Johannes Gutenberg
Vorwort
1400 – 1440
Die Vorgeschichte: Holzschnitt und Handschrift
1420 – 1448
Mainz – Straßburg – Mainz
1434 – 1448
Kaufmann und Erfinder
1450
Die neue Kunst
1454
Das «Werk der Bücher»: die B 42
1449 – 1460
Fust und Gutenberg
1455
Die Bibel aus Burgos
1455
Das Göttinger Musterbuch
1454 – 1460
Massenauflagen in der Donat-Kalender-Type
1455 – 1460
Schulbücher
1460
Die Bibel mit 36 Zeilen
1460 –1468
«Catholicon»
1465 – 1468
Gutenbergs letzte Jahre
1450 – 1900
Die Wirkungsgeschichte
1455 – 1500
Die ersten Nachfolger: Johannes Fust und Peter Schöffer
1455 – 1500
Die Ausbreitung der Buchdruckerkunst
1455 – 1500
Humanismus und Buchdruck
1517 – 1546
Buchdruck und Reformation
1423 – 1500
Flugschriften
1460 – 1500
Newe Zeytungen
1400 – 2000
Ein Blick zurück auf die Gutenberg-Ära
Anmerkungen
Zeugnisse
Die erhaltenen Gutenberg-Bibeln
Liste von im Netz verfügbaren digitalen Editionen der Gutenberg-Bibel
Bedeutende Drucker
Die Ausbreitung der Gutenbergschen Technik
Wichtige frühe Druckorte
Erfindungen im Druckwesen
Bibliographie
Namenregister
Dank
Quellennachweis der Abbildungen
Johannes Gutenberg nimmt in der Welt-Mediengeschichte einen ganz herausragenden Platz ein, da es ihm mit der Bündelung und Weiterentwicklung einer Reihe von technischen Erfindungen zum ersten Mal gelang, Texte in einer theoretisch unbegrenzten Zahl zu vervielfältigen und damit Wissen und Bildung für jedermann zur Verfügung zu stellen.
Gutenberg ist daher der Vater der Massenkommunikation, der Vater des Buchdrucks und der Presse und der Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie geistigem und philosophischem Fortschritt bis in unsere Gegenwart. Gleichzeitig ist er ein Meister der Schriftgestaltung, des Layouts und des Druckens, dem es als einem der wenigen in der Technikgeschichte gelungen ist, gleich mit dem ersten Produkt, der nach ihm benannten Bibel, ein Meisterwerk zu schaffen. Gutenberg faßte eine Vielzahl technischer Entwicklungen, vom Guß der Einzeltypen über die Technik des Satzes, vom Einfärben bis zum Druck der Texte, in einer solchen Perfektion zusammen, daß es erstmals möglich wurde, Wissen in typographisch angemessener Schönheit und in hoher Auflage zu verbreiten.
Zu Recht bemerkte Georg Christoph Lichtenberg im 18. Jahrhundert in einem Aphorismus, daß «mehr als das Blei in den Kugeln, das Blei in den Setzkästen die Welt verändert» hat. Und daher wurde Gutenberg am Ende des Zweiten Jahrtausends von einem amerikanischen Forscherteam zum «man of the millennium» gewählt, mit der Begründung, daß alle wichtigen Entwicklungen der nachfolgenden Jahrhunderte, ob es sich um die Entdeckungsreisen des Kolumbus, die Reformation Luthers oder die Aufklärung im 18. Jahrhundert handele, ohne die Wirkungen des von Gutenberg begründeten neuen Massenmediums nicht möglich gewesen wären.
Wandte sich Gutenberg zunächst mit seinen Publikationen an die große Mäzenatin aller Wissenschaften und Künste des Mittelalters, die Kirche, so bemächtigte sich rasch die geistige Strömung des Humanismus mit ihrem Glauben an die allgemeine Bildungsfähigkeit des Menschen dieser neuen technischen Entwicklung und stellte sowohl Texte der Antike als auch volkssprachige Übersetzungen in hohen Auflagen bereit. Zeitung und Zeitschrift, Flugblatt und Flugschrift boten Nachrichten und Hintergrundwissen, schufen eine öffentliche Meinung und ein Forum für die Reformation von Kirche und Gesellschaft. Die mittelalterlichen Folianten wurden durch handliche Taschenbücher abgelöst, die Versepen des Mittelalters durch die neue Kunst der Romane verdrängt. Zwar blieb das Latein noch viele Jahre die Sprache der Gebildeten, doch errangen die Volkssprachen am Ende des 16. Jahrhunderts bereits eine deutliche Vormachtstellung. Gutenbergs technische Entwicklungen blieben fast 350 Jahre konkurrenzlos; erst Industrialisierung und Mechanisierung im 19. Jahrhundert schufen die Grundlagen zu einer quantitativen Ausweitung des Druckgewerbes. Die digitale Revolution der Gegenwart verdrängt nun das Blei und ist dabei, auch das Papier zu ersetzen. Die mit Johannes Gutenberg begonnene Kommunikationsrevolution hält jedoch weiterhin an.
Die Monographie verbindet die lebensgeschichtlichen Daten zu einem anschaulichen Bild des Erfinders und des Kaufmanns Johannes Gutenberg, sie beschreibt seine Stellung innerhalb der Technik- und der Geistesgeschichte und zeichnet vor allen Dingen die Wirkungsgeschichte seiner epochalen Erfindung nach.
«An dem Tag, an dem du das Bild des Heiligen Christophorus ansiehst, wirst du nicht eines plötzlichen Todes sterben.» Diese in Holz geschnittene Bildunterschrift auf einem der frühesten erhaltenen Einblattdrucke aus dem Jahr 1423 illustriert den Stellenwert dieses Heiligenbildchens auf eindrucksvolle Art und Weise: Das Bild des in der Volksfrömmigkeit sehr beliebten hl. Christophorus, der in der religiösen Unterweisung sowohl ein Zeichen für die Allmacht Gottes wie für die praktizierte Nächstenliebe sein konnte, war weit verbreitet wegen seines Schutzes vor der «mors repentina» oder «mala», der Angst vor einem plötzlichen oder einem schlimmen Ende, das keine Gelegenheit mehr zur Reue, Buße und Umkehr bot. Noch heute findet sich in Süddeutschland, Österreich und Südtirol eine Vielzahl von Darstellungen des hl. Christophorus in Kirchenfenstern, in Fresken und auf Bildstöcken am Wegesrand. Die Möglichkeit, sich der Segenswirkung des hl. Christophorus nicht mehr nur an öffentlichen und kirchlichen Bauwerken zu versichern, sondern sich ein solches Heiligenbild mit nach Hause zu nehmen, zeigt einen ersten, wichtigen Medienwechsel an. Kirchliche Unterweisung war – neben der Predigt – auf die jahrhundertealte Tradition der bildlichen Veranschaulichung biblischer und theologischer Inhalte in Kirchenfenstern, auf Bronzetüren, im Skulpturenschmuck oder in Freskenzyklen und Tafelbildern beschränkt gewesen. Einen ersten Umbruch finden wir zu Beginn des 15. Jahrhunderts, als der für die Reform des religiösen Lebens unermüdlich tätige Kanzler der Pariser Universität, Jean Gerson (1363 – 1429), die Anregung gab, «um die religiöse Unwissenheit des Volkes zu steuern, belehrende Tafeln in den Kirchen aufzuhängen». Diese Anregung nahm im deutschsprachigen Gebiet unter anderem Nikolaus von Kues (1401 – 1464) auf. Bei seinen Konsultationen in deutschen Diözesen hatte er erfahren, daß selbst die wichtigsten Gebete vielfach weder den Gläubigen noch den Pfarrern bekannt waren. So ließ er in verschiedenen Kirchen in Holz geschnittene «Vaterunser-Tafeln» anbringen.
Der Einblattdruck des hl. Christophorus wurde auf Papier von einem Holzstock abgerieben: Eine Vorzeichnung war seitenverkehrt auf einen Holzstock aufgebracht worden, danach wurden die nichtdruckenden Teile eingetieft, die stehengebliebenen Teile (Stege) eingefärbt, ein angefeuchteter Bogen Papier darüber gelegt und mit einem Stoffballen abgerieben. Die Farbe schlug dabei meistens durch, so daß die Rückseiten in aller Regel nicht bedruckt wurden. Sowohl die bildliche Darstellung wie auch die Textzeile wurden in einen einzigen Holzstock geschnitten, der mehrere hundert Male abgerieben werden konnte.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts finden wir in ganz Mitteleuropa die Grundvoraussetzungen für eine massenhafte Verbreitung von Bildern und Texten: einmal das Papier und zum anderen die Hochdrucktechnik des Holzschnittes.
Das Papier war bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. in China erfunden worden. Es verbreitete sich zunächst im asiatischen Raum, gelangte dann im 10. Jahrhundert über die Seidenstraße bis nach Damaskus und Bagdad, und von dort mit der Expansion des Islam über Nordafrika nach Spanien und Italien, wo sich im 12. und 13. Jahrhundert die ersten Papiermühlen finden. Im 14. Jahrhundert arbeiten Papiermühlen auch in Frankreich, seit spätestens 1390 in Deutschland, wo die Papiermühle von Ulman Stromer in Nürnberg sicher belegt ist. Papier kostete schon in den Anfangsjahren seiner Verbreitung nur ein Viertel des Preises von Pergament, der kostbaren Tierhaut. Als Rohstoff für das Papier dienten Lumpen und Hadern (Stoffreste), die in mit Wasser gefüllten Bütten («Büttenpapier») eingeweicht und verfilzt wurden. Dieses Rohmaterial wurde bogenweise mit einem Siebrahmen abgeschöpft; die in den Siebrahmen eingelegten Drahtmotive sorgten dafür, daß das Papier an diesen Stellen etwas dünner geriet und somit die sogenannten Wasserzeichen sichtbar wurden. Mit Hilfe der Wasserzeichen lassen sich viele undatierte Drucke datieren und lokalisieren.
Der hl. Christophorus. Kolorierter Einblattholzschnitt, mit 1423 datiert, nach dem Exemplar der John Rylands Library, Manchester
Auch die Technik des Holzschnittes war bereits mehrere hundert Jahre zuvor in Asien bekannt. Aus dem 7. und 8. Jahrhundert haben sich in China, Korea und Japan sowohl die Holzstöcke als auch die Abreibungen auf Papier von konfuzianischen und buddhistischen Lehrsätzen (Sutren) erhalten.1 Beim Einschneiden von Texten in Holzstöcke ging es dort in erster Linie um Bewahrung und nicht um massenhafte Verbreitung. In Korea gibt es bis heute zahlreiche Bibliotheken, die die Druckstöcke aufbewahren, von denen immer wieder einzelne Abzüge genommen werden können. Der Holztafeldruck verbreitete sich bald nach Zentralasien und erreichte etwa im 11. Jahrhundert Bagdad und Kairo. Unter mongolischer Herrschaft wurde im 13. Jahrhundert in Täbris Papiergeld mit chinesischen Schriftzeichen gedruckt, von dem sich einige Exemplare im 15. Jahrhundert in Mitteleuropa wiederfinden. Möglicherweise sind durch den Vormarsch der Mongolen sowohl Spielkarten als auch die Kenntnis des Holztafeldrucks nach Europa gelangt. Spielkarten sind dann auch im frühen 15. Jahrhundert die beliebtesten Anwendungsformen des Holzschnittes, neben Heiligenbildern und Nachrichten auf Flugblättern.
Ars moriendi. Blockbuch, um 1470. Eine Sterbelehre in deutscher Sprache
Wenn mehrere Einblattdrucke zu einem kleinen Buch zusammengefügt werden, spricht man von einem «Blockbuch»2. In solchen Blockbüchern wurden Bilder und Texte in Holz geschnitten. Wir kennen kürzere religiöse Texte wie die «Zehn Gebote» oder das «Hohe Lied», aber auch weltliche Ratgeber wie etwa eine Handlesekunst. Weit verbreitet war die Gattung der «ars moriendi», der Sterbelehre. Die Abbildung auf S. 12 und 13 zeigt eine Illustrations- und eine Textseite aus einer in Holz geschnittenen deutschsprachigen Sterbelehre aus den Jahren um 1470. Der Text wendet sich sowohl an den Sterbenden selbst als auch an seine Begleiter. Das Auf und Ab des Todeskampfes, die Anfechtungen des Teufels und die Erlösung durch Christus werden in sehr sprechenden Illustrationen und kurzen Texten zum Ausdruck gebracht.
Satzform und Abzug eines Gedichtes in Hangul-Lettern, 1447 gedruckt in Korea
Parallel zur Einführung der Holzschnittechnik hatte sich im 15. Jahrhundert die Herstellung von Handschriften aus dem kirchlichen und klösterlichen Bereich emanzipiert und wurde in weltlichen Schreiberwerkstätten praktiziert. Über eine Werkstatt von Diebold Lauber in Hagenau im Elsaß erfahren wir, daß dort seit den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts religiöse und weltliche Handschriften in großer Zahl auf Vorrat produziert, noch in der Werkstatt illustriert und dann gewerbsmäßig verkauft wurden. Bereits in der ersten Hälfte des Jahrhunderts hatten sich also die Beschreibstoffe wie die Herstellungstechniken und die Vertriebsformen von Büchern grundlegend verändert.
Universitätsgründungen
Prag 1348 – Wien 1365 – Heidelberg 1386 – Köln 1388 – Leipzig 1409 – Freiburg i. B. 1457 – Mainz 1477
Eine Triebfeder dafür war das Aufblühen der Wissenschaften, das zu einer grundlegenden Reform der Hochschulausbildung und zur Gründung zahlreicher Universitäten wie in Köln 1388 und Erfurt 1389, in Leipzig 1409 oder in Löwen 1425 führte. Die entscheidende geistige Strömung der Zeit war der Humanismus mit seinem Glauben an die allgemeine Bildungsfähigkeit des Menschen und einer neuen geistigen Offenheit, die Platonismus und Christentum miteinander zu verbinden suchte.
Die Städte gewannen im 15. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung durch das Aufkommen einfacherer Industrien wie etwa der Tuch- oder Leinenproduktion und innovativer Proto-Industrien, die mit Wind- und Wasserkraft arbeiteten. Daneben wurden – aus Italien kommend – neue Formen von Finanzierungsgesellschaften und Bankgeschäften erprobt. Die alten Hanse-Privilegien gingen verloren, und neue Handelswege entstanden, die gerade Oberdeutschland eng mit Italien und Frankreich verbanden.
Über solche Handelswege mag auch die Kenntnis von ostasiatischen Druckformen nach Europa gekommen sein, doch ließ sich eine solche Brücke trotz intensiver Suche nicht nachweisen. In China wurde seit dem 11. Jahrhundert mit Tonstempeln für einzelne Zeichen experimentiert, in Korea im 14. Jahrhundert mit Zeichen aus Bronze und anderen Metalllegierungen. Gesichert ist das Jahr 1377 als Erscheinungsdatum eines Metalletterndruckes «Jikji», den «Grundzügen der Lehre Buddhas» im Heungdeoksa-Tempel in Cheongju, der sich seit 1943 in der Bibliothèque Nationale in Paris befindet. «Jikji» wurde 2001 neben der Gutenberg-Bibel als «Meilenstein der Kulturgeschichte der Menschheit» in das Memory of the World Programm der UNESCO aufgenommen. War zunächst die große Zahl von über 10 000 Schriftzeichen ein Hinderungsgrund für die praktische Anwendung des Gusses und Satzes von Texten, so war durch die Einführung des Hangul-Alphabetes durch König Sejong (allerdings erst um 1444!) in Korea die Möglichkeit gegeben, neue Gußverfahren mit den Vorteilen einer geringen Typenanzahl zu kombinieren (vgl. Abb. S. 14/15). Gegossen wurde zunächst in Sandformen, die Typen konnten daher nicht die Randschärfe aufweisen wie später bei Gutenbergs Technik. Es bleibt jedoch das interessante Phänomen zu verzeichnen, daß zeitgleich an den beiden Enden der damals bekannten Welt mit ähnlichen Techniken experimentiert wurde. Die Bündelung der unterschiedlichen Erfindungen Gutenbergs – vom Guß der Lettern, den Drucktinten, der Form des Satzes bis hin zur Presse – verleiht seiner Technik jedoch einen ganz eigenständigen Charakter, der sich auch durch die anders gelagerte Wirkungsgeschichte einer weitgehend freien Entfaltung, zunächst uneingeschränkt von kirchlichen, gesellschaftlichen oder zünftigen Regelungen, auszeichnet.
Das 15. Jahrhundert ist eine Zeit wirtschaftlicher und geistiger Öffnung und gleichzeitig politischer und kirchenpolitischer Stagnation. Dem Kaiser standen die Reichsstände gegenüber, von denen wiederum die Kurfürsten besonders herausgehoben waren. Auf den unregelmäßig einberufenen Reichstagen zeigte sich die Abhängigkeit des Kaisers von den Fürsten etwa in den Hussiten- oder in den späteren Türkenkriegen. Die Territorialherren gewannen immer mehr Macht, auch die Städte nahmen häufig eine rechtliche Sonderstellung ein.
Die Stadt Mainz hatte zu Beginn des 15. Jahrhunderts etwa 6000 Einwohner, die sich in dieser schwierigen Umbruchsituation eine neue Ratsverfassung gaben, die gegenüber den alten Patriziergeschlechtern nun das Informations- und Mitbestimmungsrecht der Zünfte stärker gewichtete. In der Auseinandersetzung zwischen Patriziat und Zünften mußten die Angehörigen der patrizischen Familien mehrfach die Stadt verlassen, verließen sie zum Teil auch selbst aus Protest. In den vierziger Jahren entwickelte sich die finanzielle Lage der Stadt so katastrophal, daß sie sich bei den umliegenden Städten, vor allen Dingen bei Frankfurt, hoch verschulden mußte. 1456 war die Stadt faktisch zahlungsunfähig und quasi ein Pfand von Frankfurt.3 In dieser Zeit konnte sich Mainz aber immer noch als Freie Stadt fühlen; nach der Stiftsfehde von 1462 wurde sie jedoch eine bischöfliche, kurfürstliche Stadt. Die wirtschaftliche Lage führte um 1450 zu einer Rezession und einem deutlichen Bevölkerungsrückgang. Aus diesem Grund wurden die Zuwanderung begrüßt und Neubürger für zehn Jahre von allen Steuern und Abgaben befreit. In Handwerk und Handel waren Holzhandel und Holzverarbeitung, Schiffstransport, Weinbau und Ackerbau, aber auch Tuchweberei, Eisen- und Buntmetallverarbeitung sowie die Goldschmiedekunst vertreten.
Älteste Stadtansicht von Mainz in Johann Stöffler: Der römische Kalender, gedruckt 1518 von Jakob Köbel in Oppenheim (seitenverkehrte Wiedergabe). Im Vordergrund das Fischtor, dahinter der Dom St. Martin und die Anfänge des Jakobsberges mit Resten der alten Stadtmauer
Ein sicheres Geburtsdatum Gutenbergs ist nicht überliefert. Da ihn ein Dokument aus dem Jahre 1420 bei einer Erbauseinandersetzung volljährig zeigt, wurden mit unterschiedlichen Argumenten die Jahre zwischen 1393 und 1404 als Geburtszeitraum errechnet. Mit internationaler Zustimmung wurde 1900 die Jahrhundertwende als symbolisches Geburtsjahr akzeptiert.4 Zu Gutenbergs Zeit war es nicht unüblich, den Patron des Geburtstages als Namensgeber zu nehmen, daher wird immer wieder der 24. Juni als Geburtstag genannt. Dafür spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, auch wenn der Name Johannes (auch Johann oder in Mainz Henchen, Hengin oder Henne) so beliebt und weit verbreitet war, daß eine Namenstagsbindung nicht unbedingt anzunehmen ist. Sein Vater, Friedrich (mainzerisch: Friele) Gensfleisch zur Laden, etwa 1350 geboren und seit 1372 Mainzer Bürger, war seit 1386 in zweiter Ehe mit Else Wirich verheiratet. Als Mainzer Patrizier war er – vermutlich im Tuchgeschäft – kaufmännisch tätig, er gehörte der Münzerhausgenossenschaft an und war zeitweise Rechenmeister der Stadt. Den Beinamen «zum Gutenberg» führte der Vater nicht, dieser Namenszusatz wurde von den Familienmitgliedern erst seit den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts verwendet. Seit dem frühen 14. Jahrhundert gehörte der Familie der Hof zum Gutenberg, der an der Ecke der Schustergasse und der Christophstraße lag, heute aber nicht mehr existiert. Das gotische Gebäude mit zwei Stockwerken bot Platz für mehrere Familien und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch für die Setzer- und Druckerwerkstatt.
Das Wappen Gutenbergs
Über die Jugendjahre Gutenbergs wissen wir nichts; zumeist werden im Hinblick auf seine guten Lateinkenntnisse und sein technisches wie kaufmännisches Geschick eine standesgemäße Ausbildung in einer Klosterschule und ein Universitätsstudium angenommen. Er könnte das Stift St. Viktor im Süden der Stadt, nahe Weisenau, besucht und dort Latein und die Anfangsgründe der Wissenschaft gelernt haben. Da er noch im hohen Alter nachweislich der St.-Viktor-Bruderschaft angehörte, könnte man darin einen Hinweis auf seinen Schulbesuch sehen. Schon sehr jung mußte Henchen Gutenberg wohl mit seinem Vater und den Geschwistern Mainz verlassen, da sich im August 1411 wieder einmal die Auseinandersetzung zwischen den Patriziern und den Zünften zuspitzte; sie führte zu einem Auszug von 117 Patriziern aus Mainz, die auf diese Weise ihre Privilegien der Steuer- und Zollfreiheit sichern wollten. Mit großer Wahrscheinlichkeit zog man kurzfristig nach Eltville, wo man aus mütterlichem Erbe ein Haus an der Ringmauer (in der Burghofstraße) besaß. Bereits 1413 mußte der Vater erneut nach Hungerkrawallen für kurze Zeit Mainz verlassen und wird wiederum von den Familienangehörigen begleitet worden sein. Eine gute Schulausbildung war aber auch in Eltville gewährleistet, Grammatik und Rhetorik nach dem Lehrbuch des Aelius Donatus und die Lektüre lateinischer Schriftsteller wurden in der «Gemeinschul» der Peterskirche gelehrt.
Aus den ersten drei Lebensjahrzehnten von Johannes Gutenberg haben sich nur drei Dokumente erhalten. Im Sommersemester 1418 und im Wintersemester 1418/19 wurde ein «Johannes de Alta villa» an der zur Erzdiözese Mainz gehörenden Universität Erfurt immatrikuliert.5 Es war üblich, seinem Vornamen den Herkunftsort beizufügen, und da einige Vorfahren und nahe Verwandte Besitz in Eltville hatten und die Mainzer Familie Gensfleisch durch die Auseinandersetzung mit den Zünften mehrfach Mainz verlassen mußte, ist eine solche Namensbezeichnung durchaus denkbar. Übrigens finden wir in diesem Matrikelbuch weitere Weggefährten Gutenbergs, 1421 wurde Konrad Humery immatrikuliert, ein späterer Mainzer Geschäftspartner Gutenbergs; 1444 und 1448 finden wir dort «Petrus Ginsheym»: Gutenbergs Geselle und Nachfolger Peter Schöffer aus Gernsheim. «Johannes de Alta villa» ist im Wintersemester 1419/20 in Erfurt zum Baccalaureus promoviert worden. Im Lehrplan der sogenannten Artisten-Fakultät, an der die sieben freien Künste (artes liberales), nämlich Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Astronomie, Mathematik, Arithmetik und Musik gelehrt wurden, war dieses erste Examen nach drei Semestern möglich. Es führte in die lateinische Grammatik und Sprache, in die griechische und lateinische Philosophie und – modern gesprochen – Naturwissenschaften ein.
Ausschnitt aus der Matrikel der Universität Erfurt vom Wintersemester 1418/19 mit dem Eintrag «Johannes de Alta villa». Der Namenszug befindet sich in der Zeile über der Initiale.
Im Herbst 1419 starb Gutenbergs Vater Friele Gensfleisch zur Laden.6 In der Folge finden wir die erste sichere Erwähnung von Henchen Gutenberg, der gemeinsam mit seinem Bruder Friele und seinem Schwager Clas Vitzthumb mit seiner Stiefschwester aus der ersten Ehe des Vaters, Patze Blashoff, um das väterliche Erbe streitet. Da Johannes Gutenberg in eigener Vollmacht auftritt, wird er um 1420 volljährig gewesen sein.
Wir wissen nicht, wo sich Gutenberg in den zwanziger Jahren aufgehalten hat, was er studiert oder gelernt hat. Nur einmal, 1427 oder 1428, wird er gemeinsam mit seinem Bruder Friele bei der Übertragung einer Leibrente dokumentarisch erfaßt.7 Am 16. Januar 1430 schloß seine Mutter, Else Wirich zu Gutenberg, mit der Stadt Mainz ein Abkommen8 über eine ihrem Sohn Johannes zustehende Leibrente von 13 Gulden. Da seine Mutter diese Geldangelegenheiten für ihn regelte, wird er sich kaum in der Stadt aufgehalten haben.
Einer «Rachtung», einem Sühnevertrag des Mainzer Erzbischofs Konrad III. zwischen den Geschlechtern und Zünften in Mainz aus dem Jahre 1430, entnehmen wir9, daß dem 1428 aus der Stadt vertriebenen Johannes Gutenberg jetzt die Rückkehr ohne jede Auflagen gestattet wurde. Diese Urkunde war unter Mitwirkung der Städte Worms, Speyer und Frankfurt zustande gekommen und gewährte dem Mainzer Patriziat wiederum zahlreiche Rechte, unter anderem Münzrechte und Zugang zu Ratsstellen und öffentlichen Ämtern. Verschiedene Ausgewanderte, die ohne Auflagen zurückkommen durften, werden namentlich erwähnt – darunter «Henchin zu Gudenberg».