Gabriele Schienmann
PRALLES LEBEN
Emmas Allerlei
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© by Verlag Kern GmbH
© Inhaltliche Rechte beim Autor
1. Auflage 2015
Autorin: Gabriele Schienmann
Bildquelle Cover: fotolia | © juliasnegi
Layout/Satz: www.winkler-layout.de
Lektorat: Manfred Enderle
Sprache: deutsch, broschiert
ISBN: 978-3-95716-1-239
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN E-Book: 978-3-95716-1-673
www.verlag-kern.de
Cover
Titel
Impressum
I. Emmas ganz eigene Frühlingsbetrachtungen
II. Emmas Nachbarn: Immer Ärger mit dem Maulwurf
III. Emmas Stilblütenalbum
IV. Emmas Brief an die beste Freundin
V. Emmas Haustiere – Teddys Erinnerungen
VI. Emmas Kelleraktion und Nostalgie-Betrachtungen
VII. Emmas Schmerzliches
VIII. Emmas „Andocken“
Weitere Bücher
„Hilfe …! Ich habe den Winterblues soo satt!“
Diese endlos trüben Tage. Stress und Bekämpfung der normalen Widrigkeiten des täglichen Lebens lassen in dunkler Jahreszeit die Laune in den Keller rutschen. Eigentlich kann man sich nicht beschweren – bei wem auch?
Es traf uns dieses Halbjahr keine sibirische Kälte, die die Gelenke schmerzen, die Nase triefen, Hände zu Eis erstarren und das Stimmungsbarometer in den Keller sinken ließ.
Nein, es schmuddelte und nässte so vor sich hin bei auszuhaltenden Temperaturen, was jetzt aber nicht minder die Hoffnung auf ein bissel stabilen Sonnenschein nährt.
Also ich, Emma, sag dem Winter ade und lauf mit Riesenschritten dem Frühling entgegen.
Aber keine falsche Deutung! Das heißt nicht, dass ich einen Jogginglauf mit heraushängender Zunge hinlegen will, nein, immer hübsch mit der Ruhe, Nordic Walking – ohne Stöcke, versteht sich! Reicht für meinen Wohlfühlanspruch völlig aus.
Ich mag eigentlich gern ein bissel Sport. Deshalb mach ich ihn ja so selten, schließlich soll es was Besonderes bleiben. Ich messe mich nicht mit extremen Bewegungsverrückten, die jeden Morgen 50 Liegestütze und Sit-ups machen. Falls Miss Neugier fragen sollte, was ich für meine Figur tue; … ich trage weite Sachen und ziehe den Bauch ein, reicht!
Gut, dass meinem Mann gleichfalls längere Spaziergänge oder Kurztouren mit dem Fahrrad reichen. Das passt! Wie lästert man so? „Irgendwann findet jeder seinen Deckel. Bis dahin gibt’s Frischhaltefolie!“
Also, ich hatte zum Glück keine Folie nötig.
Das Problem ist ja nicht, dass man eine leichte Macke hat. Das Problem ist, jemanden zu finden, der eine möglichst kompatible Macke hat.
Aber ich schweife ab …
Ich mag im Frühjahr gern sofort alle Klischees bedienen – Vögel zwitschern, das Grün sprießt, Blütenduft liegt in der Luft, dicke Winterjacken verschwinden im Keller, ach ja!
Ich brauche Erholung vom Winter und helles Licht und reichlich Wohlfühl-Rekeln ohne Stiefel, dicke Socken, schwere Mäntel, nervige Boschi-Mützen und Handschuhe.
Kaum sprießen die ersten Krokusse, heißt’s für mich: nichts wie raus! Bewegung an der frischen Luft, ohne zu übertreiben. Hallo! Keine Ausreden mehr für chronische Spaßbremsen!
Leute, betreibt zumindest Mundwinkelgymnastik. Bestes Beispiel dafür sind die freundlichen Smileys, mit denen wir pausenlos unsere Schreibergüsse verzieren. Die fröhlichen Gesichter sollten wir, so oft es geht, an uns selbst üben. Ein Tief ist doch nur Schwung holen für die nächste Höhe.
Wir packen das! Jetzt nutzlose Tageslichtlampen – ab in Kartons und in den Keller verbannt bis zum nächsten Winter.
Schon Eduard von Mörike schwärmte:
„Frühling lässt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte;
süße wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land.
Trotz Computer-Technisierung, Facebook, Smartphone-App – manch’ lyrisch-nostalgische Ergüsse bringen die Sache auf den Punkt und hören sich auch noch gut an. Neben all dem dürftigen „geil“ und „cool“ geradezu erfrischend normal.
Frühling ist sattes Grün in allen Farbnuancen, Tulpenbeete, blühende Rapsfelder, Cappuccino im Straßencafé, überhaupt – Vorfreude auf den Sommer.
Und Sommer ist für mich seit jeher verbunden mit Ostsee, Endlosstrand, schaumkronenbedeckte Wellen, Muschel- und Bernsteinsuche, nackte Zehen im hellen, warmen Sand, vertraute anheimelnde unberührte Natur, … aber ich schweife ab – auch so eine Alterserscheinung – … daher: zurück zum Frühling.
Entscheidend für meine Frühlingsgefühle ist das Licht, nicht so sehr die höheren Temperaturen. Wenn das Sonnenlicht intensiver wird, produzieren wir weniger Melatonin, das den Wach-Schlaf-Rhythmus bestimmt.
Ich komme jetzt mit noch weniger Schlaf aus, als ohnehin bedingt durch senile Bettflucht, fühle mich zu Beginn des Jahres aber trotzdem frischer.
Ich will nicht so weit gehen, die Theorie zu bestätigen, dass im Frühjahr das Glückshormon Serotonin steigt. Lese ich darüber eine entsprechende wissenschaftliche Abhandlung, sei es auch nur über die banale Erklärung der sogenannten Frühlingsgefühle, setzt unweigerlich mein Gähnreflex ein, und die zu qualitativ höher berufenen grauen Zellen stellen sich regelmäßig scheintot.
Die massiven Auswirkungen der Hormone auf Frühlingsgefühle werden meines Erachtens sowieso überbewertet. Als junges Weib war Hormonausschüttung durchaus eine Begleiterscheinung, aber nicht nur im Frühling, sondern zu wirklich allen Jahreszeiten.
Die durch Dichter und Schlagersternchen besungenen reinen Frühlingsgefühle halte ich, Emma, für gequirlte Schifferscheiße.
Frühlingsgefühle sind einfach normale Aufbruchstimmungen nach tristem Winterhalbjahr.
Und da ich jetzt aus der Sicht einer unter der Haube befindlichen, die Lebensmitte längst Überschrittenen, schreibe – die besungenen Frühlingsgefühle, erotischen Flirtfaktoren und manipulierenden Testosteronschübe beim anderen Geschlecht spielen für mich keine aktive Rolle mehr. Das heißt aber nicht, dass ich weniger optimistisch und neugierig bleibe. Ich verkompliziere nur die Dinge mehr, bin weniger spontan, erwäge mehr das „für, wenn und aber“; so ist das halt. Auch die Quälerei der ewigen Frühjahrsdiäten als Vorbereitung auf einen schlanken Sommer lasse ich nur kurz im Hirn Revue passieren.
Winterspeck ade – herzlich willkommen Frühlingsrollen!
Nein, ich muss nicht mehr vor jedem meiner anstehenden Geburtstage in Kleidergröße 40 passen. Überhaupt, je älter man wird, desto mehr ähneln die Kerzen auf der Geburtstagstorte ohnehin einem Fackelzug. Und Süßkram essen möchte ich endlich ohne ständige Gewissensbisse.
Ich möchte mir wahrlich keinen Freibrief ausstellen für ein sich Gehenlassen von Körper und Geist, nur lasse ich’s geruhsamer angehen und bin weniger streng mit mir. Das ist immerhin einer der wenigen Vorteile des Alterns.
Aber ich schweife schon wieder ab …
Frühling kann Mann oder Frau erschnuppern. Ich verbinde Infos aus meinem Riechkolben mit angenehmen Erinnerungen – endlich ist es hell und warm und „schnuffig“.
Es duftet nach einem Cocktail aus Hyazinthen, Maiglöckchen, Nelken, Tulpen, Narzissen, aber auch nach einer Kombi von Waldmoos, verrotteten Blättern und Gartenlaub. Labsal für Auge und Nase und überhaupt für alle Sinne ist die erste Baumblüte – Rotdorn, Magnolie, Forsythien und und … „Ach, ja!“
Mein Herz geht auf, wenn ich mir die Zeit nehme für die üppige Frühlingsbotschaft, die uns umgibt. Tapetenwechsel ist toll, aber nicht immer muss ich weit reisen, um wie ein trockener Schwamm die Natur in all ihrer Vielfalt und charmanten Unvollkommenheit in mich aufzusaugen.
Wenn man der Endlichkeit des Lebens langsam entgegen sieht, inhaliert man intensiver die einfachen wundervollen Dinge, die die Welt für uns bereithält.
Schluss mit dem Wiesengrau – jetzt gibt’s Farbe ins Leben. Balkonien und Garten wird fit gemacht – gebuddelt, gesägt und gesät und in den Pausen Augengymnastik an bunter Pracht und auch Blitze schießen zum ungeliebten Unkraut, was zur Vernichtung ansteht.
Aber wie sagte schon Scarlett O’Hara: „Morgen ist auch noch ein Tag!“
Genau! Mein Frühlingswohlfühlempfinden – unmögliches Wort, aber mir fällt nichts Treffenderes ein – signalisiert mir eindeutig, dass das Outfit meiner momentanen Gefühlslage unbedingt angepasst werden muss.
Also ab in die Einkaufszentren. Ich bin ein wildes Weib! Blümchenbluse, Brille mit geblümten Bügeln, Statement-Kette mit Fantasieblumen, Shirt-Bluse mit Rosenmuster, Tuch mit Blütenpracht, Rucksack mit kleinen Streublümchen – wer die Wahl hat, hat die Qual.
Ich will raus aus den Erdtönen und rein in den Blumenmix, auch wenn mein üppiger Busen in der zum Favoriten erkorenen Rosenbluse noch kompakter erscheint. Aber schließlich ist das kein Speck, sondern erotische Nutzfläche.
Trotzdem muss ich mich mit den Jahren von dem erfreulichen Gedanken verabschieden, dass ein Mann bei meinem Anblick die Naturgesetze oder genauer gesagt, die Gesetze der Schwerkraft glatt vergisst, sodass er auf die Schnauze fliegt.
Schade! Diese Zeit ist unwiederbringlich vorbei.
Für die jüngere Generation der schönen Frauen kommt die Lieblingsfarbe „pink“ aus ihrem Winterversteck – auf Lidern, Lippen, Shirts, sogar auf Fingernägeln. Auf die Nagelhaut können kleine Sticker geklebt werden mit Schleifen, Sternchen, Ethno-Mustern, es gibt Haarspangen mit Blüten aus Kunststoff u. v. a. Okay, sämtliches Letztgenanntes lasse ich natürlich aus, um mich nicht zum in die Jahre gekommenen Clown zu degradieren. Blamieren kann ich mich auch anderweitig. Die Farbe Pink und rosa Schnickschnack bringt mich persönlich aus dem Gleichgewicht. Und vermittelt mir das Gefühl, von einer Fuhre Zuckerwatte umgeben zu sein; sofort tun mir daher bei derartigem Anblick sämtliche Zähne weh.
Ich kann nicht verhindern, dass ich alt werde. Aber ich kann dafür sorgen, dass ich Spaß dabei habe.
Welche Frau möchte schon einen Mantel tragen, der von der deutschen Luftwaffe übrig geblieben ist …?!
Und daher muss ich unbedingt eine der farbenfrohen Parfümfläschchen mit den umwerfend frisch-fruchtigen Düften mein eigen nennen dürfen.
Maiglöckchen hat Hochsaison und macht fröhlicher, wenn auch die Geldbörse schmaler.
Farben und Düfte haben seit jeher Einfluss auf unsere Stimmung und unseren Energielevel. Belebend wirken alle Pink- und Rottöne, Zitrusdüfte, wie Orange und Zitrone spenden neue Energie.
Jawohl, es gibt seit Urzeiten Ausreden, überteuerte Shoppingtouren zu begründen, aber im Frühjahr versetzen mich Farben und Düfte in einen regelrechten Rausch und puschen gute Laune, sprich, versetzen mich in Frühlingsstimmung.
Und das ist sooo ein tolles Gefühl.
Ich werde Gewissensbisse einfach für subtropische Gewächse halten!
Die entschieden preiswertere Variante von Bürstenmassagen bringt den Kreislauf auf Trab. Das werde ich mir ohne die bereits erwähnten Gewissensbisse gönnen. Auch so ein kleiner häuslicher Wellness-Tag hat Einfluss auf meine Frühlings-Stimmung und meinen Energiepegel.
Meiner ohnehin sehr trockenen Haarpracht, die man ohne Übertreibung als „strohig“ bezeichnen könnte, wird eine intensive Ölpackung gegönnt. Und mein Haupt wundert sich über einen leichten Glanzschimmer.
Anschließend müsste ich eigentlich Passbilder machen lassen, um die Pracht für die Nachwelt im Bilde festzuhalten. Da mein Klingelschild aber nicht lang genug ist und Hollywood in weiter Ferne, lasse ich das ganz entspannt aus.
Dafür genieße ich es guten Gewissens und weil es für den inneren Frühjahrsputz dazugehört, einen der in Mode gekommenen Power Smoothies aus Apfel, Birne, Möhre, Beere. Bunt gemixt und genüsslich geschlürft.
Beugt wohl der bekannten Frühjahrsmüdigkeit vor. Auch die typischen Frühlingsgemüse haben Hochsaison, wie Kohlrabi, Spargel, Zuckerschoten; und der Vitaminschub wirkt schlaffen Gliedern entgegen.
Mit Frühjahrsmüdigkeit hatte und habe ich keine Probleme.
Angeblich leiden 70 % aller Deutschen darunter. Ist wohl ein Mangel an Phosphaten die Ursache dafür.
Das schwatze ich so dahin und bin stolz darauf, dass ich mir mal eine statistische Angabe merken konnte.
Statistische Erfassung sammelt, analysiert und interpretiert Daten und stützt sich dabei auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Erhebung von Daten durch Umfrage hinkt meiner Meinung nach im Wahrheitsgehalt immer. Frage 10 Leute unterschiedlichen Alters, Herkunft und Ansichten, und das Zufallsprinzip ergibt trotzdem, dass 8 von 10 dieselben abstrusen eventuell unehrlichen Antworten auf ein bestimmtes Ereignis geben; dann haut statistische Erfassung voll daneben, Ergebnis ist also verkackt! Aber gut, nehmen wir mal an, dass wirklich so übermäßig viele Menschen unter sogenannter Frühjahrserschöpfung leiden.
Ich bin trotzdem der festen Meinung, dass eine jahreszeitenbedingte Müdigkeit in Wirklichkeit andere Ursachen hat.
Nicht nur das triste, kalte Wetter und der Lichtmangel führen zu Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Melancholie.
Sogenannte Frühjahrsmüdigkeit gab’s bei mir nie, und jetzt im fortgeschrittenen Alter fange ich damit auch nicht mehr an.
Es spielt keine Rolle. Auch hat meine gesamte geliebte Sippe gleichfalls keine solch typischen Symptome. Eigenartig, oder?!
Müde und schlaff ist man doch immer mal, zu unterschiedlichen Jahreszeiten und die Ursache liegt dann auch oft völlig entgegen der überbewerteten Schlappheit nur im Frühling. Außerdem kommen kreative, neue Ideen nicht durch angestrengtes Grübeln, sondern wenn man schläfrig ist. Ein müdes Hirn verknüpft Gedanken und Infos nicht mehr konsequent. Das Sorgenkarussell wird gestoppt und neue Infos entstehen und zeigen oft auch Auswege dafür.
Bezieht man seine Frage des K.-o.-Seins aber nur auf den anstrengenden häuslichen Frühjahrsputz, wird der Kiefer plötzlich schlaff und die Miene leidend. Hausputz ist nicht jedermanns Sache.
Nicht von ungefähr fragt ein Angestellter seinen Chef: „Chef, darf ich früher nach Hause?“
„Warum?“
„Ich soll meiner Frau beim Frühjahrsputz helfen.“
„Kommt nicht infrage!“
„Danke, Chef, ich wusste, dass Sie mich nicht im Stich lassen!“
Ich, Emma, ziehe die Angelegenheit auch fast immer in die Sommermonate hinaus.
Ich bin nicht der Putzteufel der Nation und tue nur absolut das Nötigste, um nicht mit meinem schlechten Gewissen hadern zu müssen. Erst nach einer megaekeligen Lektüre über Bettmilben bin ich bereit, Matratzen und Bettzeug ordnungsgemäß zu reinigen. Zum Glück bin ich kein Allergiker, aber da man Allergien auch noch im Alter erwerben kann, gehe ich doch auf Nummer sicher.
Meine Schränke schreien auf oberster Dachebene gleichfalls nach Säuberung. Na gut, in Ordnung, hat aber „Raum!“
Wie war das doch gleich mit dem bekannten O’Hara’schen Ausspruch …?!
Fegen, wischen, räumen, Fenster putzen ist leider Ganzjahresgeißel und nicht nur auf die ersten Monate des Jahres begrenzt.
Eine Freundin erzählte mir von ihrem Exmann, der anlässlich des Weltfrauentages seine Frau am Morgen verwöhnen wollte, sie liebevoll weckte und bemerkte: „Schlaf noch ein bisschen weiter, Schatz, ich hab dir den Staubsauger schon ans Bett gebracht …“
Müßig, zu erwähnen, dass ich von ihrem „Ex“ berichtete …?!
Zum Frühjahrsputz gehört auch ein Check-up meines Automobils, welches zwar unverzichtbarer Gebrauchsgegenstand ist, aber oft stiefmütterlich behandelt wird, was die regelmäßige Pflege des Innenraumes betrifft. Was sind die Sauger an der Tanke auch so oft defekt …!
Dagegen ist eine Außenwäsche ein Selbstgänger, da die Wartepause an der Tankstelle schnell überbrückt wird durch Verzehr eines leckeren, fett belegten Brötchens, Einpfeifen einer Dose Erdnüsse oder zweier Schokoriegel.
Wie auch immer, ich übertreibe es nicht in Pflege meiner geliebten Rennsemmel, aber schließlich dusche ich auch nicht täglich. Man muss Prioritäten setzen. Die meisten Autofahrer, nämlich 61 % – hier äußert sich wieder das Statistische Bundesamt – sprechen mit ihrem Wagen, jeder Dritte lobt sein Auto, 24 % haben sich schon mal bedankt. Als ich das hörte, musste ich herzhaft lachen, allerdings auch über mich selbst.
Ich bin oft Alleinfahrer und plausche trotzdem laut vor mich hin, oft auch in deftiger Fäkalsprache, um einen jugendlichen motorisierten Raser abzustrafen, oder ich tätschele das mit Kunstfell umsäumte Lenkrad, um mein Auto für seine treuen Fahrdienste zu loben. Man hat schon echt ’nen Knall. Aber lautes Schwatzen im Auto beruhigt halt das zarte Nervenkostüm.
Wenn ich mich wieder mal lautstark über einen Sonntagsfahrer echauffiere, dann stelle ich mir vor, dass ich statt des „Sch …“-Wortes und der Frage „Bist du blöd?“ eleganter formulieren sollte: „Könnte es sein, dass du momentan den intellektuellen Erwartungshorizont ignorierst?“
Aber das bleibt wohl Wunschdenken.
Eine meiner Freundinnen betonte mal augenzwinkernd: „Emma, aus dir wird nie ’ne feine Frau!“
Und diese Feststellung wird wohl seine Daseinsberechtigung haben.
Aber ich schweife wieder ab …!
Bleibt noch eine kurze Betrachtung über den Frühjahrsputz meines Hirns.
Der Verstand hat dauernd viele Dinge zu tun, zu beachten, findet keine Ruhe. Die Gedanken flitzen hin und her, oft nicht in geordneten Bahnen. Man wird schnell gereizt, man macht öfter Fehler. Kreativität bleibt auf der Strecke. Unkontrollierte Emotionen kommen dazu.
Oft gehen nicht nur die Lichter aus, sondern es ist allumfassender Stromausfall. Ein gefühlter Jahrhundert-Blackout.
Ich, Emma, bin zwar inzwischen aus der Tretmühle beruflicher Pflichten befreit, denke aber mit Grausen an das chaotische Gedankenkarussell zurück, dem man sich mit Fulltime-Job, Kindern, Haushalt, straffer Organisation zum reibungslosen Funktionieren unterwirft und doch immer das Gefühl hatte, nicht genug getan zu haben.
Das Gehirn ist wie ein vollgefüllter Schrank mit etlichen unterschiedlich großen Schubfächern. Kommt zu viel in den Schrank, entsteht Chaos, dem man kaum Herr/Frau werden kann.
Es gibt kaum Zeit für sich selbst. Man ist immer auf dem Sprung, überwiegend für andere, die Kinder, den Chef, den Partner und möchte alles zu 100 % erfüllen. Das klappt nicht. Ich selbst habe es am eigenen Leibe schmerzhaft erfahren müssen und in der Nähe des Ruhestandes die Notbremse gezogen.
Junge Leute müssen mit der Situation klarkommen.
Besonders wir Frauen sind erbärmlich harmoniesüchtig.
Hier gilt es, rechtzeitig zu erkennen, wie voll man den Kleiderschrank packen darf.