Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Impressum:

© by Verlag Kern GmbH

© Inhaltliche Rechte beim Autor

1. Auflage 2015

Autorin: Gabriele Schienmann

Illustrationen: 3 Generationen Schienmann - Astrid, Ulrike,

Janos, Luca, Lore, Gabi

Umschlaggestaltung: Astrid Schienmann

Layout/​Satz: www.winkler-layout.de

Lektorat: Manfred Enderle

Sprache: deutsch, broschiert

ISBN: 9783957161-710

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

ISBN E-Book: 9783957161-918

www.verlag-kern.de

Gabriele Schienmann

Omi, erzähl doch mal …

Kindergeschichten

Widmung

Dieses kleine Geschichtenbuch widme ich euch, meinen Enkelkindern, Janos, Luca und Lore. Wir werden uns noch viel zu erzählen haben. Ich habe euch sehr lieb.

Eure Omi Gabi

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Die Geschichte von Willi und Agathe

Das große Abenteuer eines kleinen Schweinchens

Die Geschichte vom kleinen Biber mit der großen Brille

Wo ist Snoppi?

Eine kleine Osterhasengeschichte

Weihnachtsmann in Not

Weitere Bücher

Die Geschichte von Willi und Agathe

Melisande war eine hübsche Kaiserpinguin-Dame und lebte ganz gemütlich im Berliner Zoo.

Momentan befand sie sich in einem ganz besonderen Zustand – sie brütete nämlich ihr erstes Ei aus.

Melisande hockte dafür in einer großen Höhle, um absolut Ruhe zu haben.

Das Ei lag behutsam zwischen ihren dicken Füßen und sie wärmte es vorsichtig mit ihrem üppigen Hinterteil.

Eigentlich sollte Friedhelm, ihr stattlicher Pinguinpartner, sich mit Melisande beim Brüten abwechseln. Aber zu ihrem Bedauern ließ er sich nur selten blicken; er schwamm lieber mit der übrigen Pinguintruppe im Wasserbecken des Geheges herum. Ab und zu kam der Herr Göttergatte gnädig zu ihr, um ihr einen Fisch vor die Füße zu legen und watschelte dann geschäftig wieder fort. Melisande war sauer. Aber allzu lange würde es nicht mehr dauern und ihr Küken käme zur Welt.

Und so war es auch. Am Sonntag in aller Frühe knackte es im Ei verdächtig. Melisande beobachtete gespannt, wie sich ein kleines mit Schleim bedecktes Pinguinküken aus dem Ei schälte und jämmerlich piepste.

Melisande war entzückt, säuberte es zärtlich mit ihrem Schnabel und kuschelte das Kleine fest an sich.

Sie schaute ihrem Sohn in die Augen und nannte ihn „Willi“.

Willi entwickelte sich sehr langsam und blieb winzig klein. Er aß wenig und schlief viel. Zum Laufen war er gar nicht zu bewegen und Melisande machte sich Sorgen.

Eines Tages kam Friedhelm mit seinen Kumpels angewatschelt, schaute lange auf seinen Sohn, um ihn dann unsanft anzustupsen und zum Mitkommen aufzufordern. Willi piepste kläglich, aber Friedhelm blieb hart. „Los, steh auf und komm mit zum Wasser. Du bist immerhin ein Pinguin und musst endlich schwimmen lernen.“

Willi erhob sich also gaaanz langsam und hinkte seinem Vater schwerfällig hinterher. Ja, er humpelte tatsächlich und Melisande und Friedhelm waren entsetzt.

Was war denn das? Sie untersuchten Willi behutsam mit den Schnäbeln und stellten fest, dass das linke Beinchen sehr viel kürzer war als das rechte. Ooooh je! Sofort kam die gesamte Pinguinfamilie neugierig angewatschelt und schaute mitleidig zu Willi.

Die Jungvögel spotteten sofort los und schrien im Singsang: „Hinkepott, ganz allein, läufst ja nur auf einem Bein …!“

Willi war gedemütigt und watschelte so schnell er konnte zurück zu Melisande, duckte sich hinter ihren Körper und schluchzte.

Melisande aber wollte endlich nach der langen Brutzeit und Nesthockerei wieder ins Wasser, um ausgiebig zu schwimmen und mit ihren Freundinnen zu spielen und forderte Willi nun energisch auf, sie zu begleiten. Aber Willi wollte das keinesfalls und zog sich in den Schutz der dunklen Höhle zurück.

Also ließ Melisande ihren bockigen Sohn zurück und gesellte sich zu den anderen Artgenossen.

Der Tierpfleger Anton hatte das Geschehen beobachtet, konnte aber nicht eingreifen.

Der Kleine musste sich selbst behaupten, sonst würde er aus der Pinguinfamilie ausgestoßen werden. Anton versuchte, Willi mit einem leckeren, kleinen Fisch aus der Höhle zu locken, aber es gelang ihm nicht.

Willi hockte im äußersten Winkel der Höhle und weinte und schluchzte jämmerlich.

Während der Kleine sich so selbst bemitleidete, streifte etwas Weiches seine Ohrpinsel.

„Huch“, das kitzelte ja! Was war das?

Mit verheulten Augen schaute er sich um. Aber es war so verdammt dunkel und er konnte nichts so richtig erkennen.

Und da! Wieder kitzelte es an seinen Öhrchen und eine feine Stimme drang an sein Ohr. „Hallo, du da! Warum weinst du denn?“

Willi hob den Kopf und schniefte. „Wer bist du denn? Ich kann dich gar nicht sehen.“

„Ich bin doch genau vor dir und flattere mit meinen Flügeln!

Mach die Augen auf, Kleiner!“

Willi schaute intensiv geradeaus – und tatsächlich, vor seinen Augen torkelte in der Luft ein merkwürdig aussehendes Wesen hin und her: winziger rotbrauner Körper, große Flügel, 2 kleine, blanke Knopfaugen.

„Oh, ja! Jetzt sehe ich dich. Was bist du denn für ein Tier? Wohnst du hier?“

„Ich heiße Agathe und bin eine Zwergfledermaus. Ich wohne mit meinen Geschwistern im hintersten Teil der Höhle. Alle, außer mir, schlafen jetzt. Wir Fledermäuse hängen nämlich tagsüber zum Schlafen kopfüber von den Ästen, und meine Familie wird erst am Abend wach und geht auf Nahrungssuche.

Aber ich schlafe nur nachts und flattere lieber im hellen Sonnenlicht umher. Nur ist das allein total langweilig.

Meine Geschwister lachen mich immer aus und sagen, ich wäre total anders und hätte einen Navigationsfehler. Das macht mich traurig. Darum bin ich froh, dass du hier bist und ich mit dir erzählen kann. Willst du vielleicht mit mir spazieren gehen?“

Willi überlegte. „Nein, ich kann nicht spazieren gehen.

Mein linkes Bein ist kürzer als mein rechtes und mir tut beim Watscheln alles weh. Meine Eltern lieben mich, aber sie haben dafür gar kein Verständnis. Und die anderen Pinguinkinder lachen mich alle aus.

Eigentlich müsste ich auch schwimmen lernen, aber der Weg bis zum Wasser ist viiiieel zu weit.“ Und Willi schluchzte wieder.

Agathe schaute ihn ernst an und sprach: „Du bist nicht der Einzige, der ausgelacht wird. Eine Fledermaus sollte sich eigentlich von Mücken, Fliegen und Blut ernähren, aber ich finde das sooo mega-eklig. Ich nasche heimlich immer von eurem Fisch.

Und in den Papierkörben des Zoos finde ich manchmal Reste von Würstchen oder Eis – das ist ja vielleicht lecker! Darum habe ich auch einen dickeren Bauch als meine Brüder und Schwestern.

Und weil ich so ein Mops bin, fliege ich auch nicht ganz so hoch und schnell, denn das ist sehr anstrengend. Meine Mama hat erzählt, dass eine Zwergfledermaus so um die 5 Gramm wiegen sollte, das ist etwa so viel wie ein Stückchen Würfelzucker. Aber Mama meint, ich bringe bestimmt 8 g auf die Waage und schimpft mich deshalb aus. Ich finde das Leben ganz schön anstrengend.“

Willi schaute sich die kleine Agathe nun noch genauer an und meinte: „Ich finde dich niedlich. Und ein dicker Bauch ist doch auch nicht schlimm. Breite doch mal deine Flügel aus.“

Agathe spreizte ihre Flügel und Willi staunte, wie lang sie waren. „Das ist doch toll! Damit bist du ja 5-mal größer als dein Körper.“

Agathe freute sich über das Kompliment ihres neuen Freundes und machte gleich einen Übungsflug um Willis Kopf.

Willi bewunderte Agathe für ihre Flugkünste und schniefte heftig, weil ihm sein eigenes Handicap nun doppelt auffiel.

Aber Agathe strich ihm beruhigend mit einem ihrer kleinen pelzigen Flügel über das Köpfchen.

„Weine nicht, ich habe eine gute Idee. Wenn deine Pinguinfamilie ein Mittagsschläfchen macht, begleite ich dich bis zum Wasser. Ist doch wurscht, wie lange das dauert. Aber ich habe Pinguine beobachtet. Ihr könnt total gut schwimmen – beneidenswert schnell. Das kannst du doch bestimmt auch, mein Kleiner. Du musst es nur üben. Also, hör auf zu schluchzen. In einer Stunde komme ich wieder und wir ziehen los, o. k.?! Meine Leute pennen sowieso den ganzen Tag und werden erst nachts wach. Hatte ich dir ja erzählt.“

Willi schaute seine neue Freundin an und nickte langsam. „Na, gut. Dann bis nachher.“

Zur Mittagszeit kam Melisande zu ihrem Küken zurück, nahm es unter die Flügel und schlief auch schon erschöpft von der vielen Wassergymnastik ein. Auch Friedhelm und seine Freunde zogen sich zurück, steckten die Köpfe unter die Flügel und bald hörte man nur noch einträchtiges Gruppenschnarchen auf dem Pinguingelände. Nicht mal die Zoobesucher konnten die Vögel motivieren, ins Wasser zu springen. Mittagsruhe war Mittagsruhe!

Sogar Tierpfleger Anton machte ein kleines Nickerchen.

Als Willi Agathe im Sturzflug auf sich zukommen sah, befreite er sich vorsichtig aus den Flügeln der Mutter und watschelte ganz vorsichtig aus der schützenden Höhle. Mann, tat sein Fuß weh! Am liebsten würde er sofort den Rückzug antreten. Aber Agathe lockte ihn immer weiter Richtung Wasser, und schließlich wollte er sich nicht vor ihr blamieren.

Die kleine Fledermaus meinte es ja gut mit ihm und hatte es schließlich auch nicht leicht. Einen Versuch war das wert.

Schritt um Schritt schleppte sich Willi über die Steine und seufzte. Am Beckenrand angekommen, plumpste er auf seinen kleinen Popo. Willi zögerte; er hatte einfach Angst!

„Los, los!“, ermunterte ihn Agathe. „Spring ins Wasser! Du wirst sehen, du kannst bestimmt schwimmen. Ich bin ganz sicher! Sei mutig! Mutig ist nicht, wer keine Angst hat, sondern wer seine Angst überwindet! Du packst das!“

Und immer wieder flog Agathe auffordernd um Willis Kopf herum, sodass ihm ganz schwindelig wurde.