Andrew Lane
Young Sherlock Holmes
Nur der Tod ist umsonst
Aus dem Englischen von Christian Dreller
FISCHER E-Books
Andrew Lane ist der Autor von mehr als zwanzig Büchern, unter anderem Romanen zu bekannten TV-Serien wie ›Doctor Who‹ und ›Torchwood‹. Einige davon hat er unter Pseudonym veröffentlicht. Andrew Lane lebt mit seiner Frau, seinem Sohn und einer riesigen Sammlung von Sherlock-Holmes-Büchern in Dorset.
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Umschlaggestaltung und -abbildung: bürosüd°, München nach einer Idee von HildenDesign
Deutsche Erstausgabe
Erschienen bei FISCHER FJB
Die englische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel ›Young Sherlock Holmes – Fire Storm‹ bei Macmillan Children’s Books, London, England
Copyright © Andrew Lane 2011
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2013
Lektorat: Lana Schmitz
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402719-7
In Andenken an meinen Vater, Jack Lane, der von uns gegangen ist, während dieses Buch entstand. Ruhe in Frieden, Dad.
Und mit dankbarer Anerkennung an: die reizenden Leute vom Scottish Children’s Book Trust (die mir sozusagen die Idee gaben, ein Buch in Edinburgh spielen zu lassen, ohne das jemals explizit so zu sagen); die netten Typen von der Book Zone for Boys in Irland (die es vermutlich ebenfalls verdient hätten, dass dort einmal die Handlung eines Buches angesiedelt wird); Helen Palmer für die Erwähnung von Mary King’s Close; Polly Nolan für ihr so umfassendes und einfühlsames Lektorat; Nathan, Jessica und Naomi Gay für ihr großes Interesse und Jessica Dean, die Sorge dafür getragen hat, dass diese Buchreihe so hochgradig wahrgenommen wird.
Mit ruhigen Fingern hielt der kleine Chinese die Nadel und tauchte deren Spitze in die Tintenflasche, die vor ihm auf dem Tisch stand. Neben der Flasche ruhte der Unterarm des Seemanns, der ihm gegenüber am Tisch saß. Ein gewaltiger Unterarm, riesig wie ein Schweineschinken auf einem Metzgerblock.
»Du auch wirklich blauen Anker wollen?«, fragte der Chinese. Sein Name lautete Kai Lung. Sein Gesicht war vom Alter zerfurcht, und der Haarzopf, der auf seinem Rücken hinabhing, hatte die Farbe von grauer Asche.
»Das hab’ ich doch gesagt, oder?«, antwortete der Seemann. »Ich will ’n Anker! Weil ich auf’m Schiff lebe. Und auf’m Schiff arbeite.«
»Ich auch eine Fisch machen könnte«, versuchte Kai Lung mit leiser Stimme sein Glück. Anker waren leicht. Und langweilig. Es kam ihm vor, als würde er die Hälfte seines Lebens damit verbringen, blaue Anker auf muskulöse Seemannsunterarme zu tätowieren, mit der einzigen Abwechslung, dass darunter manchmal noch der in einem hübschen Schriftband prangende Name der Liebsten erwünscht war. Das eigentliche Problem jedoch bestand darin, dass er die andere Hälfte seines Lebens damit zu verbringen schien, die eintätowierten Namen ehemaliger Liebster wieder in andere Dinge zu verwandeln, wie Stacheldraht zum Beispiel oder Blumen oder irgendetwas eben, womit sich die darunterliegenden Buchstaben kaschieren ließen. »Eine wunderhübsche Fisch ich könnte dir machen. Eine Goldfisch vielleicht, mit Schuppen, die leuchten in allen Farben von Regenbogen. Wie gefallen dir Idee? Eine Fischtätowierung … das wär doch was für Seemann, oder?«
»Ich will ’n Anker«, beharrte der Mann stur.
»Ja. Schön. Einen Anker also.« Er seufzte. »Du haben im Kopf spezielle Art von Anker? Oder bloß das Übliche?«
Der Seemann runzelte irritiert die Stirn. »Wie viele Ankertypen gibt’s denn so?«
»Also das Übliche.«
Der Chinese schickte sich an, den ersten Stich auf dem Arm des Seemanns zu setzen. Die Tinte würde in die Einstichstelle rinnen und dabei die tieferen Hautschichten einfärben. Während sich die Oberflächenhaut im Laufe der Zeit verändern und entweder blasser oder brauner werden würde, würde die Tinte für immer dort an ihrem Platz bleiben: unter der Haut. Mit genügend kleinen Nadelstichen und unterschiedlichen Tintenfarben konnte er alles Mögliche zeichnen: einen Fisch, einen Drachen … oder auch einen blauen Anker. Einen weiteren blauen Anker.
In diesem Moment ließ ein harter Stoß von draußen die Tür auffliegen. Sie krachte so heftig gegen die Wand, dass der Türgriff eine Delle im unverputzten Mauerwerk hinterließ. Ein Mann stand im Türrahmen. Er war so groß und breit, dass weder zu beiden Seiten seines Körpers noch über dem kahlgeschorenen Kopf viel Platz blieb. Seine grobe Kleidung war verschmutzt und sah aus, als wäre er in ihr schon eine geraume Weile herumgereist. Vermutlich hatte er sogar in ihr geschlafen.
»Du«, knurrte er mit amerikanischem Akzent und starrte den Seemann an. »Raus!« Mit einem Ruck wies sein Daumen über die Schulter zurück, für den Fall, dass die Aufforderung womöglich nicht eindeutig genug gewesen war.
»He, ich hab ’nen Termin!« Der Seemann stand auf, ballte kampfbereit die Fäuste und machte einen Schritt auf den Eingang zu. Da trat der Mann, der die Tür aufgestoßen hatte, einen Schritt vor.
Der Kopf des Seemanns reichte ihm nicht einmal bis zum Kinn. Ohne den Blick von den Augen des Seemanns zu lösen, packte er mit der Linken die Metallklinke an der Außenseite der Tür. Dann drückte er zu. Einen Moment lang passierte gar nichts. Aber dann nahm Kai Lung betrübt wahr, wie sich die Klinke unter dem enormen Druck verformte und verbog. Innerhalb von Sekunden sah sie eher wie ein zusammengeknülltes Blatt Papier aus als etwas, das aus Metall bestand.
»Ach, is’ ja gut«, sagte der Seemann. »Gibt ja noch andere Tattoo-Buden in der Gegend.«
Der Neuankömmling rückte ein wenig zur Seite, und der Seemann schob sich an ihm vorbei, ohne sich noch einmal umzusehen.
»Du mir Kunden vergrault«, beschwerte sich Kai Lung. Er hatte keinerlei Angst vor dem Fremden. Er war so alt und hatte in seinem langen Leben so viel gesehen, dass es nichts mehr gab, vor dem er sonderlich Angst hatte. Der Tod war mittlerweile ein alter Freund für ihn geworden. »Ich hoffe, du mir anderen Kunden als Ersatz bringen.«
Der Mann trat aus dem Türrahmen zurück, um vollends den Weg freizugeben, und ein anderer Mann betrat den winzigen Vorraum von Kai Lungs Wohnung. Er war kleiner und besser gekleidet als sein Herold und hielt einen Gehstock in der Hand. Eine Kältewelle schien mit ihm in den Raum gekommen zu sein. Eine seltsame Empfindung durchfuhr Kai Lung, und er brauchte einen Moment, um darauf zu kommen, was es war.
Angst. Es war Angst.
»Sie wollen Tätowierung?«, sagte er, bemüht, ein Beben in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Ich hätte gern ein Tattoo auf der Stirn«, erwiderte der Mann. Auch er hatte einen amerikanischen Akzent. »Es handelt sich um einen Namen. Einen Frauennamen.« Seine Stimme war ruhig und klang präzise. Das hinter ihm scheinende Licht hüllte sein Gesicht in Schatten. Doch das matte Licht von Kai Lungs Öllampe brachte den Knauf seines Gehstocks zum Leuchten. Einen Moment lang meinte Kai Lung, es handelte sich um einen großen, rauen Klumpen aus purem Gold. Doch dann sog er verblüfft die Luft ein, als er plötzlich erkannte, um was es sich handelte. Der Knauf hatte die Gestalt eines Totenkopfes.
»Sie wollen Namen von Liebsten auf Stirn?«, fragte Kai Lung fassungslos. »Die meisten wollen Namen von Liebsten auf Arm oder vielleicht Brust – nah am Herzen.«
»Das Mädchen ist nicht meine ›Liebste‹«, stellte der Mann klar. Seine Stimme klang immer noch ruhig, immer noch präzise. Aber tief in ihr verborgen lag ein Ton, der Kai Lung erzittern ließ. »Und ja, ich will ihren Namen auf die Stirn tätowiert haben. Nah an meinem Hirn, so dass ich mich immer an ihn erinnern kann. Und besser, Sie arbeiten akkurat. Ich toleriere keine Fehler.«
»Ich bester Tätowierer in ganzer Stadt!«, sagte Kai Lung stolz.
»Das ist das, was ich gehört habe. Deswegen bin ich hier.«
Kai Lung seufzte. »Wie ist Name von Mädchen?«
»Ich habe ihn aufgeschrieben. Kannst du Englisch lesen?«
»Ich können sehr gut lesen.«
Der Mann streckte die linke Hand aus und hielt ihm einen Zettel entgegen. Kai Lung nahm ihn vorsichtig in die Hand und versuchte dabei, nicht die Haut des Mannes zu berühren. Er blickte auf den Namen, der auf dem Zettel stand.
Er hatte keinerlei Probleme, die in akkurater Handschrift geschriebenen Worte zu entziffern.
»Virginia Crowe«, las er laut. »Ist das richtig?«
»Absolut richtig.«
»Welche Farbe Sie wollen?«, fragte Kai Lung in der Erwartung, dass der Mann »Blau« sagen würde. Aber er sollte sich täuschen.
»Rot«, sagte der Mann. »Ich will es in Rot. Rot wie Blut.«
»Aufhören!«, rief Rufus Stone. »Du machst mich noch fertig!«
Sherlock hob den Bogen von den Violinensaiten. »Nur nicht so melodramatisch.«
»Ich bin nicht melodramatisch. Noch ein paar Sekunden länger, und mir wäre der Kopf geplatzt. Was vielleicht auch nicht schlecht gewesen wäre. Dann müsste ich wenigstens dieses Katzengejammer nicht mehr ertragen.«
Sherlock hatte das Gefühl, als würde sein Selbstbewusstsein wie ein Laubblatt im Herbst dahinwelken. »So mies war es nun auch wieder nicht«, protestierte er.
»Genau das ist dein Problem«, sagte Stone. »Dass du nämlich gar nicht weißt, worin dein Problem besteht. Und wenn dir das nicht klar ist, kannst du auch nichts daran ändern.«
Er rieb sich den Nacken und stolzierte ein paar Schritte davon, offensichtlich von der verzweifelten Frage gequält, wie man Sherlock nur unmissverständlich klarmachen konnte, was er falsch machte. Stone trug ein lose sitzendes, gestreiftes Hemd, dessen Ärmel er grob aufgekrempelt hatte, und eine Weste, die offensichtlich von einem ordentlichen Anzug stammte. Seine Hose jedoch war aus rauem Cord, und die Stiefel bestanden aus abgewetztem Leder. Schließlich wandte er sich abrupt um und musterte Sherlock einen Augenblick lang. In seinem Gesicht lag ein Ausdruck tiefster Verblüffung – gepaart mit etwas, bei dem es sich, wie Sherlock beklommenen Herzens feststellte, um Enttäuschung handelte.
Sherlock wandte sich ab. Er wollte diesen Ausdruck einfach nicht in dem Gesicht des Mannes sehen, der für ihn sowohl ein Freund als auch so etwas wie ein älterer Bruder geworden war.
Willkürlich ließ er den Blick im Raum umherschweifen, um Stone nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie befanden sich auf dem Dachboden eines alten Gebäudes in Farnham. Stone hatte in der Etage darunter ein Zimmer gemietet. Doch da seine Vermieterin einen Narren an ihm gefressen hatte, gestattete sie ihm, auf dem weiträumigen Dachboden Violine zu üben – und dort auch seinen bisher einzigen Schüler zu unterrichten.
Der Raum war groß und staubig. Sonnenstrahlen, die durch Lücken zwischen den Dachziegeln drangen, formten diagonale Pfeiler aus Licht. Fast wirkte es, als würden sie die Dachkonstruktion ebenso tragen wie ihre realen Pendants aus Holz. Laut Stone war die Akustik sogar noch etwas schlechter als in einer Scheune, aber immerhin bedeutend besser als in seinem Zimmer. Die niedrigen Wände waren von Kisten- und Kofferstapeln gesäumt, und durch eine Bodenluke etwas weiter abseits gelangte man über eine Leiter in die oberste Etage hinunter. Den einen Arm um den Violinenkoffer gekrampft, war es etwas knifflig, da hinauf- und hinunterzukraxeln, doch Sherlock gefiel die Abgeschiedenheit des Dachbodens und das Gefühl von Weite, das dieser vermittelte.
Eines Tages, dachte Sherlock, werde ich einen eigenen Ort zum Leben haben – einen Platz, an dem ich mich vor der Welt zurückziehen und nicht gestört werden kann. Und ich werde niemanden hineinlassen.
Ein paar Tauben ließen sich flatternd auf dem Dach nieder und blockierten einen Augenblick lang das Sonnenlicht. Kälte strömte von draußen herein, eisige Finger frostiger Luft, die sich ihren Weg durch die Lücken zwischen den Dachziegeln bahnten.
Er seufzte. Die Violine fühlte sich auf einmal schwer und irgendwie klobig an, fast als hätte er zum allerersten Mal eine in den Händen. Auf dem Notenständer vor ihm war die Partitur eines Stückes von Mozart ausgebreitet: eine Violinen-Bearbeitung einer – so Stone – berühmten Arie der Königin der Nacht namens Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen aus Mozarts Oper Die Zauberflöte. Was Sherlock betraf, so waren die zwischen den Linien gebannten schwarzen Noten für ihn so etwas wie ein Code. Ein Code allerdings, den er rasch zu entschlüsseln gelernt hatte, handelte es sich doch um nichts anderes als eine simple monoalphabetische Substitution. Ein schwarzer Klecks auf jener Linie bezeichnete stets einen Ton, der sich exakt so anhörte – es sei denn, es befand sich eine kleine Raute, das »Kreuz«, davor, die ihn um einen Halbton erhöhte, beziehungsweise ein kleines, schräg gestelltes »b«, welches ihn um einen Halbton vertiefte. Ein Kreuz oder ein »b« bezeichneten also entweder die Mitte zum nächst höheren oder nächst tieferen Ton. Das war einfach und leicht verständlich. Warum also konnte er die geschriebenen Noten dann nicht in etwas verwandeln, dem Stone, ohne sich vor Schmerzen zu winden, zuhören konnte?
Sherlock wusste, dass er nicht so schnell Fortschritte machte, wie Stone es sich gewünscht hätte, und das ärgerte ihn. Am liebsten wäre er in der Lage gewesen, das Instrument einfach so ohne weiteres aufzunehmen, um gleich beim ersten Mal und dann immer wieder wunderschön darauf zu spielen. Doch bedauerlicherweise war das Leben nicht so. Aber das sollte es, dachte er trotzig. Er erinnerte sich, dass er das Gleiche beim Piano empfunden hatte, das im Haus seiner Eltern stand. Stundenlang hatte er daran gesessen und herauszubekommen versucht, warum er nicht einfach drauflosspielen konnte. Das Gute an einem Piano war doch schließlich dessen unerbittliche Logik: Man drückte einfach eine Taste, und eine Note erklang.
Dieselbe Taste brachte unweigerlich jedes Mal denselben Ton hervor. Man musste sich nur daran erinnern, welche Taste welchen Ton erzeugte, dann sollte man doch wohl auch imstande sein zu spielen. Das Problem war nur, dass, ungeachtet wie sehr er über all das nachgedacht hatte, er es niemals zustande gebracht hatte, sich einfach ans Piano zu setzen und so zu spielen, wie seine Schwester es vermochte: fließend und wunderschön wie ein in der Sonne golden funkelnder Fluss.
Vier Saiten! Die Violine hatte nur vier Saiten! Wie schwer konnte das schon sein?
»Das Problem«, begann Stone plötzlich, während er sich umwandte und Sherlock anstarrte, »ist, dass du die Noten spielst und nicht die Melodie.«
»Das ergibt überhaupt keinen Sinn«, verteidigte sich Sherlock.
»Das ergibt absolut Sinn«, seufzte Stone. »Die einzelnen Bäume sind nicht der Wald. Der Wald besteht aus allen Bäumen zusammengenommen, plus dem Unterholz, den Tieren, den Vögeln und sogar der Luft. Nimm all das weg, und dir bleibt nur noch eine Ladung Holz – leblos, ohne Gefühl, ohne Atmosphäre.«
»Und woher kommt dann das Gefühl in der Musik?«, fragte Sherlock niedergeschlagen.
»Nicht von den Noten.«
»Aber außer denen steht doch nichts auf dem Papier!«, protestierte Sherlock.
»Dann füge etwas von dir selbst hinzu. Zum Beispiel ein paar Gefühle.«
»Aber wie?«
Stone schüttelte den Kopf. »Es geht um die kleinen Lücken, die man einbaut: Pausen, subtile Betonungen, leichte Beschleunigungen und Verzögerungen. So entstehen die Gefühle.«
Sherlock wies auf das Musikstück auf dem Notenständer. »Aber das steht da nicht drin! Hätte der Komponist gewollt, dass ich irgendwo schneller oder langsamer spiele, hätte er es in die Noten geschrieben.«
»Hat er«, stellte Stone klar. »Auf Italienisch. Das ist aber nur eine Orientierungshilfe. Wie du das Stück spielen willst, musst du selbst entscheiden.« Wieder seufzte er. »Das Problem ist, dass du dabei wie an eine Mathematik- oder Grammatikaufgabe herangehst. Du möchtest alle Fakten vor dir ausgebreitet sehen und denkst, deine Aufgabe besteht darin, alles zusammenzusetzen. Aber so funktioniert Musik nicht. Musik erfordert Interpretation. Sie will, dass du etwas von dir selbst mit hineinlegst.« Er hielt inne und versuchte, die richtigen Worte zu finden. »Jedes Spiel ist in Wirklichkeit ein Duett zwischen dir und dem Komponisten. Den Hauptteil hat er beigesteuert, aber du musst die letzten zehn Prozent hinzufügen. Es ist wie der Unterschied zwischen dem Vorlesen oder dem Nachspielen einer Geschichte.« Den verzweifelten Ausdruck in Sherlocks Gesicht wahrnehmend, fuhr er fort: »Schau mal, hast du jemals erlebt, wie der Schriftsteller Charles Dickens eine seiner Geschichten vor Publikum gelesen hat? Mach das mal – das Eintrittsgeld ist es wert. Er verleiht jeder Figur eine eigene Stimme, tigert auf der Bühne auf und ab, liest an den spannenden Stellen plötzlich schneller und auf eine Weise, als hätte er sie noch nie zuvor gelesen, und er scheint genauso wie das Publikum begierig darauf zu sein, zu erfahren, was gleich passiert. So solltest du Musik spielen – als ob du sie noch nie zuvor gehört hast.« Er schwieg und verzog das Gesicht. »In einer positiven Art, meine ich natürlich. Das Problem bei dir ist, dass du die Melodie spielst, als ob du sie noch nie zuvor gehört hast und versuchst, sie beim Spielen herauszufinden.«
Das traf so ziemlich den Nagel auf den Kopf, fand Sherlock.
»Soll ich lieber aufgeben?«, fragte er.
»Niemals!«, erwiderte Stone heftig. »Du darfst nie aufgeben. Egal worum es geht.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein langes Haar. »Vielleicht bin ich das Ganze falsch angegangen. Lass uns einen anderen Weg versuchen. Also gut, du näherst dich der Musik, als hättest du es mit einem mathematischen Problem zu tun – na schön, dann sehen wir uns doch mal nach Komponisten um, die mathematische Elemente in ihre Musik hineingeschrieben haben.«
»Gibt es denn welche?«, fragte Sherlock zweifelnd.
Stone dachte einen Augenblick nach. »Lass mich überlegen. Johann Sebastian Bach war überaus bekannt dafür, mathematische Tricks und Codes in seine Melodien zu integrieren. Wenn du dir sein sogenanntes Musikalisches Opfer anschaust, so enthält es Passagen, die Spiegelbilder ihrer selbst sind. So ist zum Beispiel die erste und die letzte Note identisch, ebenso wie die zweite und die zweitletzte und so weiter und so weiter bis hin zur Stückmitte.«
»Wow.« Die Kühnheit der Idee verblüffte Sherlock. »Und trotzdem funktioniert es noch als Musik?«
»Oh, ja. Bach war ein großartiger Komponist. Seine mathematischen Tricks lenken nicht von der Musik ab, sondern vervollkommnen sie.« Stone lächelte, als er erkannte, dass er endlich Sherlocks Aufmerksamkeit errungen hatte. »Ich bin keineswegs ein Bach-Experte. Aber wie ich gehört habe, gibt es ein weiteres Stück von ihm, das um eine Art mathematische Sequenz herum konstruiert ist und in dem auf Basis einer Gesetzmäßigkeit eine Zahl zur nächsten führt. Es hat einen italienischen Namen. Jetzt lass uns aber noch einmal unseren Mozart versuchen. Doch dieses Mal möchte ich, dass du etwas von den Gefühlen hineinlegst, über die wir gesprochen haben. Denke an sie, spüre sie und lass sie deine Finger führen.«
Sherlock brachte die Violine wieder an die Schulter und schmiegte sie in die Mulde zwischen Hals und Kinn. Er ließ die Finger der linken Hand über die Saiten am Sattel des Instrumentes gleiten und spürte, wie hart seine Fingerkuppen unter den unerbittlichen Lektionen Rufus Stones geworden waren. Dann hob er den Bogen und brachte ihn über den Saiten in Position.
»Fang an«, sagte Stone.
Sherlock starrte auf die Noten der vor ihm aufgeschlagenen Partitur. Doch statt den Versuch zu unternehmen, sie zu verstehen, ließ er diesmal seinen Blick durch sie hindurchgleiten, bemüht, die Seite als Ganzes zu betrachten und nicht jede einzelne Note als etwas Individuelles – ging es doch um den Wald und nicht die einzelnen Bäume. Er rief sich von seinem Spiel ein paar Minuten zuvor noch einmal ins Gedächtnis, um welche Noten es sich handelte, holte tief Luft und begann zu spielen.
Die nächsten Augenblicke schienen wie in einem Nebel zu verschwimmen. Seine Finger glitten von einer Saite zur nächsten und drückten sie, um die richtigen Töne zu erzeugen, noch einen Sekundenbruchteil bevor sein Gehirn ihnen überhaupt signalisierte, welches die richtigen waren. Es war, als wüsste sein Körper bereits, was zu tun war, so dass der befreite Geist über der Musik schweben und nach ihrer Bedeutung forschen konnte. Er versuchte, an das Stück zu denken, als würde es jemand singen, und ließ seine Violine zur Stimme werden – bei manchen Noten zögernd verweilend, bei anderen sich mit aller Macht auf sie stürzend, wie um ihre Wichtigkeit zu betonen.
Ohne dass er es überhaupt merkte, war er schließlich ans Ende der Seite gelangt.
»Bravo!«, rief Stone. »Nicht perfekt, aber besser. Du hast mich als Zuhörer wirklich davon überzeugt, dass du die Musik fühlst und nicht nur spielst.« Er wandte den Blick den schwindenden Sonnenstrahlen zu, die durch das Dach hereinfielen. »Lass uns an dieser Stelle aufhören: auf dem Höhepunkt sozusagen. Übe weiterhin deine Tonleitern. Aber ich möchte auch, dass du dich an einzelnen langgezogenen Tönen versuchst. Spiele sie auf unterschiedliche Weisen: traurig, fröhlich, zornig. Lass die Emotionen in die Musik einfließen, und sieh, wie sich das auf den Ton auswirkt.«
»Ich … ich bin nicht sehr gut, was Emotionen anbelangt«, gestand Sherlock mit leiser Stimme.
»Aber ich«, erwiderte Stone sanft. »Was bedeutet, dass ich dir helfen kann.« Für einen Moment legte er eine Hand auf Sherlocks Schulter und drückte sie, bevor er sie wieder fortnahm. »Jetzt aber los mit dir. Geh, triff dich mit diesem amerikanischen Mädchen, und verbring ein bisschen Zeit mit ihr.«
»Virginia?« Sein Herz pochte schneller bei dem Gedanken. Doch er war sich nicht sicher, ob nun Freude oder Panik der Grund dafür war. »Aber …«
»Kein Aber. Geh einfach und triff dich mit ihr.«
»In Ordnung«, sagte Sherlock. »Morgen um dieselbe Zeit?«
»Morgen um dieselbe Zeit.«
Er verstaute Violine und Bogen im Violinenkoffer, eilte halb kletternd, halb rutschend, über die Leiter in die oberste Etage hinab, um dann laut polternd die Treppe zum Erdgeschoss hinunterzustürmen. Stones Vermieterin – eine Frau in dessen Alter mit schwarzen Haaren und grünen Augen – kam aus der Küche geschossen und sagte irgendetwas, als er vorbeirannte, ohne dass er es genau mitbekam. Innerhalb von Sekunden war er draußen in der klaren kalten Luft.
In Farnham ging es genauso geschäftig zu wie stets: Die teils mit Kopfstein gepflasterten, teils matschig sandigen Straßen waren dichtgedrängt voll Menschen, die in den unterschiedlichsten Angelegenheiten kreuz und quer durcheinanderliefen.
Sherlock blieb einen Moment lang stehen, um die Szenerie in sich aufzunehmen – die Kleidung der Leute, ihre Gesten und Haltungen, die unterschiedlichen Pakete, Kisten und Taschen, die sie trugen –, und er versuchte, daraus seine Schlüsse zu ziehen. Jener Mann dort drüben zum Beispiel – der mit dem roten Ausschlag, der sich über seine Stirn zog. Er hielt ein Stück Papier in seiner Hand gekrallt, als hinge sein Leben davon ab. Sherlock wusste, dass in ein paar Gehminuten hinter dem Mann eine Arztpraxis lag; und direkt vor ihm befand sich eine Apotheke. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war er nach der Konsultation nun auf dem Weg, seine Medizin zu holen. Dann der Mann auf der anderen Straßenseite: gute Kleidung, aber unrasiert und triefäugig, und seine abgewetzten Schuhe starrten vor Schmutz. Ein Landstreicher vielleicht, der einen von einer Pfarrgemeinde gespendeten Anzug trug? Und was war mit der Frau, die gerade an ihm vorbeiging und mit einer Hand ihre Haare daran hinderte, in ihr Gesicht zu fallen? Ihre Hände sahen älter aus, als sie war: bleich und faltig, als kämen sie ständig mit Wasser in Berührung. Offensichtlich eine Wäscherin.
War es das, was Rufus Stone gemeint hatte, als er davon sprach, den Wald statt einzelner Bäume wahrzunehmen? Sherlock blickte nicht auf die Leute, als wären es einzelne Passanten, sondern sah gleichzeitig ihre Geschichten und möglichen zukünftigen Schicksale vor sich.
Angesichts der Dimensionen, die sich bei seinen Betrachtungen vor ihm auftaten, wurde ihm schwindlig. Doch dann war der Moment vorbei, und die Szenerie fiel wieder in eine simple Masse von Menschen in sich zusammen, die kreuz und quer auf den Straßen dahineilten.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte eine Stimme. »Einen Moment dacht’ ich, du wirst ohnmächtig.«
Sherlock wandte sich zur Seite und stellte fest, dass Matthew Arnatt – Matty – neben ihm stand. Der Junge war kleiner als Sherlock und ein oder zwei Jahre jünger. Eine Sekunde lang sah Sherlock nicht den Jungen, seinen Freund, in ihm, sondern eine lebende Ansammlung von Zeichen und Indizien. Nur eine Sekunde lang, und dann war er wieder Matty – der treue, zuverlässige Matty.
»Dann geht es Albert also nicht gut«, stellte Sherlock fest und bezog sich damit auf Mattys Pferd. Albert zog das Kanalboot, auf dem Matty lebte, wann immer es seiner Meinung nach an der Zeit war, in eine andere Stadt zu ziehen.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Matty.
»Du hast Heu am Ärmel«, stellte Sherlock fest. »Also hast du ihn mit der Hand gefüttert. Normalerweise aber lässt er sich einfach da das Gras schmecken, wo er gerade angepflockt ist. Du würdest kein Pferd mit der Hand füttern. Es sei denn, du machst dir Sorgen, dass es nicht richtig frisst.«
Matty hob eine Augenbraue. »Nur weil ich ihm manchmal gerne selbst sein Fressen gebe«, sagte er, »besteht kein Grund, so ein Trara zu machen. Für mich kommt Albert dem am nächsten, was man eine Familie nennt.« Er zuckte verlegen mit den Achseln. »Also verwöhn ich ihn gern mal mit was Besonderem.«
»Okay.« Sherlock prägte sich die Information für spätere Betrachtungen ins Gedächtnis ein. »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, fragte er schließlich.
»Hab’ dich spielen hören«, erwiderte Matty knapp. »Die ganze Stadt konnte das. Ich glaube, deswegen ist Albert auch der Appetit vergangen.«
»Witzig«, meinte Sherlock.
»Willste mit und sehen, ob wir was zum Mittag auftreiben? Auf dem Markt ist zu dieser Zeit immer jede Menge Zeugs übrig.«
Sherlock dachte einen Augenblick lang nach. Sollte er ein bisschen Zeit mit Matty verbringen oder lieber gleich weiter zu Virginia gehen?
»Kann nicht«, sagte er schließlich, als ihm plötzlich etwas einfiel. »Mein Onkel hat gesagt, ich soll zum Mittagessen zurück sein. Es geht um irgendeine alte Psalmensammlung, die er neulich erworben hat und die ich katalogisieren soll.«
»Oh, welch Freude«, sagte Matty. »Viel Spaß dabei.« Er lächelte. »Vielleicht könnte ich ja stattdessen mal nach Virginia sehen.«
»Und vielleicht könnte ich dich von einer Brücke mit dem Kopf voran ins Wasser tauchen«, erwiderte Sherlock.
Matty starrte ihn an. »Hab nur ’n Witz gemacht«, sagte er schließlich.
»Ich nicht.«
Sherlock bemerkte, wie Mattys Blick langsam die Straße zum Markt hinabglitt. »Los, geh schon«, sagte er daraufhin grinsend. »Schnapp dir ein paar alte Früchte und Pastetenbruch. Vielleicht sehen wir uns später. Oder sonst morgen.«
Matty warf ihm rasch ein dankbares Lächeln zu und flitzte davon. Sherlock blickte ihm nach, wie er sich durch die Menge schlängelte, bis er nicht mehr zu sehen war.
Eine Weile schlenderte Sherlock an der Straße entlang, die aus Farnham heraus zum Haus seiner Tante und seines Onkels führte.
Jedes Mal, wenn ein Pferdekarren vorbeikam, drehte er sich um und sah den Kutscher an. Aber die meisten mieden seinen Blick. Er nahm es nicht persönlich. Diese Prozedur hatte er lange genug praktiziert, um zu wissen, dass die Erfolgsrate bei ungefähr eins zu zwanzig lag. Doch schließlich schaute ein Kutscher zu ihm herunter und rief: »Wohin soll’s denn gehen, Jungchen?«
»Holmes Manor«, rief er zurück.
»Die haben keinen Bedarf für Gelegenheitsarbeiter.«
»Ich weiß. Ich … will bloß jemanden besuchen.«
»Dann kletter’ mal rauf. Ich fahr bei denen am Haupttor vorbei.«
Sherlock warf den Violinenkoffer auf den langsam weiterfahrenden Karren, kletterte hinterher und ließ sich in einen dicken Heuhaufen fallen. Er fragte sich, warum er immer noch nicht gern zugab, wo er lebte. Vielleicht weil er Angst hatte, die Leute könnten ihre Einstellung ihm gegenüber ändern, wüssten sie, dass seine Familie zum Landadel gehörte. Er fand es schlichtweg dumm, dass etwas so Simples wie ererbter Grundbesitz einen von den anderen Menschen abheben konnte. Wenn er erst einmal erwachsen war, würde er schon dafür sorgen, dass er niemals derartige soziale Unterschiede zwischen den Menschen machte.
Der Karren rumpelte ungefähr noch zwanzig Minuten auf der Straße dahin, als Sherlock schließlich herabsprang und dem Kutscher ein fröhliches »Danke« über die Schulter hinterherrief.
Er warf einen prüfenden Blick auf seine Uhr. Vor dem Mittagessen hatte er noch eine halbe Stunde: gerade genug Zeit, sich zu waschen und vielleicht das Hemd zu wechseln.
Das Mittagessen war – wie gewöhnlich – eine stille Angelegenheit. Sherlocks Onkel, Sherrinford Holmes, war damit beschäftigt, gleichzeitig zu essen, ein Buch zu lesen und mit seinem gewaltigen Bart dabei möglichst weder den Speisen noch seinen Texten in die Quere zu kommen.
Sherlocks Tante Anna hingegen gab einen fortwährenden Monolog zum Besten, in dem es zunächst um ihre Pläne für den Garten, diversen Klatsch über den lokalen Landadel und ihre Freude darüber ging, dass die beiden Zweige der Holmes-Familie wieder miteinander redeten, bevor sie dann schließlich der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass das Wetter im nächsten Jahr besser sein möge als das des gerade vergangenen. Ein- oder zweimal stellte sie Sherlock eine Frage, was er gerade so tat und wie es ihm ging. Aber als er zu antworten versuchte, stellte er fest, dass sie einfach weiterplapperte, ungeachtet dessen, was er antworten mochte. Also alles, wie gehabt.
Allerdings fiel ihm auf, dass Mrs Eglantine – die stets finster dreinblickende Hauswirtschafterin des Anwesens – durch ihre Abwesenheit glänzte. Die Dienstmädchen servierten das Essen mit der üblichen wortlosen Ehrerbietung. Doch der schwarz gekleidete Schemen, der normalerweise kaum auszumachen im einfallenden grellen Sonnenlicht am Fenster lauerte, fehlte. Er fragte sich kurz, wo sie wohl stecken mochte, bevor ihm in einem plötzlichen Freudengefühl bewusst wurde, dass es ihm schlicht und einfach egal sein konnte.
Sherlock beendete sein Mahl vor seiner Tante und seinem Onkel und bat schließlich, den Tisch verlassen zu dürfen.
»Das sei dir in der Tat gestattet«, erwiderte sein Onkel, ohne von seinem Buch aufzublicken. »Ich habe einen Stapel alter Predigten auf meinem Schreibtisch in der Bibliothek deponiert. Ich wäre dir dankbar, junger Mann, wenn du ihn in weitere Stapel nach Autoren sortierst und diese wiederum nach ihrem Entstehungsdatum ordnest. Ich will mich nämlich daranmachen«, erklärte er und hob kurz den Blick, um Sherlock unter seinen buschigen Brauen hervor zu mustern, »das Ausmaß und die Entwicklung des Schismas innerhalb der christlichen Kirche zu katalogisieren, unter besonderer Berücksichtigung der Kirche der Heiligen der letzten Tage in Amerika. Diese Predigten sollten sich für dieses Unterfangen als sehr nützlich erweisen.«
»Danke«, sagte Sherlock und verließ den Tisch.
In Onkel Sherrinfords Bibliothek roch es nach alten, vergilbten Büchern, Schimmel, Ledereinbänden und Pfeifentabak. Als sich die Tür hinter ihm schloss, empfand Sherlock die Stille, die hier herrschte, beinahe als etwas Physisches: ein regelrechter Druck, der sich auf die Ohren zu legen schien.
Auf Sherrinfords Schreibtisch türmten sich riesige Stapel loser Blätter verschiedenster Größe und Stärke. Bei einigen handelte es sich um mit Maschine geschriebene Texte, andere hingegen waren mit den verschiedensten Handschriften bedeckt, und ein Großteil war an der Seite mit Schleifen oder Schnüren zusammengebunden. Als er sich, nicht ohne ein leichtes Schaudern, auf Sherrinfords knarzendem Ledersessel niederließ, stellte Sherlock beklommen fest, dass die Stapel größer waren als er selbst und die Sicht auf den Rest der Bibliothek versperrten. Dies hier würde eine lange und mühselige Aufgabe werden. Er machte sich an die Arbeit. Auf den ersten Blick erschien der ganze Vorgang ziemlich simpel: Man nehme ein Manuskript vom nächstbesten Stapel, finde heraus, wer es wann geschrieben hat, und platziere es auf einem der Einzelstapel hinter sich auf dem Fußboden. Aber natürlich war es nicht so einfach wie gedacht. Einige der Predigten wiesen nirgends einen Autorennamen auf, andere waren nicht datiert, und wiederum auf anderen war weder ein Datum noch ein Name verzeichnet. Rasch wurde Sherlock klar, dass er seine Entscheidungen auf Basis anderer Anhaltspunkte treffen musste. Und zu diesen gehörte die Handschrift. Dem zerklüfteten und spinnwebartigen Schriftbild nach zu schließen, waren einige der Predigten ganz offensichtlich von derselben Person verfasst worden, und Sherlock konnte sie frohen Mutes alle auf einen Stapel legen. In anderen Predigten wurden bestimmte Orte erwähnt – normalerweise Kirchen was bedeutete, dass er sie zumindest derselben geographischen Region und somit wahrscheinlich auch derselben Person oder demselben Personenkreis zuordnen konnte. Nach einer Weile stellte er zudem fest, dass einige mit der Maschine geschriebenen Predigten dieselben Charakteristika aufwiesen – ein blasses »n« sowie ein teilweise nach oben verschobenes »a« was darauf schließen ließ, dass sie womöglich auf derselben Maschine getippt worden waren. Also legte er diese ebenfalls auf einen gesonderten Stapel. Er las die Predigten nicht wirklich komplett durch, hätte ihn dies doch wertvolle Zeit gekostet. Aber als er die Seiten überflog und nach Indizien bezüglich Urheberschaft und Entstehungszeit suchte, bekam er trotzdem ein paar Einzelheiten aus dem Inhalt mit: die Freuden und Leiden des Landlebens, die unerfüllte Sehnsucht nach Gottes Liebe, die detaillierte Darstellung von Dingen, die am Ende stets ungewiss blieben. Auch meinte er, allmählich ein Verständnis dafür zu erlangen, was die Persönlichkeit der Männer betraf, die die Predigten verfasst hatten: von Furcht vor dem ewigen Höllenfeuer geplagt, ernst und düster der eine, ein anderer ehrfurchtsvoll staunend angesichts der Schönheit von Gottes Schöpfung, ein dritter schließlich fokussiert auf Details und kleine Dinge, völlig blind für den großen Zusammenhang. Bei zumindest einem Verfasser handelte es sich seiner Vermutung nach um eine Frau, die die Predigten für ihren Ehemann geschrieben hatte.
Alles in allem hielt ihn die Arbeit gut zwei Stunden lang auf Trab, während der er ungestört blieb.
Nach einer Weile beschloss er, eine Pause zu machen, um den schmerzenden Rücken zu strecken. Er stand auf, entfernte sich ein paar Schritte vom Schreibtisch und staunte, dass die Papierstapel um keinen Deut geschrumpft zu sein schienen, ungeachtet der Tatsache, dass er mittlerweile vierzehn oder fünfzehn weitere Stapel auf dem Fußboden um den Schreibtisch herum aufgehäuft hatte.
Gedankenverloren wanderte Sherlock an den Bücherregalen entlang und ließ den Blick träge über die Buchrücken gleiten. Eine Weile lang war er sich nicht sicher, wonach er eigentlich suchte, ja nicht einmal, ob er überhaupt nach irgendetwas suchte. Aber dann fiel ihm ein, dass er einmal nachsehen könnte, ob sein Onkel irgendwelche Bücher über Bach oder Musik im Allgemeinen besaß. Vielleicht stieß er ja auf ein paar Informationen darüber, wie Komponisten die Mathematik in ihre Musik einfließen ließen. Obwohl Sherrinford Holmes seine Zeit damit verbrachte, für Vikare und Bischöfe im ganzen Land Predigten und andere religiöse Traktate zu verfassen, stellte seine Bibliothek weitaus mehr dar als eine Fundgrube christlich-religiöser Werke. Zu buchstäblich jedem Thema unter der Sonne besaß er eine ansehnliche Auswahl von Werken.
Und außerdem, so rief Sherlock sich ins Gedächtnis, war Johann Sebastian Bach ja in der Tat ein berühmter Komponist religiöser Musik gewesen. Mit Sicherheit hatte er eine Menge Stücke für Kirchenorgeln geschrieben, und Sherlock war ziemlich sicher, sowohl in der Deepdene-Schule für Jungen als auch in der Kirche am Ort den Namen des Komponisten auf verschiedenen Hymnen stehen gesehen zu haben. Es wäre also durchaus plausibel, dass ein Verfasser religiöser Traktate in seiner Sammlung auch Bücher über Bach besaß.
Sherlock drang tiefer in die im Schatten liegenden Reihen der Bücherregale vor und hielt nach allem Ausschau, was irgendwie mit Musik zu tun hatte. Er war bereits außer Sichtweite der Tür, als er hörte, wie diese sich öffnete. In der Vermutung, es wäre sein Onkel, bewegte er sich zurück auf das Licht zu, um zu berichten, wie weit die Arbeit fortgeschritten war. Aber als er aus dem Gang zwischen zwei Regalen trat, konnte er gerade noch den schwarzen Reifrock eines Krinolinekleides hinter einem Bücherregal auf der anderen Seite des Raumes verschwinden sehen.
Mrs Eglantine? Was machte die denn hier?
Sie schien genau zu wissen, wohin sie wollte. Verwirrt näherte Sherlock sich ihr langsam und verhielt sich so leise wie möglich. Er war sich nicht sicher warum, aber irgendwie hatte er das Gefühl, sie führte etwas Verborgenes im Schilde und wollte nicht, dass jemand etwas davon mitbekam. Jedenfalls war sie gerade mit Sicherheit nicht dabei, die Bücherregale abzustauben, denn diese Aufgabe war unter ihrer Würde und den Dienstmädchen vorbehalten.
Den Körper und einen Großteil des Kopfes noch hinter dem Buchregal verborgen, lugte Sherlock vorsichtig um die Ecke. Es war Mrs Eglantine. Etwa auf halbem Weg den Gang zwischen den Regalreihen entlang hatte sie sich hingekniet. Das Krinolinekleid um sich herum ausgebreitet, zerrte sie ganze Ladungen von Büchern heraus und ließ sie auf den Teppich knallen. Mit anzusehen, wie sie die Bücher so lieblos behandelte – einige lagen mit geknickten Seiten weit aufgeschlagen auf dem Boden, andere hatten eingedrückte Buchrücken –, ließ ihn innerlich zusammenzucken. Kaum hatte sie alles frei geräumt, beugte sie sich noch tiefer herab und untersuchte, das Gesicht dicht über dem Teppich, die Lücke, die sie gerade geschaffen hatte. Doch wonach auch immer sie suchte: Es war nicht da.
Mit enttäuschtem Schnauben stopfte sie rasch die Bücher zurück, sich ganz offensichtlich weder um deren ursprüngliche Reihenfolge scherend noch darum, ob sie verkehrt herum oder mit dem Rücken nach hinten im Regal landeten. Dann blickte sie plötzlich nach links – und somit zum Glück zunächst von Sherlock fort. Alarmiert zog er den Kopf zurück, gerade in dem Moment, als sie sich anschickte, das Gesicht in seine Richtung zu drehen. Er wusste, es war abstrus, doch er glaubte förmlich zu sehen, wie ihr glühender Blick den Teppich versengte und die staubige Luft durcheinanderwirbelte. Er zählte bis zwanzig und spähte wieder um die Ecke, als ein unregelmäßiges, dumpfes Poltern einsetzte. Überzeugt, dass sie unbeobachtet war, fegte Mrs Eglantine weitere Bücher aus dem Regal – diesmal aus einem höheren Regalbrett – und ließ sie auf den Boden fallen. Wieder musterte sie sorgfältig die leere Stelle, bevor sie enttäuscht das Gesicht verzog und die Bücher in einem wilden Durcheinander wieder zurückbeförderte.
»Wie können Sie es wagen, meine Bibliothek zu betreten!«, hörte Sherlock plötzlich eine Stimme rufen. »Raus mit Ihnen! Sofort!«
Schockiert blickte Sherlock auf. Dort, am anderen Ende der Regalreihen, stand Sherrinford Holmes. Er musste still und leise den Raum betreten haben, ohne dass er und Mrs Eglantine es mitbekommen hatten.
Langsam richtete sich Mrs Eglantine auf. »Sie Narr«, sagte sie langsam und jedes Wort betonend. »In diesem Haus haben Sie nichts mehr zu melden. Jetzt habe ich hier das Sagen.«
Sherlock stockte der Atem. Wie konnte sie es wagen, so mit seinem Onkel zu reden! Doch dann fegte eine plötzliche Woge der Freude seine Empörung hinweg: Das hier würde sie nicht überleben. Innerhalb einer Stunde wäre sie weg, ohne dass ihr jemand eine Träne nachweinen würde.
Sherrinford Holmes hielt die geballte Faust gegen sein Bein gepresst. Aber auf seinem Gesicht zeichnete sich keinerlei Entrüstung ab. Vielmehr glich sein Ausdruck eher hilfloser Frustration als dem gerechtfertigten Zorn eines Mannes, der gerade eine Bedienstete dabei ertappt hatte, wie sie in seinem persönlichen Besitz herumschnüffelte. Sherlock erwartete, dass sein Onkel vor Wut explodierte, Mrs Eglantine auf der Stelle feuerte und sie ohne Referenzen aus dem Haus warf. Doch stattdessen schüttelte dieser nur den Kopf, während seine Faust hilflos gegen seinen Oberschenkel schlug. »Sie haben kein Recht dazu!«, protestierte er.
»Ich habe jedes Recht«, entgegnete Mrs Eglantine. »In diesem Haus habe ich jedes Recht, das ich will. Jedes Recht, das auszuüben mir gefällt, denn Sie und Ihr unerträgliches Weib wissen, was passiert, wenn Sie mir jemals in die Quere kommen.«
»S … Sie sind eine gottlose, böse Frau«, stotterte Sherrinford Holmes. Er schien außerstande zu sein, Mrs Eglantines Blick zu begegnen. Stattdessen starrte er auf den Teppich herab, und Sherlock nahm bestürzt wahr, wie sich seine Augen mit Tränen füllten.
Mrs Eglantine trat mit betont langsamen und sorgfältig gesetzten Schritten zwischen den Regalreihen auf Sherlocks Onkel zu, bis sie unmittelbar vor ihm stand.
Sie war kleiner als er. Doch durch die Art, wie sie stolzierte, und durch ihre Körperhaltung wirkte es, als würde sie ihn um Längen überragen.
»Du erbärmlicher Narr!«, spie sie ihm entgegen. Sie streckte eine Hand aus und packte sein Kinn zwischen Daumen und Finger. Sherlock, der die Szene entsetzt aus den Schatten heraus verfolgte, konnte die Einbuchtungen erkennen, die ihre Finger auf Sherrinfords Wangen hinterließen. »Du sitzt hier rum, Tag für Tag, und schreibst bedeutungslose Worte für ebenso erbärmliche und verblendete Idioten im Land wie du einer bist, damit sie sie wie Papageien nachplappern. Und du denkst – du denkst tatsächlich –, dass du etwas Lobenswertes machst. Es bedeutet gar nichts, alter Mann. Ich sollte alles um dich herum zum Einsturz bringen, nur um dir zu demonstrieren, wie wenig es die Welt scheren würde, wenn all das endet. Ich könnte es, weißt du. Mit dem, was ich weiß, könnte ich diese Familie ruinieren.«
»Worauf warten Sie dann noch?«, fragte Sherrinford, die Stimme durch die Finger gedämpft, die sich in sein Gesicht krallten.
Mrs Eglantine zögerte, öffnete den Mund, brachte aber keine Antwort heraus.
»Sie können es eben nicht«, fuhr Sherrinford Holmes fort. »Wenn Sie enthüllen würden, was Sie wissen, dann ja, dann wäre meine Familie ruiniert. Aber in dem Fall wäre Ihnen der Zugang zu diesem Haus verwehrt. Und was hätten Sie dann erreicht? Sie haben ein Jahr oder länger damit verbracht, nach etwas zu suchen. Vom Dachboden bis zum Keller. Ich habe keine Ahnung, wonach Sie suchen. Aber ich weiß, wie wichtig es für Sie sein muss, und ich weiß, dass Sie niemals etwas unternähmen, was Ihre Suche gefährden könnte.«
»Ich glaube, du weißt sehr wohl, wonach ich suche«, sagte sie spöttisch und entließ ihn aus ihrem Griff. »Und ich glaube, es ist hier, in der Bibliothek. Deswegen sitzt du auch Tag für Tag hier herum, wie eine alte Henne, die auf einem Haufen Eier brütet, aus denen nie etwas schlüpfen wird. Ich habe überall sonst gesucht, und ich weiß, dass es hier sein muss. In diesem Raum.«
»Raus mit Ihnen«, sagte Sherrinford. »Oder ich werde Sie entlassen, und Gott möge mich vor den Konsequenzen schützen. Ich werde Sie entlassen, nur um diesem Albtraum ein Ende zu bereiten. Und um gewiss zu sein, dass ich Sie gehindert habe, welch erbärmlichen Schatz auch immer zu finden, der sich Ihrer Meinung nach hier befinden soll.«
Mrs Eglantine stolzierte an ihm vorbei auf die Tür zu. Als sie das Ende der Regalreihe erreicht hatte, wandte sie sich zu ihm um. Ihre grell blitzenden Augen leuchteten wie glühende Kohle in ihrem ansonsten gletscherweißen, maskenhaften Gesicht. »Du kannst mich nicht ohne Folgen loswerden«, zischte sie. »Genauso wenig wie ich dich. Die Frage ist nur: Wer fürchtet sich am meisten vor den Folgen?« Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. »Ich verlange von dir, dass du deinen armseligen Neffen loswirst«, fügte sie hinzu. »Werd ihn los. Schick ihn weg.«
»Jagt er Ihnen etwa Angst ein?«, fragte Sherrinford. »Fürchten Sie, dass er hinter Ihre wahre Stellung in diesem Hause kommen und etwas dagegen unternehmen wird?«
»Was kann er schon tun? Er ist nur ein Junge. Schlimmer noch, er ist nur ein Holmes.« Damit wandte sie sich um und ging. Wenige Augenblicke später hörte Sherlock, wie sich die Tür zur Bibliothek öffnete und gleich darauf wieder schloss.
»Sie hat tatsächlich Angst vor dir«, sagte Sherrinford leise. Es dauerte einen Moment, bevor Sherlock begriff, dass sein Onkel mit ihm sprach. Irgendwie musste er gewusst haben, dass er noch im Raum war.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Sherlock und trat auf dem Gang ins Licht hinaus.
»Es gibt keinen Grund, warum du das solltest.« Sein Onkel schüttelte müde den Kopf, als wäre dieser plötzlich überaus schwer geworden. »Vergiss, was du gesehen hast. Tilge es aus deinem Gedächtnis. Tue, ebenso wie ich, einfach so, als gäbe es in diesem Haus keine Probleme und als liefe alles in heiter-ruhigen, gottgefälligen Bahnen. Tue so, als hätte sich diese Schlange, diese Verkörperung des Satans, nicht in unsere Mitte geschlängelt.«
»Aber Onkel …«
Sherrinford runzelte die Stirn und erhob seine dürre Hand. »Nein«, sagte er entschieden. »Ich werde nicht länger darüber diskutieren. Das Thema wird nie wieder zur Sprache kommen.« Er seufzte. »Ich würde dich ja fragen, wie weit du mit dem Katalogisieren der Predigten vorangekommen bist, aber ich merke, wie müde ich auf einmal bin. Ich werde mich eine Weile ausruhen, hier in der Ruhe meines Allerheiligsten.« Er starrte die durcheinander geratenen Bücher auf den Regalen und dem Boden an. »Und nachher etwas aufräumen. Normalerweise würde ich eines der Dienstmädchen bitten, aber unter den gegebenen Umständen …«
Leise zog Sherlock sich aus der Bibliothek zurück, und als er die Tür hinter sich schloss, konnte er hören, wie sein Onkel etwas vor sich hin murmelte.
Wie sich herausstellte, befand sich Mrs Eglantine in der Halle, und so hielt sich Sherlock im Schatten verborgen, um sie zu beobachten. Sie sprach gerade mit einem der Dienstmädchen.
»Sag Cook, dass ich gleich zu ihr komme. Die Menüpläne für diese Woche sind völlig inakzeptabel und müssen geändert werden. Und sag ihr, dass ich erst zufrieden bin, wenn sie komplett überarbeitet worden sind.«
Als das Dienstmädchen davoneilte und Mrs Eglantine einen Moment lang in Gedanken versunken reglos dastand, nahm unwillkürlich eine kühne Idee in Sherlock Gestalt an. Mrs Eglantine hatte offensichtlich keinerlei Skrupel, in aller Ruhe das gesamte Haus nach irgendeinem Gegenstand zu durchsuchen. Was, wenn er nun ihr Zimmer durchstöberte, während sie beschäftigt war? Vielleicht konnte er einen Hinweis darauf finden, wonach sie eigentlich suchte. Gelang ihm das und fand er den verborgenen Gegenstand vor ihr, gäbe es keinen Grund mehr für sie, noch länger im Haus zu bleiben. Und selbst wenn er es nicht herausfand, könnte er vielleicht dahinterkommen, was sie eigentlich gegen seine Tante und seinen Onkel in der Hand hatte. Wenn es ihm gelänge, sie davon zu befreien, könnte er sich endlich einmal gebührend für ihre großzügige Gastfreundschaft erkenntlich zeigen.
Mrs Eglantine strebte auf den hinteren Bereich des Hauses zu, vermutlich auf dem Weg zu etwas, das sich als ziemlich spannungsgeladene Zwiesprache mit Cook herausstellen würde. Sherlock verspürte einen Anflug von Mitgefühl. Er mochte Cook. Immer hatte sie eine Scheibe Brot mit Marmelade oder etwas Gebäck mit Sahne für ihn übrig, wenn er in der Küche vorbeischaute. Als einziges Mitglied des Dienstpersonals war sie in der Lage, Mrs Eglantine Paroli zu bieten.
Da er seinen Onkel in der Bibliothek wusste und davon ausgehen konnte, dass seine Tante wie normalerweise jeden Nachmittag im Wohnzimmer beim Nähen saß, konnte Sherlock ziemlich sicher sein, von keinem Familienmitglied gestört zu werden. Außerdem wusste er, dass nach dem Dienstplan der Dienerschaft davon auszugehen war, dass zu dieser Zeit gerade die Feuerstätten in den Schlafzimmern gereinigt wurden. Niemand würde sich also in der obersten Etage aufhalten, auf der sich die Personalunterkünfte und Sherlocks Zimmer befanden.