Über das Buch:
Kalifornien 1859:
Wenn sie nicht über ihre eigenen Füße stolpert, bringt sie garantiert ihr schnelles Mundwerk in Schwierigkeiten. Dabei hat Ruth Caldwell die besten Absichten. Seit Jahren versucht sie, eine echte Lady zu werden. Doch es will ihr einfach nicht gelingen.
Als Josh McCain Ruth das erste Mal sieht, verschlägt es ihm die Sprache. Nicht nur, weil sie so aussieht, als hätte sie wochenlang in ihrer Kleidung geschlafen, sondern auch, weil ihre wilden Locken und die hinreißenden grünen Augen ihn auf Anhieb faszinieren.
Doch dann erhebt Ruth Anspruch auf Joshs Erbe – und schon bald fliegen zwischen ihnen eher die Fetzen als die Funken. Noch nie in seinem Leben hat Josh eine so halsstarrige, unbeholfene und ungeschickte Person wie Ruth kennengelernt. Als ihre »Unfälle« gefährliche Ausmaße annehmen, muss er eine Entscheidung treffen ...
Über die Autorin:
Die erfahrene Krankenschwester Cathy Marie Hake hat sich – auch auf der Krebsstation – eine gesunde Portion Humor bewahrt. Der schimmert immer wieder in den 25 Büchern durch, die sie geschrieben hat. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Anaheim/Kalifornien.
Kapitel 7
„Alles fertig, Süße.“ Galen tätschelte liebevoll den Hals der Stute. Er nahm die Zügel, führte den drahtigen kleinen Mustang aus der Umzäunung und band ihn dort fest. Die Stute warf den Kopf in den Nacken und wieherte, als könnte sie es gar nicht erwarten, ihren Job zu machen.
„Du erwartest einen Wechsel?“, rief Josh, als er mit einer jungen Frau auf jeder Seite heranritt.
„Der Reiter wird noch zwischen zehn Minuten und einer halben Stunde brauchen.“
„Du weißt es nicht genau?“, fragte Laney.
„Die Pferde können keine Uhr lesen.“ Galen streckte seine Arme aus und half Laney beim Absteigen. „Hast du gestern auf mich gehört und etwas Pinkes gekauft?“
„Das habe ich.“
Galen wandte sich um, um auch Miss Caldwell zu helfen, aber es war zu spät. Josh war ihm zuvorgekommen. Eine Schande. Galen hatte die seltsame Art gefallen, wie sie sich gestern kennengelernt hatten. In Gedanken machte er sich eine Notiz, Miss Caldwell später auf jeden Fall beim Aufsteigen zu helfen. „Und Sie, Miss Caldwell – haben Sie auch etwas gefunden, das Ihnen gefällt?“
„Der einzige Stoff, den Laney mir nicht kaufen wollte, war die Baumwolle, die Sie mitgenommen haben.“ Ruth lächelte ihn an. „Ich glaube, sie denkt, solange sie mich zum Nähen bringen kann, bleibe ich hier.“
„Dann müssen wir dafür sorgen, dass Lester sich Nachschub besorgt.“
„Ich habe Zwiebeln für deinen Vater dabei.“ Laney berührte seinen Arm. „Wie geht es ihm?“
„Er war noch am Schlafen, als ich aus dem Haus gegangen bin. Geht doch rüber und seht selbst nach. Ma freut sich bestimmt, euch zu sehen.“
Ruth wirkte unsicher. „Wird es nicht zu anstrengend für Ihre Eltern, Gäste zu empfangen?“
„Nein, überhaupt nicht.“ Galen schüttelte den Kopf. „Sie sind neu hier, aber Sie werden schnell merken, dass die Tür bei den O’Sullivans immer offen steht. Dad und Ma lieben Gäste.“
Laney zupfte an seinem Ärmel. „Ruf uns bitte, wenn der Reiter kommt, ja?“
„Das muss ich gar nicht. Ihr hört das Trommeln der Hufe selbst im Haus. Außerdem lädt Ma die Reiter gerne zum Essen ein. Vielleicht könnt ihr ihm nachher das Essen bringen.“
„Wie aufregend!“ Laney ließ ihn los, schnappte sich Ruths Hand und lief in Richtung Haus.
Als sie außer Hörweite waren, murmelte Josh: „Laney hat dich sehr gerne.“
„Sie wird darüber wegkommen.“ Sein Freund sah ihn finster an. „Ich spiele nicht mit Frauen. Ich kann nicht so tun, als würde ich etwas für sie empfinden. Ich weiß, dass sie siebzehn ist, aber für mich ist sie immer noch ein kleines Mädchen, Josh.“
„Brich ihr nicht das Herz.“
„Sie hat mich doch nur wegen Ma so gerne. Sie vermisst ihre eigene Mutter, also kommt sie hierher und füllt die Leere auf. Es ist verständlich, dass sie ein Teil von all dem sein will. Bald wird Laney merken, dass meine Ma sie genauso gern hat, wenn sie nicht von mir schwärmt.“
„Sie würde es nicht als Schwärmen bezeichnen.“
„Ich schon.“ Galen richtete seinen Blick auf den Horizont und sagte nichts weiter. Sechs Monate und … drei Tage. So lange war es her, dass Melinda mit dem Fleischer aus Sacramento auf und davon war und ein Loch von der Größe Texas‘ in seinem Herzen hinterlassen hatte. Das Letzte, was er gehört hatte, war, dass sie ihr erstes Kind erwarteten. Diese Nachricht hatte ihn dazu gebracht, sein Leben endlich weiterzuleben.
„Dieses Mädchen ist wirklich eine Schönheit, oder?“
„Hm?“ Galen wurde aus seinen Gedanken gerissen.
„Sie sieht ziemlich gut aus.“
„Miss Caldwell?“
Josh gluckste. „Die auch. Aber ich meinte dieses kleine Pony hier. Ich mochte sie immer schon sehr gerne.“
„Von denen, die du mir verkauft hast, ist sie auch mein Lieblingspony.“ Galen streichelte die Ohren des Tieres. „Ein großes Herz und so schlau wie nur irgendwas.“
„Ich hab noch drei weitere Pferde fertig zum Verkauf. Wenn du Zeit hast, schau sie dir doch mal an.“
„Das mache ich.“
„Warte nicht zu lange. Eddie Lufe will sie auch unbedingt haben.“
Galen seufzte. „Ich habe momentan kaum Zeit. Wenn es Dad besser geht, komme ich sofort.“
„Was hat der Doc gesagt?“
„Nichts Gutes.“ Sein Vater sagte immer, dass ein Mann sein Vertrauen auf Gott setzen müsse, und Galen glaubte das auch, aber jetzt, wo er wusste, dass die Tage seines Vaters gezählt waren, fiel es ihm immer schwerer.
Josh drückte seine Schulter. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.“
„Ma und ich haben die Situation unter Kontrolle. In ein paar Wochen ist die Schule zu Ende. Dann sind die Jungs tagsüber zu Hause, um zu arbeiten.“
„Colin“, Josh grinste, als er Galens ältesten kleinen Bruder erwähnte, „habe ich neulich zur Schule reiten sehen. Er hätte im Sattel kaum größer sein können. Er ist so stolz darauf, dass er endlich ein eigenes Pferd hat.“
Galen gluckste. „Das ist er. Wenn ich dir noch mehr Pferde abkaufe, werden Dale und Sean so lange nerven, bis ich jedem ein Pferd gebe, damit sie nicht mehr zusammen reiten müssen.“
„Ich bekomme in den nächsten Tagen meinen neuen Sattel.“ Josh warf dem Sattel auf seinem Pferd einen Blick zu. „Dieser ist noch sehr gut. Wenn du ihn brauchst …“
„Weitere Pferde zu kaufen wird schon teuer genug.“
„Ich will ihn nicht verkaufen –“ Josh hielt inne, dann grinste er. „Doch, will ich. Ihr habt im Herbst wieder Mandeln und Walnüsse. Ich will von beidem das erste Kilo.“
„Du kriegst sie.“
„Dann bekommst du den Sattel.“ Josh sah ihn fest an.
„Wir kommen gut zurecht, Josh. Wir brauchen keine Almosen.“
„Das weiß ich.“ Josh sah zum Haus, dann zurück zu seinem Freund. „Ich biete dir meine Freundschaft und meine Hilfe an. Deine kleinen Brüder werden schnell genug erwachsen werden müssen. Lass es uns so schmerzlos wie möglich machen.“
Das Wissen, dass seine Brüder ohne Vater aufwachsen würden, wog schwer auf Galen. Er würde der Mann im Haus sein und mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Zu wissen, dass Josh ihm bei dieser Bürde helfen wollte – nun, das war ein Geschenk des Allmächtigen. „Gott hat meine Familie damit gesegnet, dass du auf Broken P eingezogen bist.“
„Das muss ich zurückgeben.“ Josh seufzte schwer. „Hilda kann gut kochen und putzen, aber wenn es um Laney geht, ist sie überhaupt keine Hilfe. Dad und ich sind froh, dass sie zu euch kommen und mit deiner Mutter reden kann.“
„Jetzt habt ihr ja auch noch Ruth.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob sie eine große Hilfe sein wird. Bis jetzt ist sie nur gut darin, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen.“
„Vielleicht braucht sie ein bisschen Freiheit, um hier draußen zurechtzukommen.“
Ein Grinsen zupfte an Joshs Mundwinkel. „Letzten Sonntag habe ich Gott um mehr Geduld gebeten und er hat mir Ruth geschickt. Was soll ich davon halten?“
„Du bist ein tapferer Mann, dass du dich traust, um so etwas zu bitten.“ Sie mussten beide lachen.
In der Ferne war Hufschlag zu hören. Galen drehte sich um und sah dem Reiter des Ponyexpress zu, wie er näher kam. Wenn nicht seine Geschwindigkeit seine Identität verkündet hätte, hätte es seine Kleidung getan. Er trug den typischen breitkrempigen Hut, ein gelbes Halstuch, rotes Hemd und blaue Jeans. „Sieht aus wie Sam Hamilton.“
Laneys Stimme erklang und bald mischte sich das Rascheln von Röcken unter die Hufschläge. Laney und Ruth rannten über den Hof und kamen in dem Moment am Zaun an, als der Reiter sein Pferd zügelte.
„Ich hole die Post“, sagte Galen, als Sam Hamilton abstieg.
„In Ordnung.“ Hamilton lehnte sich an den Zaun. „Ach, meine Damen, das sieht großartig aus.“ Er nahm ein Stück Kuchen von Laney entgegen und aß es in vier großen Bissen.
Während er aß, redete Galen leise auf das Pony ein, dem er die Ledertaschen abnahm. Dann legte er sie der frischen Stute über. Die Taschen waren so gefertigt, dass sie schnell von einem Sattel auf den nächsten gelegt werden konnten und sich leicht befestigen ließen.
Galen zurrte die Taschen fest. „Fertig.“
Der Reiter nahm das Glas, das Ruth ihm hinhielt, leerte es in einem Zug und sprang wieder auf sein Reittier. „Danke!“ Und damit war er wieder verschwunden.
„War das nicht aufregend?“ Laney sah Galen mit funkelnden Augen an.
„Absolut“, pflichtete Ruth ihr bei. „Ich habe alles über den Central Overland California und Pike’s Peak Express gelesen, aber Worte in einem Buch können der Realität nicht gerecht werden.“
Laneys Lächeln schmolz und sie sah verwirrt aus. „Der Overland ist doch die Postkutschengesellschaft.“
„Ja, die Überlandkutsche Overland hat Ruth hergebracht“, sagte Josh. „Aber der offizielle Name des Ponyexpress ist Central Overland California und Pike’s Peak Express.”
„Ah, ich verstehe.“ Laneys Lächeln war zurückgekehrt. „Galen, du warst so schnell beim Austauschen der Post.“
Ruth drehte die leere Tasse um und stimmte ihr zu. „Das waren Sie. Aber etwas hat mich überrascht. Ich wusste nicht, dass der Reiter auf der Tasche sitzt.“
Galen zuckte mit den Schultern. „Sein Gewicht hält die Taschen an Ort und Stelle. Dass die Taschen viereckig sind, verteilt das Gewicht am besten, sodass die Pferde optimal belastet werden.“
„Aber das Pferd …“ Ruth warf einen seltsamen Blick auf den Mustang. „Ich habe gelesen, dass sie die reinblütigsten Pferde verwenden. Im Osten haben wir hervorragende Morgans.“
Galen gluckste und griff nach den Zügeln des Mustangs. „Kein Pferd ist zäher und schneller im kalifornischen Terrain als ein Mustang. Und Mustangs sind klug. Wer auch immer sich für diese Tiere entschieden hat, hat richtig gehandelt.“
„Es tut mir leid.“ Ruth zuckte zusammen. „Ich wollte nicht Ihre Tiere beleidigen.“
„Das haben Sie nicht. Sie haben einfach nur laut gedacht und sich logische Fragen gestellt. Nun, wenn die Damen mich entschuldigen würden, würde ich mich gerne um das Pferd kümmern.“
Die Mädchen gingen zurück ins Haus und Galen führte den Mustang im Hof herum, damit er sich abkühlen konnte.
Josh ging neben ihm her. „Ich habe die Mädchen in dem Glauben gelassen, dass ich mitgekommen bin, um dir von den Pferden zu erzählen und um Ruth davor zu bewahren, vom Pferd zu fallen und sich das Genick zu brechen.“
„Und warum bist du wirklich hier?“
Josh verzog das Gesicht. „Ich kann mich täuschen, aber ich habe das komische Gefühl, dass Toledo Ruth folgt. In den letzten zwei Tagen hat er sie mehrmals beobachtet.“
„Sie ist freundlich. Lebhaft. So eine Frau erregt überall Aufmerksamkeit.“
Sein Freund schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht erklären. Irgendwas fühlt sich seltsam an. Macht es dir etwas aus, wenn sie eine Weile hierbleiben?“
„Ma wollte schon immer eine Tochter. Immer wenn Laney vorbeikommt, ist Ma die glücklichste Frau auf der Welt. Ich bin mir sicher, sie wird Ruth auch lieben. Mach dir keine Sorgen, Josh. Sie sind hier herzlich willkommen.“
„Okay, danke.“
„Ich halte die Augen auf.“
„Das beruhigt mich.“
Um die Stimmung aufzuheitern, sagte Galen: „Es sah so aus, als würde Ruth gut reiten können.“
„Das musste sie auch.“ Endlich gluckste Josh wieder. „Gott wusste, dass ich nicht die Geduld haben würde, einer Frau das Reiten beizubringen.“
Nachdem Josh sich verabschiedet hatte, brachte Galen den Mustang in den Stall. Motten tanzten in den Sonnenstrahlen, die zwischen den Holzlatten hindurchfielen. Galen liebte den Stall. Eine leichte Brise wehte durch den Bau, die das Pferd weiter abkühlte, während Galen ihm den Sattel abnahm.
Das Pferd schnaubte und die immer noch heiße Haut zeigte, wie sehr sich das Tier angestrengt hatte, um seinen Job zu machen. Es ging in Richtung Wassertrog.
„Nein, noch nicht.“ Galen schob das Tier in seine Box. „Wenn du zu früh trinkst, tut dir das nicht gut. Hier, das ist viel besser.“ Er tauchte eine leere Dose in den Trog und goss dem Pferd das Wasser über Hals und Rücken. „Das fühlt sich gut an, oder?“
Das Pferd stand still und genoss die Zuwendung. „Du bist ein gutes Tier. Wir kühlen dich ab und später kannst du auf die Koppel. Würde dir das gefallen?“
„Reden Sie immer mit Tieren?“
Galen wandte sich um und sah Ruth. „Das mache ich. Soweit ich weiß, hat Adam sie alle benannt. Warum sollte man das tun, wenn man nicht vorhat, mit ihnen zu reden?“
Sie lächelte. „Da haben Sie recht. Ihre Mutter möchte Sie etwas fragen. Soll ich das Pferd in der Zwischenzeit zur Tränke führen?“
„Nein, Mädchen. Er wird krank, wenn er zu schnell trinkt.“ Zufrieden nickte Galen, als er merkte, dass die Haut des Tieres langsam kühler wurde.
Ruth ging neben ihm her, als er sich auf den Weg zum Hause machte. „Sie hatten recht mit Ihrer Mutter.“
„Hm?“ Er warf ihr einen fragenden Blick zu.
„Sie sieht wunderschön aus in Pink.“
Galen nickte. „Aye. Sie ist eine großartige Frau und ich habe kein Problem damit, das der ganzen Welt mitzuteilen. Ich bin nicht dafür verantwortlich, deshalb ist es keine Angeberei. Gott hat ihr ein großes Herz gegeben und das verleiht ihr diese besondere Ausstrahlung.“
Er klopfte seine Stiefel ab, bevor er ins Haus ging. „Sam Hamilton war gerade hier, Pa. Alle vier Satteltaschen waren bis oben hin voll. Ich glaube, der Ponyexpress kommt bei den Menschen noch besser an als erwartet.“
„Die Postkutsche brauchte drei Wochen hierher“, sagte Ruth neben ihm. „Wenn es sich um wichtige Nachrichten handelt, ist das viel im Vergleich zu zehn Tagen.“
„Ich habe immer gesagt, schlechte Nachrichten können warten und gute werden nur besser.“ Ma ging von Dads Bett neben dem Kamin zum Herd und rührte in einem Topf. „Galen, ich hatte gehofft, Josh wäre noch hier. Dein Vater und ich haben darüber gesprochen, noch ein Pferd zu kaufen.“
„Wirklich?“ Galen ging zum Bett, setzte sich auf einen Stuhl, beugte sich vor und stützte seine Arme auf den Oberschenkeln ab. „Um ehrlich zu sein, hat Josh mir eben das Vorkaufsrecht an seinen Tieren angeboten.“
Laney kam zu ihm und reichte ihm eine Tasse Wasser. Das Zinn fühlte sich kühl an und sofort spürte Galen, wie durstig er war; aber er hob den Kopf seines Vaters an. „Hier, nimm einen Schluck.“
„Mmm. Danke.“
Laney blieb neben ihm stehen und legte eine Hand auf seine Schulter. „Ihr solltet zwei der drei Ponys kaufen. Wirklich. Ich habe gehört, wie Daddy und Josh sich unterhalten haben, und die Mustangs sind bisher anscheinend die besten, die sie je hatten. Der andere – na ja, Josh hat ihn einen Wirbelwind auf vier Beinen genannt.“
Dad sah Galen an. „Vielleicht nehmen wir wirklich zwei. Sieh sie dir an und triff eine Entscheidung.“
„Laney“, rief Ma, „würdest du mir etwas Butter aus dem Brunnenhaus holen?“
„Natürlich. Wie viel brauchst du?“
„Einen Block. So warm, wie es mittlerweile ist, traue ich mich nicht, sie im Haus aufzubewahren.“
Laneys Röcke raschelten, als sie den Raum verließ, und Galen warf seiner Mutter einen dankbaren Blick zu. Sie zwinkerte zurück.
Hitze stieg ihm in den Nacken, als er Ruths große Augen sah. Sie hatte den Blickwechsel genau gesehen. „Ich vermute, ich sollte Sie um Stillschweigen bitten, Miss Caldwell. Ihre Freundin ist ein liebes Mädchen – aber das ist eben auch schon alles.“
Dad stieß ein raues Lachen aus, dann musste er husten. Galen hob seinen Kopf und seine Schultern an, um ihm noch einen Schluck Wasser einzuflößen. „Ach, Sohn, du und deine unverblümte Zunge.“
„Dad, ich will nicht, dass irgendjemand denkt, ich würde ihre Zuneigung erwidern – vor allem nicht Laney.“
„Es ist eine Schande, dass Sie es nicht tun.“ Sobald ihr die Worte entschlüpft waren, schlug Ruth sich eine Hand auf den Mund.
„Je weniger Aufsehen wir darum machen, desto besser.“ Ma nahm eine Rührschüssel vom Regal und stellte sie auf den Tisch. „Es gibt kein einziges Mädchen auf der ganzen Welt, das nicht irgendwann einmal sein Herz an den Falschen verloren hat. Mit der Zeit wird unsere Laney schon denjenigen finden, den Gott für sie ausgesucht hat. Bis dahin ertragen wir alles in christlicher Gelassenheit.“
Galen sah zu Ruth, um zu sehen, was sie sagen würde. Langsam ließ sie ihre Hand sinken und kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich glaube nicht, dass ich eine gute Freundin wäre, wenn ich Laney so weitermachen lassen würde.“
„Das mag sein.“ Ma rieb ihre Hände aneinander. „Geh ruhig wieder an die Arbeit, Galen. Ich möchte, dass Laney und Ruth den ganzen Tag hierbleiben. Freu dich schon mal auf ein ganz besonderes Abendessen.“
„Na gut, Ma.“ Galen reichte seinem Vater einen letzten Schluck Wasser und erhob sich dann. Zu seiner Überraschung schlüpfte Ruth an seinen Platz.
„Mr O’Sullivan, jetzt, wo Ihr Sohn noch da ist, könnten wir Sie doch vielleicht in den Schaukelstuhl setzen? Nach dem Mittagessen kann er Sie dann wieder zurückheben, damit Sie sich ausruhen können. Aber bis dahin möchten Sie vielleicht am Fenster sitzen und die Sonne genießen …“
„Ich bin stark genug, das allein zu schaffen.“
Ma fuchtelte mit ihrem Kochlöffel in Dads Richtung. „Ich lasse dich nur aufstehen, alter Mann, wenn du mir versprichst, mich nicht herumzukommandieren.“
„Kelly, Liebes.“ Dad rutschte im Bett herum. „Du musst mich für einen Narren halten, wenn du glaubst, ich würde die Perfektion in Person herumkommandieren.“
„Er hat recht, Ma. Du bist die beste Köchin der Welt.“
„Das finde ich auch“, sagte Laney, die gerade wieder zur Tür hereinkam. „Brauchen wir die Butter zum Backen?“
„Aye.“ Ma lächelte.
Ruth ging durch den Raum, nahm Laney die Butter ab und stellte sie auf den Tisch. „Aber ich bin mir sicher, wir brauchen auch Eier. Ich kenne mich hier gar nicht aus. Warum gehen wir nicht zusammen raus und sammeln Eier für Mrs O’Sullivan?“
„Das wäre sehr lieb von euch.“ Ma reichte Ruth den Eierkorb.
Galen wartete, bis die beiden draußen waren, dann half er seinem Vater, der die Decke zurückgeworfen hatte und nun zum Schaukelstuhl humpelte. Ma hatte ihn schon ans Fenster gestellt und die Gardine zurückgezogen, damit Dad so viel wie möglich sehen konnte. Es schmerzte zu sehen, wie die beiden sich umei- nander kümmerten, und zu wissen, wie wenig Zeit ihnen nur noch miteinander blieb.
Galen ging zurück zum Stall. Dort striegelte er schweigend das Pferd. Die gleichförmige Arbeit half ihm, sich zu beruhigen. Danach wusch er das Tier noch einmal ab und brachte es dann auf die Weide.
Obwohl noch viel Arbeit auf ihn wartete, blieb er eine Weile am Zaun stehen und ließ seinen Blick über das Stückchen Land schweifen. Bis vor zwei Monaten hatten Dad und er sich gemeinsam um die anfallenden Aufgaben gekümmert und sie hatten damit beide gut zu tun gehabt. Als sein Vater immer schwächer geworden war, hatte Galen angefangen, früher aufzustehen und später ins Bett zu gehen. Er hatte auch seinen Bruder Colin früher geweckt, damit er vor der Schule mehr Arbeiten als üblich erledigen konnte. Wenn der Sommer endlich da war, würden ihn seine drei Brüder tatkräftig unterstützen können. Aber, Herr, was soll ich tun, wenn die Schule erst wieder anfängt? Wir können uns keinen Arbeiter leisten.
Galen wusste, dass er zum Herbst hin viel mehr Hilfe brauchen würde. Im Notfall würde er die Jungs zur Erntezeit nicht zur Schule schicken können – etwas, das ihn sehr belastete. Aber er könnte nicht allein das Korn ernten und das Heu einbringen.
Und dann war da auch noch der Obstgarten. Ma hatte sich nie entscheiden können, was sie am liebsten mochte, deshalb hatte Dad ihr von allem ein bisschen gegeben. Jede Ecke des Grundstückes beherbergte ein halbes Dutzend Nussbäume – Mandeln im Osten und Westen, Pekannüsse im Süden und Walnüsse im Norden. Zwischen den Nussbäumen zog sich eine Reihe von Obstbäumen entlang – Apfelbäume auf der einen Seite, Orangen auf der anderen, Birnen auf der dritten und dann noch Kirschen. In der Mitte hatte seine Mutter ihren wunderschönen Garten.
Mit all dem Essen, der Milchkuh und den Hühnern würden sie lange über die Runden kommen, das wusste Galen. Seine Familie würde keinen Hunger leiden müssen. Und mit dem Geld für den Ponyexpress konnten sie die Hypothek abbezahlen. Wenn Gott ihre Ernte segnete, würde er seiner Familie ein gutes Leben bieten können. Aber noch immer lastete das Gewicht der Verantwortung schwer auf seinen Schultern.
Galen wollte sich wieder der Arbeit zuwenden, hielt aber erschrocken inne, als er in der Ferne einen Mann auf einem Pferd erblickte. Im grellen Sonnenlicht konnte er nicht erkennen, um wen es sich handelte. Was Galen aber sah, war, dass der Mann nicht in Richtung Stall schaute, nicht zum Haus oder dem Garten. Er starrte direkt zu der Wäscheleine, an der Laney und Ruth gerade eine Decke ausklopften.
Kapitel 8
„Wie findest du es?“ Ruth lehnte sich zurück, damit Laney die Farbe sehen konnte, die sie gerade zusammengemischt hatte.
„Wir könnten hier und da Blumen aufmalen, dann noch mehr Rot untermischen, damit wir ein kräftigeres Pink haben, dann wieder Blumen malen und noch mehr Farbe untermischen. Das wird ein Spaß!“
„Ja, das wird ein Spaß!“ Ruth streckte sich und sah sich in ihrem Zimmer um. Laney und sie hatten gestern schon die Wände geweißt. Ruth trug das gleiche Kleid wie am Vortag, denn obwohl sie sehr vorsichtig gewesen war, hatte sie abends weiße Tünche auf dem rechten Ärmel und dem Rocksaum gehabt. Und sie wollte heute nicht noch ein neues Kleid opfern.
Josh hatte recht. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Aber nachher wird dafür alles umso schöner aussehen. Alles, außer mir. Zum Glück hat Josh darauf bestanden, dass ich mehr Kleider brauche.
„Ich habe Angst, dass du nachher noch mehr Hellrosa brauchst, wenn wir die Farbe schon dunkler gemacht haben“, gestand Laney.
„Glaubst du, Hilda hat ein paar leere Gläser? Dann könnten wir von jeder Farbe etwas aufheben und müssten uns keine Sorgen machen.“
Ein paar Stunden später sah Ruth sich die Wände an und nickte. „Das sieht sogar noch besser aus, als ich es mir vorgestellt hatte. Du bist unglaublich talentiert, Laney.“
„Ich liebe Blumen. Ich habe keinen grünen Daumen, aber ich liebe es, sie zu malen.“ Laney tupfte einen Farbkleks auf die Wand, um ein letztes Blatt zu erschaffen. „Von allen Dingen, die Gott erschaffen hat, liebe ich die Blumen am meisten. Was ist mit dir?“
Ruth dachte einen Augenblick lang nach. „Wolken. Als ich ein kleines Mädchen war, haben Mama und ich immer im Garten gesessen und die Wolken beobachtet.“ Als die bittersüße Erinnerung sie durchflutete, musste Ruth darum kämpfen, ihrer Stimme einen fröhlichen Klang zu verleihen. „Wir haben uns angeschaut, wie die Wolken aussehen.“
„Wolken sehen aus wie Wolken.“
„Nur, wenn man nicht aufmerksam ist.“ Ruth ging zu einer freien Stelle an der Wand und malte eine Rose. „Wenn man seine Vorstellungskraft benutzt, haben sie plötzlich ganz andere Formen. Ich habe schon einen Hundekopf und Boote gesehen.“ Die Erinnerungen wurden immer lebendiger. „Mama hat niemals mit dem Finger auf Dinge gezeigt, weil sich das nicht gehört, aber bei Wolken hat sie eine Ausnahme gemacht. Sie hat ihre Hand ausgestreckt und mir ein Lamm oder eine Kutsche gezeigt.“
„Das hört sich so an, als würde es Spaß machen. Vielleicht können wir dieses Spiel Mr O’Sullivan beibringen. Dann kann er, wenn er am Fenster sitzt, seinen Verstand anstrengen. Ich saß oft neben deinem Vater. Er saß wie eine Katze in der Sonne und hat mir aus der Bibel vorgelesen.“
„Hatte er eine Lieblingsstelle?“
„Die Psalmen – alle Psalmen.“ Laney schloss ein Auge und tupfte noch ein bisschen Farbe auf ein schon vorhandenes Blatt. „Er kannte viele von ihnen auswendig.“
Auf der Treppe erklangen schwere Schritte. Josh kann es nicht sein. Wenn er es wäre, würden seine Sporen klirren.
„Ich frage mich, was Hilda zu dieser Zeit hier oben macht“, sagte Laney.
Ruth sah sich die wunderschönen Wände an und rief: „Hilda, schau, was wir schon geschafft haben.“
Die Haushälterin erschien im Türrahmen. „Ich habe –“ Ihre Augen wurden groß, dann sehr schmal. „Ist das, was ich denke, dass es ist?“
„Ein Rosengarten“, sagte Laney. „Wir brauchen nur noch das Grün für die Blätter und –“
„Das meine ich“, unterbrach Hilda sie. „Das sind meine Muffinformen!“
„Ist das nicht schlau?“ Laney hatte sich nicht umgedreht, daher konnte sie den Gesichtsausdruck der Haushälterin nicht sehen. „Man kann sie wunderbar als Paletten benutzen.“
„Die sind nicht zum Malen, die sind fürs Essen.“
Ruth schluckte schwer. „Das war mein Fehler. Meine Idee. Es tut mir leid. Wir waschen sie ganz oft aus, bevor wir sie in die Küche zurückbringen.“
„Hilda macht das doch gar nichts aus. Oder, Hilda?“
Die Haushälterin starrte Laney an, dann seufzte sie theatralisch. „Dann backe ich heute eben Brot anstatt Muffins. Aber ab jetzt haltet ihr beide euch aus der Küche fern. Ich habe genug zu tun, ohne dass ich nach meinem Geschirr suchen muss.“
„Ich würde gerne im Haushalt helfen, Hilda.“ Ruth setzte das Muffinblech vorsichtig ab.
„Nein, nein. Ich brauche den Job. Sobald Mr McCain sieht, dass du meine Arbeit machst, Kleine, schmeißt er mich raus.“
„Das würde er nicht tun!“, rief Laney erschrocken.
Hilda sah Laney verärgert an. „Kind, dein Vater verhätschelt dich, deshalb siehst du den Wald vor lauter Bäumen nicht. Der Mann dreht jeden Penny so oft um, dass denen schon schlecht wird.“ Sie strich ihre Schürze glatt. „Nicht, dass es eine Sünde wäre, sparsam zu sein. Die Bibel sagt uns ja, dass wir mit dem, was Gott uns gegeben hat, verantwortungsvoll umgehen sollen. Aber manche nehmen die Sache eben ein bisschen ernster als andere.“
Ruth wollte nicht mit Hilda streiten, aber sie hatte Mr McCain als sehr großzügig und freundlich erlebt. Da sie sich in der Vergangenheit jedoch schon oft mit ihren unerwünschten Meinungen unbeliebt gemacht hatte, sagte sie nur: „In den meisten Schulen, in denen ich war, wollten die Leiterinnen uns auch nicht in der Küche oder im Waschraum haben. Sie sagten, wenn wir unser gesellschaftliches Benehmen kultivierten und weibliche Tugenden entwickelten, würden wir einen reichen Mann heiraten können und uns niemals mehr um so etwas kümmern müssen.“
„Das stimmt“, zwitscherte Laney.
Ruth schüttelte den Kopf. „Das alles kommt mir so unsinnig vor. Nur weil ein reicher Mann sich viele Angestellte leisten kann, heißt das doch nicht, dass er ein guter Ehemann ist. Das Gegenteil stimmt genauso: Nur weil ein Mann nicht so tiefe Taschen hat, heißt das nicht, dass er nicht ein guter Partner wäre.“
Hilda schnaubte. „Du drehst dich im Kreis.“
„Laney und ich könnten dir helfen. Wir sollten es sogar.“ Ruth strahlte sie an. „Wir sagen Mr McCain einfach, dass du uns auf das Eheleben vorbereitest.“
„Das ist eine gute Idee“, stimmte Laney ihr zu.
Hilda sah sie fassungslos an. „Elaine Louise McCain, dein Dad will nichts davon wissen, dass du irgendwann einmal heiratest und ihn verlässt. Deine Mutter zu beerdigen hat ihn schwer getroffen. Wirklich schwer. Er will dich nicht auch noch verlieren.“
„Ich weiß“, sagte Laney leise.
Hilda stapfte davon und murmelte dabei etwas von Hochzeiten und Muffinblechen vor sich hin.
Ruth malte weiter, aber in ihrem Herzen war sie nicht mehr bei der Sache. Herr, warum muss ich immer die falschen Dinge tun? Ich hätte nach Hilda suchen und sie um Erlaubnis fragen sollen. Ich wollte hier einen Neuanfang machen, aber ich vermassle wieder nur alles.
„Mama hat immer gesagt, dass Hilda jeden Morgen mit dem falschen Fuß aufsteht“, flüsterte Laney.
„Ich wusste nicht, dass sie mit deiner Familie hergekommen ist. Ich dachte irgendwie, sie hätte meinem Vater schon den Haushalt geführt, als er noch allein hier gelebt hat.“
Laney runzelte die Stirn, während sie eine weitere Rose vollendete. „Als wir hergekommen sind, gab es hier nichts als ein paar alte Sättel im Stall und deinen Vater in dem kleinen Haus. Mein Vater hat mich gleich am nächsten Tag auf die Schule im Osten geschickt, aber ich wusste immer, dass dein Vater ein Einzelgänger war.“
„Das ist wirklich traurig.“
„Aber es hat sich mit der Zeit geändert. Sein letztes Jahr hier war er zufriedener als je zuvor. Wenn ich mal von der Schule heimkam, haben wir zusammen Dame gespielt. Und er hat mir aus der Bibel vorgelesen, das habe ich ja schon erzählt.“
„Danke, dass du ihm Gesellschaft geleistet hast. Ich bin mir sicher, das hat ihn froh gemacht.“
„Er hätte dich gemocht.“ Laney malte weiter, während sie redete. „Er hatte die gleiche Sicht auf das Leben wie du. Ich wette, er hat auch in die Wolken geschaut und Bilder in ihnen gesehen.“
„Noch nie hat jemand etwas Netteres zu mir gesagt“, seufzte Ruth.
„Wo wir gerade von netten Dingen sprechen, ist Galen nicht der wunderbarste Mann auf der ganzen Welt?“
„Nein!“ Sofort kämpfte Ruth darum, ihre Antwort abzumildern. „Josh und dein Vater sind auch wunderbar. Und Josh ist größer und sieht besser aus als Galen.“ Ach du meine Güte. Was rede ich hier? Hoffentlich hat Laney nicht richtig zugehört. „Ich war auf den Schulen immer nur mit Mädchen zusammen und habe bisher nicht viele Männer kennengelernt. Und du doch genauso wenig, oder?“ Sie wartete nicht auf eine Antwort. „Dein Vater hat recht. Wir sollten uns nicht vom erstbesten Mann den Kopf verdrehen lassen.“
„Galen hat mir nicht den Kopf verdreht.“
„Ich stimme mit den wenigsten Regeln der Schulen, auf denen ich war, überein, aber ich bin der Meinung, dass man einen Mann nicht bedrängen sollte.“
„Ich bedränge Galen nicht.“ Laney wedelte mit ihrem Pinsel in der Luft herum. „Ich zeige ihm nur, dass ich frei bin, damit er den ersten Schritt machen kann.“
„Was ist der Unterschied?“
Laney legte den Kopf schief und lächelte zufrieden. „Ich war sehr diskret. Eine Frau, die ihn bedrängen würde, hätte an dem Tag, nachdem seine Freundin ihn verlassen hatte, mit einem Kuchen vor seiner Tür gestanden. Ich habe so etwas nie getan.“ Laney tauchte ihren Pinsel in die Farbe und sah Ruth fragend an. „Was weißt du über die Kunst, einen Mann zu fangen? Hattest du schon viele Verehrer?“
„Himmel, nein!“ Ruth zuckte zusammen. „Ich weiß nicht einmal, ob ich überhaupt heiraten will.“
„Du ziehst mich auf, stimmt’s?“ Laneys Lachen erstarb. „Nein, du meinst es ernst! Du meinst es ernst?“
Mit einem Nicken antwortete Ruth: „Ja, ich meine es ernst. Männer heiraten, weil sie Nachkommen haben wollen und jemanden, der sich um ihren Haushalt kümmert. Frauen nehmen Anträge an, weil die Gesellschaft es so von ihnen erwartet oder weil sie sich finanziell nicht selbst versorgen können. Zu den wenigsten Hochzeiten kommt es aus Liebe.“
„Du bist zynisch. Das bin ich nicht, weil mein Vater und meine Mutter einander verehrt haben. Sich vertraut haben. Ein Mann muss sich dein Vertrauen verdienen, bevor du ihm dein Herz schenken kannst. Das weiß ich.“
„Ich werde aber bis dahin nicht rumsitzen und darauf warten, sondern mein Leben leben.“ Ruth schaffte es doch tatsächlich, das Muffinblech zu drehen und sich dabei rosa Farbe über den linken Ärmel zu schütten. Rechts weiß, links rosa. „Oh, ich kann nicht glauben, dass ich so ungeschickt bin. Ich bin schrecklich.“
„Das bist du nicht!“ Laney tupfte etwas von der Farbe mit ihrem Pinsel ab und malte weiter. „Das Kleid ist ab jetzt einfach dein Arbeitskleid. Da ist es egal, ob Farbe drauf ist oder nicht. Und es wird sehr lange halten und du musst kein anderes Kleid mehr zu einer Schmutzarbeit anziehen.“
„Bei dir hört es sich fast ökonomisch an.“
„Ökonomisch? Ökonomisch war es, Josh nach den Farbresten vom Scheunenanstrich zu fragen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dieses schreckliche Rot unter das Weiß zu mischen, aber sieh dir nur das Ergebnis an!“
Ruth sah von ihrem bemalten Kleid zu den Muffinblechen, dann auf die Wand und zurück. „Jetzt zahlen sich endlich die endlosen Kunststunden aus, die wir in der Schule hatten.“
„Es wird noch besser aussehen, wenn wir die Blätter und Stiele aufgemalt haben.“ Laney machte eine Pause, dann fuhr sie fort: „Du musst dir keine Gedanken darüber machen, ökonomisch zu sein. Hilda ist nur schlecht gelaunt. Mein Vater wird sich gut um uns kümmern.“
„Das glaube ich auch.“
„Und wenn wir noch mal zu dem Unterschied zurückkommen – mit Galen, meine ich – also, sollte ein Mann es nicht merken?“
Ruth zog ihre Nase kraus. „Laney, wenn ich den Unterschied nicht erkenne, ob du ihn verfolgst oder ihm nur zeigst, dass du zur Verfügung stehst, wie soll er es dann erkennen? Nach allem, was ich weiß, sind Männer nicht gerade sehr feinfühlig, wenn es um solche Unterschiede geht.“
„Aber er scheint einfach gar nichts zu merken. Das ärgert mich fast. Ach, ich wünschte, ich wäre klug. Dann würden mir so geistreiche Dinge einfallen wie dir, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.“
„Wer sagt, dass du nicht klug bist?“
„Alle.“ Laneys Kinn fing an zu zittern.
„Na toll, jetzt bin ich schon wieder außen vor. Weil ich nämlich offensichtlich nicht ‚alle‘ bin.“
Tränen traten in Laneys Augen. „Siehst du? Das meine ich. Mir wäre nie so etwas Kluges eingefallen.“
„Ich habe nicht versucht, klug zu sein, Laney. Ich war einfach nur ehrlich. Ich habe nie wirklich dazugepasst – egal wo ich war. In den Schulen und zu Hause bei gesellschaftlichen Anlässen konnte ich mich nie angemessen benehmen. Ich bin immer negativ aufgefallen. Die letzte Schulleiterin hat mich sogar eine gesellschaftliche Außenseiterin genannt und sie hatte recht.“
„Wie schrecklich von ihr, so etwas zu sagen!“ Laney schniefte. „Aber ich finde, hierher passt du sehr gut. Doch ich? Ich werde es nie schaffen. Meine Schulleiterin hat mir gesagt, dass ich gut dazu taugen würde, eine Zierde am Arm meines Mannes zu sein – aber dass ihr Kanarienvogel klüger wäre als ich.“
„Wie unverschämt!“ Ruth legte ihre Arme um Laney. „Und sie hatte unrecht. Das weiß ich.“
Laney schüttelte den Kopf. „Sie hatte recht. Ich bin gut, wenn es um gesellschaftliche Regeln geht, und meine Lehrer haben mir gesagt, dass ich gut genug bin, aber das bin ich nicht.“ Sie schluchzte laut, dann flüsterte sie: „Die furchtbare Wahrheit ist, dass ich kaum lesen kann.“
Ihr Geständnis erschreckte Ruth. Sie drückte Laney fester an sich.
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich dumm bin“, weinte Laney.
„Unfug!“, rief Ruth. „Du hattest nur die falschen Lehrer. Wenn du Blumen malen kannst, kannst du auch Buchstaben und Zahlen lesen und schreiben.“
„Das glaube ich nicht.“
„Ich weiß es aber.“ Ruth zwinkerte Laney zu. „Ich bin schrecklich dickköpfig und ich werde dir das Lesen beibringen.“
Laney biss sich auf die Unterlippe und sah zu Boden.
„Gib nicht auf.“ Ruth schüttelte sie. „Ich werde es auch nicht tun.“
„Ich will nicht, dass Daddy es rausfindet. Josh weiß es und hilft mir. Daddy … Daddy ist der Einzige, der denkt, dass ich perfekt bin. Ich will ihn nicht enttäuschen.“
„Wir haben doch gesagt, dass wir jeden Morgen malen wollen. Einen Teil dieser Zeit, die wir für uns haben, benutzen wir einfach dazu, lesen und schreiben zu üben. Ich helfe dir, es geheim zu halten, Laney. Du musst dich vor mir nicht schämen. Du kannst lesen lernen. Aber sieh mich an. Ich glaube nicht, dass ich jemals lernen werde, wie man den Mund hält und sich angemessen verhält.“
„Ich mag dich genauso wie du bist.“ Laney löste sich aus der Umarmung.
Ruth räusperte sich. „Ich glaube nicht, dass du das noch so siehst, wenn ich dir gestehe, dass dein Kleid jetzt auch voller Farbe ist.“
* * *
Ruth wusch die Muffinbleche noch einmal – nur zur Sicherheit. Es war kein einziger Farbtropfen mehr zu sehen, aber sie wollte nicht riskieren, Hilda noch mehr zu verstimmen. Die Haushälterin war draußen und nahm Wäsche ab. Wenn sie zurück ins Haus kam, sollten die Bleche wieder an Ort und Stelle sein.
Laney wühlte in der Vorratskammer herum.
„Was machst du da?“
Jetzt stellte sie sich auf die Zehenspitzen und streckte sich, um an das oberste Regalbrett zu kommen. „Ich habe die Vase meiner Mutter gefunden. Lass uns rausgehen und Blumen pflücken. Was glaubst du, wie schön dein Zimmer mit den Blumen an der Wand und echten Blumen auf dem Nachtschrank aussehen wird?“
„Ich habe genug Blumen. Lass uns den Strauß in dein Zimmer stellen.“
Laney drückte die Kristallvase fest an sich. „Bist du dir sicher?“
„Natürlich bin ich das.“ Ruth wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Blech zu, das sie gerade zum vierten Mal abtrocknete. Fast hätte sie angefangen zu weinen. Zu sehen, wie Laney das Erinnerungsstück an ihre Mutter wie einen Schatz an sich presste, machte ihr zu schaffen. Es erinnerte sie daran, wie sie zusammen mit Bernadette nach dem Tod ihrer Mutter all deren Sachen zusammengepackt und sie ebenso ehrfürchtig behandelt hatte.
„Es ist ein Wunder, dass du das Blech noch nicht durchgeschrubbt hast. Ich glaube, es ist jetzt wirklich sehr sauber. Lass uns rausgehen!“
„Ich bin gleich fertig.“ Ruth stellte die beiden Bleche auf die Anrichte. „Ich habe gesehen, dass hier überall Blumen wachsen. Hast du sie gesät oder sind es Wildblumen?“
„Es sind Wildblumen. Während der ersten beiden Jahre, die meine Familie hier gelebt hat, war ich in der Schule und im vergangenen Jahr war ich viel zu beschäftigt. Mrs O’Sullivans Garten erinnert mich immer wieder daran, dass ich auch welche pflanzen sollte, aber bis jetzt habe ich es noch nicht geschafft.“
„Wir werden schnell ein ganzes Bouquet haben. Lass uns so viele pflücken, dass wir auch einen Strauß für den Esstisch haben und Hilda einen schenken können.“
Laney hängte die Geschirrtücher weg. „Dann such du uns doch schon mal Körbe.“
Ruth schüttelte vehement den Kopf. „Ich habe mir schon genug eingebrockt, indem ich Hildas Bleche zweckentfremdet habe. Ich werde mich hier bestimmt nicht mehr eigenständig bedienen.“
Laney lächelte, als sie aus dem Fenster sah. „Da kommt sie ja. Ich kümmere mich drum.“ Sie rannte zur Tür und öffnete sie für die Haushälterin, die mit einem überquellenden Korb Wäsche davorstand.
„Ruth und ich können die Laken zusammenlegen, Hilda. Wa-rum kochst du uns nicht einen Tee? Oder noch besser – warum ruhst du dich nicht eine Weile aus? Ruth und ich können das Abendessen machen. Mrs O’Sullivan hat mir beigebracht, wie man Eintopf macht.“
Panik verzerrte die Züge der Haushälterin. „Oh nein. Vor diesem Ofen steht niemand außer mir. Ich habe deine Kochkünste schon kennengelernt, Elaine Louise. Und ich wäre alle drei Male beinahe vor Magenkrämpfen umgekommen. Du könntest dich nicht an ein Rezept halten, wenn dein Leben davon abhinge. Ihr beide verschwindet jetzt aus meiner Küche.“
„Bist du dir sicher?“ Laney nahm einen Kissenbezug, schüttelte ihn aus und fing an ihn zu falten.
„Das bin ich.“ Hilda schnappte sich das Leinen. „Könnt ihr Mädchen euch nicht eine andere Beschäftigung suchen?“
„Wir hatten drüber gesprochen, einen Spaziergang zu machen und Wildblumen zu pflücken“, sagte Ruth.
„Na, das ist doch eine wunderbare Idee. Raus mit euch.“
„Bitte stell Mamas Vase nicht weg. Ich will sie für einen schönen Strauß benutzen.“
Hildas verkniffener Gesichtsausdruck entspannte sich etwas. „Ja, sie war eine gute Frau. Hatte immer einen frischen Blumenstrauß im Salon. Wenn dein Vater kam und ihr neue Blumen brachte, nahm sie die alten raus und versteckte sie. Dann strich sie sich die Schürze glatt und traf deinen Vater an der Tür, als wäre sie gerade einem Modemagazin entsprungen.“ Hilda stellte den Wäschekorb ab. „Ja. Sie war wirklich eine sehr gute Frau.“
„Das hatte ich ganz vergessen.“ Laney legte eine Hand auf ihr Herz. „Das war immer so romantisch!“
Ruth setzte ein Lächeln auf, obwohl ihr Herz schmerzte. Mama hat Blumen auch geliebt. Wenn sie nur einen Mann gehabt hätte, der sie damit beglückt hätte …
Laney zupfte an ihrem Ärmel. „Ruth, komm schon.“
Aus ihren Gedanken gerissen, starrte Ruth auf den Eimer, den Laney plötzlich in der Hand hielt. „Den trage ich.“
Sie gingen nach draußen und blieben bei einer kleinen Ansammlung von Lupinen stehen. Nachdem sie sie großzügig gepflückt hatten, zeigte Laney in die Ferne. „Oh, Mohnblumen! Die mag ich besonders. Komm schon, wir pflücken genug, um das ganze Haus damit zu schmücken.“
„Ich erkenne den Salbei und den Flieder“, sagte Ruth nach kurzer Zeit. „Aber was sind das da für Blumen?“
„Dein Vater nannte sie babyblaue Äuglein. Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich so heißen oder ob er sich den Namen nur ausgedacht hat, aber ich mag den Klang.“
Ruth blinzelte überrascht. „Mein Vater hat über Blumen geredet?“
Laney musste grinsen. „Ich habe ihm immer Blumen für sein Zimmer gepflückt. Da er ans Bett gefesselt war, wollte ich es ihm dort schöner machen.“
„Ach, Laney.“ Ruth umarmte sie. „Danke, dass du das für ihn getan hast.“
„Es hat Spaß gemacht. Einmal, als ich einen Strauß Buchweizen gepflückt hatte, kam ein Schmetterling durchs Fenster geflattert und hat sich daraufgesetzt. Alan war begeistert. In dieser Hinsicht bist du wie er – du erfreust dich an den kleinen Dingen des Lebens.“
„Es ist komisch, dass wir uns ähneln, wo wir uns doch nie begegnet sind.“ Ruth sah in die Ferne. McCain winkte ihnen. Als er auf sie zukam, lief Laney ihm entgegen. Ruth trug den Korb und ließ sich etwas zurückfallen.
„Ihr Mädchen pflückt also Blumen. Was für ein schöner Anblick.“ Er lächelte sie an. „Neulich habe ich hier doch irgendwo ein paar Wildrosen gesehen.“
Laney sah ihn gespannt an. „Wo denn?“
McCain schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Der Weg wäre zu weit zum Laufen. Weißt du was? Ich grabe ein oder zwei Büsche aus und pflanze sie hierher. So kannst du den Anblick jederzeit genießen.“
„Das wäre wundervoll!“ Laney stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Dann sagte sie zu Ruth: „Die Wild- rosen hier in Kalifornien sind einfach zauberhaft. Sie haben fünf Blütenblätter und sind genauso pink wie die Blumen, die wir an deine Zimmerwand gemalt haben.“
Aber wenn er Ruth Schwierigkeiten macht, schmeiße ich ihn sofort raus.
Gegen Mittag beschloss Josh, dass er mittlerweile gut genug mit der Arbeit vorangekommen war, um sich Zeit für ein Essen im Haupthaus nehmen zu können. Eine von Hildas köstlichen Mahlzeiten würde seine Stimmung sicher heben und den Tag um einiges verbessern. Er hatte gerade seinen Stiefel auf die Treppe zur hinteren Veranda gesetzt, als Hilda im Türrahmen erschien.
„Ich hab dich durchs Fenster genau beobachtet. Glaub bloß nicht, dass du so in meine schöne saubere Küche kommst, Cowboy.“
„Ich trete meine Stiefel ab.“
„Du müsstest dich komplett ausziehen. Was hast du gemacht? Dich im Schlamm bei den Schweinen gewälzt?“
„Dann wasche ich mich an der Pumpe und esse draußen. Schickst du wenigstens Laney mit einem Teller zu mir?“
„Sie ist beschäftigt.“
Josh starrte die Haushälterin an. „Mit was?“
„Sie hilft Ruth.“
Irgendetwas an Hildas Tonfall ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. „Ich frage noch einmal: Mit was?“
„Das weiß ich nicht genau. Ruth hat mich gefragt, wo du deinen Hammer und die Nägel aufbewahrst.“
„Sie kann nicht einmal einen Fächer benutzen, ohne sich selbst grün und blau zu schlagen. Was will sie mit einem Hammer?“ Josh ignorierte seinen knurrenden Magen und ging in Richtung Scheune.
Bamm. Bamm. Bamm. Drei Schläge ließen ihn die Richtung ändern. Er ging an der Pappel vorbei und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Ungläubig starrte er auf das Bild, das sich ihm bot. „Was“, fragte er mit dem sanftesten Tonfall, den er heute noch zustande brachte, „macht ihr beide hier draußen mit dem Abort?“