommt, Lelia, weil auch ich unglücklich bin! Du glaubst, daß ich dich mit dem neugierigen Auge des Philosophen betrachte, und irrst dich. Wenn ich nicht fühlte, daß ich dir angehöre, daß fortan mein Daseyn unauflöslich an das deinige gebunden ist, wenn ich mit einem Worte dich nicht leidenschaftlich liebte, so würde mir die Kühnheit mangeln, dich zu fragen, und wenn du der merkwürdigste Gegenstand wärest, der sich den Beobachtungen der Physiologen darbieten könnte.

Alle, die dich gesehen haben, theilen die unruhigen Zweifel, die ich dir zu gestehen wagte. Sie fragen sich erstaunt, ob du ein gutes oder ein böses Wesen seyest, ob man dich lieben oder fürchten, dich aufnehmen oder zurückweisen müsse; selbst der große Haufe taumelt aus seiner Sorglosigkeit auf, um sich mit dir zu beschäftigen.

Er versteht weder den Ausdruck deiner Züge noch den Ton deiner Stimme, und wenn man die abgeschmackten Mährchen hört, deren Gegenstand du bist, so sieht man, daß das Volk eben so bereit ist, auf deinem Wege zu knien, als dich wie eine Geißel zu beschwören. Die höher stehenden Geister beobachten dich aufmerksam, diese aus Neugierde, jene aus Sympathie; aber keiner macht sich wie ich eine Lebensfrage aus der Lösung des Räthsels; ich allein habe das Recht, kühn zu seyn und dich zu fragen, wer du seyst, denn ich fühle es tief, und dieses Gefühl ist an mein Daseyn geknüpft, ich bin hinfort ein Theil von dir, du hast dich meiner bemächtigt, vielleicht ohne es zu wissen; ich bin nun aber einmal gebunden, ich gehöre mir nicht mehr allein, meine Seele kann nicht mehr in sich selbst leben; Gott und die Poesie genügen ihr nicht mehr; Gott und die Poesie vereinigen sich nun in dir, ohne dich giebt es keine Poesie, giebt es keinen Gott, giebt es gar nichts mehr.

Sage mir, Lelia, weil du willst, daß ich dich für ein Weib halten und mit dir reden soll wie mit meines Gleichen, sage mir, ob du die Kraft besitzest, lieben zu können, ob deine Seele aus Feuer oder aus Eis besteht, ob, indem ich mich dir hingebe, wie ich es gethan habe, es sich um meinen Untergang oder um mein Heil handelt; denn, ich weiß nicht, ich sehe nicht ohne Schrecken auf den fremden Weg, auf dem ich dir folgen soll. Die Zukunft ist mir in Wolken gehüllt, zuweilen rosige und leuchtende, wie die der Morgenröthe, zuweilen düstere, wie die dem Gewitter vorangehen.

Habe ich das Leben mit dir angefangen, ober habe ich es verlassen, um dir in den Tod zu folgen? Werden die Jahre der Ruhe und der Unschuld, die hinter mir liegen, durch dich verwelken oder aufgefrischt werden? Habe ich das Glück gekannt und werde es nun verlieren, oder habe ich nicht gewußt, was es sey, und werde es jetzt erst kosten? Diese Jahre waren sehr schön, sehr blühend, sehr lieblich! aber sie waren auch sehr ruhig, sehr dunkel, sehr unfruchtbar! Was habe ich gethan als träumen, erwarten und hoffen, seit ich auf der Welt bin? Werde ich endlich selbst schaffen? Wirst du etwas Großes oder etwas Verächtliches aus mir machen? Werde ich endlich aus dieser Nichtigkeit herausgehen, aus dieser Ruhe, die mich zu drücken anfängt? Und werde ich steigen oder fallen?

So frage ich mich jeden Tag mit Angst, und du antwortest mir nichts, Lelia, du scheinst nicht einmal zu wissen, daß ein Wesen vor dir steht, dessen Bestimmung mit der deinigen zusammenhängt und über welches du einst Gott Rechenschaft zu geben hast! Sorglos und zerstreut hast du dich meiner Kette bemächtigt und jeden Augenblick vergißt du es und lässest sie fallen!

Erschreckt, mich allein und verlassen zu sehen, rufe ich dich jeden Augenblick und zwinge dich, aus den unbekannten Regionen herabzusteigen, zu denen du dich ohne mich aufschwingst. Grausame Lelia! wie glücklich du bist, so freien Geistes zu seyn, allein träumen, allein lieben, allein leben zu können! Ich kann das nicht mehr, ich liebe dich, und nur dich. Alle die anmuthigen Schönheitsmuster, die weiblichen Engel, die mir in meinen Träumen erschienen und mir Küsse und Blumen zuwarfen, sind verschwunden. Sie kommen nicht mehr, ob ich wache oder träume. Du nur bist es, die ich bleich, ruhig, traurig und schweigend an meiner Seite oder in meinem Himmel erblicke.

Ich bin sehr elend! meine Lage ist nicht gewöhnlich; es handelt sich nicht allein darum, zu wissen, ob ich würdig sey, von dir geliebt zu werden, sondern auch darum, ob du fähig seyst, einen Mann zu lieben und — nur mit Entsetzen schreibe ich das Wort nieder, so fürchterlich ist es — ich glaube nein!

,,O Lelia! wirst du diesesmal antworten? Mich schaudert jetzt, gefragt zu haben. Ich hätte morgen noch in Zweifeln und Hirngespinnsten fortleben können. Nun bleibt mir vielleicht morgen nichts mehr zu fürchten noch zu hoffen.

V

Inhaltsverzeichnis

Was du für ein Kind bist! Kaum geboren, bestrebst du dich schon zu leben! denn ich muß dir sagen, du hast noch nicht gelebt, Stenio; ich werde dir das Leben in zwei Worten definiren, aber später.

Warum denn nun so eilen? Glaubst! du nicht schnell genug das verwünschte Ende erreichen zu können, wo wir alle scheitern? Dieses Schicksal wird dich treffen wie alle Andere, Stenio. Nimm dir daher Zeit, und überschreite erst so spät als möglich die Schwelle der Schule, wo man leben lernt. Glückliches Kind, du frägst, wo das Glück sey, wie es aussehe, ob du es schon gekostet habest, ob du berufen seyst, es einst zu kosten? O tiefe und köstliche Unwissenheit! Ich antworte dir nicht, Stenio.

Fürchte nichts, von Allem, was du wissen möchtest, werde ich dir nichts sagen. Ob ich liebe, ob ich lieben kann, ob ich dich glücklich machen werde, ob ich gut oder böse bin, ob dich meine Liebe erheben oder meine Gleichgültigkeit vernichten werde: alles das, siehst du, sind verwegene Fragen, deren Lösung der Himmel deinem Alter versagt und die er mir verbietet dir zu ertheilen.

Ich segne dich, junger Dichter, schlafe in Frieden. Der morgende Tag wird dir so schön seyn, wie alle Tage deiner Jugend, und mit der größten Wohlthat der Vorsehung geschmückt, mit dem Schleier, der die Zukunft verbirgt.

VI

Inhaltsverzeichnis

So antwortest du immer. Allein dieser Zustand der Unwissenheit, den du so süß glaubst, ist fürchterlich, Lelia; du behandelst ihn mit wegwerfender Leichtigkeit, weil du ihn nicht kennst. Deine Kindheit ist vielleicht eben so verstrichen, wie die meinige, aber die erste Leidenschaft, die sich in deinem Busen entzündete, kann nicht mit solcher Herzensangst verschwistert gewesen seyn, wie bei mir. Ohne Zweifel wurdest du eher geliebt, als du selbst liebtest. Dein Herz, dieser Schatz, um den ich noch auf den Knien flehen würde, wenn ich Herr des Erdballs wäre, dieses Herz wurde von einem andern Herzen sehnlich gerufen; du kanntest die Qualen der Eifersucht und der Furcht nicht; die Liebe erwartete dich, das Glück kam dir entgegen und du durftest nur einwilligen, glücklich zu werden, geliebt zu werden. Nein, du weißt nicht, was ich leide, sonst würdest du Mitleiden mit mir haben, denn du bist gut, deine Handlungen beweisen es, obgleich du es leugnest. Ich habe dich die Barmherzigkeit des Evangeliums ausüben sehen, mit deinem boshaften Lächeln auf den Lippen. Du bist gut, du besitzest eine angeborne, unwillkührliche Güte, die dir nicht durch kalte Betrachtung genommen werden kann.

Wenn du wüßtest, wie unglücklich dir mich machst, du würdest Mitleiden mit mir haben; du würdest mir sagen, ob ich leben oder sterben soll, du würdest mir das berauschende Glück oder die tröstende Vernunft geben.

VII

Inhaltsverzeichnis

Wer ist denn der bleiche Mensch, den ich gleich einem finstern Gebilde allenthalben erscheinen sehe, wo du bist? Was will er von dir? Woher kennt er dich, oder wo hat er dich gesehen? Woher kommt es, daß er gleich bei seinem ersten Auftreten hier sich durch die Menge drängte, um Dich zu betrachten, und daß du augenblicklich einen schmerzlich lächelnden Blick mit ihm wechseltest?

Dieser Mensch beunruhigt und erschreckt mich. Wenn er mir nahet, schaudert mich; wenn sein Kleid das meinige berührt, fühle ich etwas, wie einen elektrischen Schlag. Du sagst, er sey ein großer Dichter, der sich der Welt nicht hingebe, aber höher stehe, als Byron. Seine hohe Stirn verkündigt in der That das Genie, aber ich finde die himmlische Reinheit nicht, nicht den Enthusiasmus, der den Dichter bezeichnet. Dieser Mensch ist finster und traurig, wie der Giaur, wie Lava, wie du, Lelia, wenn du leidest. Es ist mir unangenehm, ihn beständig an deiner Seite zu sehen, deine Aufmerksamkeit fesselnd und, so zu sagen, Alles aufkaufend, was dir an Wohlwollen und Theilnahme an menschlichen Angelegenheiten noch geblieben ist.

Ich weiß, daß ich kein Recht habe, eifersüchtig zu seyn, und werde dir daher auch nicht sagen, was ich leide. Aber es betrübt mich, dich diesem düstern Einflusse hingegeben und schon so traurig und entmuthigt sehen zu müssen, während du nur in süßen Hoffnungen leben solltest. Denn dieser Mensch ist durch den Hauch der Leidenschaften ausgetrocknet, keine Jugendfrische belebt mehr seine versteinerten Züge, sein Mund kann nicht mehr lächeln; er spricht, er geht, er handelt aus Gewohnheit, aus Erinnerung; aber das Lebensprincip ist lange in seiner Brust erloschen. Ich bin hierüber gewiß, ich habe diesen Mann genau beobachtet und das Geheimniß durchschauet, worin er sich einhüllt. Wenn er dir sagt, daß er dich liebt, so lügt er. Er kann nicht mehr lieben.

Kann aber der, welcher nichts mehr fühlt, auch nichts mehr einflößen? Eine schreckliche Frage, die ich schon lange beleuchte, seit ich lebe, seit ich dich liebe.

Du theilst den Abscheu nicht, den mir jener Mensch einflößt. Im Gegentheil scheinst du durch eine unüberwindliche Sympathie zu ihm hingezogen zu werden. Es ist, als ob nur ihr Beide euch verstehen könntet, und als ob eine traurige Aehnlichkeit zwischen euren Gefühlen und selbst euren Gesichtszügen statt finde. Ist es das Siegel des Unglücks, welches euren düstern Stirnen diesen Familienzug aufdrückt, oder, Lelia, wäre der Fremde wirklich dein Bruder? Alles in dir ist so geheinmißvoll, daß ich Alles glauben kann.

Ja, es giebt Augenblicke, wo ich mich überrede, daß du seine Schwester seyst. Ich fühle mich aber deshalb um nichts weniger verletzt durch die Vertraulichkeit, die du gegen ihn zeigst. Wenn er dein Bruder ist, Lelia, welche Rechte hat er dann vor mir heraus? Glaubst du, daß meine Liebe weniger rein sey, als die seinige? Glaubst du, daß ich dich mit mehr Zärtlichkeit und Achtung lieben könnte, wenn du meine Schwester wärest? Ach! warum bist du es nicht! du würdest dann kein Mißtrauen in mich setzen, würdest nicht jeden Augenblick die keuschen und tiefen Gefühle verkennen, die du mir einflößest. Liebt man seine Schwester nicht leidenschaftlich, wenn man ein leidenschaftliches Gemüth besitzt und eine Schwester wie du, Lelia! Die Bande des Blutes, für gemeine Naturen so schweren Gewichts, was sind sie in Vergleichung zu denen, die der Himmel uns im Schatze seiner geheimnißvollen Sympathien bereitet? Nein, wenn er dein Bruder ist, liebt er dich nicht mehr, wie ich, und du bist ihm nicht mehr Zutrauen schuldig, als mir. Aber mit mir theilst du nie deine Leiden. O, ich bin unglücklich, Lelia! denn du bist es, und doch hast du nie eine Thräne in meinen Busen vergossen. Es giebt Tage, wo du dich bestrebst, mit mir froh zu seyn, als fürchtetest du, mir lästig zu werden, wenn du dich deiner Trauer hingäbest. Aber dies ist ein beleidigendes Zartgefühl, Lelia, was mir oft sehr weh gethan hat. Mit ihm bist du nie froh. Habe ich nicht Ursache zur Eifersucht?

VIII

Inhaltsverzeichnis

Ich habe deinen Brief dem Manne gezeigt, den man hier Trenmor nennt und dessen wahren Namen ich nur weiß. Er nimmt solchen Antheil an deinen Leiden und hat ein so fühlendes Herz (was du erstorben glaubtest!), daß er mich ermächtigt hat, dir sein Geheimniß zu vertrauen.

Erfahre zuvor den Grund meiner Theilnahme an Trenmor. Er ist der unglücklichste Mensch, der mir bis jetzt erschien; in seinem Leidenskelche ist nicht ein Tropfen Hefen übrig geblieben, er hat Alles verschlingen müssen; er hat also vor dir einen großen unbestreitbaren Vorrang, den des Elendes.

Weißt du, was Elend ist, junger Mensch? Kaum trittst du in die Welt, du fühlst die ersten Bewegungen, deine Leidenschaften erheben sich, beschleunigen den Umlauf deines Blutes, erwecken neue Empfindungen in dir, und das nennst du leiden! Du glaubst, die große, schreckliche, feierliche Taufe des Elends empfangen zu haben! Du leidest, es ist wahr, aber giebt es ein edleres und süßeres Leiden, als das der Liebe? Wie viele Dichtungen hat es nicht hervorgebracht, und wie erwärmend und fruchtbar ist es, dieses Leiden, was man sagen und sich deshalb beklagen lassen darf!

Aber eines Leidens, was man bei Strafe der Schande und Verwünschung in sich selbst verschließen, in seinem Innern wie einen bittern Schatz verbergen muß, was nicht erwärmet, sondern erstarrt, was keine Thränen, keine Bitten, keine Träume hat, sondern stets wach und kalt das Herz lähmt; eines solchen, wie es Trenmor erfahren hat, könnte er sich einst vor Gott rühmen, am Tage des Gerichts; denn vor Menschen muß es verborgen bleiben.

Höre Trenmors Geschichte. Er ist größer und reicher ausgestattet, als einer von euch. Für ihn war das gewöhnliche Leben zu klein; Geistern wie ihm bietet das Weltall nicht Nahrung genug. Indessen war er, gleich dir, jung, offenherzig, verliebt und auch einmal zwanzig Jahre alt; nur kann man von ihm, da er schneller lebte, sagen, er sey mit sechszehn Jahren zwanzig gewesen.

Nachdem er die Liebe erschöpft hatte, wurde er von einer andern energischen Leidenschaft verzehrt, die ungleich stärker, weit berauschender und fruchtbarer an schrecklichen Dramen ist, das Spiel! Möge der Zweck desselben niedrig scheinen, das Feuer dieser Leidenschaft ist mächtig, die Kühnheit erhaben, die Opfer blind und ohne Gränzen. Solche Empfindungen können Frauen nie einflößen. Das Gold ist eine höhere Gewalt. An Kraft, an Muth, an Hingebung, an Ausdauer, ist der Verliebte, im Vergleich zum Spieler, nur ein schwaches Kind, dessen Anstrengungen Mitleid erregen. Wie viele Männer kannst du gesehen haben, die ihren Geliebten jenes unschätzbare Gut opferten, jene Bedingung des Daseyns, ohne welche kein erträgliches Daseyn denkbar ist, die Ehre! Schwerlich mochte die Hingebung des Verliebten weiter gehen, als bis zum Opfer des Lebens. Der Spieler opfert täglich seine Ehre und erträgt dennoch das Leben. Er ist schroff, er ist Stoiker, er triumphirt kalt und unterliegt kalt, er steigt in einigen Stunden von dem untersten Range der menschlichen Gesellschaft zum ersten, und sinkt eben so wieder bis auf den Punkt zurück, von dem er ausging, und alles dieses, ohne seine Stellung oder seine Züge zu verändern. In wenigen Stunden durchläuft er, ohne den Platz zu verlassen, an welchen ihn sein Dämon fesselt, jeden Wechsel des Lebens. Bald König, bald Bettler, erklimmt er diese unermeßliche Leiter mit einem Sprunge, stets ruhig, stets Herr seiner selbst, stets von seinem kräftigen Ehrgeiz unterstützt, stets von dem scharfen Durste gereizt, der ihn verzehrt. Was wird er in der nächsten Minute seyn? Fürst oder Sklave? Wie wird er diese Höhle verlassen, nackend oder unter dem Gewicht des Goldes erliegend? Gleichviel, er wird morgen wiederkommen, sein Glück zu versuchen, es entweder ganz zu verlieren, oder es zu verdreifachen. Es giebt nur ein Unmögliches für ihn, die Ruhe; er ist wie der Sturmvogel, dem auf hoher See und beim Toben des Orkanes am wohlsten ist. Man beschuldigt ihn, er liebe das Gold. Er liebt es so wenig, daß er es mit vollen Händen wegwirft. Diese Gaben der Hölle würden ihm weder nützen, noch ihn sättigen können. Kaum reich geworden, wünscht er schon wieder, ruinirt zu seyn, um noch einmal die schreckliche Bewegung zu kosten, ohne welche das Leben für ihn keinen Geschmack hat. Was gilt ihm das Gold? An und für sich weniger, als dir die Sandkörner. Ihm ist das Gold nur das Emblem des Guten und Bösen, was er zu suchen oder ihm zu trotzen kommt. Es ist sein Spielzeug,, sein Feind, sein Gott, sein Traum, sein Dämon, seine Geliebte, seine Poesie; es ist der Schatten, den er verfolgt, den er angreift, den er festhält und den er wieder entschlüpfen läßt, um den Kampf von neuem zu beginnen und sich noch einmal mit dem Schicksal zu messen. Das ist abgeschmackt; man muß es verdammen, denn eine auf solche Weise verwendete Energie bleibt ohne Nutzen für die Gesellschaft. Der Mensch, der seine Kräfte auf ein solches Ziel leitet, bestiehlt seines Gleichen um alles Gute, was er hätte thun können, wenn er von weniger Egoismus beseelt gewesen wäre. Aber, wenn ihr ihn verdammt, so verachtet ihn nicht, ihr kleinen Seelen, die ihr weder zum Guten noch zum Bösen fähig seyd; meßt nur mit Entsetzen den starken Willen, der sich auf ein schäumendes Meer hinauswagt, nur um das Vergnügen zu haben, seine Kraft zu versuchen. Sein Egoismus stößt ihn mitten in Mühseligkeiten und Gefahren hinein, wie der eurige euch an ruhige und arbeitsame Beschäftigungen kettet. Wie viele Menschen werdet ihr finden, die für das Vaterland arbeiten, ohne an sich selbst zu denken? Er aber isolirt sich, er verfügt über seine Zukunft, über seine Gegenwart, über seine Ruhe, über seine Ehre. Er verurtheilt sich zum Leiden, zur Erschöpfung. Beklagt seinen Irrthum, aber vergleicht euch nicht mit ihm in eurem Dünkel, um auf seine Kosten zu glänzen. Sein Beispiel möge nur dienen, euch über eure unschädliche Nullität zu trösten.

Ich höre hier für heute auf; dein Alter ist das der Unduldsamkeit, und du würdest zu bestürzt werden, wenn ich dir Trenmors ganzes Geheimniß an einem Tage offenbaren wollte. Dieser Theil der Erzählung möge erst wirken; das Uebrige morgen.

IX

Inhaltsverzeichnis

du hast Recht, wenn du mich schonst; was ich höre, erstaunt mich und wirft mich nieder. Aber nicht der Antheil bewegt mich so, den ich an Trenmors Geheimniß nehme, sondern dein Urtheil über dies Alles beunruhigt mich. Du mußt weit über der menschlichen Gesellschaft stehen, wenn du Verbrechen, welche man gegen dieselbe begeht, so leicht hin behandelst.

Alles, was Du sagst, hat auf mich eine Wirkung, wie die des vollen Sonnenlichts auf Augen, die an Finsterniß gewöhnt waren. Und doch fühle ich, daß du mir das Licht nur sparsam zutheilst, entweder aus Freundschaft oder aus Mitleiden.

O Gott! was habe ich denn noch zu lernen? Welchen Täuschungen hat meine Jugend unterlegen? Der Spieler sey nicht verächtlich, sagst du? Oder wenn er es in den Augen höherer Wesen ist, kann er es nicht in den meinigen seyn? Ich habe nicht das Recht, ihn zu richten und zu sagen: Ich bin größer, als dieser Mensch, der sich selbst schadet und Niemanden nützet. Gut! es sey; ich bin jung; ich weiß nicht, was aus mir werden wird; ich habe die Prüfungen des Lebens noch nicht durchgemacht; aber Trenmor war auch einst zwanzig Jahre und besaß edle Leidenschaften, Du, Lelia, deren Seele und Geist größer sind, als Alles, was es auf Erden giebt, kannst Trenmor verdammen und hassen, und du willst es nicht! Dein nachgebendes Mitleiden oder deine unkluge Bewunderung (ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll,) folgt ihm auf seinen strafbaren Triumphen, belobt seine Erfolge und achtet sein Unglück ...

Aber wenn dieser Mensch so hoch steht, wenn in ihm ein solcher Luxus von Kraft ist, warum bedient er sich desselben nicht, so unselige Neigungen zu unterdrücken? Warum macht er einen üblen Gebrauch von seiner Kraft? Also wären Seeräuber und Banditen auch groß? Derjenige also, welcher sich durch kühne Verbrechen oder ungewöhnliche Laster auszeichnet, ist ein Mensch, dem die erstaunte Menge Achtung schuldig ist! Man muß folglich ein Held oder ein Ungeheuer seyn, um dir zu gefallen!

Wohl! sage mir ein ermuthigendes Wort, Lelia! sage mir, was du willst, daß ich sey und ich werde es seyn. Du glaubst, daß Frauenliebe nicht die nämliche Kraft verleihe, als die Liebe zum Golde ...

Ist es meine Unehre, meine Schande, die du verlangst? Nun wohl, Lelia, wohl! ... Doch ich thue Unrecht, dir solche Opfer anzubieten, du würdest mich nachher verachten. Aber du verachtest Trenmor nicht, der seine Ehre zum Opfer gebracht hat, wie du sagst, und wem? der Leidenschaft des Spieles! Fahre fort mit dieser Geschichte, sie spricht mich auf eine schreckliche Weise an, denn sie ist am Ende eine Enthüllung deiner Seele, dieser tiefen, beweglichen, unergreifbaren Seele, die ich stets suche und nie ergründe.

X

Inhaltsverzeichnis

Ohne Zweifel giltst du mehr als wir, junger Mensch, dein Stolz möge sich beruhigen. Aber wirst du in zehn Jahren, ja selbst in fünf Jahren, Trenmor oder Lelia aufwiegen? Das ist eine Frage ...