Ein Ratgeber zum Mietrecht für Vermieter – ungewöhnlich? Ja und nein: Nein, weil das Mietrecht natürlich für Mieter ebenso wie für Vermieter gilt. Ja, weil gerade in der Ratgeberliteratur der Vermieter häufig nur am Rande vorkommt. Tipps und oft genug auch Tricks richten sich in der Regel an den Mieter. So ist es gut und richtig, dass es in diesem Ratgeber anders ist.
Das Mietrecht ist durch die Rechtsprechung, die immer mehr Einzelfälle regelt und sich zwischendurch gerne auch einmal grundsätzlich ändert – wie etwa im Fall der Schönheitsreparaturen – einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen. Zusätzlich ist der Gesetzgeber aktiv, ändert Gesetze oder führt sie ganz neu ein. Der Vermieter hat keine andere Wahl als sich regelmäßig zu informieren, um sich bei allen Eventualitäten des Vermieteralltags an geltendes Recht zu halten. Das ist nicht einfach. Denn neue oder geänderte Gesetze müssen ebenso im Zusammenhang mit dem geltenden Recht gesehen werden wie die (BGH-)Rechtsprechung, die sich stets an Einzelfällen orientiert. Doch den Zusammenhang zwischen den einzelnen Fragen kann der Vermieter so nicht herstellen.
Genau hier setzt der Ratgeber an. Systematisch orientiert er sich am Ablauf des Mietverhältnisses und erläutert ausführlich die auftretenden Fragen. Dabei bleibt er nicht an der Oberfläche, sondern löst die Fragen, die sich dem Praktiker häufig stellen und die auch nach der Lektüre vieler Fachbücher oft noch bleiben. Dazu greift Mersson diese speziellen Fragen in Beispielen auf und löst sie eindeutig und nachvollziehbar. Hier zeigt sich, dass der Autor aus seiner langjährigen Richtertätigkeit genau weiß, wo genau die Fragen und Probleme auftreten. Darinliegt auch der Unterschied zu den Ratgebern, die aus der Sicht der Mieter verfasst sind. Denn die Tipps und Erläuterungen sind aus der Sicht des Vermieters geschrieben, so dass der Vermieter auch wirklich die Antwort auf die Fragen findet, die in der täglichen Vermieterpraxis auftreten.
VIDer Ratgeber behandelt alle Stadien des Mietverhältnisses – von der Mietersuche bis zur Rückgabe des Mietobjekts. Der Vermieter findet auch Antwort auf Probleme, die sich aus den aktuellen Gesetzesänderungen ergeben, etwa aus dem neuen Bestellerprinzip oder der „Mietpreisbremse“. Checklisten, Vertragsmuster und Formulare bieten zusätzliche praktische Hilfen, die den Vermieteralltag erleichtern.
Und doch: Immer wieder ergeben sich Probleme und Fragen, die der Vermieter besprechen möchte, bei denen er nicht weiß, ob der geschilderte Fall tatsächlich dem beschriebenen Beispiel entspricht. Genau für diese Fälle gibt es Verbände, die Immobilieneigentümer und Vermieter vertreten und beraten. Sie sind ganz in Ihrer Nähe: Haus & Grund Bayern ist der größte Landesverband der insgesamt 22 Landesverbände umfassenden Haus & Grund Organisation. Mit 105 Ortsvereinen sind wir bayernweit zu finden und vertreten die Interessen der über 127.000 bei uns organisierten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. Die Beratung unserer Mitglieder ist unsere Leidenschaft und steht im Mittelpunkt unserer Arbeit. Mindestens genauso wichtig wie die Beratung unserer Mitglieder ist für uns die Vertretung Ihrer Interessen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Und das schaffen wir durch unsere dreigliedrige Organisation: die Ortsvereine in den Städten und Gemeinden, die Landesverbände in den Bundesländern und der Bundesverband auf der Bundesebene. Haus & Grund Bayern ist dazu gut aufgestellt. Wir vertreten schlagkräftig Ihre Interessen im Freistaat Bayern. Und wenn nach der Lektüre des Ratgebers weitere Fragen auftreten oder Sie Ihre Probleme nicht alleine lösen wollen, finden Sie die notwendige Hilfe in einem unserer Ortsvereine auch in Ihrer Nähe.
Dr. Ulrike Kirchhoff
Vorstand Haus & Grund Bayern
Landesverband der privaten Haus-, Wohnungs- und
Grundeigentümer e.V.
a. A. |
anderer Ansicht |
a. F. |
alter Fassung |
AFWoG |
Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen |
AG |
Amtsgericht |
AGBG |
Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen |
AGG |
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz |
AO |
Abgabenordnung |
Az. |
Aktenzeichen |
BayObLG |
Bayerisches Oberstes Landesgericht |
b. b. |
bereits benannt |
BetrKV |
Betriebskostenverordnung |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl |
Bundesgesetzblatt |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BGHZ |
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen |
BV (BVO) |
Berechnungsverordnung |
BVerfG |
Bundesverfassungsgericht |
d. h. |
das heißt |
DWW |
Deutsche Wohnungswirtschaft (Zeitschrift) |
EGBGB |
Einführungsgesetz zum BGB |
EnEV |
Energieeinsparverordnung |
EStG |
Einkommensteuergesetz |
f./ff. |
(fort)folgende |
Fn. |
Fußnote |
GE |
Das Grundeigentum (Zeitschrift) |
GG |
Grundgesetz |
ggf. |
gegebenenfalls |
GKG |
Gerichtskostengesetz |
XXHeizkVO |
Heizkostenverordnung |
i. d. R. |
in der Regel |
i. S. d. |
im Sinne des |
i. V. m. |
in Verbindung mit |
JMBl NW |
JustizMinisterialblatt Nordrhein-Westfalen |
KG |
Kammergericht |
LG |
Landgericht |
LPartG |
Lebenspartnerschaftsgesetz |
MDR |
Monatsschrift für Deutsches Recht |
MHG |
Gesetz zur Regelung der Miethöhe |
MietÄndG |
Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften |
MK |
Münchner Kommentar |
ModEnG |
Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz |
MwSt |
Mehrwertsteuer |
NJW |
Neue Juristische Wochenschrift |
NJW-RR |
NJW-Rechtsprechungsreport |
NMV |
Neubaumietenverordnung |
NZM |
Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht |
OLG |
Oberlandesgericht |
Rn. |
Randnummer |
S. |
Satz |
s. o. |
siehe oben |
StGB |
Strafgesetzbuch |
s. u. |
siehe unten |
u. a. |
unter anderem |
vgl. |
vergleiche |
WEG |
Wohnungseigentumsgesetz |
WiStG |
Wirtschaftsstrafgesetz |
WoBindG |
Wohnungsbindungsgesetz |
WoFIV |
Wohnflächenverordnung |
WuM |
Wohnungswirtschaft und Mietrecht |
WoVermG |
Wohnungsvermittlungsgesetz |
z. B. |
zum Beispiel |
XXIZGB |
Zivilgesetzbuch |
ZMR |
Zeitschrift für Miet- und Raumrecht |
ZPO |
Zivilprozessordnung |
zzgl. |
zuzüglich |
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Mietrechtsratgeber gibt es viele. Ebenso oft fühlt sich der Vermieter darin nicht genügend vertreten. Viele Mietrechtsratgeber sind Bücher, die überwiegend für Mieter geschrieben worden sind. Dies kommt auch in einigen Fällen unmittelbar im Titel zum Ausdruck. Das vorliegende Werk will dagegen dem Vermieter konkrete Hilfestellungen geben. Dazu dienen nicht nur die Darstellung des Mietrechts für Vermieter, sondern insbesondere auch Mustertexte für den Vermieteralltag, bestehend aus sofort einsetzbaren Briefen, Formularen, Checklisten, Abrechnungsbeispielen, Verträgen und Klagen.
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Das „soziale“ Mietrecht in Deutschland ist durch ein gesetzlich unausgewogenes Übergewicht der Mieterrechte und leider auch durch eine manchmal einseitige Betonung der Mieterrechte in der Rechtsprechung längst vom Mietrecht zu einem Recht der Mieter geworden. In der Presse fühlt sich der Vermieter mit seinen Belangen und Sorgen oft unverstanden oder unterrepräsentiert. Urteile, die die Rechte der Mieter „stärken“, werden leider manchmal so verkürzt wiedergegeben, dass sie zu Missverständnissen und ggf. Streit und 2Prozessen führen können. Tipps und Tricks in diversen Publikationen befassen sich damit, wie man die Miete mindert. Wie man die Miete erhöht, wird eher selten behandelt. Von den hohen Belastungen der Mieterhaushalte durch die Mieten ist oft die Rede. Von den vielen „kleinen“ Vermietern, die oft unter Verzicht auf persönliche Lebensqualität stattdessen Geld, Zeit und Nerven in den Bau eines – von ihnen oft selbst mitbewohnten – Mehrfamilienhauses gesteckt haben, redet niemand. Es wird auch vielfach übersehen, dass die beklagten hohen „Mieten“ zu einem nicht unerheblichen Teil auf Betriebskosten zurückzuführen sind, die ständig und gerade in den letzten Jahren viel schneller steigen als die Kaltmieten. Leider ist mit der Zeit ein Klima entstanden, in dem man die Tatsache, dass man Vermieter ist, oftmals nur noch ganz leise zu erwähnen wagt.
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Auswüchse dieses Klimas sind vielfältig. Dabei muss man sich auf jeden Fall vor Verallgemeinerungen hüten, denn die Durchsetzung berechtigter Interessen steht dem Mieter genauso zu wie dem Vermieter. In einigen Fällen allerdings erscheint die Ausgewogenheit fraglich. Vermieterseits ggf. als misslich empfundene Punkte sind z. B.:
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Oft erfährt der Vermieter erst durch einen Blick auf seinen Kontoauszug davon, dass ein Mieter der Ansicht ist, es läge ein Mangel der Wohnung vor. Auf Rückfrage tritt dann manchmal der Irrglaube zutage, dass der Mieter meint, zwischen Mietminderung und Zulassen der Reparatur wählen zu können (und sich lieber für die Mietminderung entscheidet). Wenn die vom Vermieter beauftragten Handwerker zur Mängelbeseitigung kommen, ist ggf. der Mieter dann trotz Terminankündigung nicht anzutreffen.
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Der Vermieter erhält am Sonntag folgenden Anruf: „Seit Montag letzter Woche schon läuft die Toilettenspülung durch. So kann das nicht weitergehen. Das muss jetzt aber sofort repariert werden.“ Es 3mag ja sein, dass der Mieter jetzt am Wochenende zu Hause ist und Zeit für die Handwerker hat, aber diese würden den Vermieter mit dem üblichen Stundensatzzuschlag für Notreparaturen außerhalb der üblichen Geschäftszeiten belasten.
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Wenn ein Vermieter wegen der Mietminderung auf Zahlung der Miete klagt, geschieht dies meistens mit vollem Kostenrisiko. Die wenigsten Vermieter haben insoweit eine Rechtsschutzversicherung, da das Vermieterrisiko im Rechtsschutz teuer gesondert zu versichern ist. Ein Mieter dagegen hat in aller Regel eine Rechtsschutzversicherung, in der das Mieterrisiko enthalten ist.
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Durch die Bestimmungen zur Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete ist die Mietpreisfindung praktisch unter eine Mietpreisbindung gestellt worden. Während in anderen Wirtschaftszweigen der Investor marktwirtschaftlich seine Investitionskosten plus eine Gewinnmarge als Preis kalkulieren kann, ist das im Mietrecht weitestgehend unmöglich. Es gelten starre Werte, z. B. Mietspiegel, die über die Höhe der Investitionen überhaupt nichts aussagen.1
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Das Recht der Mieterhöhungen ist so kompliziert, dass mancher Vermieter oft bereits in den Fallstricken aus Formalien und Fristen hängen bleibt.
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Die Gerichte machen sich immer wieder Gedanken darüber, in welchem Umfang dem Mieter Schönheitsreparaturen während des laufenden Mietverhältnisses sowie Renovierungspflichten bei Auszug vertraglich aufgegeben werden dürfen: Während es in der Sache selbst letztlich sinnvoll wäre, dass jeder Mieter bei Einzug nach seinem Geschmack renoviert und bei Auszug die Mietwohnung unrenoviert verlassen kann, sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. Längst ist in Zeiten eines Mietermarktes eine Wohnung vielfach nur 4noch an den Mann, d. h. an den Mieter zu bringen, wenn der Vermieter sie frisch renoviert übergibt. Zum Schwur kommt es dann beim Auszug des Mieters, der dann – auch wenn vertragliche Bestimmungen das vorsehen – meist keine große Neigung verspürt, die Wohnung, die er verlässt und in der er nicht mehr wohnen möchte, tipptopp auf Vordermann zu bringen. Für den Vermieter ergibt sich, vertragliche Regelungen hin oder her, oft die tatsächliche Situation: Der Mieter übernimmt die Wohnung frisch renoviert, und er verlässt sie frisch ruiniert.
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Wenn ein Mieter seine Miete nicht mehr bezahlt, kann der Vermieter nicht etwa wie ein Lieferant seine Warenlieferungen einfach einstellen. Da der Mieter „drin“ ist, erbringt der Vermieter seine Leistungen wohl oder übel weiter, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Der Vermieter muss dann wegen des Mietrückstands auf Räumung klagen. Sodann muss die Klage zugestellt werden. Bis zum Termin vergehen Wochen, gar Monate. Wenn der Mieter Berufung gegen das Urteil einlegt, dauert es noch viel länger, bis ein Räumungsurteil vorliegt. Zudem erhält der Mieter oft vom Gericht zur Vermeidung von Obdachlosigkeit großzügige Räumungsfristen. Bis dann schließlich der Gerichtsvollzieher kommt, vergeht weitere Zeit. Anschließend muss dann die im besten Fall nur abgewohnte, oftmals aber leider regelrecht beschädigte Wohnung erst wieder in einen vermietbaren Zustand gebracht werden. Von dem Moment der Einstellung der Mietzahlungen durch den Mieter bis zur Weitervermietung vergehen auf diese Weise im Regelfall mindestens 6 bis 14 Monate. Wenn der Vermieter Pech hat, bekommt er also lange Zeit keine Miete. Dazu kommen die Kosten durch den hohen Streitwert einer Räumungsklage2 und die Tatsache, dass der Vermieter für alles (Gericht, Anwälte, Gerichtsvollzieher usw.) Vorschüsse leisten muss, die er danach meist beim Mieter nicht mehr realisieren kann.
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Die auf die Wohnung entfallenden anteiligen Betriebskosten, z. B. die Grundschuldbelastungen und Versicherungen, laufen während dieser Zeit natürlich weiter. Zusätzlich ist misslich, dass der Vermieter in diesem Fall auch das Inkassorisiko für die Versorgungsträger 5übernimmt. Denn Vertragspartner des (z. B.) Wasserlieferanten ist in aller Regel der Vermieter, auch wenn das Wasser vom Mieter verbraucht und dem Vermieter nicht erstattet wird.
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Auch der Gesetzgeber hat dieses Problem mittlerweile erkannt. Das am 1. Mai 2013 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz enthält Regelungen, die den Räumungsprozess beschleunigen, die Zwangsräumung erleichtern und auch die Räumungskosten senken sollen.3 Der vielversprechende Ansatz birgt jedoch einige Tücken im Detail, so dass abzuwarten bleibt, mit welchem Ergebnis die Umsetzung der Regelungen in der Praxis erfolgt.
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Ein teures Ärgernis sind Menschen, die unter dem ausgeprägten Mieterschutz von Wohnung zu Wohnung ziehen, ohne jemals Miete zu bezahlen, und jeweils so lange wohnen, bis die Zwangsräumung bevorsteht. Zwar besteht hier unter bestimmten Voraussetzungen für den Vermieter die Möglichkeit einer Strafanzeige wegen (Einmiete)-Betrugs gem. § 263 StGB, aber damit erlangt der Vermieter auch nicht die ihm zustehende Miete. Die Auswüchse dieser vielfach als „Mietnomadentum“ bezeichneten Erscheinung gehen so weit, dass mancher Vermieter so froh ist, einen solchen Mieter loszuwerden, dass er ihm auch noch die Möbel in die neue Wohnung liefern lässt, nur damit die alte Wohnung leer und damit wieder vermietbar wird.
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Die oben genannten Beispiele ließen sich fortsetzen. Der Vermieter ist in diesen Fällen umso besser gewappnet, je mehr er seine Rechte kennt. Dabei soll dieser Vermieterleitfaden helfen.
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In diesem Teil finden Sie in systematischer, d. h. nach Themen geordneter Form eine Einführung in die Grundzüge des Mietrechts. Die Darstellung folgt dabei dem Verlauf des Mietverhältnisses vom Schalten der Zeitungsannonce mit dem Wohnungsangebot bis zur Beendigung des Mietverhältnisses. Besonderes Gewicht bei der Darstellung wurde auf die Rechte des Vermieters gelegt. Neben der Darstellung der Rechtslage finden Sie auch praktische Hinweise für den Vermieteralltag. Wenn Sie den systematischen Teil einmal durchgelesen haben, verfügen Sie über ein solides Mietrechtswissen, das Ihnen manchen Ärger von vornherein ersparen kann.
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Es gibt zum Mietrecht eine sehr große Anzahl von Gerichtsentscheidungen und eine Fülle von Büchern und Fachaufsätzen. Dazu kommt, dass das Mietrecht nicht in einem einzigen Gesetz geregelt ist, sondern in mehreren Gesetzen und Verordnungen behandelt wird. Eine der wesentlichen Aufgaben einer Darstellung des Mietrechts besteht darin, das Wesentliche aus dem weniger Wichtigen herauszufiltern und auch bei der Behandlung der einzelnen Themen zu gewichten. Unter der Nennung der soundsovielten Ausnahme zur Ausnahme zur Ausnahme zur – endlich! – Regel darf die schließlich am meisten angewandte Regel nicht untergehen. Auch sind die einzelnen Bestimmungen des Mietrechts in der Praxis von unterschiedlicher tatsächlicher Bedeutung. Daher nehmen manche Themen einen breiteren Raum ein, andere werden dagegen knapper oder durch Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen behandelt.
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Besonders im Mietrecht ist vieles im Fluss. Immer wieder z. B. entscheiden Gerichte über die Gültigkeit von Klauseln in Formularmietverträgen, und immer wieder greift der Gesetzgeber in das längst nicht mehr „freie“ Mietvertragsrecht ein (siehe oben). Und 7die Juristen schließlich sind sich in der Auslegung der Gesetze keineswegs immer einig. Dies kommt auch in einer kaum noch übersehbaren Fülle von gerichtlichen Entscheidungen zum Ausdruck, die bei vergleichbaren Sachverhalten durchaus schon mal zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie gerade im Mietrecht von Juristen zu einer Frage mehr als eine Antwort bekommen. Auch hier kommt es bei der Darstellung eines mietrechtlichen Themas im Sinne einer Gewichtung darauf an, nicht unter der Vielzahl der – selbst für Juristen oft schwer überschaubaren – Einzelfallentscheidungen die Grundzüge zuzuschütten.
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Es ist ein Anliegen des Autors, Ihnen die Angst vor dem Gesetz zu nehmen (das heißt hier vor seinen leider zu oft als kompliziert beurteilten Formulierungen). Daher finden Sie im systematischen Teil an einigen Stellen auch die jeweils einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zitiert. Dies soll Ihnen im Zusammenhang mit den Erläuterungen helfen, die Sprache des Gesetzes zu verstehen. Vieles erschließt sich leichter, wenn man einen Paragraphen nur langsam und Schritt für Schritt liest. Außerdem sei bereits an dieser Stelle auf die (auszugsweise) Wiedergabe von Gesetzestexten und Verordnungen im Anhang hingewiesen.
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Die Mustertexte sollen dem Vermieter konkrete Hilfestellungen geben. Dabei sind Standardsituationen des Vermieteralltags (z. B. Mieterhöhungen oder die Konfrontation mit Mietminderungen) ebenso erfasst wie seltenere Vorkommnisse (Wunsch des Mieters zur Untervermietung, Tierhaltung usw.).
Wichtig ist:
Jeder Text ist ein Vorschlag. Sie müssen ihn also ggf. für den von Ihnen zu regelnden Fall ergänzen, abändern usw. Die vorformulierten Texte sollen Ihnen helfen, aber nicht das eigene Nachdenken 8ersparen. Einige Anregungen für mögliche Alternativen sind in den Texten durch das /-Zeichen gekennzeichnet. Sie brauchen dann nur noch den jeweiligen zutreffenden Text auszuwählen und den unzutreffenden wegzulassen. Einfaches Beispiel: Herr/Frau.
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Die Musterbriefe für Vermieter sind zum Teil als „Rohlinge“ zum Ausfüllen, zum Teil als Beispiele formuliert. Diese können Sie dann ggf. für Ihren konkreten Fall abändern.
Vor den Briefen finden Sie ein Verzeichnis aller Briefe. Die Überschriften geben den zusammengefassten Inhalt des jeweiligen Briefes wieder.
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Die Formulare können Sie ggf. kopieren und ausfüllen. Vielleicht benutzen Sie ein Formular auch als Anregung zur Schaffung eines eigenen Formulars, das auf Ihre Immobilie(n) zugeschnitten ist.
Zu den Formulartexten finden Sie jeweils in Fußnoten eine kurze Beschreibung zum möglichen Einsatzzweck des jeweiligen Formulars.
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Die Verträge befassen sich nicht nur mit der Vermietung einer Wohnung, sondern auch mit dem, was damit zusammenhängt und am besten in einem schriftlichen Vertrag geregelt werden sollte, so z. B. Hausordnung, Vermietung von Garagen. Den Musterverträgen ist neben einem Verzeichnis eine kurze inhaltliche Beschreibung der sodann abgedruckten Verträge vorangestellt. Soweit Verträge ab einem bestimmten Punkt inhaltsgleich fortgesetzt werden, sind sie nicht jedes Mal komplett abgedruckt, sondern mit einem entsprechenden Hinweis versehen.
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Die Musterklagen sollen Ihnen für einfach gelagerte Fälle den schnellen Gang zum Gericht ermöglichen. Der Idealfall ist der, dass Sie diese Muster niemals brauchen. Vor den Texten mit Beschreibung der Klagen und weiteren Hinweisen für die Abfassung in den Fußnoten finden Sie ein Verzeichnis der Klagen.
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Die Muster für Betriebskostenabrechnungen sollen Beispiele für die Abrechnung nach unterschiedlichen Schlüsseln und von unterschiedlichen Kosten geben. Erläuterungen werden in den jeweiligen Fußnoten gegeben. Den Abrechnungen ist ein kurzes Verzeichnis vorangestellt.
25
Der Anhang enthält für den Vermieter wichtige Gesetzestexte, u. a.:
Im Anhang finden Sie auch die Anmerkungen (Fußnoten) zu den hochgestellten Anmerkungsziffern im Text. Die Anmerkungen enthalten z. B. Fundstellen (zumeist Gerichtsentscheidungen) oder ergänzende bzw. weiterführende Hinweise.
Das Sachverzeichnis am Ende des Vermieterleitfadens dient dem schnellen Auffinden von Themen.
26
Der Vermieterleitfaden enthält zahlreiche, im laufenden Text in Klammern gestellte oder in Fußnoten enthaltene Querverweise auf andere, im jeweiligen Zusammenhang zu beachtende Textstellen, Musterbriefe, Musterverträge usw. Auf diese wird jeweils anhand einer Buchstaben-/Zahlenkombination verwiesen, die auf die Randnummern im jeweiligen Teil des Buchs Bezug nehmen. So verweist z. B. „Rn. 1. 7“ auf die Textstelle mit der Randnummer 7 im Kapitel „Einführung“ des Vermieterleitfadens, „Rn. 2. 73“ auf die Textstelle mit der Randnummer 73 im „2. Kapitel. Systematischer Teil“, „Rn. 3. 15“ auf den Mustertext mit der Randnummer 15 im „3. Kapitel Muster“.
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Mietverhältnisse enden i. d. R. durch Kündigung, Zeitablauf oder durch einvernehmliche Vertragsaufhebung. Die meisten Mietverhältnisse werden durch Kündigung seitens des Mieters beendet. Im Regelfall kann man für Wohnraummietverhältnisse sagen: Außerordentlich (fristlos) können sowohl Vermieter als auch Mieter kündigen, wenn ein dafür ausreichender Grund vorliegt. Ordentlich (fristgemäß) kann der Vermieter nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse hat, bzw. wenn – dies ist ein Unterfall des berechtigten Interesses – sich der Mieter etwas hat zuschulden kommen lassen. Der Mieter kann in der Regel jederzeit mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündigen (Ausnahme: wenn im unbefristeten Mietvertrag das Recht zur ordentlichen Kündigung für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen worden ist472 und bei Zeitmietverträgen473).
394
Da der Mieter jederzeit kündigen kann, kann er die Kündigung auch schon vor dem Zeitpunkt des vereinbarten Vollzugs des Mietverhältnisses aussprechen.474
BEISPIEL 1: Die Parteien schließen am 16.1. einen Mietvertrag. Als Einzugstermin und Beginn der Mietzahlungsverpflichtung wird der 1.7. vereinbart. Der Mieter kündigt am 2.5. mit ordentlicher, d. h. dreimonatiger Kündigungsfrist. D. h., die Kündigung wird zum Ende des Monats Juli wirksam, der Mieter schuldet nur eine Monatsmiete.
BEISPIEL 2: Wie Beispiel 1, aber diesmal kündigt der Mieter bereits am 1.3. Die Kündigung wird zum Ende des Monats Juni wirksam, der Vertrag wird gar nicht erst vollzogen, der Mieter schuldet nichts.
Wenn der Vermieter dieses unglückliche Ergebnis vermeiden möchte, muss im Vertrag entweder ein zeitweiliger Kündigungsausschluss vereinbart werden475 oder; etwa wenn das nicht gewollt oder nicht 191durchsetzbar ist, zumindest geregelt werden, dass der Lauf der Kündigungsfrist frühestens mit dem vereinbarten Einzugstermin beginnt.476
395
Im Mietrecht des BGB, d. h. in den §§ 535 bis 580 BGB finden sich drei unterschiedliche Arten der Kündigung, und zwar
Die außerordentliche Kündigung ist stets nur in bestimmten, vom Gesetz genannten Fällen bzw. bei Vorliegen eines besonderen Grunds möglich. Je nach Art und Gewicht des Grunds ist dann eine außerordentliche fristgemäße oder eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich. Die – leider trotz aller bisherigen Reformversuche immer noch – komplizierten Regelungen zur Beendigung des Mietverhältnisses sind über das Mietrecht des BGB verstreut. Sie finden sich zunächst im Abschnitt „I. Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse“ und werden dann im Abschnitt „II. Mietverhältnisse über Wohnraum“ speziell für Wohnraummietverhältnisse modifiziert und ergänzt. In den weiteren Abschnitten finden sich dann Spezialregelungen für andere Mietverhältnisse. Dies betrifft z. B. die Kündigung von Werkwohnungen und die Kündigung von anderen als Wohnräumen, von Schiffen, Grundstücken und beweglichen Sachen.477
396
aa) Schriftform: Wohnraummietverhältnisse können nur schriftlich gekündigt werden (§ 568 Abs. 1 BGB). Das Wort „Kündigung“ ist nicht erforderlich. Es muss nur unmissverständlich zum Ausdruck kommen, dass das Mietverhältnis beendet werden soll.
397
bb) Angabe des Kündigungstermins: Die Angabe eines genauen Kündigungstermin s ist im Kündigungsschreiben nicht erforderlich. Daher 192ist eine Kündigung „zum nächstmöglichen“ Termin möglich. Der Vermieter jedenfalls sollte aber schon aus eigenem Interesse den Termin so genau wie möglich bezeichnen.
398
cc) Angabe des Kündigungsgrunds: Im Kündigungsschreiben sollten die Kündigungsgründe angegeben werden. Bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses muss der zur Kündigung führende wichtige Grund im Kündigungsschreiben angegeben werden. Diese Angabe sollte so genau wie möglich erfolgen, allerdings dürfen die formalen Anforderungen auch nicht überspannt werden. Geht es um Zahlungsverzug, genügt es jedenfalls bei einfacher Sachlage, dass der Vermieter diesen Umstand als Kündigungsgrund angibt und den Gesamtbetrag der rückständigen Miete beziffert. Die Angabe weiterer Einzelheiten wie Datum des Verzugseintritts oder Aufgliederung des Mietrückstands für einzelne Monate ist in einem solchen Fall entbehrlich.478 Entspricht die Kündigung diesen Voraussetzungen, ist es unschädlich, wenn ihr – zusätzlich – ein nicht weiter erläuterter Auszug aus dem Mieterkonto beigefügt wird, selbst wenn dessen Saldo nicht mit dem im Kündigungsschreiben genannten Rückstandsbetrag übereinstimmt, sich die Abweichung aber ohne weiteres aus zwei Posten des Kontoauszugs erklärt.479 Andererseits führt die bloße Bezugnahme auf eine unübersichtliche, verwirrende Mietkonto- oder Rückstandsaufstellung, zumal wenn diese teilweise auch andere als Mietforderungen enthält, zur Unwirksamkeit der Kündigung.480 Auf der anderen Seite kann auch bei einer komplizierten Sachlage eine nachvollziehbare Auflistung der Rückstände dem Begründungserfordernis des § 569 Abs. 4 BGB genügen.481 Unschädlich ist, wenn der Vermieter bei der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs einen falschen Paragrafen zitiert, einen Zahlungsverzugsmonat falsch bezeichnet482 oder den zur fristlosen Kündigung berechtigen Mietrückstand falsch berechnet, solange nur auch bei richtiger Berechnung der Kündigungstatbestand gegeben ist.483
399
Soweit die Rechtsprechung in der Vergangenheit auf dem Standpunkt stand, dass die Angabe von Kündigungsgründen jedenfalls für eine fristlose Kündigung nicht Wirksamkeitsvoraussetzung ist und es daher ausreicht, wenn im Zeitpunkt der Kündigung ein Kündigungsgrund 193vorlag,484 kann dies aufgrund der zwingenden gesetzlichen Anordnung der Angaben der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben bei einer fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses (§ 569 Abs. 4 BGB) nur noch für die fristlose Kündigung von Geschäftsraummietverhältnissen weitergelten. Auch hier sollten dennoch alle Kündigungsgründe angegeben werden. Besser ist besser.
400
Kündigt der Vermieter nach § 573 BGB wegen eines berechtigten Interesses – praktisch seine einzige Möglichkeit zu einer ordentlichen, fristgemäßen Kündigung – so muss er die Gründe für das berechtigte Interesse im Kündigungsschreiben angeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind. Widerspricht der Mieter sodann aufgrund der Sozialklausel des § 574 BGB, so werden gem. § 574 Abs. 3 BGB zugunsten des Vermieters ebenfalls nur diejenigen Gründe berücksichtigt, die in dem Kündigungsschreiben angegeben waren (soweit nicht die Gründe nachträglich entstanden sind).
Der Vermieter kann zur Begründung der Kündigung auf die in einem früheren, dem Mieter zugegangenen Schreiben dargelegten Kündigungsgründe Bezug nehmen; erst recht, wenn er dieses vorherige Schreiben dem jetzigen Kündigungsschreiben nochmals beifügt.485
401
Die Angabe der Kündigungsgründe ist auch dort, wo sie nicht zwingend vorgeschrieben ist, vor allem für den Vermieter wichtig, der hier alle Gründe vollständig und gewissenhaft aufführen sollte, da in einem späteren Räumungsprozess es regelmäßig auf die Gründe ankommt, die der Vermieter im Kündigungsschreiben genannt hat.
402
dd) Hinweis auf Widerspruchsrecht: Kündigt der Vermieter von Wohnraum, so soll er gem. § 568 Abs. 2 BGB den Mieter auf die Möglichkeit des Widerspruchs nach §§ 574 bis 574b BGB („Sozialklausel“) sowie auf Form und Frist des Widerspruchs hinweisen. Der Vermieter muss das also nicht tun, sieht sich aber bei Unterlassung einer verlängerten Widerspruchsfrist des Mieters ausgesetzt (§ 574b Abs. 2 S. 2 BGB).486
403
ee) Widerspruch gegen stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses: Der Vermieter sollte in seinem Kündigungsschreiben aus 194Gründen der Vorsicht ausdrücklich einer Verlängerung des Mietverhältnisses gem. § 545 BGB widersprechen.487
404
ff) Zugang des Kündigungsschreibens: Es empfiehlt sich, aus Gründen der Beweisbarkeit Kündigungen per Einschreiben mit Rückschein oder noch besser durch Boten zustellen zu lassen. Der Bote kann dann auf einem Durchschlag des Kündigungsschreibens vermerken: „Original dieses Schreibens habe ich heute bei Frau/Herrn … in den Briefkasten eingeworfen. (Datum, Unterschrift).“ In einem späteren Räumungsprozess ist der Bote dann Zeuge für den Zugang der Kündigung.
405
Wer ganz sichergehen will, kündigt in der Klageschrift einer Räumungsklage ausdrücklich nochmals aus den in der Räumungsklage genannten Gründen. Alle bei Gericht eingereichten Exemplare der Klageschrift sollten in diesem Fall unterschrieben sein, damit das Exemplar, das letztlich dem Mieter zugestellt wird, die Schriftform der Kündigung wahrt.488
406
Kündigungsfristen gelten – wie der Name schon sagt – zunächst für die fristgemäße Kündigung, die auch „ordentliche“ Kündigung genannt wird. Daneben gibt es noch die außerordentliche (fristgemäße oder fristlose) Kündigung. Die Kündigungsfristen sind je nach Art des Mietverhältnisses unterschiedlich. In diesem Kapitel werden die Kündigungsfristen für Wohnraummietverhältnisse behandelt. Die Spezialregelungen für andere Mietverhältnisse werden unter Rn. 2. 590 erwähnt.
407
aa) Mietvertrag über mehr als 30 Jahre: Zunächst bestimmt § 544 BGB, dass ein Mietvertrag, der für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen worden ist, von jeder Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann. Die Kündigung ist allerdings unzulässig, wenn der Vertrag für die Lebenszeit des Vermieters oder des Mieters geschlossen worden ist. § 544 BGB betrifft allerdings nicht den Fall, dass ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag dann im weiteren Verlauf länger als 30 Jahre andauert (hier gelten die allgemeinen Regeln für die Kündigung489). Auch bei einem – 195auf den ersten Blick – auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag gilt § 544 BGB allerdings dann, wenn im Vertrag das Kündigungsrecht einer Vertragspartei für mehr als 30 Jahre ausgeschlossen oder wenn die Kündigung zwar formal möglich ist, aber durch die Vertragsgestaltung insgesamt unzumutbar erschwert wird.
408
bb) Ordentliche Kündigung: Für Wohnraum beträgt die Kündigungsfrist gem. § 573c Abs. 1 BGB für den Mieter einheitlich drei Monate, gleichgültig, wie lange das Mietverhältnis besteht. Für den Vermieter gilt zunächst auch diese dreimonatige Kündigungsfrist, jedoch verlängert sich die Kündigungsfrist nach Ablauf bestimmter Zeiten um jeweils drei weitere Monate: Nach fünf Jahren seit der Überlassung des Wohnraums beträgt sie sechs, nach acht Jahren neun Monate.490
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Die Kündigung mit dreimonatiger Kündigungsfrist muss spätestens am dritten Werktag des ersten Monats für den Ablauf des übernächsten (= dritten) Monats erfolgen.491,492 Die Kündigung muss bis zum dritten Werktag zugehen. Wenn die Kündigung z. B. am dritten Werktag abgeschickt wird und erst am fünften Werktag zugeht, heißt das aber nicht, dass die Kündigung damit ganz unwirksam ist. Sie wirkt vielmehr dann automatisch für den nächstmöglichen Termin493, also im Beispiel einen Monat später. Für die nur für den Vermieter geltenden sechs- und neunmonatigen Kündigungsfristen gilt das entsprechend.
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In Abweichung von den oben genannten Fristen ist gem. § 573c Abs. 3 BGB für beide Vertragsparteien eine Kündigung spätestens am Fünfzehnten eines Monats zum Ablauf dieses Monats zulässig bei Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt. In diesem Fall kann der Vermieter also mit der dort genannten kurzen Frist fristgemäß kündigen, ohne dass es eines besonderen Kündigungsgrunds bedarf. Beispiel für eine insoweit zulässige Kündigung: Vermietung eines möblierten Zimmers in der vom Vermieter selbstgenutzten Wohnung an eine Einzelperson. Von diesen Fristen (§ 573c Abs. 1 und 3 BGB) kann auch nicht 196durch Vereinbarung zum Nachteil des Mieters abgewichen werden, § 573c Abs. 4 BGB. Eine abweichende Vereinbarung zu Gunsten des Mieters ist dagegen gültig. Lediglich bei Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist, kann gem. § 573c Abs. 2 BGB eine kürzere Kündigungsfrist für beide Seiten wirksam vereinbart werden.
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cc) Außerordentliche fristgemäße Kündigung: § 573d BGB befasst sich mit der außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist bei unbefristeten Mietverhältnissen. Eine wortgleiche Regelung trifft § 575a Abs. 1 BGB auch für den Fall, dass ein befristetes Mietverhältnis (Zeitmietvertrag nach § 575 BGB) außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt wird. Dies gilt für die Fälle, in denen im Gesetz bei dem jeweiligen Kündigungsrecht ausdrücklich bestimmt ist, dass die Kündigung „außerordentlich mit der gesetzlichen Frist“ erfolgen kann. Dies ist z. B. der Fall in
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Nach § 573d BGB gelten für diese Kündigungsart die §§ 573 und 573a BGB entsprechend. Das heißt, auch bei den außerordentlichen Kündigungen mit gesetzlicher Frist braucht der Vermieter einen wichtigen Grund im Sinne des § 573 BGB, kann aber leichter kündigen, wenn es sich um eine Wohnung in einem vom Vermieter selbstbewohnten Gebäude mit nur zwei Wohnungen handelt.494 Da bei einer Kündigung des Vermieters gegenüber den nicht in der Wohnung lebenden Erben des verstorbenen Mieters kein Grund für einen Kündigungsschutz der Erben besteht, gelten die §§ 573 und 573a BGB gem. § 573d BGB insoweit nicht, obwohl das Gesetz auch bei dieser Kündigung in § 564 BGB von einer außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist spricht.
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197Die Kündigungsfristen für Kündigungen, in denen das Gesetz ausdrücklich eine „außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist“ zulässt, sind in § 573d Abs. 2 BGB geregelt. Diese Fristen gelten auch in dem Fall, dass ein befristetes Mietverhältnis (Zeitmietvertrag gem. § 575 BGB) außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt wird, § 575a Abs. 3 BGB. Danach ist eine Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Wie immer gilt auch hier, dass es keine Regel ohne Ausnahmen gibt: Bei Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbstbewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt, ist die Kündigung bis spätestens am 15. eines Monats zum Ablauf dieses Monats zulässig. Gem. § 573d Abs. 2 S. 2 BGB gilt für außerordentliche Kündigungen mit gesetzlicher Frist die in § 573a Abs. 1 S. 2 BGB angeordnete Verlängerung der Kündigungsfrist nicht.
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Wird ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbstbewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen nicht gem. § 573a BGB mit eben der Begründung gekündigt, dass es sich um eine solche Wohnung handelt, sondern aus einem (anderen) Grund, für den das Gesetz eine „außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist“ zulässt, so gilt gem. § 573d Abs. 2 S. 2 BGB die in § 573a Abs. 2 BGB angeordnete Verlängerung der Kündigungsfrist nicht, sondern ausschließlich die in § 573d BGB für außerordentliche Kündigungen mit gesetzlicher Frist bestimmte Frist. Denn in diesen Fällen besteht für die in § 573a Abs. 2 BGB angeordnete Verlängerung der Kündigungsfrist keine Veranlassung, weil die Kündigung gerade nicht wegen der speziellen Eigenschaft der Wohnung in einem vom Vermieter bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen und damit auch nicht unter den in § 573a BGB genannten erleichterten Voraussetzungen erfolgt.
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aa) Außerordentliche fristlose Kündigungen: Für eine außerordentliche fristlose Kündigung muss stets ein wichtiger Grund vorliegen. Willkürliche, grundlose fristlose Kündigungen können weder vom Mieter noch vom Vermieter vorgenommen werden. Fristlose Kündigungen werden meist vom Vermieter ausgesprochen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schwerwiegend nicht mehr erfüllt. Die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist in § 543 BGB geregelt. Diese Bestimmung betrifft alle Mietverhältnisse. § 569 BGB enthält speziell für Wohnraummietverhältnisse Ergänzungen dazu.
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(1) Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund: § 543 Abs. 1 BGB bestimmt:
Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
§ 543 Abs. 1 BGB gibt also bei sehr schwerwiegenden Vertragsverstößen das Recht zur fristlosen Kündigung. Wichtig ist, dass § 543 Abs. 1 BGB eine umfassende Interessenabwägung fordert, in die alle Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen von Vermieter und Mieter einzustellen sind. Wichtig ist auch, dass eine „schuldhafte“ Pflichtverletzung nicht erforderlich ist.
BEISPIEL: Der geisteskranke Mieter steckt das Haus an. Zwar handelt der Mieter schuldlos, aber der Grund ist auch ohne Verschulden so schwerwiegend, dass das Mietverhältnis fristlos gekündigt werden kann. Ein Problem könnte in diesen Fällen allerdings daraus entstehen, dass Geisteskranke nach § 104 Abs. 2 BGB geschäftsunfähig sind. Die Kündigung sollte daher gem. § 131 Abs. 1 BGB auch gegenüber einem ggf. bestellten Pfleger des Mieters erfolgen.
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199Liegt jedoch sogar ein Verschulden vor, ist die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend eher bzw. leichter zu bejahen.495
BEISPIEL: Der Mieter einer Wohnung macht ein Büro oder eine Praxis oder – auch das kommt schon mal vor – ein Bordell daraus. Oder der Mieter einer Wohnung vermietet – ohne Zustimmung des Vermieters – die Wohnung zimmerweise an Dritte, um so einen kräftigen „Schnitt“ zu machen.
GEGENBEISPIEL: Kein Grund von der in § 543 Abs. 1 BGB geforderten Gewichtigkeit dürfte heutzutage das Zusammenleben in „wilder Ehe“ sein.
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(2) Fristlose Kündigung wegen Zerrüttung: Ein weiterer wichtiger Grund im o. g. Sinne liegt auch vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Vermieter und Mieter endgültig zerstört (zerrüttet) ist.496 Wenn der Vermieter seine Kündigung nur auf diesen Kündigungsgrund stützen will oder kann, ist eine besonders sorgfältige Begründung erforderlich. In der Regel wird die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses sich nicht an einem einzigen Ereignis festmachen lassen, sondern aus einer Vielzahl von Begebenheiten resultieren, möglicherweise teilweise verschuldet und teilweise unverschuldet, die erst in ihrer Gesamtheit die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar machen. Gerade bei dem hier behandelten Fall besteht die Möglichkeit, dass das Gericht in einem eventuellen Räumungsrechtsstreit zu der Überzeugung gelangt, dass das Mietverhältnis letztlich beendet werden muss, dass die Gründe aber – zumal wenn nur ein geringes Verschulden des Mieters vorliegt – nicht so schwerwiegend sind, dass sie für eine fristlose Kündigung ausreichen. Ein Vermieter, der fristlos kündigen will, aber nicht weiß, ob seine Gründe insoweit ausreichen (oder vom Gericht als solche anerkannt werden), sollte vorsichtshalber so formulieren:497
Hiermit kündige ich das Mietverhältnis betr. die Wohnung in der …straße, 2. Obergeschoss, fristlos mit sofortiger Wirkung, weil … (Gründe nennen!).
Hilfsweise kündige ich gleichzeitig aus den oben genannten Gründen fristgemäß zum ….
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200(3) Abmahnung und Kündigungszeitpunkt: Auch bei einem wichtigen Grund, der zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt, kann diese aber in vielen Fällen nicht sofort ausgesprochen werden. Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist gem. § 543 Abs. 3 BGB die Kündigung erst nach Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Die Abmahnung ist sozusagen ein „Schuss vor den Bug“. Die Abmahnung muss der Vermieter immer an den Mieter richten. Wenn also der Mieter z. B. unbefugt den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlässt, muss der Vermieter den Mieter abmahnen, nicht den Dritten. Einer Fristbestimmung oder Abmahnung bedarf es allerdings gem. § 543 Abs. 3 BGB nicht, wenn
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So ist bei der „Zerrüttungskündigung“498 wegen Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich, weil die Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte.499 Die sofortige fristlose Kündigung dürfte auch z. B. in Fällen berechtigt sein, bei denen ein Handeln vorliegt, dem eine Abmahnung gar nicht vorausgehen konnte, und das bereits so – ggf. schuldhaft – schwerwiegend war, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob es sich in der Zukunft fortsetzt oder wiederholt.
BEISPIELE:
201In all diesen Fällen kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalls an!
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Wichtig ist bei einer außerordentlichen Kündigung, dass die Reaktion (also die Abmahnung bzw.500