Chinua Achebe
Termitenhügel in der Savanne
Roman
Aus dem Englischen von Susanne Koehler
FISCHER E-Books
Überarbeitet von Uda Strätling
Chinua Achebe wurde 1930 in Ogidi im Osten Nigerias als Sohn eines Katechisten aus dem Stamm der Igbo geboren. Er studierte am University College von Ibadan und lehrte seitdem an nigerianischen, englischen und amerikanischen Universitäten. 1958 erschien sein erster Roman ›Alles zerfällt‹, der zu den wichtigsten Büchern des 20. Jahrhunderts zählt. 2002 wurde Achebe für sein politisches Engagement mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt, 2007 erhielt er den Man Booker International Prize. Chinua Achebe starb 2013 in Boston.
Uda Strätling lebt in Hamburg und hat u.a. Emily Dickinson, Henry David Thoreau, Sam Shepard, John Edgar Wideman und Aldous Huxley übersetzt.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Im westafrikanischen Staat Kangan verhilft ein Militärputsch dem jungen, in England ausgebildeten Offizier Sam an die Macht. Seine Freunde Chris Oriko, Informationsminister der Regierung, und Ikem Osodi, Dichter und Chefredakteur der regierungskritischen National Gazette, kennen Sam aus Studienzeiten und müssen mit ansehen, wie der charmante junge Mann sich zu einem machtbesessenen und gefährlichen Despoten entwickelt. Als Ikem sich gegen ihn zu stellen beginnt, bringt er nicht nur sich selbst, sondern das ganze Land in Gefahr.
Chinua Achebe wendet sich mit seinem letzten Roman der afrikanischen Gegenwart zu und erzählt am Beispiel des fiktiven Kangan eindrücklich von der Atmosphäre eines Staates an der Schwelle zur Diktatur.
»Da war ein Autor mit dem Namen Chinua Achebe, in dessen Gesellschaft die Gefängnismauern einstürzten.«
Nelson Mandela über die Bücher, die er im Gefängnis gelesen hatte.
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die Originalausgabe erschien 1987
unter dem Titel ›Anthills of the Savannah‹
bei Heinemann, London
© 1987 Chinua Achebe
Für diese Ausgabe:
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
Coverabbildung: Edel Rodriguez
ISBN 978-3-10-400731-1
Anspielung auf E.M. Forster Where Angels Fear to Tread; deutsch Engel und Narren. Anm. d. Übers.
Sehr fester Brei aus gekochten und gestampften Yams- oder Maniokknollen; Grundnahrungsmittel.
Persönlicher Schutzgeist.
oyibo: der weiße Mann.
Erster Zeuge – Christopher Oriko
»Sie verschwenden unser aller Zeit, Herr Informationsminister. Ich werde nicht nach Abazon gehen. Finish! Kabisa! Noch etwas auf der Tagesordnung?«
»Wie Exzellenz wünschen. Aber …«
»Keine Widerrede, Mr Oriko! Die Angelegenheit ist erledigt, habe ich gesagt. Wie oft, um Himmels willen, soll ich das eigentlich noch wiederholen? Warum haben gerade Sie Probleme, meine Entscheidungen zu schlucken? Egal, worum es sich handelt?«
»Tut mir leid, Exzellenz. Aber es bereitet mir keinerlei Schwierigkeiten, Ihre Entscheidungen zu schlucken und zu verdauen.«
Sein wuterfüllter Blick traf mich und ließ mich nicht mehr los. Einen Augenblick lang hatten sich unsere Blicke im Nahkampf gemessen, dann senkte ich meinen in zeremonieller Kapitulation auf die glänzende Tischplatte. Langes Schweigen. Doch er war keineswegs besänftigt. Vielmehr gelang es ihm, in kürzester Zeit das Schweigen selbst zu einer eigenen Art der Auseinandersetzung werden zu lassen, ähnlich dem Blinzelspiel der Kinder. Auch hier trat ich ihm den Sieg ab. Ohne aufzuschauen, wiederholte ich: »Es tut mir sehr leid, Exzellenz.« Vor einem Jahr noch hätte ich das nie ein zweites Mal über die Lippen gebracht, ohne mir selbst schwerste Gewalt anzutun. Heute tat ich es, als erwiese ich ihm ganz beiläufig einen Gefallen. Mir bedeutete es überhaupt nichts, bereitete mir keinerlei Unannehmlichkeit, doch ihm bedeutete es alles.
Ich betrachte das Ganze als ein Spiel, das relativ unschuldig begonnen hatte, doch plötzlich seltsam und gefährlich geworden war. Möglicherweise kann sich selbst diese Einschätzung noch als zu optimistisch herausstellen. Denn sollte ich recht haben, dann müsste beim Rückblick auf die beiden vergangenen Jahre ein besonderer und entscheidender Augenblick herausgreifbar sein, von dem gilt, ab dem und dem Punkt wurden die Spielregeln außer Acht gelassen, und alles ist schiefgelaufen. Doch obwohl ich hartnäckig und lange danach gesucht habe, habe ich weder einen solchen Augenblick noch eine solche Ursache finden können. Und so hat es langsam den Anschein, dass das Ganze wohl nie ein Spiel war, dass der gegenwärtige Zustand von Anfang an bestanden hat und dass ich nur zu blind oder zu geschäftig war, ihn wahrzunehmen. Doch die eigentliche Frage, die ich mir oft gestellt habe, lautet: Warum mache ich denn weiter, nun, da mir die Augen aufgegangen sind? Ich weiß es nicht. Aus lauter Trägheit vielleicht. Oder möglicherweise aus reiner Neugier: um zu sehen, wo es alles … nun, enden wird. Ich denke dabei nicht so sehr an ihn als vielmehr an meine Kollegen, elf intelligente, gebildete Männer, die dies alles über sich ergehen lassen, die wahrlich alles darangesetzt haben, es heraufzubeschwören, und die selbst jetzt noch nichts begriffen und nichts gelernt haben – die Elite unserer Gesellschaft und die Hoffnung aller Schwarzen. Ich nehme an, dass ich um ihretwillen noch immer auf diesem lächerlichen Beobachtungsposten sitze und absurde Eintragungen in das verrückte Logbuch unseres Staatsschiffes mache. Die Enttäuschung über sie hat sich längst in gleichgültiges klinisches Interesse verwandelt.
Mittlerweile finde ich ihr Tun nicht nur erträglich, sondern durchaus interessant, ja sogar aufregend. Erstaunlich! Wenn ich daran denke, dass ich persönlich fast die Hälfte von ihnen zur Berufung ins Ministeramt vorgeschlagen habe.
Und rückhaltlose Ehrlichkeit gebietet mir natürlich, einen letzten Faktor zu erwähnen, der mich weiterhin auf meinem Posten verbleiben lässt – eine Tatsache, derer ich mich ein wenig schäme –, dass ich nämlich diese Dinge nicht niederschreiben könnte, wäre ich nicht hier, um alles zu beobachten. Keiner sonst würde es tun.
Während wir steif um den Mahagonitisch saßen, konnte ich ihre Gedanken lesen: Tja, wieder so ein Tag. Was einen schlechten Tag bedeutete. Heutzutage haben wir gute oder schlechte Tage, je nachdem, wie Seine Exzellenz am Morgen aufwacht. An einem Tag wie heute, der nach vielen günstigen Anzeichen plötzlich zu einem schlechten Tag geworden war, bleibt einem nichts anderes übrig, als vor seinem Schlupfloch zu liegen, bereit, sich in aller Eile darin zu verkriechen. Und vor allem den Mund zu halten, denn nichts ist gefahrlos – nicht einmal die als Diskussionsbeiträge verkleideten Schmeicheleien, in denen wir zu wahren Experten geworden sind.
Zu meiner Rechten saß der Honourable Commissioner für Erziehung und Bildung. Er ist bei weitem der Ängstlichste von allen. Sobald er Gefahr gewittert hatte, hatte er sich in sein Loch zurückzuziehen begonnen, wollte rückwärts verschwinden wie manche Tiere und Insekten. Instinktiv hatte er seine Papiere zusammengeschoben und war gerade dabei, den Aktendeckel zuzuklappen und ihn mit in sein Loch zu ziehen, als sein ganzer Körper plötzlich erstarrte. Stärkere Alarmsignale aus tieferen Instinktschichten hatten ihn möglicherweise darauf aufmerksam gemacht, dass er etwas tat, das in dieselbe Kategorie gehörte, wie Seiner Exzellenz die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Dann passiert etwas völlig Absurdes. Er lässt den Aktendeckel so jäh los, dass sich jedermann ihm zuwendet und Zeuge seiner seltsamsten Handlung wird – in panischem Bemühen, wiedergutzumachen und Buße für das unabsichtlich um ein Haar begangene Sakrileg zu tun, breitet er seine Sitzungspapiere wieder aus. Dann lässt er seinen Blick um den Tisch wandern, bis er sich mit dem Seiner Exzellenz kreuzt, um ihn dann sofort auf den Mahagonitisch zu senken. Seit meiner zweiten Entschuldigung war das Schweigen nicht gebrochen worden. Ich war mir ganz sicher, dass sich der arme Kerl (Originalität war noch nie seine Stärke gewesen) anschickte, es mir wortwörtlich gleichzutun. Ich könnte schwören. Er hielt die Oberarme fest an die Seiten gedrückt, als wollte er sich kleiner machen, die Hände hatte er wie ein Bittsteller auf der Brust gefaltet.
Doch an seiner Stelle spricht Seine Exzellenz. Dabei wendet er sich nicht einmal an ihn, den jüngsten Übeltäter, sondern noch immer an mich. Und dieser erstaunliche Mensch gibt sich fast freundlich, ja versöhnlich. In diesem Augenblick verwandelt sich der Tag. Die feurige Sonne verzieht sich vorübergehend hinter einer Wolke, uns wird Strafaufschub gewährt, und wir beginnen sofort zu feiern. Schon im Voraus höre ich die vielen Komplimente, die wir ihm machen werden, sobald er uns den Rücken gekehrt hat – das Schwierige mit Seiner Exzellenz sei eben, dass er niemals jemandem weh tun und darüber die Sonne untergehen lassen könne.
Diesen Rest Anstand immerhin haben wir uns noch bewahrt: Wir warten tatsächlich, bis er uns den Rücken gekehrt hat. Und einige werden hinzufügen: Das ist schade, denn eigentlich braucht das Land einen rücksichtslosen Diktator. Mindestens fünf volle Jahre lang. Und dann brechen wir alle in übermäßig lautes Lachen aus, denn, meine Güte, wir wissen wohl, dass uns niemals eine solch unverdiente Wohltat wie ein rücksichtsloser Diktator zuteil werden wird.
»Bist du dir eigentlich bewusst, Chris, was du von mir verlangst?«, sagte er. Ich sage nichts, rühre mich nicht, bewege nicht einmal den Kopf. In solchen Augenblicken wird mein Kopf schwer wie Granit, und obwohl ich durchaus klar und logisch denke, scheinen meine Gedanken von weither zu kommen und die Geschehnisse durch ein Teleskop wahrzunehmen. Ich bemerke – unwichtig vielleicht –, dass er die eisige Distanz von Mr Commissioner und Mr Oriko hat fallenlassen. Doch ich erlaube es mir nicht mehr, mich von solchen Nettigkeiten ablenken zu lassen. Ich glaube, er hat meine Ruhe entweder als Zustimmung oder als Ablehnung verstanden. Es war keines von beidem. Reines, unverfälschtes Desinteresse.
»Du verlangst von mir, diese Leute für dumm zu verkaufen«, sagt er, und seine Stimme klingt beschwichtigt und ziemlich überheblich. Ich schüttele langsam den Kopf. »Doch, genau das verlangst du von mir«, sagt er lebhaft, durch meine schwache, wiederauflebende Opposition zum Kampf angespornt. »Diese Leute glauben an Regenmacher, machen wir uns doch ihre Unwissenheit zunutze und punkten dabei noch. Genau das verlangst du von mir, Chris. Nun, das kann ich nicht. Ihr scheint alle zu vergessen, dass ich noch immer Soldat bin und kein Politiker.«
Er trägt Zivilkleidung, da er sich zurzeit immer häufiger innerhalb des abgeschlossenen Bereichs des Präsidentenpalastes aufhält – ein weißes, geschmackvoll mit Goldfaden besticktes Dashiki und die dazu passende Hose. Im Gegensatz dazu sind viele meiner Kollegen, besonders jene, die von den Universitäten kommen, bestrebt, militärisch auszusehen. Professor Okong trägt nur khakifarbene Safarianzüge, komplett mit Achselklappen. Es ist erstaunlich, wie sehr der Intellektuelle den Mann der Tat beneidet.
Ich glaube, Seine Exzellenz nahm mein kaum merkliches Lächeln über die Mahnung, dass er noch immer Soldat sei, wahr; er hat ein echtes Talent, in den Gesichtern anderer zu lesen. Ich sah ihn kurz abwägen, ob er reagieren oder mich ignorieren sollte. Schließlich tat er weder das eine noch das andere, sondern etwas wirklich sehr Gekonntes. Er ließ den Blick nicht von mir, doch gleichzeitig gelang es ihm, mir durch seinen Tonfall zu verstehen zu geben, dass ich von dem, was er jetzt sagte, ausgeschlossen sei, dass seine Worte zu kostbar waren, um an professionelle Dissidenten verschwendet zu werden.
»Soldaten sind einfach und geradeheraus«, sagte er trotzig. »Wenn wir euch die Staatsgeschäfte wieder übergeben und in die Kasernen zurückkehren, dann könnt ihr eure bürgerlichen Tricks wiederaufnehmen. Habt ein wenig Geduld.«
An dieser Stelle wird er mutig vom Commissioner der Justiz und Generalstaatsanwalt und dann von allen anderen mit Protestrufen unterbrochen. In Wirklichkeit sind es die wohlgewählten Worte Seiner Exzellenz, die das Signal für diese mutige Unterbrechung geben, denn trotz des Nachdrucks, der in seiner Stimme lag, signalisierten die Worte selbst die Entwarnung und zeigten an, dass wir nun protestieren könnten. Also begannen wir, wieder aus unseren Löchern herauszukriechen. Der Generalstaatsanwalt sagte in seiner präzisen Art: »Exzellenz, wir dürfen die Wünsche des Volkes nicht verachten.«
»Missachten, meinen Sie«, sagte ich.
»Des Volkes?«, fragte Seine Exzellenz und ignorierte meine Pedanterie.
»Ja, Exzellenz«, erwiderte der Generalstaatsanwalt mutig. »Das Volk hat gesprochen. Sein Wunsch ist offenkundig. Sie sind dazu verurteilt, ihm Ihr Leben lang zu dienen.« Lauter Beifall und »Hört! Hört!«-Rufe. Alle wollen nun etwas sagen.
»Ich bin kein Jurist«, sagt Seine Exzellenz, und sein etwas lauterer Tonfall setzt einer Auseinandersetzung zwischen den Stimmen ein Ende, »nur ein einfacher Soldat. Aber ein Soldat muss sein Wort halten.«
»Doch Sie … Verzeihung, Exzellenz, können kein Wort brechen, das Sie überhaupt nie gegeben haben. Der Unsinn über die hundert Prozent war ja nichts als die Machenschaft eines Chefredakteurs, der meinem Urteil nach ein Saboteur mit eigenen Interessen ist.«
»Keinerlei Verpflichtung, Exzellenz, Häretikern gegenüber sein Wort zu halten«, dröhnte die Stimme des Reverend, Professor Okong.
»Zur Geschäftsordnung, Exzellenz.« Er starrt mich jetzt wütend an und nickt dann dem Generalstaatsanwalt, der von Okong und mir unterbrochen worden war, zu weiterzureden.
»Exzellenz, drei von vier Provinzen ist überall eine Mehrheit.« Größerer Beifall.
»Exzellenz, ich distanziere mich von dem Hinweis des Generalstaatsanwalts auf einen Saboteur und appelliere an meine Kollegen, von derartigen Erklärungen gegen abwesende Staatsdiener, die sich deshalb auch nicht verteidigen können, Abstand zu nehmen.« Mir gefiel der Schrecken, der sich in den Gesichtern meiner Kollegen abzeichnete, als ich das Wort distanzieren benutzte, und ebenso die Entspannung, die folgte, als ihnen klarwurde, dass ich nicht das sagte, was sie befürchteten. Selbst Seine Exzellenz geriet einen Augenblick aus dem Tritt. Doch im Unterschied zu uns amüsiert oder erleichtert ihn das Wissen, dass man sich über ihn lustig macht, keineswegs, sondern verärgert ihn zutiefst. Er wendet sich mit einer scharfen Kopfbewegung nach rechts, wo sein Staatssekretär auf der Stuhlkante sitzt.
»Noch etwas auf der Tagesordnung?« So, wie er es jetzt sagt, ist es keine bloße Formel mehr. Es klingt nach Rüge, etwa wie: Wie oft wollt ihr mir eigentlich diese Frage noch stellen?
Diese unerwartete Konzentration der Krise auf seine Person ließ den Staatssekretär vollkommen verwirrt und unbeholfen werden.
»O nein, Sir, überhaupt nichts mehr, Sir. Exzellenz.« Und dann schaut er über den Tisch, und unsere Blicke begegnen sich. Ich schreibe mir nicht gerne das Verdienst für Derartiges zu, doch ich meine, das spöttische Lächeln auf meinem Gesicht in jenem Augenblick hat möglicherweise diesen Bürokraten zu einer Kehrtwendung veranlasst. Vielleicht sah er in meinem Gesicht die Schatten von Hohn und Spott, die hinter den massiven Türen dieser Zitadelle auf ihn lauerten. Beschuldigt man ihn, kriecherisch zu sein, so reagiert er äußerst empfindlich, besonders wenn es von mir kommt, denn ich glaube, er hat eine ganze Menge Respekt vor mir. Und auf eine gewisse Weise mag auch ich ihn nicht ungern. Schließlich ist er – im Gegensatz zu uns anderen – Berufsbeamter, der einem bürgerlichen Präsidenten … oder dem Generalgouverneur und Vizekönig von Indien ebenso gedient hätte, wie er nun Seiner Exzellenz dient. Doch was immer ihn auch dazu veranlasst haben mag, jetzt zeigt er einen für ihn völlig untypischen Wagemut, der an Verwegenheit grenzt. Er nimmt seine Rede wieder auf: »Aber Exzellenz, darf ich – hm – ergebenst um Ihre Nachsicht – hm – die Nachsicht Eurer Exzellenz bitten und – hm – ein gutes Wort für den Honourable Commissioner einlegen?«
»Welchen Honourable Commissioner? Wie Sie wissen, sitzen hier zwölf von der Sorte!« Diese Bemerkung hätte zu anderen Zeiten Gelächter hervorgerufen, doch etwas vollkommen Neues spielt sich ab, und wir sind alle viel zu überrascht.
»Exzellenz, ich meine den Commissioner für Information.« Langes und verblüfftes Schweigen. Dann sagt Seine Exzellenz, der, das muss ich zugeben, in solchen Augenblicken unübertroffen ist:
»Er braucht kein gutes Wort von Ihnen. Vergessen Sie nicht, ihm gehören alle Worte in diesem Land – Zeitungen, Radio- und Fernsehsender …«
Uns erfasste eine unbändige Heiterkeit, und unser aller Wohlbefinden war wiederhergestellt. Kollegen, die in meiner Nähe saßen, lachten und klopften mir auf die Schulter. Andere strahlten mir über den Tisch hinweg ihr Wohlwollen zu.
»Der Honourable Commissioner für Worte«, stößt der Generalstaatsanwalt unter großem Gelächter hervor. »Das ist wirklich gut. Mein Gott, das ist gut!« Er tupft sich die Augen mit einem noch fein säuberlich gefalteten Taschentuch ab.
»Einspruch! Das hört sich viel zu sehr nach mir an«, prostestiert der Commissioner für Bauwesen und Raumordnung.
»Das stimmt«, sagt der Generalstaatsanwalt und hört auf zu lachen, um nachdenken zu können. »Commissioner for Words und Commissioner for Works. Da hat er wirklich recht.«
»Aus theologischer Sicht besteht hier ein grundlegender Unterschied.« Das sagt Professor Okong mit seiner tiefen Kanzelstimme.
»Ha, jetzt legt der Professor wieder los!«, sagt der Commissioner für Erziehung und Bildung. Wir waren ja alle so fröhlich und guter Dinge. Wäre die Sitzung jetzt zu Ende, würden wir zufrieden nach Hause gehen – die Verheirateten unter uns könnten berechtigterweise mit einem Lächeln antworten, sollten sie von ihren Ehefrauen gefragt werden, wie es ihnen ergangen war. Doch wehe! Seine Exzellenz war noch nicht fertig mit uns.
»Was wollten Sie denn eigentlich zugunsten des Commissioner für Information sagen?«
»Exzellenz, es handelt sich … es ist wegen dieses Besuches in Abazon.«
»In diesem Fall ist die Sitzung beendet.« Er steht unvermittelt auf. So unvermittelt, dass der Lärm, den wir machen, um auf die Füße zu kommen, einer Kirchengemeinde angemessen gewesen wäre, die sich ungehalten und mit schmerzenden Knien nach dem Gebet eines wortreichen Priesters erhebt.
Seine Exzellenz setzt sich wieder und lehnt sich ruhig in seinen Drehstuhl zurück, um unter dem Tisch nach seinen Schuhen zu suchen, die er zu Beginn einer jeden Kabinettssitzung von den Füßen streift und die der Staatssekretär jedes Mal und vollkommen unauffällig mit seinen eigenen Füßen ordentlich nebeneinanderstellt, um Seiner Exzellenz die Mühe ausgedehnten Suchens am Ende der Sitzung zu ersparen. Sollte sich Seine Exzellenz dieses kleinen Dienstes bewusst sein, so erwähnt er ihn doch nie, sondern nimmt ihn für selbstverständlich, wie die Aufmerksamkeit des unsichtbaren Hotelbediensteten, der in einem teuren Hotel in der Nacht die Schuhe putzt. Mit äußerstem Bedacht schaut er zu Boden und schlüpft in seinen rechten Schuh. Er schaut auf die andere Seite und schlüpft in den linken. Und dann lässt er die Lebhaftigkeit seines ersten Aufstehens vollkommen vergessen und stemmt sich von den schweren Armlehnen des Sessels hoch. Und das Erstaunliche dabei ist, dass ihm diese schwerfällige Langsamkeit und die vorige Behändigkeit gleichermaßen gut anzustehen scheinen.
Wir alle stehen stocksteif da. Das einzige Geräusch im Raum kommt von seinen eigenen Bewegungen und vom ununterbrochenen Surren der Klimaanlage, das im Schweigen eines unterwürfigen Kabinetts die Aufmerksamkeit auf sich zieht, eines Kabinetts, das mit angehaltenem Atem verfolgt, wie sich der Chef die Schuhe anzieht, um sich dann, wann immer es ihm beliebt, in die Abgeschiedenheit seiner sich anschließenden Privaträume zurückzuziehen.
Zuweilen pflegt er sich mit einem Guten Tag, meine Herren von uns zu verabschieden; heute sagte er natürlich nichts. Als er seinen Platz verließ, sammelte eine Ordonnanz eilig seine Papiere ein und folgte ihm hinaus. Eine andere Ordonnanz, mit eher grimmigem Gesicht, öffnete die schweren, mit geschnitzten Paneelen verzierten Türen, stand stramm und salutierte anhaltend mit bebender Hand.
»Er ist heute nicht bei guter Laune«, sagt der Staatssekretär und bricht damit das Eis. »Wir werden es nächsten Donnerstag noch einmal vorbringen, Chris. Mach dir keine Gedanken.«
Wahrscheinlich soll Seine Exzellenz das hören, und ich glaube, er hört es tatsächlich. An seinem Hinterkopf konnte ich ein Lächeln oder vielmehr die Ausstrahlung eines Lächelns erkennen, wie das schwache Licht an den Rändern einer Sonnenfinsternis.
In der Endphase des Rückzugs Seiner Exzellenz schien mit der Stille im Kabinettssaal eine Veränderung vorzugehen. Etwas Unbestimmbares machte sich bemerkbar und wurde langsam deutlicher. Zuerst dachte ich, die Klimaanlage sei nur eben um einen Bruchteil lauter geworden, was durchaus der launenhaften Stromerzeugung der Nationalen Elektrizitätsbehörde entsprechen würde. Dann wurde unsere Aufmerksamkeit durch die Bemerkung des Staatssekretärs und die lebhafte Unterhaltung, die sie über die wechselnden Launen Seiner Exzellenz auslöste, für eine Weile von dem Geräusch abgelenkt. Der Generalstaatsanwalt kam zu mir herüber und klopfte mir auf die Schulter.
»Was ist los mit dir, Chris? Warum bist du zurzeit so angespannt und nervös? Entspann dich, Mann, entspann dich! Noch ist das Ende der Welt nicht gekommen.«
Verärgert, doch ohne ein Wort zu sagen, wies ich sein Friedensangebot zurück, als plötzlich, wie auf ein Zeichen hin, jegliches Gespräch im Raum verstummte. Dann wandten wir uns alle dem Fenster an der Ostseite zu.
»Ein Gewittersturm?«, fragt jemand.
Die niedrige Hibiskushecke vor dem Fenster mit ihren vielen leuchtend roten Blütenglocken stand ruhig und von keinem Lüftchen bewegt. Der freie Platz jenseits der Hecke mit dem ordentlich manikürten Bahamagras zwischen den Betonplatten zeigte weder herumfliegende Blätter noch wirbelnden Staub. Jenseits des Platzes hielt ein weiteres Stück der grünroten Hecke vor dem einstöckigen Ostflügel des Präsidentenpalastes Wache. Über das Dach hinweg sah man die Wipfel der Palmen am Strand sich mit der trägen Gelassenheit wiegen, die sie den sanften Ozeanwinden entgegenbringen. Es war kein gewöhnlicher Sturm.
Der Staatssekretär, dessen Geistesgegenwart nur durch die Gegenwart Seiner Exzellenz beeinträchtigt wird, geht zur Fensterbank, öffnet einen Riegel und schiebt das Glasfenster zurück. Und die Welt dringt mit einer gewaltigen Hitzewelle und dem Lärm einer skandierenden Menschenmenge in das fremde Klima des Kabinettssaales ein. Die riesigen Türflügel hinter sich offen lassend, stürzt gleichzeitig Seine Exzellenz wieder herein.
»Was geht hier vor?«, fragt er außer sich.
»Ich werde nachsehen, Exzellenz«, sagt der Generalinspektor der Polizei, nimmt seine Schirmmütze vom Tisch, setzt sie auf, klemmt den Schlagstock unter den Arm, steht stramm und salutiert.
»Schaut ihn euch an! Da, schaut ihn euch doch an!«, höhnt Seine Exzellenz. »Meine Herren, das ist mein Polizeichef. Steht hier herum und schwatzt, während Gangster den Präsidentenpalast stürmen. Und er hat keine Ahnung, was los ist. Setzen Sie sich, Generalinspekteur!«
Er wendet sich an mich. »Weißt du, was da läuft?«
»Tut mir leid, nein, Exzellenz.«
»Na großartig! Kann mir irgendjemand vielleicht über diesen brüllenden Mob da draußen Auskunft geben?« Er schaut jeden von uns der Reihe nach an. Keiner rührt sich, keiner öffnet den Mund. »Genau das meine ich, wenn ich sage, dass ich keine Exekutive habe. Verstehen Sie jetzt, Sie alle, was ich meine? Nehmen Sie Platz, meine Herren, und bleiben Sie hier!« Er rennt wieder hinaus.
An der Tür salutiert wieder die Ordonnanz mit der bebenden Hand. Vielleicht ist es die Art und Weise, wie der Kerl jetzt einem Henker gleich jene schweren Türen schließt, oder eine kaum merkliche Geste mit dem Maschinengewehr in seiner linken Hand, was dem Generalstaatsanwalt ein tiefes, verzweifeltes Stöhnen entlockt: »O Gott!« Ich grinse ihn breit an. Er schreckt vor mir zurück wie vor einem gewalttätigen Irren.
In der nächsten halben Stunde fallen sehr wenig Worte. Als sich die Türen wieder öffnen, verkündet eine Ordonnanz: Professor Okong bitte zur Exzellenz!
»Ich gehe, um Ihnen die Stätte zu bereiten, meine Herrn … Doch seien Sie versichert, die bequemste Zelle behalte ich mir selbst vor.« Lachend ging er hinaus. Ziemlich demonstrativ begann auch ich zu lachen. Dann sagte ich zu meinen Kollegen: »Das ist ein Mann nach meinem Herzen. Ein Mann, der nicht beim ersten Anzeichen der Gefahr in die Hosen pisst.« Und ich ging in die äußerste Ecke des Raumes, stellte mich dort alleine ans Fenster und schaute hinaus.
Obwohl stets zu Possen aufgelegt, ist Professor Reginald Okong so etwas wie eine Kämpfernatur und hat sich aus eigener Kraft hochgearbeitet. Unglücklicherweise ist ihm jegliche politische Moral fremd, was für einen Mann, der seine Karriere als Prediger der Amerikanischen Baptistenkirche begann und später Professor für Politische Wissenschaften an unserer Universität wurde, einer doppelten Tragödie gleichkommt. Möglicherweise trägt er, mehr als irgendeine andere Person außer mir selbst, die Verantwortung für die bemerkenswerte Metamorphose Seiner Exzellenz. Doch vielleicht hatte er es, wie ich, gut gemeint, denn keiner von uns hatte zuvor der Geburt und der Aufzucht eines Babymonsters beigewohnt.
Als begabter Hilfslehrer an den unteren Klassen einer Grundschule war Reginald Okong den Missionaren der Amerikanischen Baptistenkirche aus Ohio aufgefallen, die sich in seiner Gegend verspäteten, aber hartnäckigen Evangelisationsbemühungen hingaben. Sie sagten ihm eine große Zukunft voraus und ordinierten ihn im Alter von 26 Jahren. In typischer Guinnessbuch-Manier nannten sie ihn oft den jüngsten einheimischen amerikanischen Baptistenprediger der Welt. Einheimisch amerikanisch? Um alles in der Welt, nein! Einheimisch afrikanisch! Doch während sie langsam, aber sicher Okong zum zukünftigen Oberhaupt ihrer dortigen Kirche aufbauten, ein Amt, das er in zwanzig oder dreißig Jahren würde übernehmen können, bastelte der junge, intelligente und ehrgeizige Geistliche im Geheimen und in großer Eile an seinen eigenen Plänen. Einer davon führte ihn aus dem missionarischen Weinberg schnurstracks in die weltlichen Gefilde einer schwarzen Universität im Süden der Vereinigten Staaten, sehr zum Entsetzen seiner Gönner aus Ohio, die ihn nicht allein der Undankbarkeit bezichtigten, sondern einen entschlossenen Feldzug mit der US-Einwanderungsbehörde anzettelten, mit dem Ziel, ihn ausweisen zu lassen. Doch auch er war zäh und überwand alle Schwierigkeiten. Seine kärglichen Mittel besserte er durch Predigten und Ringkämpfe auf und machte in Rekordzeit seinen Universitätsabschluss, indem er ihnen seine Grundschullehrerausbildung als zwei Jahren Junior College entsprechend verkaufte. Vier Jahre später war er mit einem Dr. phil. in der Tasche wieder zu Hause und lehrte an der Universität.
Ich war zu jener Zeit Chefredakteur der National Gazette, und er wurde bei mir mit dem Vorschlag für eine laufende Kolumne zu aktuellen Fragen in der Wochenendausgabe vorstellig. Ich ließ mich für das Vorhaben gewinnen, und obwohl ich mir der Vorbehalte, die einige seiner Kollegen bezüglich seiner akademischen Ausbildung oft genug zum Ausdruck brachten, bewusst war, machte ich mich daran, ihn als führenden afrikanischen Politologen aufzubauen, wie Chefredakteure dies oft genug tun, in der Meinung, sie täten es zum Wohle ihrer Zeitung, doch tatsächlich päppeln sie schließlich eine Missgeburt auf. Aber ich muss zugeben, Okong war der ideale Beiträger, lieferte pünktlich und so. Und seine Kolumne Okong’s Corner wurde in der Tat bald äußerst populär. Niemand behauptete, Okong gäbe spektakuläre Einsichten, Weisheit und Originalität von sich, doch seine Fähigkeit, einen Satz so zu formulieren, dass unsere durchschnittlichen Leser hingerissen waren, war bemerkenswert. Er war voller Klischees, doch ein Klischee ist eben kein Klischee, wenn man es noch nie gehört hat, und das traf bei unserem durchschnittlichen Leser eindeutig zu. Deshalb war er auch bereit, jedes neue Klischee mit eben der Begeisterung zu begrüßen, die es wohl ausgelöst haben musste, als es zum ersten Mal geprägt wurde. Denn ein Klischee ist nichts anderes als verarmte Begeisterung.
Wie war das wohl, als jemand zum allerersten Mal aufstand und sagte: »Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen«? Sein Publikum hat bestimmt aufgehorcht. Und so war es mit Okong – er war ein echter Volltreffer. Mein Freund, Ikem Osodi, lag mir immer wegen dieser Kolumne in den Ohren. Er sagte, Professor Okong verdiene wegen Phrasendrescherei und Täuschungsmanöver aller Art gevierteilt und gehenkt zu werden. Doch Ikem ist Literat und Künstler, und die Gazette beabsichtigt keineswegs, Leute wie ihn zu befriedigen – auch heute noch nicht, wo er selbst im Sessel des Chefredakteurs sitzt. Eine Tatsache, die er noch begreifen muss!
Natürlich legte sich Okong niemals mit den Politikern an – er hielt ihre Wähler bei guter Laune. Mir machte das nichts aus. Mir standen genug Leute wie Ikem zur Verfügung, die durch ihre Beiträge für Aufruhr sorgten, wo es nötig, und oft genug, wo es unnötig war. Doch am Tag nachdem die Politiker gestürzt worden waren, verwandelte sich Okong in einen brillanten Analytiker ihrer vielfältigen Verfehlungen. Ich dachte, mit diesem abrupten Sinneswandel sei er endgültig zu weit gegangen, doch meine Leser waren, ihren begeisterten Briefen nach zu urteilen, völlig anderer Meinung. Offensichtlich hatte er bei ihnen einen großen Treffer platziert, als er den Umsturz des bürgerlichen Regimes als »einen Fall von ›auf Gnade und Gnadenstoß‹« bezeichnete. Danach zog ich den Hut vor ihm. Und als Seine Exzellenz mich bat, ihm ein halbes Dutzend Namen für sein Kabinett vorzuschlagen, war Professor Okong der Erste auf meiner Liste.
Dies nun erfordert eine gewisse Rechtfertigung und Erklärung. Seine Exzellenz kam ohne jegliche Vorbereitung auf die politische Führerschaft an die Macht – eine Tatsache, deren er sich als äußerst intelligenter Mensch vollkommen bewusst war und die darüber hinaus auch niemanden verwundern sollte. Schließlich bildete Sandhurst seine Offiziere nicht mit dem Ziel aus, den Thron Ihrer Majestät zu stürzen, sondern vielmehr in der würdigen Tradition stolzer Zurückhaltung gegenüber Politik und öffentlichen Angelegenheiten. Als unseren bürgerlichen Politikern schließlich das widerfuhr, was sie verdienten, sie ungeliebt und, ohne dass man ihnen Tränen nachweinte, auf dem Abfallhaufen landeten und der junge Kommandeur der Streikräfte von den noch jüngeren Putschisten aufgefordert wurde, Seine Exzellenz, das Staatsoberhaupt, zu werden, hatte er daher ziemlich wenig Vorstellung davon, was zu tun sei. Und wie es sich für einen intelligenten Mann gehört, rief er seine Freunde zusammen und sagte: »Was soll ich jetzt tun?«
Damals kannte ich ihn schon seit fast 25 Jahren, seit jenem lange zurückliegenden Tag, als wir uns zum ersten Mal als neuaufgenommene, dreizehn- oder vierzehnjährige Schüler im Lord Lugard College begegnet waren. Und so fand ich mich plötzlich in der Lage, ein »ganzes« Staatsoberhaupt beraten zu müssen, das zudem ganz unverblümt seine Angst vor der neuen Aufgabe zeigte. Das ist etwas, das ich mir noch nie wirklich erklären konnte: Warum stellen unbewaffnete Zivilisten für die bis an die Zähne bewaffneten Militärs eine derartige Bedrohung dar? Für Seine Exzellenz war dies jedoch nur eine vorübergehende Phase. Er bewältigte bald seine Angst, doch es scheint, dass ihn gelegentlich quälende Erinnerungen daran heimsuchen. Ich weiß sonst keine andere Erklärung für seine vollkommen irrationale und überzogene Angst vor Demonstrationen zum Beispiel. Selbst vor übertrieben friedlichen, unterwürfigen Demonstrationen.
In den ersten Tagen nach seiner Machtübernahme war er von dem ständigen Albtraum besessen, das Volk könnte unzufrieden werden und überall im ganzen Land würden hässliche Demonstrationen ausbrechen; die Sorge darum, wie dies zu verhindern sei, machte ihn ganz verrückt. Auch ich hatte keine klare Vorstellung davon, wie damit umzugehen sei. Doch ich bildete mir ein, dass jemand wie Professor Okong, ohne dass er klarere Vorstellungen gehabt hätte als wir, was auch immer uns einfallen würde, in populäre Sprache und gängige Münze umzusetzen wüsste. Und so wurde er Nummer eins auf meiner Liste, und Seine Exzellenz ernannte ihn zum Commissioner für Inneres. Er hatte seine große Zeit, danach verschwand er teilweise in der Versenkung. Doch ich glaube kaum, dass er so bald ins Gefängnis wandert, noch nicht.
Die tiefe Besorgnis Seiner Exzellenz war schnell von dem jungen, brillanten und aggressiven Direktor des Staatsermittlungsrats (SER) zerstreut worden. Einmal mehr, wie seine Exzellenz es ausdrückte, erwies er sich als so effizient, wie das Kabinett inkompetent war. Vom Tag seiner Ernennung an hat jede Tat dieses klugen jungen Mannes Seiner Exzellenz Anlass gegeben, sich zu beglückwünschen. Denn Major Johnson Ossai hatte er persönlich ausgewählt und gegen heftigen Widerstand älterer Offiziere ernannt. Und das genau in jenem kritischen Augenblick, als Seine Exzellenz beschlossen hatte, alle Militärs aus dem Kabinett zu entlassen und durch Zivilpersonen zu ersetzen und als Krönung seinen Titeln den des Präsidenten hinzuzufügen. Unbestätigte Gerüchte von Unruhen, Geheimprozessen und Hinrichtungen in den Kasernen waren im Umlauf. Doch dank zweier Schlüsselpositionen, die er persönlich besetzt hatte – nämlich die des Generalstabschefs der Armee und des Direktors des Staatsermittlungsrats, der Geheimpolizei –, überstand er den Sturm, ohne größeren Schaden zu nehmen.
Daher traf Professor Okong, als er von dem grimmigen Ordonnanzoffizier im Sturmschritt hereingeleitet wurde, Seine Exzellenz in kämpferischer und selbstbewusster Stimmung an.
»Exzellenz, Herr Präsident«, intonierte Professor Okong und verbeugte sich gleichzeitig in einem Winkel von neunzig Grad.
Er erhielt weder eine Antwort noch irgendein Zeichen, dass seine Anwesenheit bemerkt worden war. Eine ganze Minute lang fuhr Seine Exzellenz fort, sich auf seinem Schreibblock Notizen zu machen, ehe er aufschaute. Dann sprach er unvermittelt, wie zu einem Eindringling, den er schnell wieder los sein wollte.
»Ja … ich möchte, dass Sie in den Innenhof hinübergehen, um die dort wartende Delegation zu begrüßen. Setzen Sie sich doch!«
»Danke, Exzellenz.«
»Ich sollte Sie wohl darüber informieren, wer die Leute sind und was sie hier wollen und so weiter. Es sei denn, Sie haben es, seit ich Sie verlassen habe, auf wundersame Weise selbst herausgefunden.«
»Nein, Sir, es tut mir leid, wir wissen nichts.«
»Nun gut, ich werde es Ihnen sagen. Doch vorher möchte ich Sie an jene kleine Unterhaltung erinnern, die wir nach dem Überfall von Entebbe hatten. Sie erinnern sich? Damals sagten Sie alle: Welche Schande für Afrika. Erinnern Sie sich?«
»Ich erinnere mich, Exzellenz.«
»Gut. Sie alle waren voller Empörung. Rechtschaffener Empörung. Aber erinnern Sie sich vielleicht auch daran, was ich damals sagte? Ich sagte nämlich, so etwas könnte auch hier geschehen. Hier bei uns.«
»Ja, Sir, ich erinnere mich sehr wohl.«
»Sie alle sagten: O nein, Exzellenz, so etwas ist hier bei uns nicht möglich.«
Vor einem größeren Publikum oder in einem weniger ernsten Augenblick hätte seine Sprechweise, die einen schwachsinnigen Trottel mit einem Sprachfehler nachahmte, vielleicht Gelächter hervorgerufen.
»Ja, Exzellenz, das haben wir gesagt«, gab Professor Okong zu. »Es tut uns aufrichtig leid.« Ihm war noch nicht ganz klar, worauf Seine Exzellenz hinauswollte, doch was er antworten sollte, war offensichtlich, und er wiederholte: »Exzellenz, es tut uns außerordentlich leid.«
»Schon gut. Sie wissen, dass ich mich nie wirklich auf eure Informationen über irgendwen oder -was verlassen habe, oder?«
»Ja, Sir.«
»Ich wäre auch ein Narr! Wenn so etwas wie Entebbe hier passiert, wird die Welt über mich lachen, oder etwa nicht?«
Professor Okong fand es etwas riskant, darauf zu antworten, und äußerte sich deshalb nur durch ein vages, undefinierbares Geräusch aus der tiefsten Kehle.
»Ja, ich wäre dran. General Großmaul würden sie sagen und ein Bild von mir mit großem Mund und kleinem Kopf als Titelblatt von Time bringen. Von Ihnen wäre nicht die Rede, oder?«
»Bestimmt nicht, Sir.«
»Nein, denn Sie kennt man nicht. Es wäre nicht Ihre Beerdigung, sondern meine.« Professor Okong fühlte sich bei dem Wort »Beerdigung« nicht sehr wohl und begann zu prostestieren, aber Seine Exzellenz hieß ihn schweigen, indem er die linke Hand hob.
»Deshalb vergeude ich keine Zeit. Ich ergreife Vorsichtsmaßnahmen. Verstehen Sie?«
»Ja, Sir. Darf ich Ihnen – ich meine, Ihrer Exzellenz – auch im Namen meiner Kollegen noch einmal unsere haltlose – ich meine vorbehaltlose Entschuldigung aussprechen.«
Es entstand eine lange Pause, wie eine Schweigeminute für gefallene Genossen. Seine Exzellenz war so erregt, dass er Zeit brauchte, um sich wieder zu fassen. Er holte ein Taschentuch hervor und wischte sich heftig das Gesicht und dann den Hals ab. Professor Okong starrte mit gesenktem Blick auf die Tischplatte, Augen auf halbmast.
»Die Leute, die vor ungefähr einer Stunde gekommen sind«, sagte Seine Exzellenz ruhig und betrübt, »kommen aus Abazon.«
»Die wieder!«, sagte Okong mit aufflackernder Entrüstung. »Dieselben Leute, die Sie wegen eines Besuches in Abazon belästigen.«
»Es ist eine Goodwill-Delegation, friedlich und loyal …«
»Ach, das ist aber erfreulich.«
»… sie sind den weiten Weg von Abazon hergekommen, um mich ihrer Loyalität zu versichern.«
»Ausgezeichnet, Sir. Ausgezeichnet! Und meiner Meinung nach allerhöchste Zeit …« Eine plötzliche, heftige Unmutsbezeugung im Gesicht Seiner Exzellenz ließ die wiedererwachte Redseligkeit des Professors verstummen.
»Aber man hat mir zu verstehen gegeben, dass sie außerdem eine Petition wegen der Dürre in ihrer Region mitgebracht haben. Sie möchten mich persönlich einladen, sie zu besuchen und ihre Probleme mit eigenen Augen anzusehen. Nun, Sie kennen – wie jedermann – meine Einstellung zu Petitionen und Demonstrationen und dergleichen.«
»Natürlich, Sir. Jeder loyale Bürger dieses Landes kennt sie …«
»Eindeutige Zeichen von Disziplinlosigkeit. Lässt man so etwas zu, egal, aus welcher Ecke es kommt, ist man so gut wie verloren.«
»Genauso ist es, Exzellenz.«
»Diese hier ist allerdings eine loyale Delegation, wie ich eben sagte, und sie haben eine lange Reise hinter sich. Doch Disziplin bleibt Disziplin. Sollte ich mich entschließen, sie zu empfangen, was hält dann die Händler vom Gelegele-Markt davon ab, morgen hierherzumarschieren, um mir einen Besuch abzustatten. Sie sind nicht weniger loyal. Oder die äußerst loyale Innung der Marktfrauen schickt eine Abordnung, um sich wegen des Preises für den aus Norwegen importierten Stockfisch zu beschweren.«
Der Professor lachte laut, aber alleine und hörte wie ein Irrer ziemlich unvermittelt wieder auf.
»Deshalb habe ich für alle dieselbe Antwort. Nein! Kabisa!«
»Ausgezeichnet, Exzellenz.« Möglicherweise ging Professor Okong flüchtig der Gedanke durch den Kopf, dass der Mann, der ihm jetzt die Leviten las, vor nicht allzu langer Zeit in der Politik fast sein Schüler gewesen war. Aber vielleicht wagte er gar nicht mehr, sich daran zu erinnern.
»Wir müssen allerdings bedenken, dass diese Leute nicht hinterhältige Intellektuellentypen sind, auch nicht ein Haufen Agitatoren vom Arbeiterkongress, sondern einfache, schlichte Bauern, die nach allen Informationen des Geheimdienstes aufrichtig bedauern, was vorgefallen ist, und nun den Wunsch haben, die Vergangenheit zu begraben. Deshalb wäre es unfair, ihnen jetzt zu sagen: ›Ihr könnt wieder gehen, Seine Exzellenz, der Präsident, hat keine Zeit, euch zu empfangen.‹ Verstehen Sie?«
»Vollkommen, Exzellenz.« Okong begann zu begreifen, warum er herbeordert worden war, und damit kehrte auch sein Selbstvertrauen zurück.
»Deshalb habe ich Sie rufen lassen. Finden Sie ein paar nette Worte für diese Leute. Sagen Sie ihnen, aufgrund äußerst wichtiger Staatsgeschäfte seien wir im Augenblick leider nicht in der Lage … Sie wissen schon, was ich meine …«
»Genau, Exzellenz, genau so werde ich es sagen.«
»Wenn Sie wollen, können Sie ja sagen, dass ich gerade mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten telefoniere oder mit der Königin von England. Wissen Sie, Bauern lassen sich von so etwas beeindrucken.«
»Perfekt, Exzellenz, perfekt.«
»Gehen Sie auf sie ein, meine ich; sondieren Sie die Stimmung und formulieren Sie entsprechend.«
»Jawohl, Exzellenz. Stets zu Ihren Diensten.«
»Sollten sie tatsächlich eine Petition mitgebracht haben, so nehmen Sie sie an meiner Stelle entgegen und versprechen Sie ihnen, dass ihre Klagen, oder vielmehr Probleme – ihre Probleme, nicht Klagen, Seiner Exzellenz persönlich vorgelegt werden. Ehe Sie hinübergehen, bitten Sie den Commissioner für Information, einen Reporter hinzuschicken, und der Protokollchef soll einen Parlamentsfotografen abkommandieren, um Bilder von Ihrer Begrüßung des Delegationsleiters zu machen. Aber um Gottes willen, Professor, schauen Sie dabei den Mann an, dem Sie die Hand schütteln, und nicht in die Kamera …«
Professor Okong brach wieder in schallendes Gelächter aus.
»Ich finde es überhaupt nicht komisch, wenn Leute sich die Hand geben und dabei den Kopf im rechten Winkel wegdrehen wie dieses Mädchen in Der Exorzist und in die Kamera grinsen.«
»Exzellenz sind nicht nur unser Führer, sondern auch unser Lehrer. Wir sind stets zu lernen bereit. Wir sind wie Kinder, die sich nur vor dem Beten den Bauch waschen, wie unsere Alten sagen.«
»Aber was immer Sie tun, sorgen Sie dafür, dass nichts über Petitionen an die Presse gelangt. Ich möchte kein Gerede von Beschwerden und Petitionen in den Zeitungen. Es ist ist ein einfacher Freundschaftsbesuch.«
»Genau. Ein Versöhnungsangebot von den vormals rebellischen Untertanen Eurer Exzellenz.«
»Nein, nein, nein! Genau darauf will ich nicht herumreiten. Lassen wir es gut sein.«
»Aber Exzellenz, Sie sind zu großzügig. Viel zu großzügig! Warum fängt alles Schlechte in diesem Land in der Provinz Abazon an? Dort war der Aufstand. Die Anführer dieser Leute waren die Einzigen, die Eurer Exzellenz ein eindeutiges Regierungsmandat verweigert haben. Ich gebe sonst nichts auf Stammesunterschiede, aber Mr Ikem Osodi macht all diese Schwierigkeiten doch nur, weil er ein typischer Abazonier ist. Ich will Eurer Exzellenz ja nicht zu nahe treten, aber wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Wenn Sie mich fragen, Exzellenz, Gott schläft nicht. Wer weiß, vielleicht ist die Dürre, unter der sie dort leiden, Gottes Gericht und Strafe für all die Schwierigkeiten, die sie diesem Land gebracht haben. Und nun besitzen sie auch noch die Dreistigkeit, Eure Exzellenz schriftlich um einen Besuch ihrer Provinz zu bitten, und noch ehe Sie die Einladung überhaupt beantworten können, tragen sie Ihnen ihren Unsinn come your house. Ich meine, Exzellenz, Sie sind zu großzügig – es tut mir leid, das zu sagen – viel zu großzügig.«
»Ich schätze Ihre Fürsprache, Professor, aber ich muss handeln, wie ich es für richtig halte. Lassen wir es gut sein.«
»Wie Sie wünschen, Exzellenz. Ich werde die Anweisungen Eurer Exzellenz genau befolgen. Wortwörtlich. Eure Exzellenz hatten doch nichts von Fernsehberichterstattung gesagt?«
»Nein, nein, nein, nein! Gut, dass Sie darauf zu sprechen kommen. Kein Fernsehen. Unnötige Publicity. Ehe man sich’s versieht, organisiert jedermann im ganzen Land Goodwill-Veranstaltungen, nur um ins Fernsehen zu kommen. Sie wissen doch, wie unsere Leute sind. Kein Fernsehen. Niemals!«
»Exzellenz haben vollkommen recht. Daran habe ich gar nicht gedacht. Es ist erstaunlich, wie Eure Exzellenz an alles denken.«
»Wissen Sie warum, Professor? Weil es um meine eigene Beerdigung geht, deshalb. Wenn es die eigene Beerdigung ist, dann muss man wohl oder übel an alles denken. Besonders wenn man ein so kleinkalibriges Kabinett hat wie ich.«
»Exzellenz, darf ich die Gelegenheit wahrnehmen, um mich ganz förmlich, auch im Namen meiner Kabinettskollegen, für unsere, sagen wir, mangelnde Wachsamkeit zu entschuldigen. Ich bringe dies in aller Demut und im Geiste unserer kollektiven Verantwortung vor, die jeden von uns mitschuldig werden lässt, wenn einer sich etwas zuschulden kommen lässt. Ein öliger Finger beschmiert die ganze Hand … Eure Exzellenz werden wissen, dass ich nie den Wunsch hatte, mich in das Portefeuille meiner Kabinettskollegen einzumischen. Nicht weil ich die ganzen Mauscheleien nicht sehe, die sich so abspielen, sondern weil ich stets an das alte Sprichwort geglaubt habe, dass man sein eigenes Kanu paddeln muss. Doch der heutige Zwischenfall hat gezeigt, dass ein Mann seinen Husten nicht schlucken darf, nur weil er fürchtet, andere zu stören …«
»Ich verstehe nicht ganz, Professor. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, so lassen Sie doch bitte die Sprichwörter weg.«
»Nun, Exzellenz, ich bin mit mir zu Rate gegangen, ob es nicht meine Pflicht wäre, Sie, ich meine Eure Exzellenz, hinsichtlich Ihrer Beziehung zu dem Honourable Commissioner für Information und auch dem Chefredakteur der Gazette zu warnen.«
»Beziehung, wie meinen Sie das? Können Sie nicht deutlicher werden?«
Der Irritationspegel in seiner Stimme war jetzt ziemlich hoch.
»Nun, Exzellenz, es tut mir leid, persönlich zu werden. Aber ich muss offen mit Ihnen reden. Lässt man nicht Vorsicht walten, glaube ich, werden Ihre beiden Freunde imstande sein, Unzufriedenheit zu schüren, neben der sich die Rebellion in Abazon wie ein Kinderspiel ausnimmt. Und wenn mich mein sechster Sinn nicht trügt, so haben sie bereits einiges Unheil angerichtet.«
»Schön, Mr Okong. Ich setze mich mit Tatsachen auseinander, nicht mit Gerüchten. Machen Sie sich jetzt auf den Weg und kümmern Sie sich um die Leute; sobald alles vorüber ist, erstatten Sie mir Bericht. Aber lassen Sie sich Zeit. Wenn die Delegation ihre Sache vorgebracht und Sie geantwortet haben, wünsche ich, dass Sie bei ihnen bleiben und mich als Gastgeber vertreten. Ich habe Anweisung gegeben, dass Getränke und eine Kleinigkeit zu essen, small chop, angeboten werden. Sie sollen sich unter die Leute mischen und dafür sorgen, dass sie sich wohl fühlen. Es sind keine Politikstudenten, doch ich bin sicher, dass Sie gut mit ihnen zurechtkommen werden. Der Staatsermittlungsrat sorgt für die Bewirtung, aber Sie sind der sichtbare Gastgeber. Ist das klar? Geben Sie ihnen das Gefühl, sie wären auf meine Einladung hergekommen.«
»Sehr wohl, Exzellenz.«
Die letzten Worte des armen Professors Okong gingen in dem lauten, ungeduldigen Summen der Sprechanlage Seiner Exzellenz unter, und als er sich aus dem Audienzraum begab, war er so verwirrt, dass er nur knapp einem Frontalzusammenstoß mit der schweren Flügeltür entging, durch die der Ordonnanzoffizier hereintrat. Vor der Tür blieb er einen Augenblick stehen, um die volle Kontrolle über seine Beine wiederzuerlangen, die sich plötzlich schwer wie Mahagoniholz anfühlten. Er hatte das starke Bedürfnis, irgendwo einen Stuhl zu finden und sich ein wenig zu setzen. Aber es war kein Stuhl zu sehen, nur der endlose Flur mit seinem grauen Teppichboden. Überhaupt hatte er keine Zeit, herumzustehen und ins Leere zu starren. Er hatte einen dringenden nationalen Auftrag zu erfüllen. Er ging weiter, doch seine Gedanken verweilten größtenteils bei dem niederschmetternden Tenor seiner Entlassung und vor allem bei der Tatsache, dass Seine Exzellenz ihn Mister genannt hatte. Er blieb wieder stehen. »Ich bin in Ungnade gefallen«, sagte er laut. »Mein Gott, ich bin in Ungnade gefallen. Was habe ich bloß falsch gemacht?«
»You still de here?«, bellte der Ordonnanzoffizier hinter ihm, und Professor Okong wurde wieder lebendig. Er fühlte sich irgendwie leicht im Kopf. Vielleicht hatte der Protokollchef am anderen Ende des Ganges einen Brandy in seinem Schrank. Er könnte einen Schluck gebrauchen.
Inzwischen hatte der Ordonnanzoffizier mit dem steinernen Gesicht, der ihn eben auf dem Flur überholt hatte, den Kabinettssaal betreten, hatte auf Befehl Seiner Exzellenz das zurückgehaltene Kabinett entlassen und den Generalstaatsanwalt zu Seiner Exzellenz beordert.