Lena Johannson
Sanddornsommer
Roman
Knaur e-books
Lena Johannson wurde 1967 in Reinbek bei Hamburg geboren. Nach der Schulzeit auf dem Gymnasium machte sie zunächst eine Ausbildung zur Buchhändlerin, bevor sie sich der Tourismusbranche zuwandte. Ihre beiden Leidenschaften Schreiben und Reisen konnte sie später in ihrem Beruf als Reisejournalistin miteinander verbinden. Vor einiger Zeit erfüllte sich Lena Johannson einen Traum und zog an die Ostsee.
eBook-Ausgabe 2016
Knaur eBook
© 2016 Knaur Taschenbuch
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Redaktion: Dr. Gisela Menza
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: masterfile / Robert Harding Images; masterfile / AWL Images; FinePic®, München
ISBN 978-3-426-43446-8
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Wir freuen uns auf Sie!
Sie sind am Ende, Frau Mischkowsky.«
»Wie bitte?« Frau Mischkowsky, eine große zerknitterte Blondierte mit spitzer Nase und unruhigen Augen, starrte Franziska an.
»Am Ende unseres Coachings. Vorerst zumindest.« Franziska schlug das linke Bein über das rechte und legte die ineinander verschränkten Hände auf ihre Knie. »Wir sind in den letzten …«, sie musste kurz überlegen, »… rund achtzehn Monaten gut vorangekommen. Ihnen ist klargeworden, dass Sie nicht länger mit Ihrem Mann zusammenarbeiten möchten. Sie haben etwas Neues gefunden. Für ihn. Seitdem sind Ihre Umsätze gestiegen, und es ist Ihnen gelungen, Ihrer Tanzschule ein neues Profil zu geben.« Sie lächelte professionell. »Zeit, sich eine Pause zu gönnen.«
»Jetzt?« Frau Mischkowsky schnappte nach Luft. »Unmöglich! Der Laden fängt gerade an zu laufen. Jetzt muss ich dranbleiben. Hatten Sie das nicht gesagt? Ich brauche einen langen Atem, haben Sie gesagt.«
»Sie brauchen Geduld. Das waren meine Worte. Das ist etwas anderes. Wissen Sie noch, warum Sie vor anderthalb Jahren zu mir gekommen sind?« Ihr Blick glitt von dem Pergamentgesicht zum Fenster ihres Arbeitsraums, den sie in einer kleinen Wohnung einer Gründerzeitvilla ganz in der Nähe der Außenalster gemietet hatte. Vor dem Fenster hing ein luftig-weißer Vorhang, der die Sicht nach draußen versperrte, damit die Klienten nicht abgelenkt wurden.
»Ich wollte wissen, was ich tun kann, damit meine Tanzschule mehr Erfolg hat.« Frau Mischkowsky drückte das Kreuz durch.
Franziska seufzte. »Auch. Vor allem wollten Sie wieder Freude in Ihrer Beschäftigung finden. Sie wollten zufriedener werden. Das haben Sie damals jedenfalls so formuliert.« Sie studierte das Fischgrätmuster des Parkettfußbodens. »Sehen Sie, meine liebe Frau Mischkowsky, das dauert. Sie haben die Weichen gestellt, aber bis sich eine tiefe Zufriedenheit einstellt, wird noch etwas Zeit vergehen.« Ihre Klientin wollte protestieren, doch Franziska ließ ihr dazu keine Gelegenheit. »Dafür ist es nötig, dass Sie sich dessen bewusst werden, was Sie bereits erreicht haben. Sie müssen ganz tief in Ihrem Inneren begreifen, wie weit Sie sich bereits in eine neue großartige Richtung bewegt haben. Glauben Sie mir, die Befriedigung kommt dann ganz von allein.« Wie sie es hasste, mit einem erwachsenen Menschen sprechen zu müssen wie mit einem kranken Gaul. Die olle Mistkowsky, wie sie sie insgeheim nannte, hatte ein florierendes Geschäft, einen treu ergebenen Mann, der es ihr nicht einmal übelgenommen hatte, beruflich abserviert zu werden, und zwei gesunde Kinder mit guten Jobs. Sie lagen ihren Eltern längst nicht mehr auf der Tasche. Was wollte sie denn noch? Auch wenn sie sich noch achtzig Monate coachen lassen würde, wäre diese Ziege nie zufrieden.
Franziska schob den Ärmel ihrer Bluse ein Stückchen nach oben, um auf ihre ultraflache Uhr sehen zu können. Die für diese Sitzung eingeplante Zeit war seit über zehn Minuten abgelaufen.
»Machen Sie es wie ich, liebe Frau Mischkowsky, nehmen Sie sich eine Auszeit. Reflektieren Sie, erfreuen Sie sich an dem Erreichten und denken über neue Ziele nach. Wenn wir beide wieder da sind, kümmern wir uns gemeinsam um die Umsetzung.«
»Was soll das heißen, wenn wir beide wieder da sind?« Ihre Augen waren weit aufgerissen und suchten nach Anzeichen in Franziskas Gesicht, dass diese einen Scherz gemacht hatte.
»Ich hatte Ihnen gesagt, dass ich ein Sabbatical nehme. Drei Monate fern von meinem Arbeitszimmer, ohne Klienten, ohne Coachingaufgaben.« Sie seufzte wieder, voller Vorfreude dieses Mal, und erntete einen Blick, der noch mehr Falten auf das Gesicht ihrer Klientin zauberte. Rasch setzte Franziska hinzu: »Man muss sich hüten, nicht auszubrennen. Ich bin als Coach sehr gefragt. Im Zwei-Wochen-Rhythmus habe ich mich auf die Sorgen und Bedürfnisse eines mir bis dahin unbekannten Menschen einzustellen. Jeder hat Anspruch auf meine volle Konzentration und meine hundertprozentige Leistungsfähigkeit.« Es war beabsichtigt, dass ihre weiche Stimme einen arroganten Unterton angenommen hatte. »Ich bin es meinen Klienten schuldig, dass ich eine Auszeit nehme, meinen Akku auflade, neue Energie tanke.«
»Aber was wollen Sie denn machen?«
»Mus.«
»Bitte?«
Franziska lachte leise. »Entschuldigung. Mus und Marmelade aus Sanddorn. Bonbons werde ich auch herstellen, glaube ich.«
Nachdem sie Klientin Mischkowsky hinauskomplimentiert hatte, war Franziska nach Hause geradelt. Sie hatte eigentlich auf dem Weg eine Kleinigkeit essen wollen, hatte sich dann aber für keins der möglichen Lokale entscheiden können. In ihrer Wohnung angekommen, starrte sie sekundenlang in den Kühlschrank. Leer, so leer, wie er zu sein hatte, wenn seine Besitzerin ihn volle zwölf Wochen nicht benutzen würde. Einen Speiseplan B hatte sie nicht. Dann mussten eben die beiden Energieriegel genügen, die eigentlich Reiseproviant hätten sein sollen. Sie kochte sich dazu einen Espresso, reinigte anschließend die Maschine, die sie letztes Jahr bei einem Spezialisten in Italien erstanden hatte, und packte sie in einem Nest aus alten Zeitungen, von denen sie immer genug liegen hatte, in den Originalkarton, den sie längst hatte entsorgen wollen. Das Gerät musste alle zwölf Monate zur Inspektion geschickt werden, sonst verfiel die Gewährleistung. Der einzige Grund, warum Menschen nicht zur Inspektion mussten, war wohl der, dass es für sie ohnehin keine Gewährleistung gab.
Zusammen mit dem Karton hatte sie einen Koffer und ihre Reisetasche vom Dachboden geholt. Sie musste dem Vermieter unbedingt noch eine Mail schicken, dass er die Lampe auf dem Speicher, die vor nun schon bald einem halben Jahr den Geist aufgegeben hatte, gefälligst in Ordnung bringen sollte. Wenn sie zurückkäme, stünde der Winter vor der Tür. Ihr feiner Herr Vermieter würde ihr bestimmt nicht die Taschenlampe halten, wenn sie dann etwas auf dem Boden suchen musste.
»Nicht ärgern«, sagte sie sich. Schumann erledigte nur das absolut Notwendige am Haus. Meistens Dinge, die sofort ins Auge fielen. Das kannte sie schon. Außen hui, innen pfui. Sie könnte kündigen, aber sie mochte ihre Wohnung nun einmal.
»Hallo, Maren! Du, ich wollte nur kurz Tschüss sagen.« Den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, packte sie Shirts, Hosen, Röcke und Wäsche, die sich seit Tagen auf ihrem Sofa stapelten, in den Koffer. Die rote Hose brauchte sie nicht, die konnte hierbleiben. Und die Bluse mit den Pailletten? War die etwas für Rügen? Eher nicht.
»Wie, Tschüss sagen?«
»Morgen geht es los. Sag nicht, das hast du vergessen!«
»Du machst Witze, oder? Du wirst doch nicht ernsthaft Erdbeerpflückerin auf Usedom.«
»Nein, ich werde Sanddornpflückerin auf Rügen.«
»Ach komm, du nimmst mich auf den Arm.«
Franziska packte die rote Hose doch wieder ein und musste nun entscheiden, welche Strickjacke und welcher dickere Pullover mitsollte. »Meinst du, es ist auf der Insel kälter als hier in Hamburg?«
»Vielleicht ein bisschen mehr Wind. Es ist dir also ernst?«
»Ja, Maren, das habe ich dir schon ein paarmal gesagt. Ich brauche eine Auszeit und muss mal etwas völlig anderes machen. Ungewohnte Aktivitäten führen zu neuen Einsichten.«
»Okay, aber warum muss es denn so was sein? Ich meine, Rügen ist nicht gerade der Nabel der Welt. Und du wirst dir komplett die Hände ruinieren. Warum, glaubst du, heißt dieser olle Busch Sanddorn?«
Franziska erklärte, dass sie bestens vorbereitet sei und davon ausgehe, dass es für die Helfer Handschuhe geben werde.
»Ach, Mensch, wenn ich gewusst hätte, dass du tatsächlich fährst, hätte ich darauf bestanden, dass wir uns noch sehen.«
»Du hast es gewusst.«
»Nee, ja, doch, schon irgendwie. Aber ich hab nicht daran geglaubt. Ich dachte, du schmeißt den verrückten Plan in letzter Sekunde doch wieder über den Haufen.« Stille. »So wie sonst auch immer.« Wieder Stille. »Kann ich dich wenigstens zum Bahnhof bringen?«
»Gute Idee!«
Nachdem die Bluse mit den Pailletten doch in die Reisetasche gewandert war, rief Franziska ihren Vater an, um sich zu verabschieden.
»Morgen schon? Ach so, ja, stimmt. Na, dann wünsche ich dir ganz viel Spaß und hoffe, dass du dich auch ein bisschen erholst. Wohin geht es denn nun?«
»Nach Rügen, Papa, das weißt du doch.« Sie versuchte den Reißverschluss der Tasche zuzuziehen, hatte aber keine Chance. Die Zähne ließen sich nicht einmal mit Gewalt aneinanderschieben. Sie hatte einfach zu viel eingepackt. Also doch wieder raus mit der roten Hose.
»Schon, aber ich dachte, du hast es dir vielleicht noch mal anders überlegt. Ich meine, wäre ja nicht das erste Mal.«
»Als ob ich so oft meine Pläne ändern würde.«
»Nicht oft. Ständig. Und Rügen … Ganz ehrlich, das ist nicht das Richtige für dich.«
Ein Wollpulli und ein Ersatzbadehandtuch lagen auf dem Boden. Dafür war kein Platz mehr. Franziska hockte nun auf dem Gepäckstück, zog die Seitenwände kräftig zusammen und hätte eine dritte Hand gebraucht, die den Reißverschluss hätte bedienen können. »Warum nicht, was soll so verkehrt an Rügen sein?« Sie kam ins Schwitzen.
»Verkehrt für dich. Du fährst sonst nach Verona und gehst in die Arena, um dir Aida anzusehen. Du läufst dir in Rom die Füße wund und stehst in Florenz stundenlang an, um in die Uffizien zu kommen. Auf Rügen kannst du in die Störtebeker Festspiele gehen, Putbus besichtigen und vielleicht ein Bernsteinmuseum. Ende. Das war’s.«
»Na und, klingt doch nett.«
»Nett! Du wirst umkommen vor Langeweile.«
»Unsinn, Papa, ich werde neue Erfahrungen sammeln, abschalten und mich neu entdecken. Es geht nicht um Unterhaltung, sondern darum, mich auf mich selbst zu besinnen. Ich fahre schließlich nicht in die Ferien.«
»Schlimm genug.«
»Nicht nur. Auch, ich mache auch Ferien. Aber ich werde eben auch viel Zeit in der Natur verbringen, diese total gesunden Beeren sammeln und auf dem Hof bei der Verarbeitung helfen.«
»Früher hast du nicht mal Unkraut gezupft.«
»Ach, Papa!«
»Ist ja schon gut. Ich mache mir eben Sorgen. Jahrelang machst du gar keinen Urlaub bis auf deine Kurztrips, und dann nimmst du dir drei Monate frei und willst ausgerechnet in den Osten.«
»Papa, bitte, den Osten gibt es nicht mehr. Ich war drei, als die Mauer gefallen ist. Für mich gab’s nie eine DDR.«
»Ich meine ja nur.«
»Rügen ist die größte deutsche Insel. Die sollte man mal gesehen haben. Findest du nicht?«
»Nö.«
Mit einem Ruck gelang es ihr endlich, den Reißverschluss zuzuziehen, nachdem sie die Seiten der großen Tasche mit den Knien zusammengequetscht hatte.
»Ich melde mich dann mal von dort, okay? Jetzt muss ich noch den Rest packen und ein paar Mails erledigen …«
»Du weißt schon, dass es im Norden immer ein bisschen zu kalt ist? Außerdem regnet es da oben viel mehr als anderswo.«
»Also ehrlich! Es kann ja sein, dass es auf der Insel kühler ist als bei dir in München, aber der Unterschied zu Hamburg wird schon nicht so groß sein. Außerdem habe ich gelesen, dass es auf Rügen die meisten Sonnenstunden in ganz Deutschland gibt.« Sie ließ sich auf ihr Sofa fallen.
»Hast du auch gelesen, dass die Bäume da alle schief stehen, weil der Sturm immer von derselben Seite kommt? Das ist kein Vergleich zu deinem geliebten Italien mit seinen Palmen und Pinien. Von den Stränden brauchen wir gar nicht reden. Kannst froh sein, wenn du nicht vom Schlamm verschüttet wirst, der nach den dauernden Regenfällen die Steilküsten runterrutscht.«
»Ich gucke seit Tagen auf meine Wetter-App. Es hat nicht geregnet. Null. Seit ich dir von meinem Plan erzählt habe, versuchst du mir Rügen auszureden. Warum?« Sie stopfte sich ein Kissen in den Nacken. Eigentlich hatte sie das Gespräch längst beenden wollen, aber diese Frage beschäftigte sie schon eine ganze Weile.
»Ich will dir gar nichts ausreden.« Volltreffer, das war nicht zu überhören. »Ich würde dir nur wünschen, dass du dich da wohl fühlst, wo du die nächsten drei Monate verbringen wirst. Na ja, du wirst berichten. Dann will ich dich auch nicht von deinen Koffern abhalten. Hast bestimmt noch einiges zu erledigen so kurz vor dem Aufbruch. Also dann, Ziska, mach es gut, pass auf dich auf, und melde dich, ja? Kuss, meine Kleine. Tschühüss.« Aufgelegt. Was war das denn jetzt?
Als Maren sie am nächsten Morgen abholte, hatte Franziska wenig geschlafen. Immer wieder war ihr etwas eingefallen, das noch zu tun war. Oder ihr kam etwas in den Sinn, das sie unbedingt mitnehmen musste. Glücklicherweise war noch Zeit für einen Kaffee.
»Jetzt bitte noch mal für mich zum Mitschreiben. Ich kapier das sonst nicht.« Maren lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und fixierte ihre Freundin. Sie ließ sich nicht davon stören, dass sie ständig von jemandem angerempelt wurde, der sich auf der Suche nach einem freien Platz durch den breiten Gang schob, in dem die Bahnhofsbäckerei ihre Tische und Stühle stehen hatte. Gleich nebenan gab es eine Pommes-Bude, gegenüber einen Edel-Fisch-Imbiss. »Du bist supererfolgreich, der angesagteste Coach im Umkreis von mindestens hundert Kilometern.«
»Der Coach. Ich bin eine Frau, Maren.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Schon klar. Aber ich kenne keine weibliche Form von …«
»Nee, eben. Die gibt’s auch nicht. Was ist denn das für ein Job, für den nicht einmal eine weibliche Form existiert?«
»Wenn das dein einziges Problem ist …«
Franziska nahm einen Schluck Cappuccino und rümpfte die Nase. »Danke, dass du meine Kaffeemaschine zur Post bringst. Ich freue mich jetzt schon auf richtig guten Espresso, wenn ich wieder zurück bin.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. Noch fünfundvierzig Minuten bis zur Abfahrt.
»Nach einer Woche auf der Insel wirst du dich auf alles freuen, auf Hamburg, deine Wohnung, auf deine Klienten. Ich pack’s einfach nicht. In den letzten Jahren hast du geschuftet wie ein Tier, um den Punkt zu erreichen, an dem du jetzt stehst. Es kann doch nicht sein, dass dir das alles auf einmal keinen Spaß mehr macht.«
Eine blecherne Stimme sagte an, dass der ICE nach München außerplanmäßig von Gleis zwölf statt von Gleis vierzehn abfuhr und dass es aufgrund von Bauarbeiten zwischen Hamburg und Hannover zu Verzögerungen kam. Menschen mit Umhängetaschen und Rollkoffern prüften die Auslagen in der Vitrine der Bäckerei. Andere kauften Kaffee in Pappbechern und tauchten damit in der Menge unter. Wie konnte man nur Kaffee aus einem Pappbecher trinken? Und das auch noch im Laufschritt. Was andere offenbar für ein Zeichen ihrer zeitgemäßen Lebensweise hielten, war in Franziskas Augen überflüssig, stillos und weit entfernt von Genuss. Sie sah ihre Freundin an und stellte fest, dass die noch immer auf eine Reaktion wartete.
»Entschuldige bitte, Maren, ich bin nicht bei der Sache. Tut mir leid.« Sie schob ihre Tasse von dem papiernen Set, auf dem verschiedene Kaffeespezialitäten abgebildet waren. »Ich weiß doch selbst nicht so genau, ob ich das Richtige tue. Es ist nur …« Wie soll man einem Menschen, der im Schichtdienst am Fließband für einen Hungerlohn Fischstäbchen für die Verpackungsstation sortierte, die Unzufriedenheit mit einer lukrativen Selbständigkeit erklären? Sie musste es versuchen. Ihre beste Freundin sollte sie auf keinen Fall für undankbar oder dauerunzufrieden halten wie eine Mistkowsky. »Ich bin ja selbst nicht mehr sicher. Ich wollte eben etwas tun, was überhaupt nicht zu mir passt. Grenzen überschreiten.«
»Das predigst du deinen Klienten, ich weiß. Ganz ehrlich: Ich stelle mir da eher eine Mount-Everest-Besteigung vor oder eine Reise im Einbaum auf dem Amazonas. Aber Sanddornernte auf Rügen?«
»Maren, ich werde Ende Oktober dreißig. Ich habe damit kein Problem, aber irgendwie ist das doch ein Einschnitt.« Maren sah nicht aus, als wüsste sie, worauf Franziska hinauswollte. »Du bist seit fünf Jahren verheiratet.«
»Sechs.«
»Seit sechs Jahren, wirklich?«
Maren zog ihren Ehering vom Finger und tat so, als müsste sie die Inschrift entziffern. »Warte mal, ich glaube, da steht …« Sie schob den Ring wieder auf ihren Finger und sah Franziska an. »Du bist meine Trauzeugin, du solltest das wissen.« Sie trank ihren Kaffee aus.
»Ja, klar, seit sechs Jahren. Stimmt. Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, dass du einen Ehemann hast …«
»Wenn du dich einsam fühlst, dann schaff dir einen Hund an.«
»Das geht nicht.«
»Warum nicht? Du kannst dir deine Termine einteilen und das Vieh sogar mit ins Büro nehmen.«
»Stimmt schon, aber ich würde es nicht ertragen, wenn der Hund vor mir stirbt.«
Maren seufzte tief. »Zugegeben, dann musst du vermutlich noch ’ne ganze Weile warten, bis du dir einen Vierbeiner anschaffen kannst.«
»Damit ich vor ihm sterbe und er jämmerlich auf meinem Grab verhungert? Kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Ziska, du bist ein hoffnungsloser Fall!«
Sie musste ihre Gedanken sortieren. »Du hast mich total aus dem Konzept gebracht mit dem Hund. Worum es geht, ist, dass du einen Mann hast, und du verdienst mit deinem Job genug Geld, damit ihr zurechtkommt. Das ist toll. Und in deiner Freizeit bringst du auch noch Migrantenkindern Kickboxen bei. Verstehst du, was ich meine?«
»Klar! Du hast die berufliche Erfüllung in der Fischstäbchenproduktion vergessen. Wenn man darüber nachdenkt, ist es ganz logisch, dass du mich beneidest und noch einmal ganz von vorn anfangen willst.«
»Witzig, Maren, echt! Bei Männern greife ich immer zielsicher daneben. Ich hätte gern Kinder, aber die Zeit wird langsam knapp. Und mein Job … Es macht mir schon noch Freude, Menschen zu beraten, aber irgendwie hat sich das alles verselbständigt. Nach dem Artikel in dem Wirtschaftsmagazin war ich plötzlich angesagt, und es kamen nur noch Leute mit Luxusproblemen zu mir.«
»Ist doch egal. Für deine Klienten sind das Probleme, und sie zahlen super.«
»Stimmt, nur interessieren mich diese Probleme leider nicht. Im Grunde habe ich es ständig mit überspannten Gestalten zu tun, die beispielsweise den Erfolg einer neuen Modezeitschrift für existenziell halten. Oder die zusammenbrechen, weil ihr aktuelles Werk es nicht auf die Bestsellerliste geschafft hat.« Sie atmete durch die Nase aus und sah wieder auf ihre Uhr. »Möchtest du noch einen Kaffee? Ich wollte mir schnell noch Gebäck für die Reise holen.«
»Okay, dann kannst du mir noch einen Kaffee mitbringen.«
Zwei Minuten später stellte Franziska ihrer Freundin einen Becher vor die Nase und verstaute eine pralle Papiertüte in ihrer Handtasche.
»Danke, ich kann eine Extraportion Koffein gebrauchen. Hab heute Nachtschicht und blöderweise nicht viel geschlafen. Hinlegen schaffe ich auch nicht mehr, weil ich Sükrü Sondertraining versprochen habe. Ich bin echt ein Glückskind, was?« Maren rollte mit den Augen.
»Du könntest Sükrü absagen.«
»Kommt nicht in Frage.«
»Weil du ihn magst, ihm das nicht antun willst, und weil du für die Kids lebst. Wenn du mit ihnen zusammen bist, tankst du auf. Stimmt’s?«
»Ja.«
Franziska beneidete sie noch mehr, als sie das Strahlen in ihren Augen sah.
»Genau das meine ich. Du kannst deinen Job aushalten, weil du etwas hast, wofür du brennst. Wofür brenne ich?«
»Für Sanddornmarmelade?«
»Wer weiß? Nee, im Ernst, ich fahre da hin, um herauszufinden, was mich zufrieden machen könnte. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass mir der Vater meiner Kinder noch über den Weg läuft. Also muss ich eine Alternative im Ärmel haben. Vielleicht kann ich mich als Coach spezialisieren.«
»In der Integrationsarbeit würden sie dich mit Kusshand nehmen. Dummerweise verdienst du da nichts. Aber ich könnte ein gutes Wort für dich in der Fabrik einlegen. Eine Schichtkollegin ist schwanger.«
»Danke für das Angebot. Vielleicht komme ich darauf zurück.« Wieder ein Blick zur Uhr. »Ich sollte mich langsam auf den Weg machen.«
Maren trank ihren Kaffee in einem Zug leer und stand auf. »Dann mal los.« Sie schnappte sich Franziskas Koffer. Die warf die Reisetasche über die linke und die Handtasche über die rechte Schulter und manövrierte sich zwischen Stühlen und Tischen hindurch. Schweigend liefen sie die Treppen hinunter zum Gleis zwölf. Laut Wagenstandanzeiger sollte die erste Klasse in Abschnitt C halten. In wenigen Minuten hieß es Abschied nehmen. Dabei gab es noch so viel, was Franziska gern besprochen hätte.
»Ich habe gestern mit meinem Vater telefoniert«, setzte sie an. Wenigstens dazu wollte sie noch die Meinung ihrer besten Freundin hören. »Er ist überhaupt nicht begeistert, dass ich nach Rügen fahre. Ich verstehe einfach nicht, warum. Ich meine, gegen meinen Ausstieg auf Zeit hat er nichts, sondern speziell gegen die Insel, glaube ich.«
»Wie kommst du darauf?«
Franziska zuckte mit der Schulter. »Es hat ihm von Anfang an nicht gepasst.«
»Du interpretierst bestimmt mal wieder zu viel hinein. Es geht ihm wie mir, er kennt deine Italien-Leidenschaft, er kennt dich. Das ist alles. Du wirst enttäuscht sein und frustriert darüber, so viel freie Zeit nicht anders genutzt zu haben. Das finden wir eben beide nicht witzig.«
Das war es nicht, was Franziska meinte. Sie verkniff sich jede weitere Frage. Es brachte nichts mehr, über das Thema zu diskutieren.
»Brauchst nicht zu warten.« Sie spürte einen Kloß im Hals. »Wenn du jetzt gehst, kannst du dich vielleicht vor dem Training doch noch hinlegen.«
»Kommt nicht in Frage. Ich bleibe bis zur letzten Sekunde, wenn ich schon drei Monate auf dich verzichten muss. Mann, du wirst mir echt fehlen.« Sie nahm Franziska in den Arm und drückte sie ganz fest. Diese musste schlucken. Vielleicht hatten alle recht, und Rügen war doch eine blöde Idee. Zumindest für so eine lange Zeit. Aber schließlich konnte sie niemand zwingen zu bleiben. Wenn es ihr gar nicht gefiel oder ihr Heimweh zu groß wurde, konnte sie ihre Zelte auch früher abbrechen.
»Und dass du mir ja nicht ohne Urlaubsflirt nach Hause kommst. Hättest du dich bloß für Olivenernte oder Limoncello-Produktion in Italien entschieden, dann hättest du diverse rassige Italiener kennengelernt.«
»Und ich wäre die nächsten Monate vor Liebeskummer zerflossen. Das fehlt mir noch.«
»Der Typ da beobachtet dich übrigens schon die ganze Zeit.«
Franziska sah kurz in die Richtung, in die Maren peinlich deutlich gezeigt hatte. Sie schnitt eine Grimasse. »Quatsch, wahrscheinlich wartet der nur auf jemanden.«
»Der hat dich mit den Augen schon entblättert, wenn du mich fragst.«
Der Zug rollte ein und hielt mit quietschenden Bremsen.
»Du wirst mir auch fehlen. Weißt du, Lieblingsfreundin, vielleicht ist das mein Problem, dass ich ständig das Gefühl habe, mir fehlt etwas oder jemand. Keine Ahnung, wie ich es sagen soll, aber ich fühle mich immer halb. Ich muss herausfinden, was mich ganz macht.«
»Ist hier noch frei?« Franziska steckte gerade kopfüber in ihrer Handtasche und kramte nach ihrem Fahrschein. Sie war sicher, ihn in das Seitenfach gesteckt zu haben, in dem auch ihr Portemonnaie seinen festen Platz hatte. Sie sah auf. Der Mann vom Bahnsteig stand vor ihr und lächelte siegesgewiss.
»Weiß nicht. Im Moment sitzt hier niemand. Das sehen Sie ja selbst.« Sie lachte. »Ich wollte sagen, ich habe keine Ahnung, ob der Platz reserviert ist.«
Der Mann warf einen Blick auf die Anzeige über den Sitzen. »Sieht nicht so aus.« Er stopfte eine kleine Aktentasche in das Gepäckfach und ließ sich neben ihr nieder.
Franziska fuhr unter anderem deshalb erste Klasse, weil es dort meistens viel Platz gab. Der Typ hatte nicht reserviert, er hatte also die freie Wahl. Musste er sich ausgerechnet neben sie setzen? Immerhin benutzte er ein ausgesprochen angenehmes Rasierwasser.
»Moin erst mal. Holger!« Er reichte ihr die Hand.
»Moin«, erwiderte Franziska automatisch, obwohl dieses Wort sonst nicht zu ihrem Sprachgebrauch gehörte. Sie griff zögerlich nach seiner Hand. »Franziska.«
»Schöner Name.« Wieder dieses sichere Lächeln. »Und, wohin geht die Reise? Nichts sagen!« Warum hatte er dann gefragt? »Sie haben viel Gepäck dabei. Sieht nach Urlaub aus. Also vermutlich Rügen.« Sie nickte. »Der Rest ist auch einfach. Sie haben Geschmack und Stil. Das bedeutet, Sie fahren nach Binz. Ihr Schlüsselanhänger hat die Form des italienischen Stiefels. Ich tippe auf Villa Italia.«
»Falsch.« Sie stellte fest, dass sie bei der Sucherei tatsächlich ihren Hausschlüssel auf ihren Schoß gelegt und dort vergessen hatte. Während sie ihn an seinen Platz in dem Außenfach verstaute, sagte sie: »Putgarten, Ferienwohnung.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Das hätte ich nicht gedacht. Nichts für ungut, aber da oben ist nix los. Tote Hose. Jedenfalls im Gegenteil zu dem Jubel-Trubel in Binz.« Seine Ausdrucksweise irritierte sie, dafür gefiel ihr das fröhliche Funkeln in seinen Augen. »Sie sind nicht der Typ, der nur untätig am Strand liegt oder sich mit einem Buch in seinem Zimmer vergräbt.«
»Was bin ich denn für ein Typ?« Jetzt wurde es allmählich interessant.
Er musterte sie kurz. »Sie sitzen gern in einem Café, bummeln gerne und kaufen sich dabei hübsche Sachen. Außerdem gehen Sie bestimmt oft auf die Piste, gerade im Urlaub. Also jetzt nicht keine Feier ohne Meier, aber ein Kind von Traurigkeit sind Sie sicher nicht.«
Sie spürte, dass ihr heiß wurde. War das die schlechte Luft im Zug, oder flirtete dieser Holger gerade mit ihr?
»Stimmt’s oder hab ich recht?«
»Ja, ein bisschen stimmt’s schon. Ich habe nicht vor, mich mit einem Buch zu verkriechen oder nur herumzuliegen.«
»Was haben Sie denn vor?«
Während eine Bahnmitarbeiterin, die gerade so zwischen den Sitzreihen hindurchpasste, die Fahrkarten kontrollierte, schmiedete Franziska einen Plan. Erstens war Holger ihr sympathisch. Falls er auch nach Rügen wollte oder in Stralsund wohnte, könnte man sich verabreden. Sie konnte Maren doch nicht enttäuschen und ohne Flirt nach Hause kommen. Zweitens wollte sie mal sehen, ob sie ihn überraschen konnte. Bisher war das anscheinend sein Privileg.
»Ich habe ein bisschen geschummelt«, sagte sie, als sie wieder alleine waren. »Ich mache keinen Urlaub, ich werde auf Rügen arbeiten.«
»Ach! Das ist ja interessant. Als was denn?«
»Erntehelferin.«
Er guckte ein wenig enttäuscht aus der Wäsche. »Darauf wäre ich nie gekommen. Da kann man mal sehen.« Nach einer Sekunde leuchteten seine Augen wieder. »Dann bleiben Sie länger?«
»Drei Monate.«
»Holla, die Waldfee. Damit lässt sich was anfangen.«
»Bitte?«
»Ich meine, da bleibt Ihnen bestimmt ein bisschen Zeit, um sich etwas von der Insel anzusehen.« Er griff in die Innentasche seiner Lederjacke. »Rufen Sie mich an, wenn Sie Lust haben, dann zeige ich Ihnen ein paar Sehenswürdigkeiten.«
»Danke.« Sie nahm die Visitenkarte entgegen und betrachtete sie gründlich, wie es sich gehörte. Das Papier war etwas zu dünn, um Eindruck zu machen, und die Herkunft, eine billige Online-Druckerei, war auf den ersten Blick zu erkennen. »Sie sind Makler. Interessant.«
»Ach was, ist auch nur ein Job.« Stimmt, dachte sie. Mehr als einer ihrer Klienten war in dieser Branche tätig. »Aber man lernt natürlich spannende Leute kennen. Auch manchmal Promis.« An der Stelle sollte sie ihn wohl nach ein paar Namen fragen. »Und man kriegt schon nette Hütten zu sehen«, fuhr er fort, als sie nicht fragte.
»Kann ich mir vorstellen.«
»Was möchten Sie am liebsten machen, wenn Sie mal frei haben? Ein bisschen Wassersport oder eher Besichtigungen? Das Jagdschloss Granitz ist ein Highlight. Hört sich ’n büschen öde an, lohnt sich aber. Hinterher ein schönes Gläschen Wein im Gewölbekeller.« Seine Augen blitzten, und Franziska ahnte, welches Dessert er sich gerade vorstellte. »Das ist ziemlich romantisch.«
»Klingt nett.«
»Auf jeden Fall, sonst würde ich es Ihnen nicht vorschlagen.« Er zählte weitere Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten auf, die sie sich keinesfalls entgehen lassen sollte. Plötzlich stutzte er. »Was verdient man eigentlich als Erntehelferin? ’tschuldigung, das geht mich natürlich nichts an. Ich dachte nur gerade …«
»Ist schon in Ordnung. Ich bekomme kein Geld, nur einen Zuschuss zur Unterkunft und der Verpflegung.«
»Oha.« Er kniff die Augen zusammen und musterte sie eine Weile. »Sie verschaukeln mich, oder?«
Franziska lachte. »Nein, bestimmt nicht.«
»Ha, ich hab’s! Sie sind auf einem … Wie sagt man? Einem Selbstfindungstrip, richtig? Wahrscheinlich sind Sie ’ne hochkarätige Journalistin oder vielleicht eine Herzchirurgin oder so was. Von dem ganzen Stress und der dauernden Verantwortung hatten Sie die Nase voll und wollten mal komplett abschalten und etwas anderes machen.«
»Stimmt.«
»Stimmt? Im Ernst?« Er schien nicht mehr so recht zu wissen, was er ihr glauben konnte.
»Ja. Sie sind richtig gut.«
»Das bin ich. In jeder Hinsicht.« Er zwinkerte ihr zu. Das hätte ordentlich danebengehen können, wirkte aber eher jungenhaft frech als anzüglich. »Was sind Sie nun, Journalistin? Nein, bestimmt Herzspezialistin, oder?«
»Tut mir leid, dieses Mal kann ich Ihnen keine Punkte geben. Für Herzen habe ich leider kein Händchen.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Ist aber so.« Sie lächelte scheu. »Ich bin Coach, ich berate Menschen, die sich beruflich verändern wollen oder überhaupt erst mal wissen wollen, in welche Richtung es für sie gehen könnte.«
»Dann ist die Geschichte mit der Erntehilfe eine Art Selbstversuch, oder wie? Damit Sie Ihren Kunden das hinterher empfehlen können?«
»Nicht ganz. Ab und zu muss auch ein Coach die Weichen neu stellen. Das geht am besten, wenn man sein Umfeld komplett wechselt und völlig neue Eindrücke gewinnt.«
»Verstehe.« Er nickte. »Beraten Sie auch Kunden, die sich beruflich nicht verändern wollen, bei denen es nur einfach nicht so tippi-toppi läuft?«
»Das kommt vor, ja. Einige meiner Klienten brauchen Hilfe, weil ihr Geschäft den Bach runtergeht und sie nicht sehen, woran es liegt.«
»Sie müssen mich unbedingt anrufen, ja? Also jetzt nicht wegen der Beratung. Bei mir läuft’s wie geschmiert.« Er lachte. Allerdings lag in seinen Augen ein besorgter Ausdruck. Viele von Franziskas Klienten hatten diesen Blick, wenn sie das erste Mal kamen und das komplette Ausmaß ihrer Verzweiflung noch nicht preisgeben wollten. »Nicht, dass Sie jetzt denken …« Er wechselte das Thema. Sie plauderten über Hamburg, das Leben auf einer Urlauberinsel, über die allgemeine politische Lage und über Romane, die man unbedingt lesen oder auf die man besser verzichten sollte. Die Zeit rauschte an Franziska vorbei wie die Landschaft. Ehe sie sich’s versah, erreichten sie Stralsund.
»Dann wollen wir mal umsteigen«, sagte sie fröhlich.
»Ich habe noch einen Termin in Stralsund, bevor ich nach Hause darf. Deshalb kann ich Sie leider nicht weiter begleiten.« Er reichte ihr ihre Reisetasche aus dem Gepäckfach. »Leider.« Er stand vor ihr und sah ihr fest in die Augen. »Sie rufen mich an, ja? Es würde mich wirklich sehr interessieren, was Sie als Profi den Leuten so mit auf den Weg geben.« Er räusperte sich. »Vor allem wäre es mir ein großes Vergnügen, Ihnen meine schöne Insel zeigen zu dürfen. Ich würde Sie wirklich gern wiedersehen.« Das klang ehrlich und angenehm schlicht.
»Also gut, ich rufe an.«
»Versprochen?«
»Versprochen!«
Von der Hansestadt fuhr ein Zug bis nach Bergen. Von dort musste Franziska den Bus nehmen und zweimal umsteigen, um endlich in Putgarten anzukommen. Dass die Verbindung so unkomfortabel war, störte sie kein bisschen. Im Gegenteil. Sie drückte ihre Nase an den Fensterscheiben platt und konnte sich kaum sattsehen an den von Schilf bewachsenen Uferzonen des Boddens und den weiten Feldern auf der Halbinsel Wittow. Jedes Mal, wenn sie umsteigen musste, nahm sie den frischen Geruch von Salz und Algen wahr. Hier und da mischte sich der Duft der letzten Holunderblüten darunter, die der Frühsommer offenbar übersehen hatte. Einige Bäume standen hier oben tatsächlich schief, und es wehte ein nicht gerade zurückhaltender Wind. Was das anging, hatte ihr Vater schon recht gehabt. Doch das war nicht unangenehm. Die Spätnachmittagssonne hatte Kraft, da waren die kühlenden Böen gerade recht. Weit und breit war keine Regenwolke zu sehen. Und Franziska hatte schon einen Blick auf lange saubere Strände werfen können. Sie war fest davon überzeugt, dass man es hier sehr gut drei Monate aushalten konnte.
Eine junge Frau mit osteuropäischem Akzent, vermutlich eine Polin, traf Franziska wie vereinbart vor dem Tourismusbüro von Putgarten. Sie führte sie zu ihrer Ferienwohnung am Ende des Ortes.
»Bitte schön. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie einfach diese Numer an.« Die Frau mit dem rollenden R und dem harten Klang in der Stimme, der im Widerspruch zu ihrem sanften Gesichtsausdruck stand, reichte Franziska ein Kärtchen. »Sol ich noch bleiben, während Sie sich umschauen?«
»Nein danke, ich denke, ich komme zurecht.«
»Sie haben ales, was Sie benotigen?«
»Ja, vielen Dank.« Franziska fischte eilig eine Münze aus ihrem Portemonnaie. »Danke fürs Abholen.«
»Oh, danke sehr. Das ist nicht notig.« Sie ließ das Geldstück rasch in ihre Hosentasche gleiten. »Wie gesagt, wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie einfach an. Jederzeit.«
Franziska hatte befürchtet, sich in einer beengten unfreundlichen Kaschemme wiederzufinden, in der die Türen schief in den Angeln hingen und Spinnen mit Wollmäusen Fangen spielten. Obwohl Hochsaison war, hatte sie die Wohnung für einen verdächtig geringen Preis bekommen. Was sie sah, verschlug ihr die Sprache. Grauer Granitfußboden, weiße blitzsaubere Wände, moderne Möbel, ein Flachbildfernseher an der Wand und eine offene helle Küche. Eine geschwungene Steintreppe führte hinauf in den ersten Stock. Dort befand sich das Schlafzimmer, ein freundlicher großzügiger Raum. Unter einer Schräge stand ein Doppelbett. Wenn Holger das sehen könnte, er wäre begeistert. Sie schmunzelte. Auch das Badezimmer war ausgesprochen geschmackvoll gestaltet. Es gab sogar eine Infrarotkabine, in der sie entspannen und sich aufwärmen konnte, wenn das Wetter doch einmal umschlagen sollte.
Es war noch früh am Abend. Franziska beschloss, ihr Gepäck auszuräumen und sich einzurichten. Danach blieb ihr noch genug Zeit, um in Ruhe zum Essen zu gehen. Am nächsten Morgen hatte sie schon um halb neun eine Verabredung in der Sanddornproduktion. Da hatte sie bestimmt keine Lust, vorher noch für Ordnung zu sorgen. Während sie Wäsche, Shirts und Hosen in den Kleiderschrank packte, meldete sich ihr Magen lautstark. Vor lauter Holger hatte sie unterwegs keinen Bissen zu sich genommen. Kein Wunder, dass sie jetzt Bärenhunger hatte. In Windeseile füllte sie Bügel und Regale. Zum Schluss schob sie ihren Koffer und die Reisetasche auf den Schrank. Fertig. Einem plötzlichen Impuls folgend ließ sie sich mit ausgebreiteten Armen rücklings auf das Bett fallen. Sie fühlte sich jetzt schon zu Hause und war sicher, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Warum hatte sie beinahe dreißig Jahre alt werden müssen, bevor sie das erste Mal auf Rügen war? Wie oft war sie in ein Flugzeug gestiegen und hatte mehr als tausend Kilometer zurückgelegt, um in Italien Urlaub zu machen? Nichts gegen Bella Italia, aber das hier war doch wohl mindestens eine Alternative.
Franziska steuerte ein Restaurant an, das ihr auf dem Weg zur Wohnung aufgefallen war. Es war weder Pizzeria noch Osteria, aber es gab diverse Pasta-Gerichte, wie die Karte in einem Glaskasten neben dem Eingang verriet. Sie entschied sich für Linguine alle vongole und einen Barolo. Der Service war gut, das Essen hervorragend. Sie gönnte sich ein zweites Glas Wein und nach dem Essen einen Espresso, der den gelungenen Abend perfekt abrundete. Der Wind spielte mit ihrem Haar, als sie über das Kopfsteinpflaster zu ihrer Unterkunft zurückspazierte. Sie hatte ständig damit gerechnet, dass sie früher oder später vom Heimweh überfallen würde, doch das geschah nicht. Ihr war klar, dass sie nicht jeden Abend schick essen gehen konnte. Wenn sie in drei Monaten nicht bankrott sein wollte, würde sie so manches Mal allein in ihrer Wohnung hocken und sich ein Brot machen oder etwas kochen müssen. Ihr war außerdem bewusst, wie lang drei Monate sein konnten. Sie war gerade erst angekommen. Das Heimweh konnte schon in wenigen Tagen zuschlagen. Oder nach einem Monat. Sie beschloss, sich darüber jetzt noch keine Gedanken zu machen. Wie hieß es so schön? Sich heute Sorgen über die Zukunft zu machen war, wie Zinsen für einen Kredit zu bezahlen, den man vielleicht nie aufnehmen würde. Sie war wild entschlossen, das Gefühl der Leichtigkeit, das sie seit ihrer Ankunft begleitete, zu genießen, solange es anhielt. Alles andere würde sie auf sich zukommen lassen.
Moin, ich bin Gesa. Wir duzen uns hier alle. Ich hoffe, das ist okay?« Die junge Frau mit dem strubbeligen Schopf, der von einem bunten Tuch nur unzureichend im Zaum gehalten wurde, reichte Franziska die Hand.
»Ich bin Franziska oder Ziska. Hallo.« Du liebe Zeit, diese Gesa hatte einen Händedruck wie ein Schraubstock. Sie war mindestens zwei Köpfe größer als Franziska und hatte ein offenes, freundliches Gesicht.
»Man sagt auf der Insel Moin. Besser, du gewöhnst dich dran. Die Leute hier sind supernett, aber auch ein bisschen eigen. Wenn du nicht gleich die Außenseiterin sein willst, passt du dich lieber an.«
»Kein Problem. Gibt es sonst noch etwas, worauf ich achten muss?«
»Jede Menge.« Gesa lachte schallend. »Keine Sorge, das kriegst du mit der Zeit schon raus. Dann wollen wir mal. Ich zeige dir erst mal die Produktion.«
»Ich dachte, es geht gleich nach draußen zur Ernte.«
Gesa lachte wieder. Sie schien ein sehr sonniges Gemüt zu haben. »Im August? Du bist drollig. Was willste denn da ernten? Nee, das geht Ende des Monats erst los. Frühestens. Vielleicht auch erst im September. Kommt ganz aufs Wetter an. Jetzt kannst du erst mal in der Verarbeitung und im Versand helfen.«
Franziska schloss kurz die Augen. Sie hatte einiges über den Sanddorn gelesen, über seinen hohen Vitamingehalt und über die Produkte, die hergestellt wurden. Bei ihrer Terminplanung hatte sie sich allerdings von ihrem Arbeitsaufkommen, das im Hochsommer meist minimal zurückging, und von der Aussicht auf schönes warmes Wetter und einen beginnenden goldenen Herbst leiten lassen. Sie sah an sich hinunter. Welch eine Schnapsidee, in kurzen Gummistiefeln, Jeans und langärmligem Sweatshirt, das seine besten Zeiten längst hinter sich hatte, an ihrem ersten Arbeitstag aufzutauchen.
»Mach dir nichts draus«, tröstete Gesa sie, die ihren Blick bemerkt hatte. »Für die Ernte wäre die Klamottenwahl gar nicht übel. Hier in der Produktion wird dir in dem Aufzug wahrscheinlich ziemlich warm werden. Aber sonst ist alles paletti. Ums Aussehen geht’s hier nämlich nicht. Das interessiert kein Schwein.«
»Da habe ich ja Glück.«
»Wirst gleich kapieren, warum das so ist.« Gesa holte etwas aus einem Wandschrank, das nach Plastiktüte aussah. »Das ist dein Kittel. Topmodisch und voll körperbetont.« Mit einem breiten Grinsen reichte sie ihr das Kunststoffmonstrum. »Und das ist für den Kopp.«
»O nein! Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch, leider. Oben ohne geht hier keiner in die Produktion.«
Widerwillig setzte Franziska die Plastikhaube auf und stopfte ihre Haare darunter. Das war gar nicht so einfach. Anscheinend war man nur auf extreme Kurzfrisuren eingerichtet. Sie folgte Gesa in die Halle, die mit geheimnisvollen Maschinen und überdimensionalen Behältern vollgestopft war.
»Irgendwie habe ich mir eine Bio-Sanddorn-Manufaktur anders vorgestellt.« Sie schluckte. Wenn sie in einer Fabrik hätte Erfahrungen sammeln wollen, hätte sie auch bei Maren in der Fischstäbchenproduktion anheuern können.
»Das sieht schlimmer aus, als es ist. Niklas, also der Chef, hat irgendwann geschnallt, dass es Sinn macht, die Früchte selbst zu verarbeiten. Sonst müsste man das ganze Zeug von der Insel schaffen und durch die halbe Republik karren.« Sie blieb an einem Metallungetüm stehen. »Die Safthersteller würden unsere Ernte mit Kusshand nehmen. Aber die zahlen nur drei, vier Euro pro Kilo. Du weißt ja bald, wie mühsam es ist, die kleinen gelben Dinger von den Sträuchern zu kriegen. Das muss schnell gehen und kostet richtig Kohle. Da ist so ein Kilopreis echt ein Witz.« Dieses Mal lachte sie nicht. »Na ja, deswegen hat Niklas immer mehr ausgebaut und die Produktion erweitert. Das heißt aber nicht, dass hier nicht das meiste noch immer in Handarbeit passiert. Und gegen Bio spricht so ’ne Maschine auch nicht.« Gesa erklärte, wie in der Presse Saft gemacht wurde. »Der wird dann noch durch ein Kurzerhitzungsverfahren pasteurisiert und landet in unserer Lagerhalle im Tank.« Sie war anscheinend in ihrem Element. »Aus dem Saft kannst du total viele verschiedene Endprodukte machen: Gelee, trinkfertigen Saft, Sirup oder auch Sanddornwein.« Sie zog die Nase kraus und flüsterte: »Das ist allerdings nicht mein Ding.« Im nächsten Moment lachte sie schon wieder schallend und ging weiter. Sie zeigte Franziska das Passiergerät, in dem aus Beeren Mus wurde, die Ansetzbehälter, in denen Sanddornfrüchte in Hochprozentigem lagerten, bis sie durch ein Sieb gegeben wurden, damit die Flüssigkeit, köstlicher Likör und schon eher Gesas Ding, wie Franziska erfuhr, abgefüllt werden konnte. Von der Halle ging es in einen Flur, von dem man den Packraum und die Hexenküche erreichte, wie Schilder an den Türen verrieten. Im fensterlosen Packraum wimmelte es von gefalteten Kartons und Tischen, auf denen man Flaschen und Gläser sortieren und nach Kundenwunsch packen konnte. Die Hexenküche war eine Mischung aus einfacher Küchenzeile und Labor, wie Franziska es vom Chemieunterricht in Erinnerung hatte.
»Hier toben Niklas, Helmut und manchmal auch ich uns aus. Kannst ja nicht jedes Jahr dieselben Produkte anbieten. Deshalb experimentieren wir mit allen möglichen Zutaten. Dabei kam schon ein Murks heraus, das kann ich dir sagen!« Sie kicherte albern. »Gott sei Dank haben wir aber auch schon Volltreffer gelandet. Sanddorn-Birnen-Marmelade ist meine Kreation.« Sie reckte stolz das Kinn und wirkte gleich noch etwas größer. »Musst du probieren.«
Zum Schluss statteten sie noch dem Lagerhaus einen Besuch ab. In frostiger Kälte, die selbst jetzt im Sommer zu heftig war, um sich dort länger aufzuhalten, gab es zwei große Tanks und unzählige riesige Holzbehälter, von denen einige voll mit orange leuchtenden Beeren waren. Gesa erklärte, dass Chef Niklas die Wahl gehabt hatte, zusätzlich zum Sanddorn weitere Obst- oder Gemüsesorten anzubauen oder sich vollständig der Zitrone des Nordens, wie die Beere gern genannt wurde, zu widmen.
»Sonst wäre er ja die meiste Zeit des Jahres arbeitslos«, erklärte sie fröhlich. Er hatte sich für die zweite Variante entschieden. Das große Lagerhaus sorgte dafür, dass er fast das ganze Jahr seinen Rohstoff hatte, um Nachschub herstellen zu können.
Gesa hatte nicht übertrieben. Von wegen raus in die Natur! Franziska würde die nächsten Tage, möglicherweise sogar einen knappen Monat, in einem stickigen fensterlosen Raum schwitzen und überwiegend Flaschen und Gläser in Pappschachteln sortieren oder Pakete für die Kunden packen. Oder sie durfte an einer der lauten Maschinen stehen. Keine tolle Aussicht. Aber sie war selbst schuld. Wäre sie später angereist, hätte die Sache ganz anders ausgesehen. Was sagte sie ihren Klienten immer? Wenn Sie nicht tun können, was Sie lieben, dann lieben Sie das, was Sie tun müssen. Oder anders gesagt: Machen Sie das Beste aus dem, was sowieso nicht zu ändern ist. Wenigstens konnte man beim Packen herrlich denken. Als der Rundgang beendet gewesen war, hatte Gesa ihr noch Grundsätzliches mit auf den Weg gegeben: Anfangs- und Pausenzeiten, Hygieneregeln. Sanddornmarmelade für den eigenen Bedarf durfte sie sich aus einer extra dafür vorgesehenen Kiste mitnehmen, und Bonbons standen in kleinen Schalen überall für die Mitarbeiter herum. Der Chef schien recht großzügig zu sein, wenn es darum ging, die spontane Naschlust seiner Leute zu befriedigen.
»Auf lange Finger reagiert er allerdings allergisch«, hatte Gesa ihr erklärt. Dann hatte die sympathische Kollegin, die Franziska auch in Zukunft für alle Fragen und Sorgen zur Verfügung stehen würde, ihr den Rest des Tages freigegeben. »Wenn du was brauchst, ich bin eigentlich immer hier. Gehöre zum Inventar. Und jetzt guckst du dich vielleicht erst mal ein bisschen am Kap um. Is ’ne coole Gegend hier, wirst sehen.«
Froh, Plastikkittel und Haube schnellstens loszuwerden, verließ Franziska schwungvoll die Produktionshalle, blieb mit dem rechten Gummistiefel an der Türschwelle hängen und rempelte einen Mann an, der im Begriff war, einzutreten.
»Da hat's aber jemand eilig, hier wegzukommen.«
»Moin, Niklas, das ist die Neue«, rief Gesa.
Franziska hatte ihr Gleichgewicht wieder und starrte den Mann an, den Gesa Niklas genannt hatte. Knaller! War es das, was alle meinten, die von Liebe auf den ersten Blick sprachen? Sie hatte keinen Schimmer. Irgendwie hätte sie erwartet, dass es die bombastisch aussehenden Typen waren, für die man beim ersten Anblick entflammte. Der hier sah okay aus. Blond, graue Augen, groß, etwas zu schmale Lippen, dafür Lachfältchen um den Mund. Nicht unattraktiv, aber eben auch nicht ein Brad Pitt oder wie solche Supermänner für gewöhnlich hießen.
»Das ist Franziska. Normalerweise kann sie sprechen«, erklärte Gesa und grinste breit.
»Entschuldigung. Ich bin Franziska Marold.« Sie reichte ihm die Hand. »Tut mir leid, ich bin irgendwie hängen geblieben.«
»Geistig?« Er lächelte zum ersten Mal.
»Bitte?«
»Na, das sah aus wie ein geistiger Systemabsturz. Oder habe ich etwas im Gesicht kleben?« Er tastete seine Wangen und sein Kinn ab.
»Nein, nein. Ich bin nur … Sie kommen mir so … Ich bin einfach gestolpert.« Franziska räusperte sich.
Er nickte. »Willkommen im Team. Wie ich Gesa kenne, hat sie dir schon alles gezeigt und erzählt, was wichtig ist.«
»Ja, hat sie. Danke.« Sie warf Gesa einen Blick zu.
»Schön. Dann sehen wir uns morgen, nehme ich an?«
»Acht Uhr, ja.«
»Gut. Bis dann.« Er schüttelte noch einmal ihre Hand. »Kannst du bitte gleich ins Büro kommen, Gesa?«
»Bin gleich da, Chef.«
Er nickte noch einmal und verschwand in der Halle.
»Das war der Chef?« Franziska schloss die Augen. »Da habe ich ja einen perfekten Start hingelegt.«
»Keine Sorge, Niklas is ’n cooler Typ. Der hat das morgen schon vergessen.«
»Ich aber nicht.«
»Wieso? Du willst hier doch nicht Karriere machen, sondern nur mal aus deinem Alltag rauskommen. Is doch wurscht, was der Chef von dir hält.« Sie standen wieder in dem Vorraum, in dem Gesa sie empfangen hatte. Franziska räumte Kittel und Haube in das ihr zugewiesene Fach. »Jedenfalls fachlich kann dir das egal sein. Privat anscheinend nicht.« Franziska sah sie fragend an und blickte in amüsiert funkelnde Augen. »Der is bei dir ja eingeschlagen wie ’ne Bombe.«
»Was? Nein! Ich dachte nur … Irgendwie kommt der mir total bekannt vor.«
»Is klar! Das is ja mal ein ganz origineller Spruch. Ich muss dann mal ins Büro. Schönen Tag noch und bis morgen.«
»Ja, bis morgen.«