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66 Lieblingsplätze

und 11 Zünfte

Nicole Quint

Zürich –

vertraut und ganz anders

Vom Brauer bis zum Bergwerk

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Impressum

Sofern hier nicht aufgelistet, stammen die Bilder von

bildbaendiger.de / Thomas Schneider.

Nicole Quint 5/11, 40

René und Elisabeth Bühler 9/11

Abgebildete Kunstwerke: Fenster Fraumünster: Marc Chagall und Charles Marq, beide © VG Bild-Kunst, Bonn 2014, Lieblingsplatz 11.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat/Redaktion: Claudia Reinert / Ricarda Dück

Satz: Julia Franze

Umschlaggestaltung: U.O.R.G., Lutz Eberle, Stuttgart unter Verwendung eines Fotos von Thomas Schneider

Kartendesign: Christoph Neubert

E-Book: Mirjam Hecht

ISBN 978-3-8392-4042-7

Inhalt

Impressum

Zitat

Eine Stadt wie ein Delikatessengeschäft

1  Logenplatz über der Limmat

2  Endstation erster Klasse

3  Wer will schon Schlangenträger sein?

4  Des Schweizers Kern und Kitt

5  Schwere Zeiten

6  Der Luxus der anderen

Nach Strich und Faden

1/11  Geschichte to go

7  Tassentörtchen

8  Das Zeug zum Glück

2/11  Zeit für die Zeit

9  Die Achse des Müßiggangs

10  Erst die Kavallerie, dann die Köche

3/11  Die tapferen Metzgerlein

11  Malerei des Lichts

12  Ausgereift

4/11  Wie es euch geziemt

13  Sprudelnde Stadtheilige

14  Mammut statt Regenschirm

15  Schöne alte Welt

5/11  Schneiders ScherenBallett

16  Nah am Wasser gebaut

Zwinglis Spaßrebellen

17  Wolke 35

18  Seelenpflaster für Stadtkinder

19  Nimm drei!

20  Dahinschmelzen

21  Der Vergiss-mein-nicht-Turm

Zürichs zauberhafte Gäste

22  Im Gebrauchtwarenhimmel

23  Lang lebe die Langstrasse!

6/11  Zürich hat den Bogen raus

24  Saubere Sozialisten

25  Little Berlin

26  Hausverbot für Gundel Gaukeley

7/11  Frisches Flechtwerk

27  Sicher, sicherer, noch sicherer, Schweiz

28  Der Begrüßungsbaum

29  Allerhöchste Straßenbahn

30  Die Apfel-Diwa

31  Letzte Ruhe mit Löwengebrüll

32  Kein Männlein steht im Walde

33  Töne treffen

34  UrzeitGenossen

35  Besucht die alte Dame!

36  My home is My Place

37  Eisbären für Anfänger

38  Das kleine Auge des Waldes

39  Hügel Nummer 1

40  Zu Gott aufs Sofa

41  Mit Aloe und Spitzenhäubchen

42  Laib-Speise

43  Fröhliche Fische

44  Die Backsteinrevolution

45  Es schäumt im Herrgöttli

46  Blackout auf Bestellung

47  Was uns Karl May verschwieg

48  Die fabelhafte Welt des Federico

Stützen des Himmels

49  FKK und Fledermäuse

50  Auf Holz tropfen

51  Verflucht schön

52  Schnepfe in Sicht

53  Kürbis-Künstler

54  Ahoi statt Grüezi

8/11  Leben für die Reben

55  Fließende Unbekannte

56  Literweise Strom

9/11  Der trockenste Wasserritter

57  Per pedes durch die Galaxis

58  Heiliger Honigkuchen

10/11  Das fliegende Schiffchen der Holländerin

59  Ein Königreich für eine Kuh

60  Huckepack nach Haus gebracht

61  Auf dem Pilger-Laufsteg

62  Das Kohlenpöttli

11/11  Feuriges Mundwerk

63  Schweizer Yin und Yang

64  Liegendes Langbein

65  Fantastisch realistisch

66  Flugzeug im Bauch

Karte 1

Karte 2

Lieblingsplätze im Gmeiner-Verlag

Belletristik im Gmeiner-Verlag

Eine Stadt wie ein Delikatessengeschäft

›Jeder hervorragende Mensch ist irgendeinmal in Zürich.‹ So hat der Schriftsteller Robert Walser seine Bewunderung für die größte Stadt der Schweiz ausgedrückt. Recht hatte er. Kurt Tucholsky, Richard Wagner, Winston Churchill, Walt Disney und die Rolling Stones genossen Zürichs See- und Alpenpanorama. Goethe reiste gleich mehrere Male an die Limmat und vielleicht folgen auch Sie bald seinem Beispiel.

Reich, schön, erfolgreich und kreativ – einem Menschen, der all diese Attribute auf sich vereint, wäre der Neid seiner Umwelt sicher. Zürich aber ist die Stadt, die alles hat und trotzdem immer beliebter und attraktiver wird. Das gilt für Millionen Besucher, die jedes Jahr in die Schweizer Metropole reisen, ebenso wie für die Menschen aus 176 Nationen, die im weltoffenen Zürich dauerhaft eine Heimat gefunden haben, so wie wir.

Was uns gelockt hat, war nicht Zürichs Ruf, einer der bedeutendsten Finanzplätze Europas zu sein. Die größte und bekannteste Stadt der Schweiz trumpft vor allem mit einer Kombination aus Kunst, Kultur und Natur, wie es sie andernorts kaum gibt. Oper und Schauspielhaus, Off-Bühnen, Jazz- und Rockclubs, alternative Kulturzentren, Galerien und rund fünfzig Museen bieten eine kulturelle Vielfalt, die man von einer Stadt mit gerade einmal 390.000 Einwohnern nicht erwartet. Nicht mitgerechnet in die Bevölkerungszahl sind 1.200 ausgewachsene Stadtfüchse, 5.000 Eidechsen und rund 100 Vogelarten, die zwischen Uetli- und Zürichberg, Limmat und Sihl leben. An diese beiden Flüsse und an den See strömt im Sommer die ganze Stadt. Mit mehr als vierzig ›Badis‹ hat Zürich die höchste Bäderdichte weltweit. Auf sanft schaukelnden Pontons liegt man dort dicht beieinander und bummelt anschließend mit seiner Badbekanntschaft den Limmatquai entlang, vorbei an Gross- und Fraumünster, den Häusern der alten Zünfte, die Zürich einst zu einer der wohlhabendsten Städte Europas machten, bis ins Niederdörfli hinein. So nennen die Zürcher das Amüsierareal um Central, Hirschplatz und Kirchgasse. Zwischen Handwerkerläden, Cafés, Beizen und Restaurants haben sich dort auch Stripteaselokale und Massageclubs geschummelt. Ein Sündenpfuhl ist das Niederdorf dennoch nicht. Diesen Titel lässt sich das Langstrassenviertel nicht nehmen. In den Quartierläden und Straßenbasaren dort geht es manchmal so ruppig-rau wie auf der Reeperbahn zu. Doch seit einiger Zeit verwandeln sich die einstigen Spelunken in neue In-Lokale und Trendgalerien. Zum Mekka der Zürcher Kultur- und Partyszene ist jedoch das alte Industriequartier aufgestiegen. Herzstück dieser Gegend ist das Kulturzentrum Schiffbau, früher eine Schiffbauhalle, heute eine Dependance des Schauspielhauses samt Jazzclub und Spezialitätenrestaurant.

Vor allem dieses übervolle Kulturangebot in den insgesamt 34 Quartieren, die sich auf zwölf Stadtkreise verteilen, macht Zürich zur kleinsten Großstadt der Welt. Dass es die Stadt aber Jahr für Jahr auf die vordersten Plätze des weltweiten Lebensqualitätsrankings schafft, liegt auch an ihrer Nähe zur Natur. In Zürich stolpert man schon allerorten über Parks und Wiesen, doch sobald man die Stadtgrenze überschreitet, steht man in Wäldern, auf Gipfeln oder an Bergseen. Das beliebteste Naherholungsgebiet der Stadt ist der Uetliberg. Viele Textideen für dieses Reiselesebuch sind auf einer Bank dort oben entstanden. Ich habe dabei auf den Gipfel des Säntis, auf die Glarner, Bündner und Berner Alpen geschaut, auf die tuschblaue Jurakette und manchmal sogar auf die Höhenzüge der Vogesen – und zu meinen Füßen lag die Stadt, die scheinbar alles hat.

Besuchern muss Zürich vorkommen wie ein übervolles Delikatessengeschäft, denn immer bleibt ein Leckerbissen ungekostet. So viele Ausstellungen nicht gesehen, so viele Beizen nicht besucht und in so vielen Läden nicht eingekauft. Wenn wenigstens Alpen und See nicht so nah wären, dann fiele es ein bisschen leichter, wieder abzureisen. Sie müssen es eben machen wie Goethe und mehr als einmal an die Limmat reisen.

In diesem Sinne: herzlich willkommen in Zürich – immer wieder!

Nicole Quint und Thomas Schneider

1  Logenplatz über der Limmat

Lindenhof

Hoch über der Limmat lassen sich sogar Logik und Liebe vereinen. Wenn es um die Wahl des Lieblingsplatzes Nummer eins in Zürich geht, ist es einleuchtend, sich für die historische Keimzelle der Stadt zu entscheiden – den Lindenhof. Auch an diesem Ort spürt man den Zauber, der allen Anfängen innewohnt. Er verwandelt den Altstadtplatz in den Beginn einer Zürcher Liebesgeschichte.

20 Meter über der Altstadt machen es sich die Besucher des Lindenhofs auf der Krone seiner Ummauerung bequem. Unter ihnen fließt die Limmat – mal saphirblau, mal pfefferminzfarben. Von rechts grüßen die Türme des Grossmünsters. Dahinter macht eine Kulisse aus Alpen und See das Idyll perfekt, und vom Limmatquai klingt das Saxofonspiel eines Straßenmusikers zum Lindenhof herauf.

Max Frisch hat die Stimmung dieses Ortes so geliebt, dass er seine Gäste immer wieder gern auf den Lindenhof führte. Der schönste Weg hinauf verläuft über das Kopfsteinpflaster des mittelalterlichen Stadtkerns, die breiten Stufen der Pfalzgasse hinauf und vorbei an einem der bedeutendsten Überreste römischer Zeit in Zürich. In einer Mauernische leicht zu übersehen, steht die Kopie eines Grabsteins aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., dessen Inschrift erstmals den römischen Namen Zürichs nennt – Turicum. Hier der Grabstein eines Römers, da die Geburtsstätte Zürichs.

Allerdings waren es nicht die Römer, die den Lindenhof als Erstes bewohnten. Pfahlbauern zogen bereits in der Mittelbronzezeit auf den Moränenhügel. Später gab es den Lindenhof dann auch in keltischer, römischer und fränkischer Variante, mal mit Kastell und Zollstation, mal mit Pfalzburg und seit etwa 500 Jahren mit Linden. Seit alters her gelten sie als Bäume der Freude, Liebe und der Gemeinschaft. Kein Wunder also, dass der Lindenhof zu einem Lieblingsplatz werden musste.

Tipp: Überreste von Kastell und Königspfalz können im Keller des Lindenhofs besichtigt werden. Der Schlüssel ist beim Baugeschichtlichen Archiv (Neumarkt 4) erhältlich.

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Lindenhof /// Lindenhofstrasse, Fortunagasse ///

8001 Zürich /// www.stadt-zuerich.ch ///

2  Endstation erster Klasse

Hauptbahnhof

Es ist hektisch hier, laut und zugig. Am Morgen liegt der Geruch von Eisenstaub und Coffee to go in der Luft, spät abends verklebt verschüttetes Bier den Boden. Klingt wenig einladend, dabei lohnt es, sich den Hauptbahnhof näher anzuschauen. Kommen Sie also am besten mit dem Zug nach Zürich und lassen sich von der monumentalen Haupthalle angemessen empfangen. Erbaut wurde sie 1871 im Stil der Neorenaissance und zählt zu den größten überdachten Flächen Europas, die öffentlich zugänglich sind.

Der Schweizer Schriftsteller Blaise Cendrars hielt Bahnhofshallen für die ›schönsten Kirchen der Welt‹, und tatsächlich fühlt man sich unter der 24 Meter hohen Halle des Hauptbahnhofs Zürich sehr klein und auch ein wenig fromm. Mit rund 400.000 Reisenden täglich ist der größte Bahnhof der Schweiz aber weit stärker frequentiert als jedes Gotteshaus, und himmlischer Beistand fehlt hier auch nicht. ›L’ange protecteur‹, Schutzengel, heißt die blaue Dame mit dem massigen Körper, der schrillbunten Korsage und den löchrigen Gold-Flügeln, die seit 1997 in der Halle schwebt. Mit ihrer elf Meter hohen Skulpturgigantin hat die Künstlerin Niki de Saint Phalle das inoffizielle Wahrzeichen des Zürcher Hauptbahnhofs geschaffen. Kunst im öffentlichen Raum ist aber nur ein Teil der Stadt, die im Laufe der Zeit im Bahnhof gewachsen ist. Über 100 Läden, mehr als 30 Restaurants und Take-aways, Volleyballturniere und Kugelstoßwettkämpfe, Oktoberfeste und Weihnachtsmärkte – im Bahnhof wird gegessen, gefeiert, gekauft, gespielt und gesportelt. Sogar gebetet wird hier in der Kapelle, zwischen Wartesaal und Schließfächern. ›Die Schweizer gehen zum Bahnhof, aber sie reisen nicht ab‹, stellte der bereits erwähnte Blaise Cendrars fest. Müssen sie ja auch nicht, in Zürich finden sie hier doch alles in ihm.

Tipp: Besuchen Sie blauflügelige Sandschrecken, Wildbienen und Mauereidechsen. Das Gleisfeld zwischen Hauptbahnhof und Altstetten ist als Naturpark zertifiziert.

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Hauptbahnhof /// 8001 Zürich /// www.sbb.ch ///

3  Wer will schon Schlangenträger sein?

Urania-Sternwarte

»Wat is en Refraktor? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so: Unser Refraktor, dat is fünf Meter gähnende Leere, die hat hinten und vorne Linsen. Die eine, dat is dat Okular.« Und die andere erklären die Vorführer der Urania-Sternwarte mit ebenso viel Humor wie Lehrer Bömmel aus der Feuerzangenbowle, aber mit deutlich mehr Fachwissen und dem ganzen Charme Schweizer Astronomiefans.

Die Krater des Mondes, die Ringe des Saturns und die Streifen des Jupiter – dank einer Vergrößerungsleistung des Refraktors bis ins Sechshundertfache sehen wir das Weltall ungeahnt klar und nah. Doch das Fenster zum Universum muss noch per Hand geöffnet werden. Während Vorführer Andreas Weil das Rad bedient, um das Kuppeldach zu öffnen, schauen seine Besucher in die völlig falsche Richtung. Nicht der Himmel interessiert sie im Augenblick, denn unter ihnen strahlt gerade Zürich. Vom Balkon der Urania reicht der Blick über hellerleuchtete Häuser bis zum tintenblauen See.

Der Standort mitten in der Stadt ist wegen der hohen Lichtverschmutzung nicht eben ideal, doch Mond und Planeten sind allemal gut zu beobachten, und allein das über hundert Jahre alte und zwanzig Tonnen schwere Teleskop der Firma Zeiss ist einen Besuch der ältesten Volkssternwarte der Schweiz wert. Sollten Wolken die Sicht ins Weltall trüben, schöpfen die Vorführer aus den Weiten ihres Wissens und wecken Jahrzehnte nach der letzten Schulstunde Physik Erinnerungen an das dritte Keplersche Gesetz, an Raumkrümmung und Antimaterie. Von einem 13. Sternzeichen hat jedoch kaum einer in der Schule gehört. Der Schlangenträger ist den Astronomen seit der Antike als Sternbild zwischen Skorpion und Schütze bekannt. Die Astrologen haben den Guten schlicht unterschlagen. Horoskopgläubige tröstet vielleicht ein Wilhelm-Busch-Zitat: ›Das Weltall ist groß …, besonders oben!‹

Tipp: Öffentliche Führungen finden mehrmals in der Woche und bei jedem Wetter statt. Start ist um 21 Uhr. Vorherige Anmeldungen sind nicht erforderlich.

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Urania-Sternwarte /// Uraniastrasse 9 /// 8001 Zürich ///

00 41 / 0 44 / 211 65 23 /// www.urania-sternwarte.ch ///

Jules-Verne-Bar /// Uraniastrasse 9 /// 8001 Zürich ///

00 41 / 0 43 / 888 66 66 /// www.jules-verne.ch ///

4  Des Schweizers Kern und Kitt

Landesmuseum Zürich

Alpen und Armee, Banken und Bauern, Heidi und Helvetier, Käse und Kantone, Edelweiß und Eidgenossen – wir haben viele Vorstellungen davon, wie die Schweiz ist. Warum aber ist die Schweiz, wie sie ist? Darauf gibt das Landesmuseum Zürich Antworten. Im märchenschlossähnlichen Museumsbau, direkt hinter der Halle des Hauptbahnhofs, verstehen Besucher die Besonderheiten Schweizer Geschichte(n).

Löchrig wie ein Schweizer Käse ist das riesige Rad, das sich unter dem hohen Gewölbe der Ruhmeshalle stetig dreht. In jedem Loch ist ein Objekt aus der Schweizer Kulturgeschichte eingelassen: Heidi, Rütlischwur, Alphörner und Kuhglocken waren und sind der Kitt für mittlerweile knapp acht Millionen Einwohner, die in 26 Kantonen leben und neben vier offiziellen Landessprachen noch zahlreiche Dialekte sprechen. Es war ein langer Weg, sie alle zu einig Eidgenossen zu machen. Das Landesmuseum erzählt ihn von der Ur- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart hinein.

Die Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft zu einer der wohlhabendsten der Welt zeichnet das Museum zwischen zwei Tischen nach. In die Platte des einen sind mehrere große Mulden geschnitzt worden. Er gehörte einer Familie, die zu arm war, um sich Geschirr kaufen zu können, und die ihre Suppe direkt aus den Tischkuhlen löffelte. Der zweite Tisch ist das genaue Gegenstück aus glänzendem Edelholz, bestückt mit silbernen Kerzenleuchtern. Der Raum zwischen beiden Tischen ist gefüllt mit Bildern junger Männer, die in ganz Europa Solddienst leisteten, mit Koffern armer Auswanderer, die als Goldsucher in die neue Welt gingen, und mit Porträts der Unternehmer, die mit dem Export von Textilien, Maschinen, Uhren und Pharmazeutika reich wurden. Am Ende dieser Entwicklung steht kein Tisch mehr, sondern der große Tresor der einstigen Volksbank von 1912 mit rund 800 Schließfächern.

Tipp: Im Zunfthaus zur Meisen (Münsterhof 20) stellt das Landesmuseum seine Porzellan-und Fayencensammlung aus.

www.zunfthaus-zur-meisen.ch

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Schweizerisches Nationalmuseum – Landesmuseum Zürich ///

Museumstrasse 2 /// 8021 Zürich ///

00 41 / 0 44 / 218 65 11 /// www.musee-suisse.ch ///

5  Schwere Zeiten

Kirche St. Peter

Auch in Zürich lässt sich die Zeit totschlagen, in der Altstadt sogar mit ihren eigenen Mitteln – mit der Kirchturmuhr von St. Peter. Deren Minutenzeiger allein wiegt schon wuchtige 92 Kilogramm, und der Stundenzeiger bringt immerhin stattliche 74 Kilogramm auf die Waage.

Es ist die größte Turmuhr Europas, die den Zürchern den Takt vorgibt und die dank ihres Durchmessers von 8,7 Metern nicht zu übersehen ist. Die Größe der Uhr hat keine religiösen, sondern schlicht weltliche Gründe. Während Glockenstuhl und Glocken der Pfarrgemeinde St. Peter gehören, ist der Turm seit jeher Eigentum der Stadt Zürich. Diese nutzte ihn dazu, Brände schnell zu orten und setzte von 1340 bis 1911 Feuerwächter ein, die in der Turmstube lebten. Die riesige Uhr wurde von den Stadtvätern zum einzigen offiziellen Zeitmesser Zürichs erklärt, nach dem sich alle zu richten hatten.

St. Peter beeindruckt jedoch nicht allein mit Größe und speziellen Besitzverhältnissen, sondern auch durch eine lange Historie. Ganz in der Nähe des ehemaligen Römerkastells Lindenhof errichtet, reicht die Kirchengeschichte auch bis in die Römerzeit zurück. Vorgängerbauten hat es in vor-, früh- und spätromanischen, dann auch in spätgotischen Varianten gegeben. Die heutige, im Jahr 1706 eingeweihte Barockkirche war der erste reformierte Kirchenbau in Zürich. Ihre große Bedeutung in der Reformationszeit hatte die Peterskirche aber auch ihren Pfarrern zu verdanken. Leo Jud und Johan Caspar Lavater waren so ausgezeichnete Prediger, dass sogar Sitzplätze für die Sonntagsgottesdienste reserviert wurden, um sie zu hören. Solch paradiesische Zustände für Pfarrer sind vorbei, da kann sich St. Peters Glockengeläut mit seinen elf Tonnen Gesamtgewicht noch so ins Zeug legen – schwere Zeiten eben.

Tipp: Unweit von St. Peter, im Thermengässli, sind die Überreste römischer Thermen aus dem 1. Jahrhundert zu sehen.

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Kirche St. Peter /// St.-Peter-Hofstatt /// 8001 Zürich ///

00 41 / 0 44 / 221 06 74 /// www.st-peter-zh.ch ///

6  Der Luxus der anderen

Bahnhofstrasse

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Zürichs Bahnhof­strasse ist dafür der beste Beweis. Die bloße Aneinanderreihung von Banken, Juwelieren und Nobelboutiquen allein schafft keinen legendären Einkaufskosmos. Erst die Einheit von Geld, Glanz und Gloria begründet den Mythos dieser Straße.