Ela van de Maan
Karibiksterne
Das Buch:
Bahamas, September 1717
Garret Carradine ist schockiert, als sein Vater ihm eröffnet, er hätte ihn für den Kampf gegen die Piraten auf den Bahamas bei der Marine verpflichtet. Nie und nimmer wollte er Soldat werden. Seine große Liebe gilt den Wissenschaften, vor allem der Astronomie. Er hätte nicht im Traum daran gedacht, einen Säbel in die Hand zu nehmen.
Als die verhassten fünf Jahre Dienstzeit beinahe um sind, wird er in einem ungleichen Gefecht auf dem Meer von einem undurchsichtigen Piratenkapitän gefangen genommen. Unter der Piratenkluft steckt niemand anderer als die schöne Sternenbeobachterin, die er am Abend zuvor auf der Terrasse des Offizierskasinos kennengelernt hatte. Ihr Wissen und ihr Temperament faszinieren ihn zunehmend, bis er sich fast dazu hinreißen lässt, für immer seinem Land Lebewohl zu sagen und auf die Seite seiner langjährigen Feinde zu wechseln.
Doch ein Anschlag auf sein Leben bringt plötzlich Dinge hervor, die den sogenannten Ehrendienst bei der Marine in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.
Die Autorin:
Ela van de Maan wurde 1969 in einer Kleinstadt in Süddeutschland geboren. Seit sie lesen kann, wollte sie auch schreiben. Ihre frühe Leidenschaft waren Groschenromane in Heftform. Leider konnte sie sich nie kurz genug fassen, um die Geschichte auf den vorgegebenen sechzig Seiten unterzubringen. Nun schreibt sie halt ihre Geschichten so lang oder so kurz wie sie möchte; aber immer mit Happy End, denn tragisch ist das Leben selbst genug.
Im »reellen« Leben ist sie beruflich in allen möglichen Bereichen unterwegs, um ihrer Vorliebe für Abwechslung gerecht zu werden. Die meisten Tätigkeiten sind aber durchaus kreativer Natur.
www.elavandemaan.de
Ela van de Maan
Roman
Karibiksterne
Ela van de Maan
Copyright © 2015 at Bookshouse Ltd.,
Villa Niki, 8722 Pano Akourdaleia, Cyprus
Umschlaggestaltung: © at Bookshouse Ltd.
Coverfotos: www.shutterstock.com
Satz: at Bookshouse Ltd.
Druck und Bindung: CPI books
Printed in Germany
ISBNs: 978-9963-53-135-6 (E-Book .pdf)
978-9963-53-136-3 (E-Book .epub)
978-9963-53-137-0 (E-Book .prc)
www.bookshouse.de
Urheberrechtlich geschütztes Material
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
Epilog
Prolog
London, England 1712
»Ich freue mich schon auf den Müßiggang. Diese Semesterferien werden herrlich.« John streckte sich genüsslich in der Kutsche, so lang er nur konnte.
Garret lächelte nachsichtig. »Müßiggang ist reine Zeitverschwendung, wenn du mich fragst.«
»Was bist du nur für ein Streber vor dem Herrn, Carradine. Willst du tatsächlich die halbe Nacht im Observatorium sitzen und Sternenkarten prüfen? Da weiß ich schönere Beschäftigungen.«
»Warum nicht? Es ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, das Wissen, das wir das Jahr über an der Universität erworben haben, zu vertiefen.«
John lachte. »Ich werde ganz andere Dinge vertiefen.« Er lehnte sich zu Garret herüber. »Am Hafen gibt es ein neues Etablissement mit äußerst hübschen Frauen, hat mir Will geschrieben. Er hat schon die besten Plätze reserviert. Vielleicht willst du uns ja einmal begleiten? Auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an. Nur solltest du dich auf andere Gesprächsthemen besinnen. Die Damen dort werden sicher nicht an den Naturwissenschaften interessiert sein.«
»Danke, aber das ist nichts für mich. Und ich bezweifle, dass meine Verlobte darüber begeistert sein würde.«
John lehnte sich wieder zurück und sah ihn nachdenklich an. »Deine Verlobte wäre sicher begeistert, wenn du in deiner Hochzeitsnacht Ahnung davon hättest, was zu tun ist. Ich glaube kaum, dass dir da deine Sternenbeobachtungen von großem Nutzen sein werden.«
Garret sah aus dem Fenster und lächelte vor sich hin. Er wusste, was er zu tun hatte. Es gab genug einschlägige Literatur darüber, die unter dem Tresen in der Bibliothek gehandelt wurde. Dazu musste er sich wahrlich nicht erst die Syphilis holen. Zudem interessierte sich Elizabeth sehr wohl für seine Beobachtungen. Sie konnte ihm stundenlang zuhören, wenn er ihr die Theorien Halleys beschrieb, wonach es außer den Planeten noch weitere Himmelskörper gab, die in Bahnen um die Sonne kreisten. Es war ein sehr neues Feld der Astronomie und konnte noch nicht ausreichend belegt werden. Umso mehr reizte ihn dieses Forschungsgebiet, auch wenn er sich dafür jahrelang die Nächte um die Ohren schlagen musste.
Sein Wohnhaus kam in Sicht. Die beschwerliche Tagesreise von Oxford nach London hatte endlich ein Ende. Er hatte das Gefühl, alle Knochen in seinem Leib wären durcheinandergeschüttelt worden. Doch selbst das konnte seine Vorfreude auf seine neue Semesteraufgabe nicht mindern. Am liebsten wäre er sofort nach Greenwich geeilt und hätte seine Studien aufgenommen. Bis zum Examen dauerte es nur noch ein halbes Jahr, und er wollte der Beste sein. Er wollte nicht nur wegen seines Titels den begehrten Forschungsplatz im Observatorium erhalten.
Ein kleiner Ruck ging durch die Kutsche, als die Pferde hielten. Das monotone Klappern der Hufeisen hallte in seinen Ohren nach und Garret schüttelte ein paarmal den Kopf, um es zu vertreiben. Sofort wurde die Tür seines Elternhauses aufgerissen, und seine jüngere Schwester Muriel stürzte freudig winkend heraus.
John räusperte sich aufgeregt und winkte zaghaft zurück. »Aber du kommst zu den Pferderennen, Carradine, nicht wahr?«
Garret grinste. »Keine Sorge, meine Schwester wird da sein.« Er gab seinem Studienfreund einen Klaps auf die Schulter und verabschiedete sich für die nächsten paar Tage.
»Warte«, tönte Vaters Stimme durch das Haus, als Garret gerade die Stufen zu seinen Räumlichkeiten erklimmen wollte. »Wir haben dir eine wichtige Neuigkeit zu überbringen.«
Garret drehte sich um. Seine gute Laune verschwand, als er die Stiefmutter neben Vater stehen sah. Sie hatte das Lächeln einer Kobra aufgesetzt.
»Komm in mein Büro«, ordnete Vater an.
Sein Tonfall ließ keine der Ausreden zu, die Garret seit jeher benutzte, wenn er seiner verhassten Stiefmutter nicht begegnen wollte. Widerwillig folgte er ihm.
»Wie du sicherlich vernommen hast, sucht die britische Marine Offiziere für ihre Einsätze in Übersee, um diesem schändlichen Piratengesindel endlich den Garaus zu machen und den Handel wieder in Gang zu bringen«, erklärte Vater, als er an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte.
»Tut mir leid, das ist an mir vorübergegangen. Ich interessiere mich nicht für das Militär, wie du weißt. Meine Vorlieben gelten der Wissenschaft.«
»Nun, mein Sohn, das wird sich ab heute ändern.«
Garret sah auf. Sein Blick traf den der Stiefmutter, deren Schlangenlächeln immer giftiger wurde. »Wie soll ich das verstehen?«
»Ich hoffe, du hast auch an den Fechtklassen der Universität teilgenommen, die ich dir ans Herz gelegt habe. Ich habe dich für den Dienst auf der Royal Defence angemeldet.«
Garret musste sich am Regal hinter sich festhalten. »Ihr habt was, Vater? Aber … aber das ist unmöglich. Ich bin Student und kein Soldat. Und ich habe bis zum nächsten Semesterbeginn endlich die Stelle am Observatorium erhalten, um die ich mich seit Beginn meines Studiums bemüht habe. Ich kann sie nicht absagen.«
»Ich habe bereits mit der Leitung gesprochen. Sie finden eine andere studentische Hilfskraft.«
Garret wurde schwindlig. »Das könnt Ihr nicht machen!«
»Ich bin dein Vater, und solange du nicht volljährig bist, bestimme ich, was du zu tun hast. Ich habe dir lange genug deine lächerlichen Studien durchgehen lassen. Es geht um die Ehre unseres Hauses. Wir sind eine der einflussreichsten Familien Londons. Seit jeher haben wir Offiziere gestellt und unserem Land zu Ruhm verholfen. Nun bist du an der Reihe, dies weiterzuführen.« Er stand auf und klopfte Garret hölzern auf die Schulter. »Du wirst sehen, diese fünf Jahre sind schneller um als ein Wimpernschlag, und du wirst als Mann zurückkehren und nicht als Professor irgendwelcher sinnloser Wissenschaften.«
»Fünf Jahre?« Garret konnte immer noch nicht begreifen, was er gerade gehört hatte. »Aber die Hochzeit mit Elizabeth sollte in einem halben Jahr stattfinden! Gleich nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag.«
»Die haben wir bis zu deiner Rückkehr verschoben. Pack deine Sachen. Du gehst sofort an Bord, dein Schiff wird im Morgengrauen ablegen.«
»Nein!« Muriel stand in der Tür und hielt sich die Hände vor den Mund. »Nein, Vater, das könnt Ihr nicht verlangen. Ihr wisst doch, dass von den Besatzungen der Überseeschiffe nicht einmal die Hälfte zurückkehrt«, rief sie entsetzt. »Garret ist kein Kämpfer. O mein Gott! Er wird kein halbes Jahr überleben. Er … er hat die meisten Stunden seiner Fechtklassen geschwänzt, um sich seinen Studien zu widmen. So ist es doch, Garret? Sag ihm die Wahrheit.«
Garret starrte zu Boden. Er musste sich mit Mühe verständlich machen, dass es kein böser Traum war, der ihm gerade widerfuhr. Es war Vaters Ernst.
»Nun, das ist sein Problem. Er hat noch nie die Ratschläge seines Vaters befolgt. Nun muss er eben die Konsequenzen tragen«, entgegnete die Stiefmutter kalt.
»Das wird aber der Ehre der Familie nicht gerade zuträglich sein«, rief Muriel verzweifelt. »Warum kann das nicht Bradley übernehmen? Er ist älter als Garret, und da Vater ihn adoptiert hat, trägt er auch unseren Namen. Oder James? Der prügelt sich ohnehin mit Vorliebe überall, wo es geht.«
»Schweig still, dumme Gans. Wie sprichst du von deinen Brüdern? Verschwinde auf der Stelle!«
»Das sind nicht meine Brüder, genauso wenig wie Ihr meine Mutter seid.« Sie schluchzte laut auf und rannte zurück in ihr Zimmer.
»Und du, Garret, packst sofort deine Sachen, wie Vater angeordnet hat. Eine Liste der Gegenstände, die du brauchst, liegt in deinem Zimmer. Die Kutsche bringt dich in einer halben Stunde zu deinem Schiff.«
Kapitel 1
Nassau, Bahamas, September 1717 – fünf Jahre später
Dorie sah verächtlich auf den Piraten, der langsam neben ihr von der Bank kippte. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem verschmitzten Grinsen hob sie ihren leeren Krug.
»Consuela, noch einen.«
Consuela holte eine versteckte Kanne mit Kokosnusswasser unter dem Tresen hervor und füllte den Rumkrug damit auf. »Die lernen es wohl nie«, kommentierte sie das Kräftemessen und lächelte.
Dorie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Selbst schuld. Wenn die denken, sie könnten mich unter den Tisch saufen, müssen sie früher aufstehen. Ich bin nicht so blöd wie die Kerle und kippe den Rum pur hinunter.«
»Hey Dorie«, rief Blind Dog zur Tür herein.
Der Hüne versperrte vollkommen die Sicht nach draußen, und sein Kopf war nur halb zu sehen. Dorie fragte sich zum wiederholten Mal, was man dem Kerl wohl in die Muttermilch getan hatte, dass er so riesig geworden war.
»Wir sind gerade eingelaufen, falls du das wissen wolltest.«
»Das hört sich gut an. Schick Ana zu mir herauf, ich halte hier derweil die Stellung.« Sie schob den schnarchenden Piraten unter dem Tisch ein Stück weiter und wischte den verschütteten Rum auf. Ana mochte es nicht, wenn es rundherum aussah wie im Schweinestall. Genauso wenig, wie sie sich gern die Hände schmutzig machte und den Dreck selbst aufwischte. Wäre Ana rein zufällig in einer anderen Gesellschaftsschicht geboren worden, wäre sie sicher Prinzessin geworden. Allerdings eine von denjenigen, die einen Dolch unter dem Kleid trugen. Dorie kicherte leise vor sich hin. Dieser Tag würde Freude bringen.
Leise wie ein Schatten tauchte Ana in der Tür auf. »Hey Leute, habt ihr noch ein Plätzchen für mich?«, fragte sie in die noch fast leere Kneipe.
Dorie grinste und klopfte auf die Bank neben sich. »Wo hast du denn so lange gesteckt? Ich dachte schon, die hätten dich erwischt.«
Ana warf ihren schwarzen Dreispitz auf den Tisch und nahm Dorie zur Begrüßung in den Arm. »Ich war auf Tortuga. Hatte einige Probleme in der Mannschaft und musste ein paar Leute austauschen.«
»Na, hoffentlich hast du Hollister gleich mit ausgetauscht.«
»Eher entsorgt.«
»Echt? Hast du ihn über die Klinge springen lassen?«, fragte Dorie.
»Zu den Haien geschickt, er wollte das Schiff übernehmen. Dieser blöde Kerl.«
»Weil du immer zu nett bist. Das sag ich dir schon die ganze Zeit. Von meinen Ehemännern hat nie einer versucht, mein Schiff zu übernehmen. Die waren froh, wenn sie nicht nach der ersten Nacht abdanken mussten.«
Ana lachte und schenkte sich einen Becher ein. »Apropos, bist du wieder verheiratet?«
»Nein, irgendwie findet sich keiner mehr.«
»Hat sich wohl herumgesprochen, dass das gefährlich werden könnte.«
Dorie winkte ab. »Ach, mir ist diese ständige Heiraterei zu mühsam. Dann leb ich halt unmoralisch. Kann es auch nicht ändern. Mein Vater erlebt es sowieso nicht mehr.«
»Ich fürchte, für einen derart gestrengen Priester, wie dein Vater einer war, wäre das unverheiratete Zusammenleben mit einem Mann ohnehin das kleinere Übel an deiner Lebenseinstellung.«
Dorie seufzte. »Da könntest du recht haben. Apropos Männer, hast du die drei neuen Militärschiffe im Marinehafen gesehen? Da sind ein paar fesche Offiziere dabei. Die könnten wir uns genauer anschauen. Was hältst du davon?«
»Ich weiß nicht recht, ich hab eigentlich im Moment die Nase voll von Männern.«
»Komm, ich hab mich schon so gefreut, dass wir einmal wieder unseren Spaß haben.«
Ana schüttelte unschlüssig den Kopf. »Aber ich habe nichts anzuziehen. So kann ich kaum dort aufkreuzen.«
Sie zog an ihren Hosen und der langen Jacke, und Dorie musste ihr im Stillen recht geben, dass ihr Aufzug wenig weiblich wirkte. »Ach was«, bestimmte sie entschlossen, »wir leihen uns etwas von Consuela, die hat sicher einige Beutekisten mit ganz famosen Kleidern herumstehen«.
*
Ana drehte sich vor dem Spiegel in Consuelas Zimmer hin und her. Dorie hatte ihr das schönste Kleid herausgesucht, das zu finden war. Sie fühlte sich verkleidet. Ihre Männergarderobe war ihr lieber. Da hatten die Herren der Schöpfung auch Respekt vor ihr. Aber als Frau?