THOMAS VON AQUIN
(um 1225 – 1274) trat gegen den Widerstand seiner Verwandtschaft in den Dominikanerorden ein. Vor allem in Paris und Neapel wurde er bald zum bedeutendsten Theologen und Philosophen. Ausgehend von Aristoteles schuf er eine neue Synthese von Philosophie und christlichem Glauben und wurde damit ein Wegbereiter neuzeitlichen Denkens.
EDITH STEIN
(1891 – 1942) war als Philosophin Meisterschülerin Edmund Husserls, des Begründers der Phänomenologie.
Eine Habilitation blieb ihr nur aufgrund ihres Geschlechts verwehrt. Nach Konversion zum Christentum trat die als Jüdin aufgewachsene Edith Stein in den Kölner Karmel ein, wo sie sich vor allem philosophischen und theologischen-Studien widmete. 1942 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Thomas von Aquin ist ohne Zweifel der alles überragende Theologe und Philosoph des Mittelalters. Im 13. Jahrhundert entwickelte sich mit dem Entstehen der ersten Universitäten die „Intelligenz“ als relativ autonome und revolutionäre gesellschaftliche Größe. Über den Umweg arabischer Philosophen wurde dem Abendland Aristoteles neu erschlossen. In diesem geistigen Klima schuf der Dominikanermönch Thomas ein umfassendes philosophisches und theologisches System, das völlig neue Denkwege eröffnete. Bei Thomas zeichnet sich bereits jene „anthropozentrische Denkform“ ab, die in der europäischen Moderne zum Durchbruch kam.
In 29 sogenannten Quaestiones disputatae behandelt Thomas von Aquin hier unter dem Begriff der Wahrheit alle großen Themen seiner Philosophie und Theologie: die Frage nach dem Sein, nach der Erkenntnisfähigkeit des Menschen, nach der Dreieinigkeit Gottes, nach Gnade, Vorsehung, Rechtfertigung und Glaube … Die Schrift geht auf öffentliche akademische Streitgespräche zurück, die Thomas von Aquin in Paris veranstaltete. Die Kunst der scholastischen Disputation, die an vorgebrachten Einwänden die eigenen Thesen schärft und verfeinert, ist hier besonders lebendig nachvollziehbar.
Wer sich den „ganzen“ Thomas erschließen will, der tut es am besten mit dieser Schrift! Keine Geringere als die Märtyrerphilosophin Edith Stein hat den Text unübertroffen ins Deutsche übersetzt.
Quaestiones disputatae de veritate
In der Übersetzung
von Edith Stein
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»Von der Vollkommenheit der Geschöpfe gering denken heißt die Vollkommenheit der göttlichen Macht herabmindern«
Literatur
I. Quaestio: Die Wahrheit
1. Artikel: Was ist Wahrheit?
2. Artikel: Findet sich die Wahrheit eher im Verstand als in den Dingen?
3. Artikel: Gibt es Wahrheit im zusammenfassenden und zergliedernden Verstand?
4. Artikel: Gibt es nur eine Wahrheit, durch die alles wahr ist?
5. Artikel: Gibt es noch eine andere ewige Wahrheit als die Erste Wahrheit?
6. Artikel: Ist die geschaffene Wahrheit unveränderlich?
7. Artikel: Wird von der Wahrheit in der Gottheit im Sinne der Person oder des Wesens gesprochen?
8. Artikel: Stammt alle Wahrheit von der Ersten Wahrheit her?
9. Artikel: Gibt es Wahrheit in den Sinnen?
10. Artikel: Gibt es ein falsches Ding?
11. Artikel: Gibt es Falschheit in den Sinnen?
12. Artikel: Gibt es Falschheit im Verstand?
II. Quaestio: Gottes Wissen
1. Artikel: Gibt es in Gott Wissen?
2. Artikel: Erkennt Gott sich selbst? – Hat Er ein Wissen um sich selbst?
3. Artikel: Erkennt Gott anderes als sich selbst?
4. Artikel: Besitzt der göttliche Verstand eine das ihnen eigentümliche treffende und bestimmte Erkenntnis von den Dingen?
5. Artikel: Erkennt Gott das Singuläre?
6. Artikel: Erkennt der menschliche Verstand das Singuläre?
7. Artikel: Erkennt der göttliche Verstand bei allem, was Er erkennt, dass es jetzt ist oder nicht ist, sodass er zu Aussagen kommt?
8. Artikel: Erkennt Gott das Nichtseiende?
9. Artikel: Erkennt Gott das Unendliche?
10. Artikel: Kann Gott Unendliches wirken?
11. Artikel: Spricht man bei Gott und bei uns in gleichem Sinne von Wissen?
12. Artikel: Erkennt Gott das zukünftige singuläre Kontingente?
13. Artikel: Ist das göttliche Wissen veränderlich?
14. Artikel: Ist Gottes Wissen die Ursache der Dinge?
15. Artikel: Besitzt Gott ein Wissen um das Böse?
III. Quaestio: Die Ideen
1. Artikel: Gibt es Ideen?
2. Artikel: Ist es notwendig, eine Mehrheit von Ideen anzusetzen?
3. Artikel: Zielen die Ideen selbst auf die praktische oder theoretische Erkenntnis hin?
4. Artikel: Entspricht dem Bösen eine Idee in Gott?
5. Artikel: Entspricht der ersten Materie eine Idee in Gott?
6. Artikel: Gibt es in Gott Ideen von dem, was weder ist noch war noch sein wird?
7. Artikel: Gibt es in Gott Ideen von allen Akzidenzien?
8. Artikel: Gibt es in Gott Ideen von den Einzeldingen?
IV. Quaestio: Das Wort
1. Artikel: Spricht man bei der Gottheit vom Wort im eigentlichen Sinne?
2. Artikel: Spricht man bei der Gottheit vom Ewigen Wort im Sinne des Wesens oder der Person?
3. Artikel: Kommt das Ewige Wort dem Heiligen Geist zu?
4. Artikel: Spricht der Vater die ganze Schöpfung aus?
5. Artikel: Schließt das Ewige Wort eine Beziehung auf die Schöpfung in sich?
6. Artikel: Sind die Dinge wahrhafter im Wort als in sich selbst?
7. Artikel: Bezieht sich das Ewige Wort auf das, was weder ist noch sein wird noch war?
8. Artikel: Hat alles, was gemacht ist, sein Leben im Ewigen Wort?
V. Quaestio: Die Vorsehung
1. Artikel: Auf welches der Attribute ist die göttliche Vorsehung zurückzuführen?
2. Artikel: Wird die Welt durch die Vorsehung gelenkt?
3. Artikel: Erstreckt sich die Vorsehung auf vergängliche Dinge?
4. Artikel: Sind alle Bewegungen und Wirkungen der irdischen Dinge der göttlichen Vorsehung unterworfen?
5. Artikel: Werden die menschlichen Akte durch die Vorsehung gelenkt?
6. Artikel: Sind die Tiere und ihre Akte der göttlichen Vorsehung unterworfen?
7. Artikel: Werden die Sünder durch die göttliche Vorsehung gelenkt?
8. Artikel: Wird die gesamte Körperwelt von der göttlichen Vorsehung durch Vermittlung der Engelwelt gelenkt?
9. Artikel: Bestimmt die göttliche Vorsehung die Ordnung der irdischen Körperwelt durch die Himmelskörper?
10. Artikel: Werden die menschlichen Akte von der göttlichen Vorsehung durch Vermittlung der Himmelskörper gelenkt?
VI. Quaestio: Die Prädestination
1. Artikel: Hat die Prädestination das Wissen oder den Willen im Auge?
2. Artikel: Ist das Vorherwissen der Verdienste die Ursache der Prädestination?
3. Artikel: Kommt der Prädestination Gewissheit zu?
4. Artikel: Ist die Zahl der Prädestinierten bestimmt?
5. Artikel: Ist den Prädestinierten ihre Prädestination gewiss?
6. Artikel: Kann der Prädestination das Gebet der Heiligen zu Hilfe kommen?
VII. Quaestio: Das Buch des Lebens
1. Artikel: Ist das Buch des Lebens etwas Geschaffenes?
2. Artikel: Wird vom Buch des Lebens bei der Gottheit im Sinne der Person oder des Wesens gesprochen?
3. Artikel: Wird das Buch des Lebens dem Sohn appropriiert?
4. Artikel: Ist das Buch des Lebens dasselbe wie die Prädestination?
5. Artikel: Wird vom Buch des Lebens mit Beziehung auf das ungeschaffene Leben gesprochen?
6. Artikel: Wird vom Buch des Lebens im Hinblick auf das natürliche Leben in den Geschöpfen gesprochen?
7. Artikel: Wird vom Buch des Lebens im Hinblick auf das Gnadenleben schlechthin gesprochen?
8. Artikel: Kann man, so wie von einem Buch des Lebens, auch von einem Buch des Todes sprechen?
VIII. Quaestio: Die Erkenntnis der Engel
1. Artikel: Schauen die Engel Gott in seinem Wesen?
2. Artikel: Kann der Verstand eines Engels oder Seligen Gottes Wesen voll begreifen?
3. Artikel: Konnte der Engel aufgrund seiner eigenen Naturanlage dahin gelangen, Gott in seinem Wesen zu schauen?
4. Artikel: Erkennt der Engel, wenn er Gott in seinem Wesen schaut, alle Dinge?
5. Artikel: Vollzieht sich das Schauen der Dinge im Ewigen Wort durch Vermittlung von Bildern der Dinge, die im Verstand des Engels sind?
6. Artikel: Erkennt der Engel sich selbst?
7. Artikel: Erkennt ein Engel den andern?
8. Artikel: Erkennt der Engel die materiellen Dinge durch Formen oder durch sein, des Erkennenden, Wesen?
9. Artikel: Sind die Formen, durch die die Engel die materiellen Dinge erkennen, eingeboren oder von den Dingen empfangen?
10. Artikel: Haben die höheren Engel eine Erkenntnis durch allgemeinere Formen als die niederen?
11. Artikel: Erkennt der Engel das Singuläre?
12. Artikel: Erkennen die Engel das Zukünftige?
13. Artikel: Können die Engel um die verborgenen Geheimnisse der Herzen wissen?
14. Artikel: Erkennen die Engel vieles zugleich?
15. Artikel: Erkennen die Engel die Dinge, indem sie von einem zum andern fortschreiten?
16. Artikel: Muss man bei den Engeln eine morgendliche und abendliche Erkenntnis unterscheiden?
17. Artikel: Ist die Einteilung der englischen Erkenntnis in morgendliche und abendliche hinreichend?
IX. Quaestio: Die Erkenntnis des englischen Wissens durch Erleuchtung und Rede
1. Artikel: Erleuchtet ein Engel den andern?
2. Artikel: Wird der niedere Engel immer von einem höheren erleuchtet oder bisweilen von Gott unmittelbar?
3. Artikel: Reinigt ein Engel den andern, indem er ihn erleuchtet?
4. Artikel: Spricht ein Engel zu den andern?
5. Artikel: Sprechen die niederen Engel zu den höheren?
6. Artikel: Ist ein bestimmter räumlicher Abstand erforderlich, damit ein Engel zu den andern sprechen könne?
7. Artikel: Kann ein Engel zu den andern sprechen, ohne dass die andern seine Rede vernehmen?
X. Quaestio: Der Geist
1. Artikel: Ist der Geist, sofern darin das Abbild der Trinität ist, das Wesen der Seele oder eine ihr eigene Potenz?
2. Artikel: Ist das Gedächtnis im Geist?
3. Artikel: Unterscheidet sich das Gedächtnis vom Erkenntnisvermögen wie eine Potenz von der andern?
4. Artikel: Erkennt der Geist die materiellen Dinge?
5. Artikel: Kann unser Geist die materiellen Dinge im Einzelnen erkennen?
6. Artikel: Empfängt der menschliche Geist Erkenntnis von den Sinnendingen?
7. Artikel: Ist im Geist das Abbild der Trinität, sofern er Materielles, nicht nur sofern er Ewiges erkennt?
8. Artikel: Erkennt der Geist sich selbst durch das Wesen oder durch eine Species?
9. Artikel: Erkennt die Seele die in ihr vorhandenen Habitus durch ihr Wesen oder durch ein Bild?
10. Artikel: Kann jemand wissen, ob er im Besitz der Liebe ist?
11. Artikel: Kann ein Geist im irdischen Zustand (in statu viae) Gott in Seinem Wesen schauen?
12. Artikel: Ist es dem Menschengeist durch sich selbst bekannt, dass Gott ist, wie die ersten Prinzipien des Beweisens, deren Nichtsein nicht gedacht werden kann?
13. Artikel: Kann die Dreiheit der Personen durch die natürliche Vernunft erkannt werden?
XI. Quaestio: Der Lehrer
1. Artikel: Kann ein Mensch den andern lehren und Lehrer genannt werden oder Gott allein?
2. Artikel: Kann jemand sein eigener Lehrer genannt werden?
3. Artikel: Kann ein Mensch von einem Engel belehrt werden?
4. Artikel: Ist das Lehren ein Akt des aktiven oder kontemplativen Lebens?
XII. Quaestio: Die Prophetie
1. Artikel: Ist die Prophetie ein Akt oder ein Habitus?
2. Artikel: Betrifft die Prophetie Folgerungen, die dem Wissen zugänglich sind?
3. Artikel: Ist die Prophetie etwas Natürliches?
4. Artikel: Ist zum Besitz der Prophetie eine natürliche Anlage erforderlich?
5. Artikel: Gehört zur Prophetie sittliches Gutsein?
6. Artikel: Schauen die Propheten im Spiegel der Ewigkeit?
7. Artikel: Werden bei der prophetischen Offenbarung dem Geist des Propheten von Gott neue Species der Dinge eingeprägt oder nur ein geistiges Licht?
8. Artikel: Kommt jede prophetische Offenbarung durch Vermittlung eines Engels zustande?
9. Artikel: Wird der Prophet immer, wenn er vom Geist der Prophetie berührt wird, den Sinnen entrückt?
10. Artikel: Wird die Prophetie angemessen in Prophetie der Prädestination, des Vorherwissens und der Drohung eingeteilt?
11. Artikel: Findet sich in der Prophetie unwandelbare Wahrheit?
12. Artikel: Ist die Prophetie rein aufgrund geistigen Schauens von höherem Rang als eine, die geistiges und fantasiemäßiges Schauen verbindet?
13. Artikel: Unterscheidet man Grade der Prophetie nach dem fantasiemäßigen Schauen?
14. Artikel: Hatte Mose einen Vorrang vor allen andern Propheten?
XIII. Quaestio: Die Ekstase
1. Artikel: Was ist Ekstase?
2. Artikel: Hat Paulus in der Ekstase Gott in seinem Wesen geschaut?
3. Artikel: Kann der Geist eines Erdenpilgers zum Schauen Gottes in seinem Wesen erhoben werden, ohne den Sinnen entrückt zu sein?
4. Artikel: Was für eine Entrückung ist erforderlich, damit der Geist Gott in Seinem Wesen schauen könne?
5. Artikel: Was hat Paulus in der Ekstase gewusst beziehungsweise nicht gewusst?
XIV. Quaestio: Der Glaube
1. Artikel: Was ist Glauben [im allgemeinen Sinn]?
2. Artikel: Was ist der Glaube [im religiösen Sinn]?
3. Artikel: Ist der Glaube eine Tugend?
4. Artikel: Worin ist der Glaube als in seinem Subjekt?
5. Artikel: Ist die Liebe die Form des Glaubens?
6. Artikel: Ist der ungeformte Glaube eine Tugend?
7. Artikel: Ist der Habitus des ungeformten und des geformten Glaubens derselbe?
8. Artikel: Ist das spezifische Objekt des Glaubens die Erste Wahrheit?
9. Artikel: Kann der Glaube sich auf Dinge beziehen, von denen man ein Wissen hat?
10. Artikel: Ist es für den Menschen notwendig, Glauben zu besitzen?
11. Artikel: Ist es notwendig, etwas explizit zu glauben?
12. Artikel: Ist der Glaube der Neueren und der Alten derselbe?
XV. Quaestio: Höhere und niedere Vernunft
1. Artikel: Sind Verstand und Vernunft verschiedene Potenzen?
2. Artikel: Sind höhere und niedere Vernunft verschiedene Potenzen?
3. Artikel: Kann es in der höheren oder niederen Vernunft Sünde geben?
4. Artikel: Ist das Verharren im Genuss durch Einwilligung in den Genuss im niederen Teil der Vernunft, ohne Einwilligung in das Werk, Todsünde?
5. Artikel: Kann es in der höheren Vernunft lässliche Sünde geben?
XVI. Quaestio: Die Synderesis
1. Artikel: Ist die Synderesis eine Potenz oder ein Habitus?
2. Artikel: Kann die Synderesis sündigen?
3. Artikel: Kann die Synderesis in jemandem erlöschen?
XVII. Quaestio: Das Gewissen
1. Artikel: Ist das Gewissen eine Potenz, ein Habitus oder ein Akt?
2. Artikel: Kann das Gewissen irren?
3. Artikel: Bindet das Gewissen?
4. Artikel: Bindet das irrende Gewissen?
5. Artikel: Bindet das Gewissen in indifferenten Dingen mehr als der Befehl eines Vorgesetzten oder weniger?
XVIII. Quaestio: Die Erkenntnis der ersten Menschen im Stande der Unschuld
1. Artikel: Hat der Mensch im Stande der Unschuld Gott in Seinem Wesen erkannt?
2. Artikel: Hat der Mensch im Stande der Unschuld Gott in den Geschöpfen geschaut?
3. Artikel: Hat Adam im Stande der Unschuld im Hinblick auf Gott Glauben besessen?
4. Artikel: Hat Adam im Stande der Unschuld eine Kenntnis aller Geschöpfe besessen?
5. Artikel: Hat Adam im Stande der Unschuld die Engel in ihrem Wesen gekannt oder geschaut?
6. Artikel: Konnte Adam im Stande der Unschuld irren oder getäuscht werden?
7. Artikel: Hätten Kinder, die von Adam im Stande der Unschuld gezeugt worden wären, ein vollständiges Wissen um alle Dinge haben können, wie es Adam hatte?
8. Artikel: Hätten die Kinder bald nach der Geburt im Stande der Unschuld den Gebrauch der vollen Vernunft gehabt?
XIX. Quaestio: Die Erkenntnis der Seele nach dem Tod
1. Artikel: Kann die Seele nach dem Tode erkennen?
2. Artikel: Kann die abgeschiedene Seele das Singuläre erkennen?
XX. Quaestio: Das Wissen der Seele Christi
1. Artikel: Ist in Christus ein geschaffenes Wissen anzusetzen?
2. Artikel: Schaut die Seele Christi das Ewige Wort durch einen Habitus?
3. Artikel: Hat Christus ein anderes Wissen als das, womit er die Dinge im Ewigen Wort erkennt?
4. Artikel: Weiß die Seele Christi im Ewigen Wort um alles, worum das Ewige Wort weiß?
5. Artikel: Weiß die Seele Christi um all das, was Gott hätte machen können?
XXI. Quaestio: Das Gute
1. Artikel: Fügt das Gute etwas zum Seienden hinzu?
2. Artikel: Sind das Gute und das Seiende den Substraten nach äquivalent?
3. Artikel: Ist das Gute seiner Idee nach früher als das Seiende?
4. Artikel: Ist alles Gute durch die Erste Güte gut?
5. Artikel: Ist das geschaffene Gute durch sein Wesen gut?
6. Artikel: Besteht das Gute des Geschöpfs in Modus, Species und Ordnung?
XXII. Quaestio: Das Streben nach dem Guten und der Wille
1. Artikel: Streben alle Dinge nach dem Guten?
2. Artikel: Streben alle Dinge nach Gott selbst?
3. Artikel: Ist das Streben eine spezielle Potenz der Seele?
4. Artikel: Ist der Wille im Gebiet der Vernunft eine eigene Potenz neben dem Strebevermögen des sinnlichen Teils?
5. Artikel: Will der Wille etwas mit Notwendigkeit?
6. Artikel: Will der Wille alles mit Notwendigkeit, was er will?
7. Artikel: Erwirbt man sich Verdienste, wenn man das will, was man notwendig wollen muss?
8. Artikel: Kann Gott den Willen zwingen?
9. Artikel: Kann ein Geschöpf den Willen umwandeln oder auf ihn einwirken?
10. Artikel: Sind Wille und Verstand dieselbe Potenz?
11. Artikel: Ist der Wille eine höhere Potenz als der Verstand oder umgekehrt?
12. Artikel: Bewegt der Wille den Verstand und die übrigen Seelenkräfte?
13. Artikel: Ist die Intention ein Akt des Willens oder des Verstandes?
14. Artikel: Will der Wille mit derselben Bewegung das Ziel und das, was zum Ziel führt?
15. Artikel: Ist die Wahl ein Akt des Willens?
XXIII. Quaestio: Der Wille Gottes
1. Artikel: Entspricht es Gott, Willen zu haben?
2. Artikel: Ist der göttliche Wille in einen vorausgehenden und einen nachfolgenden einzuteilen?
3. Artikel: Ist Gottes Wille in Wohlgefallen und in einen Willen, der durch Zeichen spricht, einzuteilen (voluntas beneplaciti – voluntas signi)?
4. Artikel: Will Gott alles, was er will, mit Notwendigkeit?
5. Artikel: Legt der göttliche Wille den gewollten Dingen Notwendigkeit auf?
6. Artikel: Hängt die Gerechtigkeit in den geschaffenen Dingen vom einfachen göttlichen Willen ab?
7. Artikel: Sind wir gehalten, unsern Willen dem göttlichen Willen gleichförmig zu machen?
8. Artikel: Sind wir gehalten, unsern Willen dem göttlichen Willen im Gewollten gleichförmig zu machen?
XXIV. Quaestio: Die freie Entscheidung (liberum arbitrium)
1. Artikel: Besitzt der Mensch freie Entscheidung?
2. Artikel: Haben die Tiere freie Entscheidung?
3. Artikel: Hat Gott freie Entscheidung?
4. Artikel: Ist die freie Entscheidung eine Potenz oder nicht?
5. Artikel: Ist die freie Entscheidung eine Potenz oder eine Mehrheit von Potenzen?
6. Artikel: Ist die freie Entscheidung der Wille oder eine vom Willen verschiedene Seelenkraft?
7. Artikel: Kann es ein Geschöpf geben, das eine im Guten befestigte freie Entscheidung hätte?
8. Artikel: Kann die freie Entscheidung eines Geschöpfes durch eine ihm eigene Gnadengabe im Guten befestigt werden?
9. Artikel: Kann die freie Entscheidung im Erdenstande im Guten befestigt werden?
10. Artikel: Kann die freie Entscheidung eines Geschöpfes im Bösen verhärtet oder unwandelbar befestigt sein?
11. Artikel: Kann die freie Entscheidung des Menschen im Erdenstande im Bösen verhärtet sein?
12. Artikel: Kann die freie Entscheidung ohne Gnade im Stande der Todsünde die Todsünde vermeiden?
13. Artikel: Kann jemand, der in der Gnade ist, die Todsünde vermeiden?
14. Artikel: Ist die freie Entscheidung ohne Gnade zum Guten fähig?
15. Artikel: Kann sich der Mensch ohne Gnade auf die Gnade vorbereiten?
XXV. Quaestio: Die Sinnlichkeit
1. Artikel: Ist die Sinnlichkeit Erkenntnis- oder Strebevermögen?
2. Artikel: Ist die Sinnlichkeit eine einfache Potenz oder teilt sie sich in mehrere, nämlich in das Vermögen affektiver Reaktion und das Begehrungsvermögen?
3. Artikel: Sind Reaktions- und Begehrungsvermögen nur im niederen oder im höheren Streben?
4. Artikel: Gehorcht die Sinnlichkeit der Vernunft?
5. Artikel: Kann es in der Sinnlichkeit Sünde geben?
6. Artikel: Ist das Begehrungsvermögen in höherem Grade verderbt und befleckt als das Reaktionsvermögen?
7. Artikel: Kann die Sinnlichkeit in diesem Leben von der erwähnten Verderbnis geheilt werden?
XXVI. Quaestio: Die Passionen der Seele
1. Artikel: Hat die vom Leibe getrennte Seele Passionen?
2. Artikel: Hat die mit dem Leibe verbundene Seele Passionen?
3. Artikel: Kommt die Passion nur im sinnlichen Strebevermögen vor?
4. Artikel: In welcher Hinsicht sind Gegensatz und Verschiedenheit zwischen den Passionen der Seele anzutreffen?
5. Artikel: Sind Hoffnung, Furcht, Freude und Trauer die primären Passionen (passiones principales) der Seele?
6. Artikel: Erwerben wir durch Passionen Verdienste?
7. Artikel: Mindert eine damit verbundene Passion das Verdienst?
8. Artikel: Gab es in Christus Passionen?
9. Artikel: Gab es die Passion des Schmerzes in der Seele Christi im Hinblick auf die höhere Vernunft?
10. Artikel: Hätte der Schmerz der Passion, die in der höheren Vernunft Christi war, die Freude des Genusses hindern können, und umgekehrt?
XXVII. Quaestio: Die Gnade
1. Artikel: Ist die Gnade etwas positiv Geschaffenes in der Seele?
2. Artikel: Ist die heiligmachende Gnade dasselbe wie die Liebe?
3. Artikel: Kann ein Geschöpf Ursache der Gnade sein?
4. Artikel: Sind die Sakramente des Neuen Bundes Ursache der Gnade?
5. Artikel: Gibt es in einem Menschen nur eine heiligmachende Gnade?
6. Artikel: Ist die Gnade im Wesen der Seele selbst?
7. Artikel: Ist die Gnade in den Sakramenten?
XXVIII. Quaestio: Die Rechtfertigung des Gottlosen
1. Artikel: Besteht die Rechtfertigung des Gottlosen in der Sündenvergebung?
2. Artikel: Kann es ohne Gnade Sündenvergebung geben?
3. Artikel: Ist zur Rechtfertigung des Gottlosen freie Entscheidung erforderlich?
4. Artikel: Ist eine Bewegung der freien Entscheidung zu Gott hin zur Rechtfertigung erforderlich?
5. Artikel: Ist bei der Rechtfertigung des Gottlosen eine Bewegung der freien Entscheidung gegen die Sünde erforderlich?
6. Artikel: Ist die Eingießung der Gnade dasselbe wie die Vergebung der Schuld?
7. Artikel: Geht die Vergebung der Schuld der Natur nach der Eingießung der Gnade voraus?
8. Artikel: Geht bei der Rechtfertigung des Gottlosen die Bewegung des liberum arbitrium der Natur nach der Eingießung voraus?
9. Artikel: Geschieht die Rechtfertigung des Gottlosen in einem Augenblick?
XXIX. Quaestio: Die Gnade Christi
1. Artikel: Gibt es in Christus eine geschaffene Gnade?
2. Artikel: Ist zur Vereinigung der menschlichen Natur mit dem Ewigen Wort in einer Person habituelle Gnade erforderlich?
3. Artikel: Ist die Gnade Christi unendlich?
4. Artikel: Kommt die Gnade des Hauptes Christus der menschlichen Natur nach zu?
5. Artikel: Ist bei Christus habituelle Gnade erforderlich, damit er Haupt sein könne?
6. Artikel: Konnte Christus Verdienste erwerben?
7. Artikel: Konnte Christus für andere Verdienste erwerben?
8. Artikel: Konnte Christus im ersten Augenblick seiner Empfängnis Verdienste erwerben?
Lateinisch-Deutsches Wörterverzeichnis
Im Denken des Thomas von Aquin erreicht die scholastische Philosophie und Theologie des Mittelalters ohne Zweifel ihren Höhepunkt. Ausgehend von der über die arabischen Philosophen neu erschlossene aristotelische Philosophie, schuf er eine großartige Synthese des Denkens, die sich rückblickend als Übergang zur Neuzeit deuten lässt.
Thomas ist um das Jahr 1225 in Roccasecca (zwischen Rom und Neapel) geboren (das genaue Geburtsjahr ist ungewiss) und entstammt einer lombardischen Adelsfamilie mit ausgezeichneten Beziehungen zu Kaiser Friedrich II. Bereits als Fünfjähriger kommt Thomas als Oblate nach Montecasino, dem Ursprungsort des Benediktinerordens, und ist natürlich als Sproß einer angesehenen Adelsfamilie für das hohe kirchliche Amt des Abtes vorgesehen. Die Wirren der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst verhindern dies. Thomas wird zunächst zum Studium der »freien Künste« nach Neapel geschickt, wo sich zwei Begegnungen – die eine intellektueller Natur, die andere im Raum des kirchlichen Lebens – als schicksalhaft für seine weitere Laufbahn erweisen sollten. Der junge Thomas vertieft sich in die Philosophie des Aristoteles1. Arabische Gelehrte, vor allem Ibn Sina (Avicenna) und Ibn Rushd (Averroes2), hatten dem Abendland über die Logik hinaus dessen naurwissenschaftliche, ethische und metaphysische Schriften neu erschlossen – ein kaum zu unterschätzender neuer Impuls, der die Dominanz des neuplatonischen Denkens aufbrechen sollte. Und Thomas kam mit dem jungen Bettelorden der Predigerbrüder (Dominikaner) in Kontakt. Der spanische Kanoniker Dominikus Guzmán hatte diesen Orden im Jahr 1215 (zeitgleich mit der Entstehung des Franziskanerordens) gegründet, und zwar zunächst in Reaktion auf die brutale Verfolgung der Katharerbewegung seitens der Kirche. Der militärischen Bekämpfung dieser von manichäischem Gedankengut durchdrungenen, als häretisch eingestuften Bewegung setzte Dominikus als Alternative ein evangeliumgemäßes Leben in Armut und Ungesichertheit entgegen. Die denkerische Durchdringung des christlichen Glaubens wurde zur Voraussetzung einer verantworteten Predigttätigkeit. Damit entwickelte sich neben dem benediktinischen Mönchtum und seinen zahlreichen Spielarten ein ganz neuer Stil des monastischen Lebens. Nicht mehr Handarbeit und Gebet strukturierten den Tag, sondern das Studium im Dienst der Wortverkündigung erlangte spirituelle Qualität! Das Chrogebet der Mönche wurde relativiert zugunsten dieses Dienstes am Wort. Ein äußerer Ausdruck dieser neuen Weise von Ordensleben war es, dass die bis dahin üblichen gemeinsamen Schlafsäle der Mönche nun abgetrennten Zellen wichen, damit die Brüder ihren Studienverpflichtungen nachgehen konnten. Dem »Orden der Prediger« wurde bald das bis dahin den Bischöfen vorbehaltene Amt der Glaubensverkündigung übertragen. Bewusst ließen sich die Dominikaner in den damaligen Zentren der intellektuellen Welt mit den entstehenden Universitäten nieder und wurden bald zu einem prägenden Moment dieser an Einfluss gewinnenden, relativ autonomen Institution. Der sogenannte »Mendikantenstreit« über den Einfluss der Bettelorden an den Universitäten, in den auch Thomas verwickelt war, zeigt nur allzu deutlich, wie sehr die Bettelorden den geistigen Aufbruch in der Umbruchszeit des 13. Jahrhunderts (zunehmende Bedeutung der Städte, des Geldwesens etc., was die damalige Feudalgesellschaft unterminierte) mitbestimmten. Die »Konstitutionen« des Dominikanerordens selbst orientierten sich – wie das relativ eigenständige Universitätsleben – an den Handwerkszünften und enthielten wegweisende demokratische Elemente. So wurden die Ämter im Orden ausnahmslos Wahlämter auf Zeit. Dass die Gründungsintention des Dominikus – die friedliche Alternative zur gewaltsamen Bezwingung der Katherer – recht bald in ihr Gegenteil umschlug und gerade die Predigerbrüder zu den theologischen Handlangern der Inquisition wurden, ist eines der traurigsten Kapitel der abendländischen Kirchengeschichte.
Im Gegensatz zum kirchlich etablierten und hochangesehenen Benediktinerorden galt der adeligen Familie des Thomas der noch junge Bettelorden als wenig ehrverheißend, ja anrüchig. Gewaltsam und mittels Zwangsinternierung sollte Thomas an seinem Vorhaben, sich dem Dominikanerorden anzuschließen, gehindert werden – vergeblich. Bald schon begann, zunächst gefördert von seinem Lehrer Albertus Magnus, die beispiellose Gelehrtenkarriere des Thomas mit Paris und Neapel als den hauptsächlichen Wirkungsstätten. Aus dem »stummen Ochsen«, wie er einst von den Mitstudenten genannt wurde, wurde alsbald der Meister der scholastischen Argumentationskunst. An der Pariser Universität durchlief Thomas die damals übliche akademische Karriere eines Theologen vom Baccalaureus biblicus zum Baccalaureus sententiarius3, bis er schließlich den Rang eines Magisters erlangte, also modern gesprochen die Lehrbefugnis eines Universitätsprofessors.
Im umfangreichen Werk des Thomas von Aquin, auf das ich hier nicht näher eingehen kann4, nimmt auch die literarische Gattung der Quaestiones disputataevidetur quod nonsed contradeterminatio